Seebeben in Südostasien – Was soll ich predigen?

Predigttext:
Kirche / Ort: Providenz-Kirche / Heidelberg
Datum:
Kirchenjahr:
Autor/in: Pfarrer Heinz Janssen
Bedrängend stehen uns in diesen Tagen die Bilder des südostasiatischen Seebebengebietes vor Augen. Inzwischen sollen es über 50 Tausend Menschen sein, die von den Fluten überrascht und in den Tod gerissen wurden. Hunderttausende Überlebende trifft bitterstes Leid und Not, Trauer um ihre Angehörigen. Kyrie, Kyrie, eleison. Die Schlimme Katastrophe mit allem, was sie ausgelöst hat, in uns bewegt und aufwühlt, sie darf nicht vor den Kirchentüren bleiben. Wie gehen wir in unseren Gottesdiensten mit den Schreckensmeldungen um?  Wie nehmen wir sie in Liturgie und Predigt auf? Etwa in Verbindung mit der Theodizeefrage? Was bedeutet es, wenn wir im Glaubensbekenntnis „den Allmächtigen“ bekennen? Hätte Gott die Möglichkeit gehabt, die Katastrophe zu verhindern? Oder in Verbindung mit der Frage nach der Existenz Gottes? Hat es denn noch einen Sinn, von einem Gott zu reden, der wie in der biblischen Sinftlut- und in der Exodusgeschichte den Glauben und das Elend seiner Geschöpfe sieht und rettend eingreift? Auf die Stimmen möchte ich hören, die – nicht im heroischen und glaubensstarken Sinn, sondern voller Betroffenheit und Schwachheit – Gottes Liebe, sein empfindsames und mitleidendes Herz, gegen die bitteren Erfahrungen unserer Lebenswirklichkeit stellen. „In der Welt habt ihr Angst“, sagt Jesus, „aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden“. „Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes…“, heißt es in der Epistel zum Altjahresabend. Als eine solche mich nicht im Stich lassende Stimme möchte ich mit meiner Gemeinde auch den Tages- bzw. Wochenspruch hören: „Barmherzig ( = wie eine Mutter in ihren Schoß nehmend) und gnädig ist Gott, geduldig und von großer Güte“. Zurückhaltung will ich mir auferlegen, die Katastrophe deuten zu müssen, geschweige denn, ihr irgendeinen Sinn zu geben. Ich entscheide mich, nach dem Glockengeläut und noch vor dem  (Orgel-)Vorspiel eine Kerze anzuzünden, eine Kerze des Gedenkens, der Klage, des Hilfeschreies KYRIE ELEISON und zugleich der Hoffnung auf den Gott der Liebe, der in den Fluten mit untergeht, mitschreit, mitstirbt und seine Geschöpfe nicht allein lässt. In der Predigt halte ich es, um angesichts der Seebebenkatastrophe möglichen Missverständnissen zu entgegnen, für dringend geboten,  zumindest auf die bedingte Verheißung einzugehen: „Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen“, heißt es in V.15. Für das Verständnis dieser über zweieinhalbtausend Jahre alten Prophetenworte ist es sehr wichtig, die Situation zu bedenken, in die hinein sie einmal gesprochen wurden. Der Prophet Jesaja wollte sein Volk, das biblische Israel im 8.Jahrhundert v. Chr., zurückrufen auf den Weg der heilsamen Gebote Gottes. Diese Worte sind aber nicht angesichts einer herannahenden Naturkatastrophe gesagt, dass etwa man daraus schließen könnte, Gott hätte seine Hilfe verweigert. Eine Alternative zum Perikopentext ist die Jahreslosung, über die in vielen Gemeinden an Silvester und Neujahr gepredigt wird. Für das Neue Jahr 2005 stammt sie aus Lukas 22,32, es sind Worte Jesu: „Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre“. Meine Predigt über den Perikopentext lasse ich in diese ebenso tröstlichen wie ermutigenden Worte Jesu münden. Vielleicht entscheide ich mich aber doch noch für die Jahreslosung. Heinz Janssen, Pfarrer an der Providenz-Kirche in Heidelberg (Altstadt/City) redaktion@predigtforum.de

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