Geduld für Gottes Wirken und Vertrauen, dass noch etwas Gutes wächst

Predigttext: Markus 4,26-29
Kirche / Ort: Krautostheim
Datum: 30.01.2005
Kirchenjahr: Sexagesimae (60 Tage vor Ostern)
Autor/in: Pfarrer Hermann Ruttmann

Predigttext: Markus 4, 26-29 (nach Klaus Berger / Christiane Nord: Das Neue Testament und frühchristliche Schriften)

Jesus sagte: „Mit der Herrschaft Gottes ist es so: Ein Mensch sät aus auf seinem Feld. Im Rhythmus von Tag und Nacht, von Schlafen und Wachen, lebt er dahin. Der Samen aber keimt, der Keim wird lang, der Mensch nimmt das alles nicht wahr. Denn das Fruchtbringen besorgt die Erde selbst, erst treibt sie den Halm, dann die Ähre, dann steht der volle Weizen auf der Ähre. Wenn die Frucht reif genug ist, schickt der Mensch gleich die Sichel, denn die Erntezeit ist da.“

Vorüberlegungen

1. Das Gleichnis scheint in einen ursprünglichen Block mit dem des Sämanns und dessen Deutung durch Jesus zu gehören – allerdings ist es nicht synoptisch, also markinisches Sondergut. 2. Als Gleichnis zum Gottesreich ist es auch nicht leicht zu verstehen – vielleicht ein Grund, warum es nicht gerade oben auf der Liste der Gleichnisse steht, die dafür herangezogen werden. 3. Wie Joachim Habbe (Palästina zur Zeit Jesu. Die Landwirtschaft in Galiläa als Hintergrund der synoptischen Evangelien, Neukirchen-Vluyn 1996) richtig schreibt: „Der Vegetationsvorgang wird hier korrekt beschrieben. Die Tätigkeiten des Bauern nach der Saat, wie das Einpflügen und das Jäten bleiben unerwähnt.“ 4. Ob Vers 29 später hinzugekommen ist und ob mit dem Schicken der Sichel das Schicken der Knechte gemeint ist, ist für die Predigt unerheblich – die Bildhälfte des Gleichnisses ist sehr klar. 5. Die Analogien zum Wachsen der Herrschaft Gottes gilt es herauszuarbeiten – da bietet es sich an, die eigenen Gemeindeverhältnisse mit zum Ausgangspunkt zu nehmen.

Kyriegebet:

Vater im Himmel, deine Herrschaft wächst im Verborgenen – aber durch uns sollen die Menschen sie sehen. Wir bekennen, dass wir in der vergangenen Woche zu selten Deine Botschafter waren und bitten Dich gemeinsam: Kyrie eleison (EG 178.9) Vater im Himmel, Du wirkst, dass Menschen an Dich glauben, Du wirkst, dass ihr Glaube zunimmt. Wir bekennen gemeinsam, dass wir auch in der vergangenen Woche zu sehr auf uns selbst vertraut haben und bitten Dich: Kyrie eleison Vater im Himmel, wir sind Deine Kinder und doch durch die Sünde getrennt vor Dir; wir bereuen, wo wir die Trennung vertieft haben in der letzten Woche und bitten Dich: Kyrie eleison

Gnadenzusage:

Gott, unser Vater, will, dass wir leben. Er hat uns verziehen und verzeiht uns immer wieder. Er ist Mensch geworden in Jesus Christus und hat so die Trennung zwischen Gott und Mensch, die Sünde, überwunden. Dafür danken wir ihm, aus seiner Gnade leben wir täglich. Amen.

Tagesgebet:

Gott, unser Vater, wir kommen zusammen in diesem Gottesdienst, um Kraft zu schöpfen: Kraft für unseren Alltag, Kraft für unsere Familien und unseren Beruf. Erschließe uns heute mit Deinem Geist die Kraftquelle Deines Wortes: Dass wir Mut, Freude und Menschenfreundlichkeit in ihm entdecken und mit nach Hause nehmen können. Das bitten wir Dich durch Deinen Sohn Christus Jesus, unsern Herrn. Amen.

Predigtlied:

„Stern, auf den ich schaue“ (EG 407)

Fürbitten:

Lasst uns beten: Gott, unser Vater, wir danken Dir dafür, dass Deine Herrschaft zunimmt, auch wenn wir es manchmal nicht sehen: Wir bitten Dich für uns alle: Schenke uns die Geduld, darauf zu vertrauen, dass Deine Botschaft in den Menschen keimt, aufgeht und Frucht bringt. Wir bitten Dich für Deine Kirche: Schenke Ihr Deinen Geist, dass sie den Boden bereitet für die Saat Deiner Herrschaft in jedem einzelnen Menschen, damit sie aufgehe, wachse und reife. Wir bitten Dich für alle Menschen, die Deine Herrschaft in ihrem Leben aus dem Blick verloren haben: Schenke Du ihnen zur rechten Zeit Menschen, die sie hinweisen auf das, was Du von uns Menschen willst. In der Stille bitten wir Dich um das, was uns bewegt… Wir beten zu Dir in den Worten Deines Sohnes: Vater unser im Himmel…

Segen (mit Worten eines irischen Segens):

Möge der Schöpfer der Welt, der dir das Leben gab, sich von den Toren des Himmels zu dir herabbeugen, um Dich zu segnen. Er segne Deinen Tag und deine Arbeit, er segne deinen Kopf und deine Füße, er segne dein Herz und deinen Mund, er segne deine Familie und das Vieh. Er lasse das Gras mit seinem Segen gedeihen und das Korn. Er segne auch deinen Nachbarn und den Kranken, den du nicht kennst. Er möge auch dein Alter segnen und deinen Tod. Denn nichts wächst und reift und wird Frucht ohne den Segen dessen, der über dich wacht und über die Welt. Und so segne und behüte dich Gott, der + Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

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Liebe Gemeinde,

1. Die Geduld des Bauern fehlt mir

vor drei Wochen sollte ich mich vorstellen beim Jugendgottesdienst in Bad Windsheim – drei Eigenschaftswörter durfte ich benutzen. Das erste und einzige, bei dem ich nicht nachdenken musste war: „Ich bin ungeduldig.“ Ich bin ungeduldig. Ich muss immer ziemlich schnell einen Erfolg sehen, den langen Atem, um auf Dinge zu warten, habe ich nicht gerade erfunden. Langes Warten auf etwas ist also nicht so mein Ding und deshalb ist es vielleicht auch besser, dass ich unseren Bauernhof zu Hause nicht übernommen habe. Das Warten vom Säen bis zur Ernte würde meine Geduld schon arg strapazieren. Bei den Winzern, bei den Obstbauern oder auch beim Miscanthus, der jetzt bei uns häufiger gepflanzt wird, ist es ja noch schlimmer: Erst immer die Geduld und die Spannung, ob die jährliche Ernte gut wird – und dann auch noch das Wachsen der Weinstöcke, der Obstbäume oder Miscanthus-Pflanzen über Jahre hinweg: Da braucht man schon Geduld.

Der Predigttext für den heutigen Sonntag nimmt so einen geduldigen Bauern in den Blick – Jesus hat ja immer versucht, die Lebenswelt seiner Zuhörer und Zuhörerinnen aufzunehmen und da hat die Landwirtschaft einen ganz besonderen Stellenwert: Das Gleichnis vom Sämann, der seinen Samen auf das Ackerfeld wirft, dasjenige vom Senfkorn, das zum riesigen Baum wächst, vom Weinbergbesitzer, der seinen Sohn zu den Pächtern schickt oder vom verlorenen Sohn, der sich seinen Anteil am Bauernhof auszahlen lässt – immer vergleicht er das Reich Gottes mit Vorgängen aus der Landwirtschaft. Heute nimmt Jesus den geduldigen Bauern in den Blick:

(Lesung des Predigttextes)

Die Gleichnisse Jesu haben ja immer zwei Teile: Das Bild und das, was mit diesem Bild für das Gottesreich ausgesagt werden soll. So auch bei diesem Gleichnis, das überschrieben ist mit der Überschrift „Von der selbstwachsenden Saat“. Das Bild aus der Landwirtschaft ist klar: Es passiert mehr, als wir wahrnehmen – der Bauer sät und lebt dann so dahin und unsichtbar geschieht das Wunder der Schöpfung: Das Weizenkorn keimt und bringt den Weizenhalm hervor, der bis zur Ernte reift. Dann kommt erst wieder der Bauer ins Spiel mit seiner Sichel. Soweit das Bild dieses Gleichnisses, kurz und knapp.

Das Bild soll aber nur auf das tiefere Verständnis der Herrschaft Gottes hinweisen: „Mit der Herrschaft Gottes ist es so:“ Es geht Jesus also darum, dass wir durch dieses Bild etwas von der Herrschaft Gottes verstehen – ich glaube auch, dass dieses Bild ein bisschen auf die Ungeduld der Jünger antwortet, denen es vielleicht so gegangen ist wie mir: Wann tut sich denn jetzt endlich was? Geht denn gar nichts voran? Jetzt sind wir so modern geworden als Kirchengemeinde und noch immer treten junge Leute aus. Jetzt singen wir neue Lieder im Gottesdienst, aber die Jungen kommen immer noch nicht öfter. Jetzt reden wir seit Jahren über das Abendmahl und noch immer ist es den Leuten zu oft. Jetzt reden wir seit Jahren und wandern mit Jesus durch die Gegend, aber noch immer sind wir nicht mehr. Noch immer bekämpfen uns die Oberen und noch immer glauben nicht mehr Leute an Gott. Jesus will unsere Ungeduld beantworten mit diesem Gleichnis: Gottes Herrschaft wächst, auch wenn Ihr es nicht merkt, auch wenn ihr es nicht seht.

2. Unsere Leistung ist es nicht, was das Reich Gottes voranbringt

Dieses Gleichnis ist ein sehr evangelisches, weil es uns darauf hinweist, dass wir mit unserer Leistung und unserem Arbeiten nicht immer richtig liegen: Die Herrschaft Gottes, das Gottesreich, wächst unsichtbar, von selber. Diese Vertrauen geht uns manchmal verloren, wenn wir planen und arbeiten, wenn ich an Predigten feile und an Formulierungen im Gemeindebrief – das Gleichnis ruft uns dazu auf, doch darauf zu vertrauen, dass es ein unsichtbares Wachstum gibt, weil die Botschaft Jesu eine Sprengkraft hat, die man mit dem Keim eines Weizenkorns vergleichen kann: Es setzt etwas frei, was viel größer ist als der kleine Anfang vermuten lässt: Wir können darauf vertrauen, dass es eben „selbstwachsend“ ist und nicht abhängt von unserer Anstrengung, von unserer Leistung, von unseren Formulierungen – noch nicht einmal von unseren Fehlern. Das Gottesreich wächst, unabhängig davon, was wir tun.

Wir als Kirche, als Kirchengemeinde, was haben denn dann wir noch zu tun? Zurücklehnen und – wie der Bauer in unserem Gleichnis – „im Rhythmus von Tag und Nacht, von Schlafen und Wachen dahinleben“ und dann wieder auftauchen zur Ernte? Nun hat sich zwar die Landwirtschaft ein bisschen verändert in den letzten 2000 Jahren und zwischen Palästina und Deutschland sind da auch noch ein paar Unterschiede, aber auch damals haben die Bauern sicher nicht nur geschlafen zwischen Säen und Ernten: Der Boden muss vorbereitet werden vor dem Säen, da muss ein Bauer das Gefühl aufbringen, wann gedüngt werden muss, vielleicht muss er bewässern während der Zeit des Wachsens, heutzutage muss er spritzen, um schädlichen Insekten und Pilzen keine Chance zu geben, früher ging man durch das Feld, um das Unkraut auszureißen. All das müssen wir auch als Kirchengemeinde, als Kirche insgesamt, tun: Es stimmt schon, dass die Herrschaft Gottes von selber wächst, dass wir Geduld dazu brauchen, auch wenn gerade mal kein Wachsen sichtbar ist: Aber den Boden muss gedüngt, vorbereitet und nachbereitet werden.

3. Was macht das Gottesreich aus?

Stellt sich die Frage: Worauf soll denn das Gleichnis hinweisen? Was ist das Ziel, das uns deutlicher werden soll? Was macht denn die Herrschaft Gottes aus? Die Herrschaft Gottes hat viel mit Menschen zu tun – zumindest ist es das, was Jesus gesagt hat: Ich gehöre zum Gottesreich, wenn ich meinen Nächsten liebe – genauso wie Gott und mich selbst. Ich gehöre zur Herrschaft Gottes, wenn ich andere Menschen als mir gleichgestellt annehme: egal, welche Herkunft sie haben, egal, welchen Beruf sie haben, egal, was sie besitzen. Ich gehöre zur Herrschaft Gottes, wenn ich mich nicht nur um die Starken kümmere, sondern auch die Schwachen im Blick habe: Die krank sind, die Hunger und Durst haben, die im Gefängnis sitzen, die Entwurzelten und die Einsamen. Ich gehöre zur Herrschaft Gottes, wenn ich Dinge tue, die mir nicht nur Lob einbringen und Ansehen, sondern mich auch mal in die Kritik stellen derer, die an dieser Welt hängen.

Ich will noch mal zur Ungeduld zurück – denn wo wächst denn die Zahl derer, die sich so verhalten, wie Jesus das gepredigt hat, schrumpfen wir nicht insgesamt zusammen als diejenigen, die zum Gottesreich gehören? Ich schlage vor, dass wir das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat übertragen auf das ganze Leben eines Menschen: Wächst die Herrschaft Gottes nicht auch in jedem Menschen so langsam wie bei einer Saat vom Säen bis zum Ernten? Können wir wirklich von allen Menschen erwarten, dass sie bereits im Mai dicke Weizenähren tragen? Dass sie mit 16, 17 tatsächlich die Ernsthaftigkeit aufbringen, um alles im Blick zu haben, was wir mit „Herrschaft Gottes“ oder „Gottesreich“ verbinden.

Ist es nicht eher so, dass wir alle in unserem Glauben eher so wachsen wie ein Weizenkorn, dass wir eben nicht schon nach der Konfirmation erntereif sind? Dass es Zeiten in unserem Leben gibt, wo wir eher untergetaucht sind wie ein Korn am Anfang seines Keimens, dass es dann Zeiten gibt, in denen wir mutig nach oben schießen, Sonne und Wasser gierig aufnehmen und dann gibt es Jahre, in denen wir uns im Wind wiegen, ohne dass jemand die Veränderungen feststellen kann? Und dann plötzlich zeigt sich, dass die Ähre schwer wird und vielfache Frucht auftaucht.

Dieses verborgene Wachsen bei unseren Kindern und Jugendlichen sollten wir mehr beachten, darauf vertrauen, dass manche Lieder weiterwirken, die wir gemeinsam gesungen haben im Kindernetz, im Kindergottesdienst, in der Konfirmandenzeit, manches schlummert eben auch in einem Menschen so ruhig wie das Weizenkorn in der Erde. Gottes Herrschaft wächst auch in einem Menschen heran, ohne dass wir das bemerken müssen – und vielleicht erntet erst der übernächste Pfarrer in Krautostheim, vielleicht erntet erst der übernächste Kirchenvorstand das, was wir heute gesät haben. Vielleicht sehen wir erst in ein paar Jahren den Erfolg unserer Gespräche und Predigten, wenn einer aufsteht, wenn jemandem Gewalt angetan wird und den anderen verteidigt, statt mitzumachen. Wenn einer ein Amt oder ein Mandat wahrnimmt, wenn einer in den Vereinsvorstand geht, weil es die Gemeinschaft erfordert, weil er sich eben nicht drückt. Da ernten wir dann vielleicht, was wir vor 10, 15 Jahren gesät haben.

4. „Mit der Herrschft Gottes ist es so…“

„Mit der Herrschaft Gottes ist es so“, damit leitet Jesus dieses Gleichnis von der selbstwachsenden Saat ein.

Ich wünsche uns als Gemeinde – und mir als Pfarrer – die Geduld, darauf zu vertrauen, dass diese Herrschaft Gottes eine selbstwachsende Saat ist, die nicht nur durch unsere Arbeit gedeiht, sondern vor allem durch die eigenen Anlagen.

Ich wünsche uns die Geduld, darauf zu vertrauen, dass der Glaube, die Teilnahme an Gottes Herrschaft auch im Leben eines Menschen wächst wie ein Weizenkorn vom Frühjahr bis zum Herbst wächst.

Und ich wünsche uns als Gemeinde, dass wir die rechten Wege einschlagen in unserem Gemeindeleben, dass wir die Saat seiner Herrschaft begleiten durch Düngen und Unkrautausreißen, aber auch durch neue Wege!

Gott schenke uns seine Liebe, Jesus seine Gemeinschaft und der Heilige Geist seine Begleitung dazu.

Amen.

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