“Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre” – oder: “Aufgehoben in der Liebe und Gnade unseres Gottes”

Jahreslosung 2005

Predigttext: Lukas 22,32
Kirche / Ort: Schriesheim
Datum: 31.12.2004
Kirchenjahr: Altjahresabend
Autor/in: Pfarrerin Eva Beisel

Predigttext: Lukas 22,32 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

(Jesus Christus spricht:) Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.

Vorbemerkung

Die Predigt wurde bereits am 19.12.2004 bei einer Mitarbeiter/-innenfeier in Schriesheim/West gehalten.

zurück zum Textanfang

Das alte Jahr ist noch nicht vergangen, und ich denke bereits an das kommende und an die Losung des Jahres 2005. Christus spricht: Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre (in der früheren Revision der Übersetzung Martin Luthers: “Siehe, ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre”). Vielleicht möchte ich auch ganz einfach zu den ersten gehören, die über diese Jahreslosung nachdenken, denn sie begleitet mich schon lange. Das Wort aus dem Lukas-Evangelium ist für mich keine Neuentdeckung. Irgendwann habe ich es gelesen, und seitdem habe ich es vielen von Ihnen nach dem Abendmahl mit auf den Weg gegeben. Als Ermutigung und als Trost.

Seit dem 2. Advent ist es auch einer der beiden Ordinationssprüche unseres früheren Lehrvikars. Ich habe ihm dazu ungefähr Folgendes geschrieben: “… Oft haben wir beide darüber gesprochen, was wir für einen wunderbaren Beruf haben. Aber es ist auch ein gefährlicher Beruf. Denn das, wovon wir leben, haben wir nicht in der Hand.”

Was ist eigentlich Glaube?

Und nun weg von uns Pfarrern/Pfarrerinnen, das Wort ist ja kein Pastoren/Pastorinnenwort, auch wenn es zunächst einmal zu Petrus gesagt ist. Nur: Wenn es schon zu Petrus gesagt ist, dann doch erst recht auch zu uns. Wenn Jesus sich schon um den Glauben des Petrus kümmern muss – und der Glaube des Petrus war bekanntlich nicht klein – um wieviel mehr wird Jesus sich dann auch um unseren Glauben kümmern. Ich finde das tröstlich. Ich möchte das Wort in drei Zusammenhänge stellen, davor aber fragen: “Was ist eigentlich Glaube? Wofür setzt sich Jesus ein, wenn er bei Gott für unseren Glauben eintritt?” Ich habe eine schöne Antwort gefunden. Da schreibt einer, wohl zu dem Hirten seiner Seele: “Was ich bei Ihnen suche, ist die Art und Weise, die Dinge in die Hand zu nehmen – wie man in diesen Tagen vielleicht eine Christbaumkugel in die Hand nimmt,- um sie hin- und herzuwenden, um das Schöne und das Hässliche an ihr zu entdecken und zu betrachten, ohne eines davon fallen zu lassen, sondern jedes Einzelne zu benennen, im ruhigen Hinschauen und in dem Glauben und dem Wissen darum, dass beides, das Hässliche und das Schöne, aufgehoben ist in der Liebe und Gnade unseres Gottes.”

Glaube ist eine Haltung, ein Eingestelltsein des Herzens. Es ist das Glück, das Schöne und das Hässliche, das Gelungene und das Misslungene, das Verfehlte und das Erfüllende, diese Welt mit ihren tausend Plagen, und mein Leben mit all seinem Jammer, aber auch mit seiner Freude, aufgehoben zu wissen in der Liebe und Gnade unseres Gottes.

Die Geschichte vom Sturm auf dem See

Und nun wieder zu Petrus. Im Lukas-Evangelium hat er schon einiges hinter sich, bevor Jesus zu ihm sagt: “Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre”. Er hat genau diese Erfahrung hinter sich, wie es nämlich ist, wenn der Glaube aufhört: Petrus weiß: Wenn der Glaube aufhört, geht der Mensch unter. Und das ist schrecklich. Aber verloren ist er deswegen noch lange nicht.

Ich denke an die Geschichte vom Sturm auf dem See. Petrus meint, Jesus zu sehen. Er hört ihn rufen. Und Petrus geht, – übers Wasser und durch die Gefahr. Aber dann wird ihm auf einmal bewußt, was er da tut, er sieht die Wellen, und er erkennt die Gefahr, und er verliert den Glauben. Petrus geht unter. Er wäre wohl verloren gewesen, wenn Jesus ihn nicht gepackt hätte. Eine wichtige Geschichte für uns. Denn sie lehrt uns: Nicht unser Glaube rettet uns, sondern der, der uns aus dem Wasser zieht und die Wogen glättet. Eine wichtige Geschichte auch für Petrus: Eine Lehre. Sie soll seinem Hochmut wehren. Immer, wenn er in Zukunft behaupten sollte, dass sein Glaube ihn trägt, wird sie ihm in den Sinn kommen. Nicht unser Glaube rettet uns. Sondern der, der uns aus dem Wasser zieht und die Wogen glättet. Petrus weiß, wie es ist, wenn der Glaube verloren geht. Er weiß, wie man sich fühlt, wenn man untergeht. Umso glücklicher wird er gewesen sein, als Jesus zu ihm sagte: “Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre”.

Die Nacht und der Morgen

Aber nicht lange währt sein Glück. Denn es folgt die Passion. Es folgt die Nacht, in der Petrus Jesus verrät. Es folgt der Morgen, an dem der Hahn kräht. Was ist jetzt das? Hat sich Jesus nicht gerade für den Glauben des Petrus einsetzen wollen, und schon verrät der ihn. Ist also das Gebet Jesu so wenig wert? Wenn es aber schon damals nichts wert war, was soll es uns dann heute helfen? Ich glaube es ist so: Das Gebet Jesu garantiert uns nicht einen durchgehenden Glauben. Es gibt Aussetzer. Bei Petrus ist er nur kurz. In der Nacht verrät er Jesus. Am selben Morgen noch fängt er an zu weinen. Sein Glaube lässt ihn weinen. Petrus weiß: Er hat versagt. Er ist gescheitert. Er hat getan, was er nicht tun wollte. Und jetzt weint er. Weil er sich schämt. Und weil er wieder glaubt. Aber kann er auch noch glauben, dass Gott ihn liebt, und dass wirklich alles: Das Schöne und das Hässliche, die Welt mit ihren tausend Plagen und sein Leben mit all seinem Jammer, aufgehoben ist in der Liebe Gottes?

Der Auftrag – oder: “Hast du mich lieb?”

Es braucht noch die dritte Geschichte. Da sitzen sie beide am See. Petrus: Seine Gedanken sind noch zurückgewandt, noch ganz gefangen in der Vergangenheit. Und Jesus: Er denkt schon weiter. Er ist schon bei dem Auftrag, den er Petrus mit auf seinen Lebensweg geben möchte. Aber erst muss er ihn noch lösen von dem, was war. Vielleicht muss er ihn auch von sich selber lösen. Der Auferstandene tut es in seiner feinfühligen und behutsamen Weise. “Hast du mich lieb?”, fragt er Petrus. Dreimal fragt er ihn das. Und mit jedem “Ja” des Petrus zieht er ihn wieder einen Schritt weiter in dieses Leben. Bis er am Ende so weit ist, dass er den Auftrag annehmen kann, Hirte zu sein, sich nicht zu sorgen um das eigene Leben, sondern für andere da zu sein. Petrus weiß, es ist ihm förmlich eingebrannt, wie es ist, wenn der Glaube verloren geht, er weiß, wie es ist, wenn der Glaube auch nur für kurze Zeit aussetzt, aber er weiß auch, dass sein Leben mit all seinem Jammer, und nun auch wieder mit seiner Freude und die Welt mit ihren tausend Plagen, aufgehoben ist in der Liebe und Gnade unseres Gottes.

Amen.

zurück zum Textanfang

Ihr Kommentar zur Predigt

Ihre Emailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert.