Trost finden in der Erkenntnis Gottes

Das Kreuz – einzig sichtbares Zeichen Gottes in der Welt

Predigttext: Matthäus 24,1-14
Kirche / Ort:
Datum:
Kirchenjahr: 2. Sonntag im Advent
Autor/in: Dietrich Bonhoeffer

Predigttext: Matthäus 24,1-14 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1912)

1Und Jesus ging hinweg von dem Tempel, und seine Jünger traten zu ihm, daß sie ihm zeigten des Tempels Gebäude. 2 Jesus aber sprach zu ihnen: Sehet ihr nicht das alles ? Wahrlich, ich sage euch: Es wird hier nicht ein Stein auf dem anderen bleiben, der nicht zerbrochen werde. 3 Und als er auf dem Ölberge saß, traten zu ihm seine Jünger besonders und sprachen: Sage uns, wann wird das alles geschehen ? Und welches wird das Zeichen sein deiner Zukunft und des Endes der Welt ? 4 Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Sehet zu, daß euch nicht jemand verführe. 5 Denn es werden viele kommen unter meinem Namen, und sagen: "Ich bin Christus " und werden viele verführen. 6 Ihr werdet hören Kriege und Geschrei von Kriegen; sehet zu und erschreckt euch nicht. Das muß zum ersten alles geschehen; aber es ist noch nicht das Ende da. 7 Denn es wird sich empören ein Volk wider das andere und ein Königreich gegen das andere, und werden sein Pestilenz und teure Zeit und Erdbeben hin und wieder. 8 Da wird sich allererst die Not anheben. 9 Alsdann werden sie euch überantworten in Trübsal und werden euch töten. Und ihr müßt gehaßt werden um meines Namens willen von allen Völkern. 10 Dann werden sich viele ärgern und werden untereinander verraten und werden sich untereinander hassen. 11 Und es werden sich viel falsche Propheten erheben und werden viele verführen. 12 und dieweil die Ungerechtigkeit wird überhandnehmen, wird die Liebe in vielen erkalten. 13 Wer aber beharret bis ans Ende, der wird selig. 14 Und es wird gepredigt werden das Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zu einem Zeugnis über alle Völker, und dann wird das Ende kommen.

Zum Predigttext Matthäus 24,1-14

Der Predigttext zum 2.Advent 2004, Matthäus 24,1-14, gehört zur fünften und letzten Rede Jesu im Evangelium nach Matthäus. Es geht in dieser Rede um die „Heilige Eschatologie“, die letzten Dinge („De novissimis“). Die jüdische Gemeinde wartet auf das Kommen des Messias, die christliche Gemeinde auf die Wiederkunft Jesu – Advent. Nach Nico ter Linden „teilen beide mit diesen Bildern denselben Glaubenstraum, dieselbe Zukunftserwartung: Dereinst wird der Menschensohn aus der Höhe herniederkommen, um auf Erden sein Reich von Frieden und Gerechtigkeit zu stiften“ (Es wird erzählt…, Markus und Matthäus sehen die Geschichte Jesu, Gütersloh 1999, S.282). Das Evangelium Matthäus 24,1-14 mahnt uns, nicht so zu leben, als sei die Welt unser eigen und als wären wir es, die in dieser Welt regieren. Es ruft uns auf, uns von den Verheißungen und Geboten Gottes leiten zu lassen und Gott, gerade in den schwersten Lebenssituationen und Zeiten über alles zu vertrauen, ihm zu glauben (vgl. Nico ter Linden, a.a.O., S.284). Auf der Suche nach einer historischen Predigt über Matthäus 24,1-14 stieß ich auf eine Predigt von Dietrich Bonhoeffer (24,6-14), die er als Abend-Predigt am Passionssonntag Reminiscere, den 21.Februar 1932, und zwar zum Volkstrauertag, in Berlin hielt. Die Predigt fand ich in: Dietrich Bonhoeffer, Gesammelte Schriften, Bd. IV, hg. von Eberhard Bethge, München 1961, S.34-44. Auszugsweise sei die Predigt hier zur Vorbereitung des zweiten Adventsgottesdienstes wiedergegeben, weil sie in ihrem Hauptteil von adventlichen Gedanken geprägt ist. Heinz Janssen redaktion@predigtforum.de

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Aus einer Berliner Predigt über Matthäus 24,6-14 von Dietrich Bonhoeffer (1932)

(S.38) „…Wer wäre so sicher, so restlos überzeugt von der heiligen Sache des Krieges, wenn er doch von dem Gebot des Friedens weiß, wenn er doch weiß, daß Gott ein Gott des Friedens ist, daß von Christus gesagt wird: Er ist unser Friede? Wer wäre nicht beunruhigt und fragt: was bedeutet das Geschehen von 1914-18, was bedeuten die Millionen toter deutscher Männer für mich, für uns heute? Wie redet Gott durch sie? Das heißt noch einmal ganz einfach gefragt: wie kann ich Gott, Christus und das Geschehen des Krieges zusammen denken? Soll ich sagen: es war eine Sache Gottes, oder soll ich verzweifeln und sagen: hier war Gottes Macht am Ende? Hier war Christus ferne?
Wir müssen uns bei solchen Fragen fest vornehmen – und was läge uns zu Beginn der Passionszeit näher? -, zuerst auf das zu sehen, was am Kreuz von Golgatha vorgegangen ist. Stellt sich hier nicht gen au dieselbe Frage, nur noch unvergleichlich schärfer und eindringlicher: wie kann ich das Kreuz und Gott zusammendenken? Und ist nicht grade hier die Antwort gegeben, die über der ganzen christlichen Botschaft steht: Christus geht durch das Kreuz, nur durch das Kreuz zum Leben, zur Auferstehung, zum Sieg? Das ist ja das Wunderbare, und viele Menschen so abschreckende Thema der Bibel, daß das einzig sichtbare Zeichen Gottes in der Welt das Kreuz ist. Christus wird nicht herrlich von der Erde zum Himmel entrückt, sondern er muß ans Kreuz. Und eben dort, wo das Kreuz steht, ist die Auferstehung nah; eben dort, wo alle an Gott irre werden, wo alle an Gottes Macht verzweifeln, da ist Gott ganz, da ist Christus lebendig nah. Wo es auf des Messers Schneide steht, ob man abtrünnig wird oder treu bleibt, dort ist Gott, ist Christus. Wo die Macht der Finsternis das Licht Gottes vergewaltigt, dort triumphiert Gott und richtet die Finsternis. So ist es auch, wenn Christus an den Tag denkt, der seiner Gemeinde bevorsteht. Seine Jünger fragen ihn nach den Zeichen seines Wiederkommens(S.39)nach seinem Tode. Dies ist nicht ein einmaliges Wiederkommen. Die Endzeit in der Bibel ist die ganze Zeit und jeder Tag zwischen Tod Christi und Weltgericht. Ja, so ernst, so entscheidungsvoll sieht das Neue Testament den Tod Christi.

Aber der Christus, der weiß, daß sein Weg ans Kreuz geht, weiß, daß auch der Weg seiner Jünger nicht herrlich und sicher geradezu in den Himmel hineinführt, sondern auch sie müssen durch die Finsternis, durch das Kreuz. Auch sie müssen kämpfen. Darum ist das erste Zeichen des Naheseins Christi – seiner würdig genug! -, daß seine Feinde groß werden, daß die Macht der Verführung, des Abfalls, der Untreue stark wird, daß seine Gemeinde hart an den Abgrund des Irrewerdens an Gott geführt wird. Das erste wird sein, daß seine Feinde sich hinter Christi Namen verstecken und nun unter dem Schein der Christlichkeit uns von ihm weglocken wollen. D. h., der Name “Christus” tut es nicht;

und wie leicht ist es, in Zeiten der Verwirrung wie heute, im Namen Christi gegen den wirklichen Christus zu kämpfen. Dann aber, wenn die Geister erst einmal verwirrt sind, werden die Mächte der Welt offen, unverhüllt losbrechen; die Gewalten, die die Jünger von ihm reißen wollen, die ihnen zeigen wollen, daß es Wahnsinn ist, mit ihm zu gehen; daß Christus keine Gewalt hat, sondern nur Worte; daß sie, die Mächte der Wirklichkeit, die Sprache der Tatsachen reden;

und diese Sprache ist überzeugender als die Sprache Christi. Die Welt rottet sich zusammen gegen den Geist Christi, die Dämonen empören sich; es ist ein Aufruhr gegen Christus. Und die große Macht der Empörung heißt: Krieg! Die anderen heißen Pestilenz und teure Zeiten. Also, Krieg, Krankheit, Hunger sind die Mächte, die Christus seine Herrschaft nehmen wollen und sie alle werden angestiftet von dem Erzfeind Christi, des Lebendigen, von dem Tod. Es wollte schon so scheinen, als sei mit Christus der Sieg errungen, Christus (S.40)habe den Tod bezwungen, aber nun schreien diese Mächte: Wir sind da, hier seht uns und erschreckt, wir haben Macht, unsere Macht ist uns nicht genommen. Christus hat nicht gesiegt, sondern wir siegen. Christus ist tot. Wir aber leben. Wir heißen Krieg, Krankheit, Hunger. Was laßt ihr euch von diesen falschen Propheten bezaubern, die von Frieden und Liebe, von Gott und seinem Reich sprechen; hier sind wir!

Und sie überfallen die Völker und reißen sie hinein und der Tod geht umher und hält große Ernte, er mäht Millionen dahin.
Und nun kommt das große Auseinanderbrechen der Christenheit, ihre Reiche werden zersetzt und zerrissen; es kommt die furchtbare Ratlosigkeit und Angst über die Nachfolger Christi. Sie müssen erkennen, daß all diese Angriffe im Grunde Angriff auf Christus und sein Wort sind; ja, daß dies Wort offenbar keine Macht gegen sie hat. Der vergangene Krieg hat Tausende, hat Millionen an Christus irre werden lassen und unter ihnen grade solche, die es ernst genommen hatten mit seinem Wort und sich nun so bitter enttäuscht sahen. Lest Kriegsbriefe, lest eine Zusammenstellung von Zeugnissen aus unserer Arbeiterschaft über Kirche und Christentum, die ein Berliner Pfarrer herausgegeben hat1. Da stehen diese Dinge, daß jeder sie lesen kann. “Der Krieg hat mir gezeigt, daß Christus nicht Recht hat”; “Der Krieg hat mir den Gottesglauben geraubt”; “Seit dem Kriege weiß ich, daß Glauben Wahnsinn ist”. Das sind klare Worte zu Krieg und Kirche Christi. – Es ist sehr pharisäisch, hier einfach zu sagen: Nun ja, die haben eben sowieso keinen rechten Glauben gehabt. Liebe Gemeinde, es gehört schon rechter Glaube dazu, um so deutlich zu spüren, daß einem der Glaube zerstört(41)ist. Und wer von uns wollte denn sagen, daß er so rechten Glauben habe, daß er ihm durch nichts, gar nichts mehr gefährdet werden könnte? Wenn einer meint, er habe solchen Glauben, so möge er doch sehr scharf darüber nachdenken, ob dieser Glaube nicht vielmehr Gleichgültigkeit geworden ist, die durch nichts mehr aus der Ruhe zu bringen ist. Also Vorsicht mit solchen pharisäischen Vorwürfen. Haben nicht auch jene Millionen ein Recht auf Christus gehabt, der ihnen entrissen worden ist? Was wollen wir dazu sagen, die wir doch selbst mit hineingerissen gewesen sind in dies Geschehen von 1914-18; mit Schuld daran haben, daß jenen ihr Glaube genommen wurde?

Von hier aus sehen sich die Dinge anders an. Was wären wir für eine selbstgewisse, harte Christenheit, wenn nicht auch über die Getreuesten, über die mit dem stärksten Glauben Ausgerüsteten unter solchen Umständen die namenlose Sorge käme, daß uns Christus entrissen wird, wenn nicht auch das wahre Volk Gottes bis ins tiefste betrübt würde und wenn nicht auch die geängstigte Gemeinde Christi über der Plage des Krieges schreien müßte: “Mein Gott, warum hast du mich verlassen?” Selbst Christus hat am Kreuz so geschrien und ist nach der Erzählung eines Evangelisten mit diesem Schrei gestorben. Oh, es ist allzu begreiflich, daß Millionen untreu wurden, daß unter so viel Haß ihre Liebe erkaltete. Es stünde wahrhaftig verzweifelt um uns, wenn nicht das Wort Christi da wäre: “Wenn das alles über euch kommt, sehet zu und erschrecket nicht! Das muß zuerst alles geschehen.” Jesus hat es seinen Jüngern so oft sagen müssen:

“Fürchtet euch nicht! Denn ich bin bei euch.” “Fürchte dich nicht, ich habe dich bei deinem Namen gerufen. . .” so sagt das Alte Testament. “Fürchtet euch nicht”, so rufen die Engel den erschreckten Hirten zu. “Fürchte dich nicht, glaube nur”, so sagt Jesus. “Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es ist des Vaters Wohlgefallen, euch das Reich zu geben.” “Wenn(S.42)ihr solches sehet, erschrecket nicht. Das muß zum ersten alles geschehen und das Ende ist noch nicht da.” Wir fragen: Warum muß das alles geschehen? Weil Christus selbst durch den Tod hindurch muß, weil da, wo Christus, wo Gott wirklich selbst ist, sich die Finsternis am furchtbarsten auflehnt und ihn selbst ans Kreuz schlägt. Darum müssen auch wir hindurch. Es muß das alles geschehen, damit das Ende kommen kann.

Gottes Weg in der Welt führt ans Kreuz und durchs Kreuz zum Leben. Darum erschreckt nicht, fürchtet euch nicht, seid getreu! Aber was heißt hier treu sein anderes, als Stehen und Fallen mit dem Wort Christi, mit seiner Predigt vom Reich des Friedens, als Wissen, daß Christi Worte trotz allem mächtiger sind als alle Gewalten des Bösen; was heißt hier Treue der Gemeinde Christi anderes, als in dies rasende Toben hinein immer wieder bis zum Ermatten, bis zum Ärgernis, bis zum Martyrium die Worte Christi rufen, daß Friede sein soll, daß Liebe sein soll, daß Seligkeit sein soll und daß er unser Friede ist und daß Gott ein Gott des Friedens ist. Und je mehr sie toben, desto mehr sollen wir rufen; und je mehr wir rufen, desto wilder werden sie toben. Denn wo wirklich das Wort Christi gesagt wird, da spürt die Welt, daß das entweder verderblicher Wahnsinn oder aber verderbliche Wahrheit ist, die ihr ans Leben geht. Wo wirklich Friede gesagt wird, da muß der Krieg doppelt wüten, denn er spürt, es soll ihm der Garaus gemacht werden. Christus will sein Tod sein.
Aber um so leidenschaftlicher, um so treuer wird die Kirche Christi zu ihrem Herren stehen und sein Wort vom Frieden predigen, ob es durch Schmähung, Verfolgung hindurchgeht. Sie weiß, auch ihr Herr hat ans Kreuz gemußt. Aber nun versteht sie auch die Verheißung, die Jesus für sie ist. Der Krieg wird nicht das Ende sein. Sondern er muß sein, damit das Ende kommt. “Es wird gepredigt werden das Evangelium (S.43)vom Reich in der ganzen Welt zu einem Zeugnis über alle Völker und dann wird das Ende kommen.” Hier nun weitet sich unser Blick, wird er hinaufgerissen zu dem Herrn, der alles lenkt, dem auch die Dämonen und Höllischen dienen müssen. Krieg, Krankheit und Hunger, sie müssen kommen, damit das Evangelium vom Reich des Friedens, der Liebe und des Heiles um so schärfer, um so klarer, um so tiefer gesagt und gehört wird. Die bösen Gewalten müssen dem Evangelium dienen, die Mächte der Feindschaft und des Gegentreibens der Völker müssen dienen, daß das Evangelium über alle Völker kommen und von allen vernommen werde, müssen dienen dem Reich, das allen Menschen gehören soll. Krieg dient dem Frieden, Haß dient der Liebe, der Teufel dient Gott, das Kreuz dient dem Leben. Und dann, wenn das offenbar werden wird, dann wird das Ende kommen; dann wird der Herr der Kirche seine Hand segnend und schützend auf sie legen, als seinen treuen Knecht…“

Dietrich Bonhoeffer, Berlin 1932

Nachgedacht – Zur Predigt von Dietrich Bonhoeffer über Matthäus 24,1-14 von Heinz Janssen

Wahrscheinlich aus Gründen des Kasus lässt Bonhoeffer den Predigttext erst mit V.6 beginnen „Ihr werdet hören Kriege und Geschrei von Kriegen…“, obwohl er auch die Verse 1-5 in die Predigt einbezieht. Der Prediger setzt mit dem Kasus des Volkstrauertags ein (S.34-38), den er am Schluss der Predigt nocheinmal aufnimmt (S.43f.). In diesen kasuell bestimmten Teilen fragt Bonhoeffer über die Feier- und Gedenkstunde hinaus nach dem Trost angesichts der Millionen Kriegstoten und des damit verbundenen unbeschreiblichen Leides.

„Trost finden … kann man nur in der Erkenntnis Gottes“ (34)Kirche, die im Evangelium gegründet ist, hat nach Bonhoeffer angesichts des Todes, den sich Menschen zufügen, „mehr zu sagen, weil sie mehr sieht“ (37)Der Krieg und seine Opfer stellen die Christen vor die Frage: „wie kann ich Gott, Christus und das Geschehen des Krieges zusammendenken? Soll ich sagen: es war eine Sache Gottes, oder soll ich verzweifeln und sagen: hier war Gottes Macht am Ende? Hier war Christus ferne?“ (38)Bei solchen Fragen sei „zuerst auf das zu sehen, was am Kreuz von Golgatha vorgegangen ist“ (38). Und die Frage stelle sich noch schärfer: „wie kann ich das Kreuz und Gott zusammendenken?“ (38)

Die Antwort findet Bonhoeffer in dem Weg Jesu, der durch das Kreuz zum Leben, zur Auferstehung, führte. Das einzig sichtbare Zeichen Gottes in der Welt ist darum für Bonhoeffer das Kreuz, „und eben dort, wo das Kreuz ist, ist die Auferstehung nah; eben dort, wo alle an Gott irre werden, wo alle an Gottes Macht verzweifeln, da ist Gott ganz, da ist Christus lebendig nah“ (38).

Wenn die Jünger Jesus nach den Zeichen des Wiederkommens nach seinem Tode fragen (V.3), so ist dies kein einmaliges Wiederkommen. „Die Endzeit in der Bibel ist die ganze Zeit… zwischen Tod Christi und Weltgericht“ (39). In dieser Zeit gilt es jeden Tag zu kämpfen, weil der Weg der Jünger Jesu wie der Weg Jesu selbst durch die Finsternis führt. „Darum ist das erste Zeichen des Naheseins Christi…, daß seine Feinde groß werden…, daß seine Gemeinde hart an den Abgrund des Irrewerdens an Gott geführt wird. Das erste wird sein, daß seine Feinde sich hinter Christi Namen verstecken und nun unter dem Schein der Christlichkeit uns von ihm weglocken wollen…Die Welt rottet sich zusammen gegen den Geist Christi…Und die große Macht der Empörung heißt: Krieg! Die anderen heißen Pestilenz und teure Zeiten“, sie, die angestiftet sind von dem Tod, dem Erzfeind Christi, wollen Christus, dem Lebendigen, die Herrschaft streitig machen (39). Obwohl Christus den Tod bezwungen hat, melden sich die Todesmächte mit Gewalt und überfallen die Völker.

Bonhoeffer entfaltet jetzt, wie die Gewalt der Todesmächte die Nachfolger Christi in „furchtbare Ratlosigkeit und Angst“ stürzt, sie an Gott und Christus zweifeln lässt, ihnen sogar den Glauben raubt, ihn zerstört (40). Bonhoeffer wendet sich gegen Vorwürfe, Menschen, die in solche Situationen geraten, den rechten Glauben abzusprechen, und charakterisiert solche Vorwürfe als „pharisäisch“ (40f.), „…wer von uns wollte denn sagen, daß er so rechten Glauben habe, daß er ihm durch nichts, gar nichts mehr gefährdet werden könnte?“ (41)Bonhoeffer hebt hervor, dass Christus auch dem gläubigsten Menschen „entrissen“ werden kann, und er erinnert an den Schrei „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, den nach Darstellung des Evangelisten Matthäus auch Jesus am Kreuz ausstieß. Im Hinblick auf die bitteren Kriegserfahrungen so vieler Menschen, die sich zuerst noch als Christen verstanden, ruft Bonhoeffer aus: „Oh, es ist allzu begreiflich, dass Millionen untreu wurden, daß unter so viel Haß die Liebe erkaltete“ (41). Dann fährt er fort: „Es stünde wahrhaftig verzweifelt um uns, wenn nicht das Wort Christi da wäre: ‚Wenn das alles über euch kommt, sehet zu und erschrecket nicht! Das muß zuerst alles geschehen’“ (41). Es ist das „Fürchte dich nicht“, das sich durch die ganze Bibel bis hin zu Jesus hindurchzieht (41f.).

Warum dies alles, so viel Schlimmes, geschehen muss?, fragt Bonhoeffer. „Weil Christus selbst durch den Tod hindurch muß, weil da, wo Christus, wo Gott wirklich selbst ist, sich die Finsternis am furchtbarsten auflehnt und ihn selbst ans Kreuz schlägt. Darum müssen auch wir hindurch. Es muß alles geschehen, damit das Ende kommen kann.“ (42)

In immer wieder neuen Varianten entfaltet Bonhoeffer, dass der Blick auf Gottes Weg Durchblick schafft und darum tröstet, aufrichtet, hilft. Leidenschaft und Treue zu ihrem Herrn fordert Bonhoeffer von der Kirche, die Predigt des Wortes Christi vom Frieden, auch und gerade angesichts von „Schmähung“ und „Verfolgung“ (42). Das Weltgeschehen zielt nicht auf Finsternis, Krieg, Krankheit und Hunger, sondern auf die Predigt des Evangeliums vom Reich Gottes in der ganzen Welt unter allen Völkern. Die bösen Mächte werden in den Dienst des Evangeliums genommen, „Krieg dienst dem Frieden, Haß dient der Liebe, der Teufel dient Gott, das Kreuz dient dem Leben“(43). Am Ende „wird der Herr der Kirche seine Hand segnend und schützend auf sie legen, als seinen treuen Knecht“ (43).

Heinz Janssen, Heidelberg

redaktion@predigtforum.de

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