„Er wird unser Friede sein“

Die Weihnachtsgeschichte - eine Geschichte der Superlative

Predigttext: Micha 5,1-4a
Kirche / Ort: St. Stephanus Lübeck
Datum: 25.12.2004
Kirchenjahr: Christfest (1)
Autor/in: Pastor Heinz Rußmann

Predigttext: Micha 5,1-4a (Lutherübersetzung)

1 Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. 2 Indes läßt er sie plagen bis auf die Zeit, daß die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Söhnen Israel. 3 Er aber wird auftreten und weiden in der Kraft des HERRN und in der Macht des Namens des HERRN, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, so weit die Welt ist. 4 Und er wird der Friede sein.

Gedanken zur Predigt

Nachdem die Weihnachtsgeschichte am Heilig-Abend im Vordergrund stand und  am ersten Weihnachtstag der Festglanz und der Kerzenschein in den Augen der Kinder und der älteren Menschen schon abgeklungen sind, erscheint  es nicht einfach, das Geheimnis von Weihnachten neu und frisch zu verkünden. Leichter wird es dadurch, dass am ersten Weihnachtstag erfahrungsgemäß nachdenkliche Gottesdienst-besucher/-besucherinnen kommen, die für  theologische Überlegungen und neue, überraschende Gedankengänge aufgeschlossen sind. In einer Zeit, in der die Fantasy-Welle Mode ist und z.B. das Fantasy-Buch „Der Herr der Ringe“ in der Hitliste der beliebtesten Büchern erscheint, ist  m.E. das Thema aktuell,  dass - wie bei einer Heldensage - der Retter der Welt, Jesus Christus, schon  vorausgesagt und an einem abgelegenen Ort geboren wird. Bethlehem ist ja bekanntlich der  Heimatort des größten jüdischen Königs David, und Jesus ist über Josef nach Prof. Leonhard Goppelt sein Nachkomme.  Dass der Ablauf der  Evangelien im Wesentlichen nach dem Schema einer Retter- Heldensage aufgebaut ist, darauf hat in unseren Tagen Eugen Drewermann in „Tiefenpsychologie und Exegese“, Bd  1, hingewiesen. Auch wenn Jesus nach der Wissenschaft wohl in Nazareth geboren ist, für den Glauben ist er  im Stall in Bethlehem und als Davids-sohn geboren.  Es ergibt sich dann die Gliederung: 1. Der Retter-Held wird an abgelegenem Ort geboren. 2. Seine Herkunft reicht bis zu einem legendären König ( David ), und er hat darüber hinaus einen uralten göttlichen Auftrag. 3. Seine Retter-Aufgabe reicht bis an das Ende von Raum und Zeit. Bei der  Exegese  ist noch zu bedenken: Es ist umstritten, ob die Heilsweissagung von Micha, dem Zeitgenossen des Jesaja, stammt (um 701v.Chr.) oder um 587 v.Chr. oder sogar erst nach dem babylonischen Exil  formuliert wurde.  Möglicherweise sind die Verse 2. 3b. 4b. 5a sekundär, wahrscheinlich nur 4b.5a. Der Messias ist  in erster Linie als politischer Herrscher gedacht (s. die Kommentare).

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Heute ist das Weihnachtsfest noch nicht vorbei!  Deshalb  kommen wir  in diese Kirche, um Weihnachten noch einmal anders, besser und tiefer zu verstehen. Ganz gleich, ob wir im Kreis unserer Familie mit Kerzenglanz, Kinderaugen, gutem Essen oder mit Konflikten oder recht allein Weihnachten gefeiert haben, ich wünsche allen, dass etwas vom warmen Licht von der Krippe und dem Kind im Stall und dem Stern über Bethlehem Sie erreicht hat und weiter tröstet, wärmt und ermutigt.

I.

Bedenken möchte ich heute mit Ihnen, dass die Weihnachtsgeschichte eine Geschichte der Superlative ist! Gestern haben wir sie mit den Worten des Lukasevangeliums wieder gehört: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging…“  Niemand , auch kein/e Deutschlehrer/in, kann eine Geschichte nennen, die durch die letzten Jahrtausende und durch die Völker bekannter und populärer ist als diese!

Und die Weihnachtsprophezeiung des Propheten Micha, ungefähr siebenhundert Jahre vor Christi Geburt verkündet,  ist so umfassend, fantastisch und faszinierend, dass sie sogar  bekannte Fantasy-Romane wie z.B.  „Der Herr der Ringe“ übertrifft!  Sie reicht vom Anfang bis zum Ende der Welt und sie umfaßt alle Völker!  Der Messias/Christus Jesus, erscheint nicht nur bei einer akuten großen Not als Retter, sondern er lebt  vom Anfang der Welt und Zeit an bei Gott (Vers1).  Schon bei der Schöpfung ist er Gottes Sohn.

Die ganze Entwicklung der Erde  und des Lebens hat Bethlehem zum vorläufigen Ziel. Und die ganze Heilsgeschichte der Bibel von Abraham, Mose, König David bis hin zu den Weissagungen der Propheten läuft zusammen in der Geburt des Gottessohnes im Stall von Bethlehem.

II.

Eine spannende  Bestätigung erfährt diese Weihnachtsbotschaft heute durch die Wissenschaft. Naturwissenschaftler haben jetzt entdeckt, dass alle Naturgesetze und Naturkonstanten von Anfang an so intelligent aufeinander abgestimmt sind, dass eine Entwicklung vom Urknall bis zur Entstehung des Menschen möglich war. Wären die Anziehungskräfte im Weltall ein klein wenig größer, würde das ganze Weltall zu einem Gestirn zerklumpen. Wäre sie ein klein wenig schwächer, würde es im ganzen Weltall nur Staub geben. Es ist auch für Wissenschaftler vorstellbar, dass wir von einem intelligenten Schöpfer von Anfang an geplant worden sind. Und wir sind Ebenbilder Gottes!  Wir können heute die ganze Entwicklung betrachten, dem lieben Gott ein wenig in die Karten schauen und sogar Neues erfinden. In der Technik sind wir Weltklasse. Unsere Raketen treffen den Mond und das winzig kleine Erbgut können wir klonen und große Staaten organisieren. Wir haben aber einen erheblichen Schwachpunkt: Es fehlt uns an genügend Nächsten- und Feindesliebe.  Wir kommen bisher zu Versuchen von Gerechtigkeit. Aber das heißt gewöhnlich Vergeltung für Vergehen, Verteidigung und Krieg!  Im Rahmen der vermeintlichen Gerechtigkeit gibt es immer Gründe für Attentate auf Regierungen, und die haben genügend Gründe für eine vermeintlich gerechte Vergeltung.

III.

In Bethlehem begann ein neuer Abschnitt der Menschheitsgeschichte: Bis zur Vollendung der Schöpfung wird die Menschheit gegen falschen Egoismus und unbarmherzige Gerechtigkeit immer mehr brauchen, was Jesus in die Welt gebracht hat: Barmherzigkeit, Nächsten- und Feindesliebe. Der ewige Kreislauf der Blutrache, der endlose Kreislauf von Attentat und Vergeltung, von Angriff und Krieg,  wird durch Jesus beendet. Jesus bringt die Hoffnung auf Frieden!
Das sehen wir an seinem Leben damals im Heiligen Land! Von Bethlehem aus geht der Gottessohn sehr ähnlich wie bei einer Heldensage  seinen Weg, um allen Menschen den neuen Weg zu zeigen und vorzuleben. Der Held wird am  verborgenen Ort geboren. Arme wilde Hirten, die rauhen Cowboys ihrer Zeit, verstehen das besondere Zeichen Gottes. Aber auch esoterische Könige und Astrologen  kommen von weit her, um ihn anzubeten. Sogleich wird der künftige Retter von Dämonen bedroht.  König Herodes läßt aus Argwohn Kinder in Bethlehem brutal töten. Seine Eltern und Jesus  brauchen schon gleich die Hilfe eines guten Engels, um zu überleben.  Als Zwölfjähriger beweist Jesus schon seine Weisheit und Verbundenheit mit Gott bei den Schriftgelehrten im Tempel. Als Erwachsener trifft er seinen geistigen Lehrmeister. Der letzte Prophet der Bibel, Johannes der Täufer, wird sein  Seelenführer und tauft ihn für seinen großen Auftrag. Berufen durch Gottes Stimme bei der Johannestaufe  beginnt er sein intensives Engagement für Gottes Reich.

„Er wird unser Friede sein“, sagt schon der Prophet Micha voraus.  Und so bringt er Seelen-, Herzens- und äußeren Frieden zu den Menschen. Er versöhnt Menschen mit Gott, die mit ihm hadern. Er heilt den Besessenen von Gerasa, der in seiner inneren Zerrissenheit wie ein Urbild des modernen Menschen ist. Er verbietet den Jüngern Vergeltung und so Vieles mehr. Am Ende seines Wirkens zieht er in die Hochburg der Menschen ein, die ihn ablehnen. Er opfert sich auf für seine Überzeugung und Gottes Willen und flieht nicht in die Dunkelheit. Er wird getötet am Kreuz, aber sein Tod ist  der Durchgang zu seiner Auferstehung zu Gott.
Seitdem wirkt Jesus unter Menschen mit  seinem Geist der Feindes- und Nächstenliebe, so weit die Welt ist,   bis Gott am Ende, wie die Bibel sagt, alle Tränen trocknen wird.  Er wirkt  in der Kirche, aber auch bei weltanschaulich anders geprägten Menschen, die von seinem Geist ergriffen sind. Die Geburt Jesu in Bethlehem reicht also von der Schöpfung bis zur Vollendung der Welt am Ende der Zeit. Welch schöne und hoffnungsvolle Botschaft zum Weihnachtsfest 2004!
In Bethlehem kommt der große Gott im  Kind in der Futterkrippe im armen Stall zu uns Menschen. Der Gott der Bibel hat schon immer ein Herz für die Armen, Kleinen, Außenseiter und Schwachen. Er kommt als Armer in diese Welt. Durch seine Nähe und Liebe beschenkt er uns. Wir folgen Gottes Sohn, Jesus, nach, wenn wir uns in diesen Tagen um wenigsten einen Menschen besonders kümmern, der arm dran ist.  Denn wenn wir nur Menschen beschenken, die wir lieben und die uns mögen, und dazu noch mit dem selben materiellen Wert, den wir ungefähr zurückbekommen, dann ist das  nichts Besonderes. Wenn wir zu Weihnachten Jesus richtig  verstanden haben, dann besuchen wir z.B. einen einsamen Menschen. Wir schreiben einen Brief an einen Menschen, den wir aus den Augen verloren  haben. Wir reichen einem verbitterten Menschen die Hand, mit dem wir uns mal verkracht haben. Oder wir wenden uns einem Hilfsbedürftigen zu. Dann freut sich Jesus mit uns, dann hören wir den Lobgesang der Engel, dann ist Weihnachten, dann ist Friede.

Frohe Weihnacht!

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