“Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre”, Lukas 22,32 – Jahreslosung 2005
Ermutigende Perspektive
Predigttext: Lukas 22,32 (Lutherübersetzung)
(Jesus Christus spricht:) Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.Gedanken zur Jahreslosung 2005
Beim Bedenken der Jahreslosung brachte mich der Kontext auf ermutigende Einsichten. Jesus hat für Petrus gebeten, dass sein Glaube nicht aufhöre. Hier ist nicht vom starken oder schwachen Glauben die Rede, sondern einfach vom Glauben - ein Fünkchen Glaube genügt. Vieles kann der Mensch verlieren, aber den Glauben/das Vertrauen will ihm Jesus unter allen Umständen erhalten. Die Übersetzung nach Martin Luther in der Revision von 1984 "Ich aber habe für dich gebeten..." ist der älteren Revision "Siehe, ich habe für dich gebeten..." vorzuziehen, sie ist dichter am griechischen Urtext (ego de edeaetaen peri sou...) und hebt das ganz andere von der Welt sich unterscheidende Handeln Jesu hervor: Ein Mensch kann zu mir sagen: Gib auf, du liegst am Boden, du bist am Ende. Jesus sagt: Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht erlischt. Ich bin vor Gott für dich eingetreten, dass du deinen Mut nicht verlierst... Unterstreichen möchte ich den "pro te"- Charakter der Jahreslosung, FÜR DICH. Und ich will sie auch als Einladung hören, für Menschen, die in schwierigen Lebenssituationen sind, zu beten. Mir wird anhand der Jahreslosung neu bewusst, wie wichtig in unseren Gottesdiensten die Fürbitte ist.“Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre”, diese Worte sprach Jesus am Abendmahlstisch, damals am Pesachfest in Jerusalem. Wir können uns die Begebenheit anhand der biblischen Geschichten vorstellen: Jesus mit seinen Jüngern beim Pesachmahl, welches das letzte im vertrauten Kreis sein sollte; wie Jesus über dem Brot und Kelch das Dankgebet spricht, wie er das Brotbrechen und das Ausgießen des Kelches auf seinen unmittelbar bevorstehenden Tod deutet und wie Judas nach einer Möglichkeit des Verrats sucht. Wie nach alledem ein Streit am Tisch ausbricht, “wer von ihnen als der Größte gelten solle” (Lukas 22,24). Jesus ergreift das Wort und verweist darauf, welches Maß in seinem Reich gilt. Sein Maß entspricht der Umkehrung der gängigen Regel bis heute: “Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen” (Jesaja 42,3). Jesus wendet sich Simon Petrus zu. Er kündigt ihm die Versuchung an, schwierige Zeiten, wie sie auch die anderen Jünger erleben werden. Dann die Worte Jesu: Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.
Wir wissen, Petrus hat sich versuchen lassen. Er weiß nicht mehr, was oben und unten, was richtig und falsch ist. Er, der Jesus überall hin folgen und ihn nie im Stich lassen wollte, verleumdet ihn, um vor den Verfolgern Jesu und seiner Anhänger das eigene Leben zu retten. Bald darauf sein bitterliches Weinen, als er merkte, was er Jesus angetan hatte (Lukas 22,62). Ihn hat Jesus zum “Menschenfischer” berufen (Lukas 5,1-11). Erst dieser Zusammenhang rückt die Hoffnung und das Mutmachende der Jahreslosung voll ins Licht.
“Ich habe für dich gebeten…” – wie nötig hatte Simon Petrus diese Fürbitte Jesu, auch wenn er es nicht wahrhaben wollte. Er wäre doch zu gerne der Größte in der Jüngerschar gewesen, bereit, für die Sache Jesu sein Leben hinzugeben. Alle Kräfte wollte er in seiner Vorstellung aufbieten und wurde – er, der Fels, wie sein Ehrenname Petrus bedeutet – auf einmal so zerbrechlich und schwach. Erkennen wir Menschen uns in diesem Petrus nicht wieder? Möchten wir nicht wie ein Fels in der Brandung sein? Wenn es aber wirklich darauf ankommt, sind wir da nicht plötzlich wie kleine Kieselsteine, die “herumkullern” und keinen Halt geben? Sich als Christ/Christin zu bekennen, wer äußert dies schon in der Öffentlichkeit und riskiert damit, belächelt zu werden? Vor Verfolgung um des Glaubens und unserer Überzeugung willen müssen wir uns – im Gegensatz zu den Menschen in anderen Ländern – in unserer Gesellschaft nicht gerade fürchten. Laufen wir hier nicht eher ins Leere, begegnen der Gleichgültigkeit oder mitleidigem Spott, wenn wir meinen, unseren Glauben zeigen zu müssen?
Die Zeiten sind nicht wie bei Simon Petrus. Aber dass wir wanken, durcheinandergebracht werden, so dass unser Glaube zu verschwinden droht, dies verbindet uns wiederum mit ihm. Wir könnten mit an dem Abendmahlstisch sitzen. Jünger und Jüngerinnen Jesu, felsenfest von unserer Dazugehörigkeit und Stärke überzeugt und dann wieder der Versuchung ausgesetzt. Da sagt einer: Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube, dein Vertrauen auf Gott, nicht aufhöre, auch wenn noch so viel dagegen spräche. Ein Mensch kann zu dir sagen: Gib auf, du liegst am Boden, du bist am Ende. Jesus sagt: Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht erlischt. Ich bin vor Gott für dich eingetreten, dass du deinen Mut nicht verlierst. Dass du dich aufrichten und in hoffnungsvoller Erwartung weitergehen kannst, weil ich mit Gott an dich glaube. Welch eine Gewissheit der Beziehung zwischen Gott und Mensch und welch einen Trost atmet die Jahreslosung! Welch eine ermutigende Perspektive für unsere christliche Kirche, die als “familia Dei” weiß, wo sie steht und wem sie sich verdankt!
Jesu Worte galten damals Simon Petrus, und sie gelten heute für uns. Dass wir uns doch auf den Wegen durch das Neue Jahr an Jesu FÜR DICH immer wieder erinnern lassen und daraus Vertrauen, Mut und Hoffnung schöpfen. Ich höre in der Jahreslosung noch eine Einladung: Einer hat für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre; so lege auch du mit deinem Gebet den gleichen Wunsch für einen Menschen, der es schwer hat, in Gottes Hand. Wie viele Menschen warten darauf, an jedem Tag des Neuen Jahres 2005.