Wahrer Glaube

Jona, Salomo und Jesus

Predigttext: Matthäus 12,38-42
Kirche / Ort: Mosbach
Datum: 20.02.2005
Kirchenjahr: Reminiszere (2. Sonntag der Passionszeit)
Autor/in: Pfarrer Dr. Alexander Bitzel

Predigttext: Matthäus 12, 38-42 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Da fingen einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern an und sprachen zu Jesus: Meister, wir möchten gern ein Zeichen von dir sehen. Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und abtrünniges Geschlecht fordert ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden, es sei denn das Zeichen des Propheten Jona. Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoss der Erde sein. Die Leute von Ninive werden auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr als Jona. Die Königin vom Süden wird auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen; denn sie kam vom Ende der Erde, um Salomos Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr als Salomo.

Lied nach der Predigt:

"Holz auf Jesu Schulter" (EG 97,1-4)

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Liebe Gemeinde!

Beim ersten Lesen unseres Predigttextes dachte ich: Jesus hat einen ganz liebevollen Humor. Sich mit dem Propheten Jona zu identifizieren, das hat schon was. Ist doch Jona derjenige Prophet in Altisrael, der sich am stärksten gegen die Beauftragung durch Gott wehrt. Die Propheten sind ja allesamt nicht begeistert, als Gott sie in seinen Dienst ruft. Denken Sie nur an Mose. Doch Jona, der versucht nicht nur, Gott von seiner Beauftragung abzubringen. Am Ende ergreift Jona sogar die Flucht vor dem Auftrag Gottes! Das ist einmalig!

Jona macht sich aus dem Staub, kommt ans Meer, heuert auf einem Schiff an. Denkt, auf diese Weise dem Ruf Gottes zu entkommen. Kennt wohl Psalm 139 nicht, wo es heisst: Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äussersten Meer, so würde auch dort Deine Hand mich führen und Deine Rechte mich halten.

Genauso geschieht es bei Jona. Gott hält ihn in seiner Hand. Gott schickt einen Sturm aufs Meer. Jona weiss, dass der Sturm ihm gilt, dem Weglaufer, dem Neinsager. Jona lässt sich von den Seeleuten ins stürmende Meer werfen. Doch im Meer geht Jona nicht unter. Gottes Rechte hält ihn. Ein Fisch kommt angeschwommen und verschlingt Jona. Nach drei Tagen spuckt der Fisch Jona wieder an Land. Jona beugt sich dem Auftrag Gottes und tut, was Gott von ihm will.

Mit diesem Jona nun identifiziert sich Jesus. Wenigstens zum Teil. Denn Jesus ist nicht nur ein Prophet. Er ist mehr als das. Er verkündigt nicht nur das Wort Gottes. Er ist das Wort Gottes selbst.

Nicht nur mit Jona, sondern auch mit dem König Salomo setzt sich Jesus gleich. Auch Salomo war ein Mensch durch und durch. Sein Lebensstil – denken Sie nur an die unzähligen Frauen – war nicht gerade seriös, zumindest was unsere Vorstellungen anbetrifft. Dass Jesus sich mit Jona und Salomo gleichsetzt, zeigt: Jesus liebt seine Menschen. Er nimmt sie so, wie sie sind.

Salomo ist nach David der bedeutendste König in Israel. Bekannt ist er für seine Weisheit. Das salomonische Urteil ist heute noch ein Begriff. Die Weisheitssprüche Salomos sind ein Teil unserer Bibel. Salomos Weisheit war so berühmt, dass selbst die Königin von Saba den weiten Weg nach Jerusalem auf sich nahm, um Salomo mit Rätselfragen zu prüfen. „Und Salomo gab der Königin Antwort auf alles, und es war dem König nichts verborgen, was er ihr nicht hätte sagen können“ – wie es im 1. Buch der Könige heisst.

Auch mit diesem Salomo also identifiziert sich Jesus. Doch auch hier gilt: Jesus ist mehr als Salomo. Jesus ist mehr als ein Weisheitslehrer. Er ist die Weisheit Gottes selbst. Beides nun zu begreifen, einmal, dass Jesus mehr ist als ein Prophet; zum anderen, dass Jesus mehr ist als ein Weisheitslehrer, fällt uns Menschen seit jeher schwer. Aus diesem Grund kann es passieren, dass wir das Interesse an diesem Mehr verlieren. Wir sagen: Ja, ein toller Prophet war Jesus. Was er zu sagen hatte, das hatte viel mit Gott zu tun. Vielleicht waren Jesus sogar noch tiefere Einsichten in das Wort Gottes gegeben als anderen Propheten. Doch dass Jesus dieses Wort Gottes selbst war, soweit wollen wir nicht gehen. Im übrigen, auch die Muslime sagen: Jesus ist ein Prophet. Sagen wir also dasselbe und nicht mehr, dann haben wir eine gemeinsame Basis mit den Muslimen. Das ist in jeder Beziehung gut.

Dasselbe gilt für den Weisheitslehrer Jesus. Dass Jesus ein solcher war, kann nicht bezweifelt werden. Ein Satz wie „Wer unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“, ist ein Wahnsinnssatz. Wer könnte dieser Weisheit widersprechen? Niemand. Für diesen Weisheitslehrer Jesus könnten wir ausserdem jede Menge Menschen ausserhalb der Kirche gewinnen. Warum also sollten wir behaupten: Jesus ist mehr als ein Weisheitslehrer, Jesus ist mehr als ein Prophet. Das begreifen wir ohnehin nicht. Das bringt überdies nur Schwierigkeiten. Auch weil es uns dem Verdacht aussetzt, Absolutheitsansprüche zu stellen.

Wenn umgekehrt aber das Interesse an dem Mehrsein Jesu in uns lebendig ist, kann es geschehen, dass wir Beweise haben wollen für dieses Mehr. So wie die Pharisäer und Schriftgelehrten, die Jesus nach einem Zeichen fragen, das ihnen unmissverständlich deutlich macht: Ja, Du bist mehr. Du bist in der Tat das Wort Gottes und die Weisheit Gottes selbst.

Die Pharisäer und Schriftgelehrten verlangen hier einen richtig spektakulären Beweis. Sie wollen keine Heilungswunder sehen. Dass Jesus so etwas kann, wissen sie. Das hatten sie mit eigenen Augen gesehen. Unmittelbar vor der Szene nämlich, die unser Predigttext schildert, heilt Jesus einen Besessenen und einen Mann mit verdorrter Hand. Solche Heilungen sind im Israel der Zeit Jesu nichts Besonderes. Das können neben Jesus auch andere Wanderprediger. Die Pharisäer und Schriftgelehrten wollen etwas anderes sehen.

Doch was macht Jesus? Er verweigert jede Art von Beweisen. Das einzige Zeichen, dass er seinen Gesprächspartnern in Aussicht stellt, ist das Zeichen des Jona. So wie dieser Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn, also Jesus, drei Tage und Nächte im Schoss der Erde sein.

Jesu Gesprächspartner dürften enttäuscht gewesen sein über dieses rätselhafte Jonazeichen. Was soll das sein? Damit können sie nicht viel anfangen. Doch mehr als das Jonazeichen sehen zu wollen, ist böse und abtrünnig, ist ein Beleg für Unglauben, sagt Jesus. Derjenige, der einen Beweis haben will dafür, dass in Jesus Gottes Wort und Weisheit in die Welt gekommen sind, der glaubt nicht, vertraut nicht auf Jesu Wort. Und derjenige, der dem Wort Jesu nicht vertraut, unterscheidet sich grundlegend von den Menschen in Ninive, denen Jona predigt. Diese nämlich liessen sich ganz ohne grosse Zeichen zur Buße rufen, also zum neuerlichen Gottvertrauen.

Alles, was die Einwohner Ninives vor Augen hatten war Jona, der Prophet wider Willen. Alles, was sie hörten, war ein ganz dünnes Predigtchen mit folgendem Wortlaut: Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen. Dieses Sätzchen des Jona in Ninive ist ohne Frage die kürzeste Predigt in der ganzen Bibel. Und wenn ich die letzte Woche im Bauch eines Fisches verbracht hätte, hätte ich wohl auch nicht länger predigen können. Doch der eine Satz, den Jona sagt, genügt vollkommen. Mit diesem Satz, lustlos vorgebracht und alles andere als ein spektakuläres Ereignis, ruft Gott die grosse Stadt Ninive zur Umkehr. Das ist wahrer Glaube, sagt Jesus. Denn das ist Glaube, der aus dem Hören kommt. Glaube, der keine grossen Zeichen verlangt.

Ganz ähnlich verhält es sich bei der Königin von Saba. Von ihr heisst es, dass die von Salomo eine Kunde vernahm. Mehr nicht. Auf´s blosse Hörensagen hin unternahm sie die strapaziöse Reise nach Jerusalem. Auch diese Königin hatte keinen Beweis dafür, dass sie in Jerusalem einen weisen König treffen würde. Auch sie handelte auf pures Vertrauen hin. Brauchte keine Zeichen.

Unsere Situation gleicht derjenigen der Einwohner Ninives und der der Königin von Saba. Wir sind genauso wie sie aufs Hören angewiesen. Und mit den Pharisäern und Schriftgelehrten verbindet uns, dass wir, wenn wir über das Hören hinaus ein Zeichen sehen wollen, nur das Jonazeichen haben.

Wir ahnen zwar, was es mit dem Jonazeichen auf sich hat. Wir ahnen, was gemeint ist, wenn Jesus sagt: Drei Tage und drei Nächte wird er im Bauch der Erde sein. Wir merken, dass Jesus mit dem Jonazeichen auf seinen Tod und auf seine Auferstehung vorausweist. Beides, Kreuz und Auferstehung, sind Ereignisse, die uns die Bibel in bunten Farben vor Augen malt. Das Jonazeichen steht uns darum ein wenig deutlicher vor Augen als den Pharisäern und Schriftgelehrten, die von Jesu Tod und Auferstehung noch nichts wissen konnten. Doch diese Deutlichkeit macht die Sache für uns nicht leichter. Es ist ja nicht so, dass man Kreuz und Auferstehung nur betrachten müsse und dann gar nicht anders könnte als zu glauben. Kreuz und Auferstehung sind für uns zunächst Ärgernisse und Thorheiten. Sie sind keine unwiderlegbaren Beweise dafür, dass Jesus Gottes Wort und Gottes Weisheit ist. Zumindest können wir sie von Haus aus nicht als solche anerkennen. Dafür fehlen uns die Antennen. Allein wenn Jesus Christus uns die Augen öffnet für das Jonazeichen, können wir erkennen, wer am Kreuz gestorben und an Ostern auferstanden ist.

Am besten scheint mir nun: Wir betrachten Jesu Kreuz und Jesu Auferstehung zugleich. Wie das gehen kann? Sie kennen vielleicht die wunderbaren Passionskreuze aus dem Mittelalter. Auf denen sieht man einen gekreuzigten Christus. Zugleich sieht man, wie aus dem Kreuz grüne Zweige und Ranken wachsen. Diese Passsionskreuze aus dem Mittelalter zeigen, dass das Kreuz auf Jesu Schulter der Baum des Lebens ist. In solchen Kreuzen haben wir es bildlich vor uns, das Jonazeichen: Jesus stirbt, liegt drei Tage im Schoss der Erde, nur drei Tage, danach kehrt er zurück in ein neues Leben. Für uns. Für die Welt.

Amen

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