Unsere gefolterte Erde soll unter dem Ewigen wieder aufatmen und aufleben
Predigttext: Jeremia 23,5-8 (eigene Übersetzung)
5 Schau, es kommen Tage, so spricht der Ewige, da will ich dem David einen gerechten Spross aufwachsen lassen. Der wird ein wirklicher König sein, Einsicht haben und gerechtes Urteil im Land machen. 6 In dessen Zeit erfährt Juda Hilfe, und Israel hat sichere Wohnung. Dies aber ist sein Name, mit dem man ihn ruft: „Der Ewige ist unsere Gerechtigkeit“. 7 Darum schau, es kommen Tage, so spricht der Ewige, da sagen sie nicht mehr: „So wahr der Ewige lebt, der die Israeliten aus dem Land Ägypten heraufgebracht hat!“, 8 sondern: „So wahr der Ewige lebt, der die Nachkommenschaft des Hauses Israel herauf- und hereingebracht hat aus dem Land im Norden und von allen Ländern, wohin er (ich) sie auseinandergejagt hat (habe), damit sie auf ihrem <eigenen> Boden wohnen.“Lieder:
Ihr Lieben Christen, freut euch nun (EG 6,1-3), Nun jauchzet, all ihr Frommen (EG 9,5), Die Nacht ist vorgedrungen (EG 16,1.3.4), Nun jauchzet… (EG 9,2-4 ), Macht hoch die Tür (EG 1,5)Liebe Gemeinde,
Der Countdown zur Katastrophe geht zu Ende
Jeremia hat von Gott eine unmenschlich schwere Aufgabe bekommen: Er muss den Countdown bis zur Vernichtung des Staates Juda Punkt um Punkt abzählen bis Null, bis die Chaldäer die heilige Stadt dem Erdboden gleichmachen und die Herren des Staates und fast alle Bürger der Stadt töten. Sie belagern gerade eben die Stadt. Jeremia hat die Eins gezählt, gleich ist die Null dran, und damit wird die vernichtende Schlacht beginnen, bei der die Mauern stürzen.
Da kommen sie, die Boten des Königs Zedekia, dessen Name auf deutsch heißt: „Der Ewige ist meine Gerechtigkeit“. Sie verlangen von Jeremia ein gutes Wort aus dem Mund Gottes. Aber er kann nur wiederholen, was er ihnen seit längerer Zeit bis zum Rand seiner Lebenskraft und zum Verlust seines Lebensmutes ausrichten hat müssen: „Weh euch Hirten, die ihr die Herde meiner Weide umkommen lasst und zerstreut!“ (V.1) „Schaffet Recht und Gerechtigkeit und errettet den Bedrücker von des Frevlers Hand und bedränget nicht die Fremdlinge, Waisen und Witwen und tut niemand Gewalt an und vergießt nicht unschuldiges Blut an dieser Stätte!“ (22,3)
Zu spät
Und da sie diesem Gebot ihres ewigen Herrn nicht gefolgt sind, gab es aus dem Mund Jeremias nur Gerichtsreden und Katastrophenankündigungen für sie. Nun schlottern ihnen die Knie. Bei ihnen, wie offenbar bei allen Menschen, die auf der sogenannten Sonnenseite des Lebens zu stehen kommen, scheint dieses die unheilbare Krankheit zu sein: dass ihnen zwar alles Nötige im Gesetz und den Propheten gesagt ist, um Unheil unter den Menschen und Völkern zum Heil umzuwenden, allein dass aber der Glaube und das Wahrmachen fehlt, und ihnen das Kapital und die Macht in ihren Händen süßer ist als wahre Gerechtigkeit und das Recht der Schwachen – bis eben die Eins gesagt ist und die Null bevorsteht. Aber dann lässt sich nichts mehr zurückdrehen. Die Katastrophe kommt wie der Punkt am Ende jedes Satzes.
Und doch: ein gutes Wort
Am Ende seiner Unheilsrede über die letzten drei Könige des Staates Juda, an der Stelle, wo man noch einmal eine Prophezeiung des Gerichtes über den dritten und letzten, den Zedekia, erwartet hätte, da sagt Jeremia das Wort, das wir vorhin gehört haben. „Schau!“ sagt er… Schau! – das ist Advent. Solange es für uns noch etwas zu schauen gibt, solange können wir Advent feiern. Viele unter uns schauen nichts mehr,
weil sie einsam geworden sind,
weil sie das Gefühl haben, ihr Leben sei an ihnen vorbeigegangen,
weil sie entdeckt haben, dass all ihre Mühe, Hektik, Anstrengung im Leben vergeblich war,
weil sie es an all die Dinge gehängt haben, die rosten, verderben, kaputtgehen.
Für die ist Adventszeit eine Zeit der Angst, des Zweifels, ja der Verzweiflung – mit dem Höhepunkt an Weihnachten. Wenn sie das „Schau!“ des Jeremia nicht mehr erreicht, dann sind sie verloren. Ist jemand unter Ihnen, liebe Gemeinde, dem es so zu gehen droht? Der höre:
Schau
„Schau, es kommen Tage…“ „Ja,“ sagen sie, „es mögen da schon noch ein paar Tage kommen, bis alles zu Ende ist. Aber was sind das schon für Tage? Das lohnt sich doch nicht mehr!“ – Nein, schau noch einmal auf! Es kommen Tage, „so spricht der Ewige“, der euch und all das gemacht hat, wovon ihr lebt, „da will ich dem David einen gerechten Spross aufwachsen lassen“. Schaut, es mag tiefster Winter für euch sein. Aber der Ewige will euch einen Frühling schicken, er will es nicht Winter auf eurer Erde bleiben lassen. Und mit diesem Frühling will er einen Spross aufwachsen lassen.
Sie alle erleben es Jahr für Jahr mit, liebe Gemeinde, wie das so ist – mit allen schönen Gefühlen – wenn die lebendige Erde von neuem aufbricht und die neuen grünen Spitzen der Pflanzen heraustreibt, wie sie dann immer weiter wachsen und schließlich im Sommer und Herbst ihre Früchte bringen: So will der Ewige seinen Spross in dieser kaputten Welt aufwachsen lassen.
Ein wirklicher König
„Der soll ein wirklicher König sein,“ nicht solche Könige, Präsidenten, Vorsitzende, Kanzler, wie ihr sie habt, die das Recht im Land so formen, wie es der Zahlungskräftigste brauchen kann – Leute, die sich von den Drohungen der Lobby erpressen lassen, die aus den Schwachen noch die letzten übrigen Cents herausquetschen und sie den großen Investoren noch zu ihren Gewinnen dazu in die Tasche schieben, die ihr Volk mit unhaltbaren Versprechungen bequatschen und mit Erfolgen prahlen, an deren Ursachen sie gar nicht beteiligt waren.
Nicht einen solchen wird euch der Ewige aufwachsen lassen, sondern einen wirklichen König, einen, vor dem jeder gleich behandelt wird als Schwester und Bruder und gleiches Recht bekommt, einen König, der die Schwachen und Elenden, die Witwen und Waisen und die Asylanten im Land wieder aufrichtet, einen König, der nicht zulässt, dass einer um ein paar Schuhe willen sein Leben verkaufen muss, ein König also, der Einsicht haben und gerechtes Urteil im Land schaffen wird. Solch einen Spross will der Ewige aufgehen lassen. Unsere gefolterte Erde soll unter ihm wieder aufatmen und aufleben.
Sein Name
Der Profet Jeremia verrät uns seinen Namen. Er ist eine Anspielung auf den Namen des letzten judäischen Königs Zedekia, für den man an der Stelle unseres Jeremiawortes zur Predigt ein Gerichtswort erwartet hätte. Zedekia heißt: „Der Ewige ist meine Gerechtigkeit.“ Dieser Zedekia hat seinen Namen missverstanden und so missbraucht, wie die Mächtigen unserer Welt bis heute ihre Macht missbrauchen – wie ich das alles gerade angedeutet habe. Er hat gemeint, Gott, der Ewige muss ihm sein Recht, das er sich herausnimmt, verschaffen. Und deswegen muss er jetzt zum Lohn in seine Katastrophe. Die Null beim Countdown wird soeben ausgezählt.
Doch der Name des Sprosses, den der Ewige aufwachsen lassen will, lautet: „Der Ewige ist unsere Gerechtigkeit.“ Da kann sich keiner mehr auf ein Missverständnis berufen. Der neue König des ewigen Herrn wird der König der vielen Schwachen und Elenden sein. Sie alle werden Hilfe erfahren und eine sichere Wohnung erhalten. Ihre Wohnung wird nicht durch persönliche Polizei-Schutzmannschaften gesichert sein, sondern durch Vertrauen, Vertrauen auf den Ewigen, von dem alles herkommt, und zu dem alles wieder zurückkehrt.
Er wird kommen
Jeremia selbst hat das wohl kaum glauben können, als er dieses Wort vom Ewigen erfährt, denn für ihn gab es die letzten Jahre seines Lebens nur totale Finsternis. Für viele, allzu viele unter uns ist das trotz des immer noch vorhandenen Wohlstands genauso. Aber dieses Adventswort ist das erste kleine, schimmernde Sternchen, das den Nebel der Nacht durchdringt und eine große Zukunft ankündigt.
Hören wir es, liebe Gemeinde, und schauen wir auf! Dann wird es bei uns Advent. Denn der lebendige Christus wird wiederkommen, und alle Welt wird erkennen, dass er dieser neue Spross des Ewigen ist, er, der zu ihrer Erlösung am Kreuz gelitten hat und gestorben ist. Sein Name wird einmal auf der ganzen Welt gehört: „Der Ewige ist unsere Gerechtigkeit!“
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne im Christus Jesus.
Amen