Leben aus der Vergebung

...damit heil zwischen uns werden kann, was zerstört war

Predigttext: Lukas 17,7-10
Kirche / Ort: Wertheim-Bestenheid
Datum: 23.01.2005
Kirchenjahr: Septuagesimae (70 Tage vor Ostern)
Autor/in: Pfarrer Jürgen Steinbach

Predigttext: Lukas 17,7-10 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

(7) Wer unter euch hat einen Knecht, der pflügt oder das Vieh weidet, und sagt ihm, wenn er vom Feld heimkommt: Komm gleich her und setz dich zu Tisch? (8) Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Bereite mir das Abendessen, schürze dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe; danach sollst du auch essen und trinken? (9) Dankt er etwa dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war? (10) So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.

Exegetisch-homiletische Vorüberlegungen

Beim ersten Lesen hat mich der Text geärgert, vor allem der letzte Satz, formuliert als kollektives Selbstbekenntnis: „Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren“. Wo, bitte schön, bin ich denn unnütz? Ich konnte diesen Satz nicht einordnen und machte mich auf die Suche nach dem Kontext, um von diesem her das von Jesus gewählte Alltagsbeispiel zu verstehen. Ich folge damit den Überlegungen von Prof. Dr. Christian Möller in den Göttinger Predigtmeditationen, 59. Jahrgang, Heft 1, 4. Vierteljahresheft 2004, S. 111-116. Als Thema, auf das die Predigtperikope zu beziehen ist ergab sich die „Vergebung der Sünden“ (Lk 17, 3b). Andere Predigtliteratur bleibt zu sehr auf die Perikope beschränkt. Weil sie den Kontext nicht wahrnimmt, muss sie deshalb ein „allgemein-theologisches Thema“ in den Text eintragen. (Vgl. Helge Adolphsen in den Pastoralblättern, Januar 2005, S 38 – 42: „Von der Freiheit der Knechte Gottes“, oder Annette Gebbers in den Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext, Zur Perikopenreihe III, S. 78 –83, die das Thema in drei Punkten entfaltet: „Wir stehen vor Gott mit leeren Händen da“, „Wir sind „Hausgenossen“ Gottes“, „Beten und Tun des Gerechten unter uns Menschen“). In der Predigt will ich die HörerInnen mitnehmen auf den Weg, wie sich mein Verständnis des Textes im Verlauf der Predigtarbeit entwickelt hat.

Lieder:

„Wie eine Fest nach langer Trauer“ (EG 666,1-3), „Mir ist Erbarmung widerfahren“ (EG 355, 1.3.4), „Sollt ich meinem Gott nicht singen“ (EG 325, 1)

Liturgische Texte

Kyrie  (Liturgie aus Iona, in: Sinfonia Oecumenica, S. 528 f) L: Du Gott der Barmherzigkeit, die wir getan haben und bedauern G: vergib uns L: Die Dinge, die wir unterlassen haben und die wir bedauern, G: vergib uns L: Alle Zeiten, in denen unser Handeln nicht von Liebe bestimmt war, G: vergib uns L: Alle Zeiten, in denen wir reagiert haben ohne nachzudenken G: vergib uns L: Alle Zeiten, in denen wir unsere Sorge und Fürsorge verkümmern ließen, G: vergib uns L: Alle Zeiten, in denen wir es nicht vermocht oder unterlassen haben zu vergeben, G: vergib uns L: Verletzende Worte, die wir gesagt, und hilfreiche Worte, die wir unterlassen haben, unvollendete Aufgaben, unerfüllte Hoffnungen, Gott aller Zeiten, G: vergib uns. Hilf uns, niederzulegen die Lasten unseres Versagens. Fürbittengebet (aus: http://www.zum.de/Faecher/evR2/BAYreal/akt/coventry.htm) An jedem Freitag wird um 12 Uhr in allen Nagelkreuzzentren das Versöhnungsgebet der Kathedrale von Coventry gehalten. Ich werde es in das Fürbittengebet aufnehmen und auch für die in der Predigt eingangs genannten Ehrenamtlichen in der Gemeinde danken: "Alle haben gesündigt und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten." (Römerbrief 3,23) Darum beten wir: Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse: VATER, VERGIB! Das habsüchtige Streben der Menschen und Völker, zu besitzen, was nicht ihr eigen ist: VATER, VERGIB! Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnützt und die Erde verwüstet: VATER, VERGIB! Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der anderen: VATER, VERGIB! Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Heimatlosen und Flüchtlinge: VATER, VERGIB! Die Sucht nach dem Rausch, der Leid und Leben zugrunde richtet: VATER, VERGIB! Der Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott: VATER, VERGIB! "Seid untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus." (Epheserbrief 4,23) Amen Als „Mitgebsel“ am Ausgang: Eine Kopie des Nagelkreuzes als Buchzeichen fürs Gesangbuch. Das Kreuz gibt es als Bild herunterzuladen bei: http://www.zum.de/Faecher/evR2/BAYreal/akt/coventry.htm

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Irritationen oder: Was Vorurteile anrichten

Zu gern wüsste ich, welchen Reim Sie sich auf das machen, was Sie gerade gehört haben. Welche Überlegungen Sie jetzt im Moment anstellen, um diesen Abschnitt aus der Bibel zu verstehen. Auch wenn ich neugierig bin: Ich frage Sie nicht. Vielleicht erkennen Sie aber einige Gedankengänge wieder, wenn Sie sich auf meine Reimversuche einlassen.

Ich hatte jedenfalls beim ersten Lesen ziemlich Mühe mit diesem Text. Vor allem die Knechte taten mir leid. Nach getaner Arbeit kommen die abgekämpft und müde nach Hause, da steht auch schon der Herr in der Tür und erteilt neue Befehle. Selbstverständlich erwartet der, dass sie seinen Anordnungen nachkommen. Schließlich hat er Hunger und Durst. Und es ist deren Aufgabe, dafür zu sorgen, dass er satt wird. Dank schuldet er den Knechten keinen. Denn das ist schließlich ihr Job.

So weit ist eigentlich dagegen auch nichts einzuwenden. Wenn ich nur nicht mit der Idee an diesen Text herangegangen wäre, dass darin das Verhältnis von uns Christen und Gott beschrieben wird. Gott, so dachte ich, sei der Herr, dem wir dienen, wie Knechte das tun und der uns keinen Dank schuldet.

Ja und dann hat mich der Schluss regelrecht irritiert, der uns das Bekenntnis in den Mund legt: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren. Ist es das, was Lukas uns sagen will? Dass wir von Gott keinen Dank zu erwarten haben? Und soll ich das von der Kanzel herunter den vielen Ehrenamtlichen in unserer Gemeinde sagen, die sich so über die Maßen einsetzen? Ich habe keine Antworten auf diese Fragen gefunden, die mich wirklich befriedigt haben und so habe ich das ganze noch einmal gelesen und bin auf eine neue Spur gestoßen.

Beobachtungen im Text

Wer unter euch hat einen Knecht, der pflügt oder das Vieh weidet, und sagt ihm, wenn er vom Feld heimkommt: Komm gleich her und setz dich zu Tisch? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Bereite mir das Abendessen, schürze dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe; danach sollst du auch essen und trinken? Dankt er etwa dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war? So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.

Diese Geschichte ist aus dem Alltag der Menschen gegriffen, für die Lukas damals sein Evangelium geschrieben hat. Eine Alltagsgeschichte, in der sich viele die sie lasen, wiederfanden. Sie sind wohlhabend, besitzen Land und Vieh. Und sie haben Knechte. Zwischen Herr und Knecht sind die Aufgaben klar verteilt: Der Herr bietet Unterkunft und Auskommen, der Knecht gibt dafür seine Arbeitskraft. Hart war das Leben des Knechts. Ihm wurde nichts geschenkt. Vor allem stand die Reihenfolge fest: Zuerst der Herr, dann der Knecht. Dankt der Herr etwa dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war? Auf diese Frage kann der Herr nur antworten: Nein, er dankt ihm nicht, dass er getan hat, was befohlen war. So weit, so bekannt.

Nun allerdings ändert sich etwas, denn was jetzt folgt leitet einen Perspektivenwechsel ein. Die Herren sind nämlich nicht ausschließlich Herren. Sie sind zugleich auch Knechte, und haben einem andern gegenüber dieselbe Position, wie die eigenen Knechte ihnen gegenüber.

Fragen über Fragen oder: Wer nicht fragt bekommt auch keine Antwort

Die Fragen, die sich nun stellen, bringen uns dem Verständnis des Textes ein Stück näher. Nämlich: Wem gegenüber sind die Herren als Knechte verpflichtet? Und was hat er ihnen befohlen? Beide Fragen können wir aus der Geschichte heraus nicht beantworten, weil sie ursprünglich nicht dazu erzählt wurde. In ihr wird ausschließlich das selbstverständliche Verhalten von Herr und Knecht beschrieben. Wollen wir eine Antwort bekommen, dann müssen wir diese im Umfeld des Predigttextes suchen. Tatsächlich werden wir fündig, wenn wir nur ein paar Zeilen im Evangelium zurückspringen. Dort wird zunächst von einer Bitte der Jünger berichtet. Sie bitten Jesus: Stärke unsern Glauben (Lukas 17, 5). Offensichtlich sind sie der Meinung, dass der nicht ausreicht, etwas Bestimmtes zu tun. Nur: Wozu brauchen sie ihn?

Das Thema – die Vergebung der Sünden

Die Jünger brauchen einen starken Glauben für die Vergebung der Sünden. Jesus hatte dieses Thema angeschnitten und befiehlt ihnen: Wenn dein Bruder sündigt, so weise ihn zurecht; und wenn er es bereut, vergib ihm. Und wenn er siebenmal am Tag an dir sündigen würde und siebenmal wieder zu dir käme und spräche: Es reut mich!, so sollst du ihm vergeben (Lukas 17, 3b).

Wie ein zerrissenes Tischtuch wieder heil wird

Für die Jünger klang das ziemlich schwierig. Sie waren nicht besonders zuversichtlich, dass ihnen das gelingen könnte. Man muss sich das ja auch mal vorstellen… Schon allein die Tatsache, dass ein einziger Mensch sieben Mal am Tag an mir sündigen würde, die würde mich so auf die Palme bringen, dass meine Neigung, ihm zu vergeben allerspätestens beim siebten Mal auf dem Nullpunkt wäre.

Wenn ich Jesus recht verstehe, dann meint er mit seinem Vergebungsbefehl nicht, dass ich alles ertragen muss, was mir ein anderer antut. Ich muss nicht demütig erdulden, wenn mir einer ständig gegen das Schienbein tritt. Auch einem Christen ist es erlaubt: Au! zu schreien. Wenn ich Jesus recht verstehe, dann meint er, ich soll dem vergeben, der nach so einem schmerzhaften Vorfall zu mir kommt und bereut, was er getan hat. Ich soll dem vergeben, der seine Schuld eingesteht und mich um Verzeihung bittet. Wenn einer also das Tischtuch zwischen sich und mir zerschnitten hat und dann darum bittet, dass aus beiden Teilen wieder ein ganzes wird, dann muss ich meinen Teil dazu beitragen. Sein Wunsch ist mir Befehl, damit heil zwischen uns werden kann, was zerstört war. Und wir wieder gemeinsam an einem Tisch sitzen können.

Der Versuchung nicht erliegen

Wenn ich in mich hinein höre, dann höre ich da nicht nur Zustimmung, sondern auch Widerspruch. Als ob da einer in mir säße, der mir einflüstert: Was, dem sollst du vergeben? Der hat doch selbst Schuld. Hätte er nicht angefangen…Du hast einiges eingesteckt, also hast du auch ein Recht darauf, beleidigt zu sein und die ausgestreckte Hand zu ignorieren. Diese Flüsterstimme hat recht, wenn sie meint: Schuld muss man als Schuld benennen. Sie muss auf den Tisch, damit man sie anschauen kann. Damit man Worte findet für das, was verletzt ist und es aussprechen kann: Das hast Du mit mir gemacht. Das will ich dir vergeben. Schuldvergebung gelingt deshalb nicht durch Schuldverdrängung. Kommt die Schuld unter den Teppich, kann man zwar über sie hinweggehen. Früher oder später aber stolpert man darüber.

Die Schuld muss auf den Tisch. Das ist auch für den Täter notwendig. Wenn er sie erkannt und dann als seine eigene Schuld an mir anerkannt hat, dann kann er mit mir leiden, darüber erschrecken, was er getan hat und sich schämen, wozu er fähig war. Ich habe das Recht darauf, beleidigt zu sein. Die Flüsterstimme hat Recht. Und doch liegt eine Versuchung in diesem Satz, nämlich die eigenen Wunden so zu pflegen, dass sie nicht heilen können. Etwa in dem ich sie immer wieder aufreiße. Es ist die Versuchung, dem Täter den Weg zurück in die Gemeinschaft zu verwehren. Ihn an dem Ort zu belassen, an den er sich selbst gestellt hat: Außerhalb derer, die das Gerechte tun.

Zur Sündenvergebung gibt es keine Alternative

Den Täter nicht wieder aufnehmen, das ist eine naheliegende Versuchung. Jesus weiß das und er setzt ihr etwas entgegen, indem er dem Täter eine neue Chance eröffnet. Sooft der will und den Schritt aus seiner Scham heraus auf sein Opfer zugeht. Jesus bietet seinen Nachfolgern zu diesen Schritten aufeinander zu keine Alternative an. So wie es für den Umgang zwischen Herr und Knecht keine Alternative gibt, so ist es auch zwischen Täter und Opfer. Und wenn er siebenmal am Tag an dir sündigen würde und siebenmal wieder zu dir käme und spräche: Es reut mich!, so sollst du ihm vergeben (Lukas 17, 3b).

Wie zwischen Herr und Knecht so sind auch zwischen Täter und Opfer die Aufgaben verteilt. Es liegt auf der Hand, was der eine und was der andere zu tun hat. Der Täter muss kommen und bereuen. Das Opfer muss ihm eine neue Chance zum gemeinsamen Leben geben.

Zwei Beispiele als zwei Seiten einer Medaille

– Die Nagelkreuz – Gemeinschaft von Coventry

Durch alle Zeiten hindurch haben Christen versucht, die Vergebung der Sünden zu leben. Ein Beispiel, das mich besonders beeindruckt, stammt aus unserer eigenen jüngeren Geschichte und ist Menschen gelungen, die Opfer waren. Es verbindet sich mit der Stadt Coventry in England. „Die Geschichte beginnt im Jahr 1940. In diesem Jahr wurde die Kathedrale von Coventry zusammen mit der ganzen Stadt durch deutsche Flieger zerstört. Zu Weihnachten, einige Wochen nach der Bombardierung, wurde (durch den Domprobst Richard Howard, Anm. J.S.) erklärt, dass die christliche Antwort auf dieses Geschehen nicht Rache, sondern Vergebung sein sollte.

Diese Erklärung von Coventry war der Anfang des Versöhnungsdienstes – zuerst gegenüber Deutschland und dann als Unterstützung des Friedens an vielen Orten der Welt. Symbol ist das sogenannte Nagelkreuz. Es wurde aus Eisennägeln aus dem 14. Jahrhundert hergestellt, die in den Ruinen der Kathedrale herumlagen. Ein junger Priester sammelte diese alten Nägel und machte daraus Kreuze, die in alle Teile der Welt geschickt wurden. In den Altarstein der Kathedrale sind die Worte: „Vater – vergib“, die Worte Jesu am Kreuz, eingemeißelt. Diese Worte sind zum Motto der weltweiten Nagelkreuz – Gemeinschaft geworden“ (aus: Sinfonia Oecumenica: Feiern mit den Kirchen der Welt, S.464 ff).

Was muss die Menschen in Coventry diese Bereitschaft zur Vergebung gekostet haben gegenüber Menschen, die versucht haben, sie umzubringen. Was schulden wir diesen – Menschen Dank für ihre Großherzigkeit, uns die Tür zu öffnen hinein in die Gemeinschaft mit ihnen. Und das zu einer Zeit, in der die Täter noch lange keine Reue zeigten.

– Das Stuttgarter Schuldbekenntnis

Erst viel später am 18./19. Oktober 1945 hat der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gegenüber Vertretern des Ökumenischen Rates der Kirchen in Stuttgart seine Mitschuld an millionenfachem Leid während der NS-Zeit erklärt. „Mit großem Schmerz sagen wir: Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. Was wir unseren Gemeinden oft bezeugt haben, das sprechen wir jetzt im Namen der ganzen Kirche aus: Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben. Nun soll in unseren Kirchen ein neuer Anfang gemacht werden …Daß wir uns bei diesem neuen Anfang mit den anderen Kirchen der ökumenischen Gemeinschaft herzlich verbunden wissen dürfen, erfüllt uns mit tiefer Freude. Wir hoffen zu Gott, daß durch den gemeinsamen Dienst der Kirchen dem Geist der Gewalt und der Vergeltung, der heute von neuem mächtig werden will, in aller Welt gesteuert werde und der Geist des Friedens und der Liebe zur Herrschaft komme, in dem allein die gequälte Menschheit Genesung finden kann. So bitten wir in einer Stunde, in der die ganze Welt einen neuen Anfang braucht: Veni creator Spiritus! (Komm, Schöpfer Geist!)” (aus: Evang. Gesangbuch, Ausgabe für die Evang. Landeskirche in Württemberg, S. 1510 f).

Beide Beispiele sind für mich ermutigende Zeichen, wohin wir kommen können, wenn wir unserer Verpflichtung zur Vergebung nachkommen. Sie verlangt Opfern und Tätern viel ab. Je größer die Schuld kostet sie vor allem die Opfer eine schier unmenschliche Kraft. Darauf machen uns die Jünger aufmerksam, die Jesus um die Kraft zur Vergebung bitten, weil ihr Glaube dafür zu schwach ist.

Leben aus der Vergebung meiner Sünden durch Gott macht stark für die Vergebung der Sünden von anderen

Die Jünger im Lukasevangelium ahnen noch nicht, dass sie auch zu Jesus in einem Täter – Opfer-Verhältnis stehen. Sie werden ihm gegen seine Verfolger nicht beistehen, sondern untertauchen. Selbst vor der Verleugnung werden sie nicht zurückschrecken. Sie werden ihn opfern, damit sie leben können und werden so an ihm schuldig. In diesen Zeiten der Scham und der Reue werden sie sich daran erinnern, dass Jesus selbst es war, der den Opfern die Vergebungsverpflichtung befohlen hat. Jetzt wo er selbst zu ihrem Opfer geworden ist, wird er ihnen auch vergeben?

Unter seinem Kreuz werden sie die Erfahrung machen, dass es auch für ihn zur Vergebung ihrer Sünden keine Alternative gibt. „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun“ (Lukas 23, 34). Diesen Satz werden sie hören und kaum glauben können. Und doch werden sie aus ihm leben können. Weil Gott sie wieder hinein nimmt in die Gemeinschaft mit sich. Das Tischtuch, das die Jünger zerschnitten haben, fügt Gott wieder zusammen und öffnet so eine neue Chance des Zusammenlebens an seinem Tisch. Für Jesus ist nur folgerichtig, dass die Jünger, die selbst aus der Vergebung ihrer Sünden leben, diese Vergebung auch andern zuteil werden lassen. Es ist so folgerichtig wie die Knechte in der Alltagsgeschichte das tun, was ihr Herr ihnen befiehlt.

Die Jünger können, wenn sie ihren Schuldnern die Sünden vergeben, dafür von Gott keinen Dank erwarten. Schließlich geben sie ihre eigene Vergebung nur an ihre Schuldner weiter, so wie Jesus es ihnen aufgetragen hat. Der einzige, der Dank verdient in dieser ganzen Sache ist Gott allein.

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