Von Worten, Taten und rettenden Ufern

Auferstehung in Szene gesetzt

Predigttext: Johannes 21, 1-14
Kirche / Ort: Fellbach
Datum: 03.04.2005
Kirchenjahr: Quasimodogeniti (1. Sonntag nach Ostern)
Autor/in: Pfarrerin i.R. Stefanie Schäfer-Bossert

Predigttext: Johannes 21, 1-14 (Übersetzung nach Martin Luther, revidierte Fassung 1984)

1 Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so: 2 Es waren beieinander Simon, Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. 3 Spricht Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts. 4 Als es aber schon morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, das es Jesus war. 5 Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. 6 Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten’s nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische. 7 Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser. 8 Die anderen Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen. 9 Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot. 10 Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! 11 Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht. 12 Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern aber wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. 13 Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt`s ihnen, des gleichen auch die Fische. 14 Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.

Zu Liturgie und Predigt

Der Predigttext ist eine Geschichte – und zwar eine lange, die aber einmal am Stück durchlaufen können sollte. Deshalb möchte ich sie bereits in der Schriftlesung zu Gehör bringen. Die Predigt kann sie dann abschnittsweise noch einmal vortragen und vertiefen, die verschiedenen Schritte ausmalen. In der Geschichte wird die Auferstehung zurück ins Leben – aber nicht als Verdrängung - in Szene gesetzt, das ließe sich so nachvollziehen. So kann Quasimodogeniti Ostern vertiefen – nicht lehrhaft, und die Auferstehung war als solche ja an Ostern Thema gewesen. Die Schriftlesung kann also eingeleitet werden: Die Schriftlesung des heutigen Gottesdienstes ist der Predigttext. Es ist eine Geschichte, eine nachösterliche Geschichte, die der Evangelist Johannes im 21.Kapitel seines Evangeliums erzählt. Zwischen Lesung und Predigt steht ohnehin nur ein Lied, als diese „Überleitung“ schlage ich vor: „Liebe ist nicht nur ein Wort“ (EG 650, 1-3, Anhang Württemberg). Falls dies nicht als Lied zugänglich ist, kann uU der Text als Einstieg in die Predigt gelesen werden (Eckart Bücken 1973): Liebe ist nicht nur ein Wort, Liebe, das sind Worte und Taten. Als Zeichen der Liebe ist Jesus geboren, als Zeichen der Liebe für diese Welt. Freiheit ist nicht nur ein Wort, Freiheit, das sind Worte und Taten. Als Zeichen der Freiheit ist Jesus gestorbenen, als Zeichen der Freiheit für diese Welt. Hoffnung ist nicht nur ein Wort, Hoffnung, das sind Worte und Taten. Als Zeichen der Hoffnung ist Jesus geboren, als Zeichen der Hoffnung für diese Welt. Lied nach der Predigt: „Jesus lebt, mit ihm auch ich“ (EG 115,1.2.5.6) Schlusslied: „Bewahre uns, Gott“ (EG 171, 1-4)

Literatur

Kathrin Fuchs, Quasimodogeniti, in: Werkstatt für Liturgie und Predigt 2/1999, S. 73-79.- entwurf. Religionspädagogische Mitteilungen. Auferstehung, H.1/2 2001 (dort S. 2 das Gedicht von Kaschnitz).- Lucia Sutter Rehmann/ Sabine Bieberstein/ Ulrike Metternich (Hg.), Sich dem Leben in die Arme werfen. Auferstehungserfahrungen, Gütersloh 2002.- Stefanie Schäfer-Bossert, Ostermontag (28. März ): Lukas 24,36-47a, Leiblich auferstehen, in: Für Arbeit und Besinnung (aub) 6/2005, S. 9-17.

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Liebe Gemeinde,

… nicht nur ein Wort, nicht nur Worte, auch Zeichen und Taten, das ist das Thema unseres heutigen Predigttextes. Wir haben die Geschichte ja bereits gehört, sie erzählt viel mehr von sprechenden Taten als von deutenden Worten.

Vielleicht haben Sie sich kurz gewundert: Die Geschichte vom Fischzug kennen wir doch eigentlich vor allem vom Anfang des Wirkens Jesu, als Berufung, Menschenfischer zu werden. Umso schöner ist es, dass Johannes am Ende seines Evangeliums das Selbe berichtet, nach Ostern. Schöner kann man’s fast nicht zeigen, dass in Jerusalem nicht alles aus ist, dass die Geschichte Jesu auch und gerade nach Ostern weitergeht oder gar neue Anfänge nimmt! Dass es bei Auferstehung nicht nur um eine Sache „nach unserem Tod“ geht, sondern dass Jesu Auferstehung uns auch in unserem jetzigen Leben trifft und in neue Hoffnung mitnehmen will.

1 Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so:
2 Es waren beieinander Simon, Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. – also: die Fischer –
3 Spricht Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot.

Arbeit ist die beste Medizin! Was liegt nicht alles hinter diesen Fischern: die Verhaftung Jesu, der Prozess, die Hinrichtung, der Tod. Da wird es duster. Es gab schon die Zeichen, dass mit dem Tod Jesu nicht alles vorbei ist, Begegnungen mit ihm als dem Auferstandenen, aber so ganz verinnerlicht ist das wohl noch nicht – zu groß der Schock und Wandel. Und, seien wir ehrlich, das sitzt bei uns auch nicht ein-für-alle-Mal. Deshalb ist es erst einmal ein gutes Zeichen, ein Zeichen der Rückkehr ins Leben statt eines ängstlichen Sich-Verkriechens, dass die Jünger nun etwas anpacken, den Alltag wieder zulassen. Man muss etwas tun, kann nicht mehr tatenlos herumsitzen, will versuchen, ob sich nicht so die Normalität irgendwie wiederherstellen lässt. Aber: So ganz geht das nicht auf.

3b Und in dieser Nacht fingen sie nichts.

Und das, obwohl der See Tiberias als sehr fischreich gilt. Die Geschichte erzählt zum einen so sachlich wie ungeschönt: Misserfolge gehören zum Leben. Das ist einfach so. Das gehört zum Alltag. Auch wir erfahren das oft mehr oder weniger schmerzhaft: Da müht man sich ab, doch auf Erfolg oder Anerkennung wartet man vergeblich. Da wird man arbeitslos und findet trotz guter Qualifikation keine Arbeit. Wer kennt das nicht, auf irgendeine Weise: Was hoffnungsvoll begann, bleibt im Dunkel. Zum andern ist eine weitere Pointe, darüber hinaus: Kann man einfach nach einschneidenden Erlebnissen zur Tagesordnung übergehen? Irgendwie war das eher Betäubung, Arbeit um des Arbeitens willen, egal, was dabei herauskommt. Viel war’s nicht, was auch an dem Versuch liegen kann, damit das wegzuschieben, was einen eigentlich umtreibt. Da sollte besser doch noch eine Begegnung mit genau dem stattfinden.

4 Als es aber schon morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, das es Jesus war.
5 Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein.

Nacht und Dunkel sind vorbei, und das natürlich auch im übertragenen Sinn. Jesus spricht sie an. Kinder, habt ihr nichts zu essen? Er fragt sie gerade nicht, ob sie heute Nacht nichts gefangen hätten. Es ist nicht die Rede von seinem Tod und seiner Auferstehung, nichts davon, was er noch vorhat, warum er zu ihnen kommt, was er von ihnen will. Das hat er ja auch schon oft genug gesagt, sie waren so lange bei ihm, sie können und müssten es wissen. Er gibt sich ihnen auch nicht zu erkennen als der Auferstandene, er erscheint ihnen einfach als einer von ihnen. Und so erkennt man ihn ja oft nicht – einfach als jemanden von uns. Dabei ist im Grunde ja auch das das Wunderbare: Jesus als einer von uns. Jesus fragt sie also nach dem Nächstliegenden. Denn er weiß, dass sie hungrig sind, vor allem hungrig nach einem Licht in ihrer Dunkelheit; hungrig nach einem tröstenden Wort, gesprochen in ihre Trauer; hungrig nach einer Ermutigung, gesprochen in ihre Zweifel; hungrig nach einem Auftrag, gesprochen in ihre Bewegungslosigkeit; hungrig nach einer Zukunftsperspektive, gesprochen in ihre Mutlosigkeit.

6 Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden.

Das erste Mal war die Mühe umsonst, ein Leerlauf. Und jetzt geht’s doch ums „Finden“. Aber nicht im alten Trott, der war soeben erfolglos, sondern reichlich unerwartet: Normalerweise ist es sinnlos, tagsüber fischen zu wollen. Und rechts oder links ist eigentlich beim Fischen egal. Hier kehrt sich also einiges um: Das Normale funktioniert nicht mehr, natürlich dann, wenn man es am meisten bräuchte, aber: Was man gar nicht erst versuchen will, so erfolglos scheint es, das schlägt Jesus vor. Hinter dem Auftrag, das Netz auf der rechten Seite auszuwerfen, kann man eine Frage lesen. Rechts wird nämlich als Glücksseite betrachtet. Also wäre die Frage: „Auf welcher Seite sucht Ihr denn? Auf der dunklen oder auf der hellen?“ Und: Die Fischer tun’s, ohne große Diskussion lassen sie sich darauf ein. Zu verlieren haben sie in der Tat wenig. Ob sie seinem Versprechen, seiner Verheißung „So werdet ihr finden“ vertrauen? Ob sie spüren, dass da mehr zu holen ist als Fische?

6b Da warfen sie es aus und konnten’s nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische.

Ein wunderbarer Überfluss – obwohl alles so schlecht ausgesehen hatte: Jesus nicht mehr bei ihnen, und die alte Normalität auch erfolglos. Jetzt gehen dem ersten die Augen auf:

7 Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser.

Jetzt zieht es den Petrus, der sich doch aus Frust und Trauer in die Arbeit stürzen wollte, an ein rettendes Ufer! Er vertauscht die Arbeitskleidung – in seinem Fall ist das sinnvollerweise möglichst wenig, und auch im übertragenen Sinn stand er ziemlich nackt da – mit dem Gewand, in dem man Menschen begegnet, und wenn’s auch nass wird. Auch die anderen kehren, mitsamt dem vollen Netz, schleunigst ans Land zurück. Wo Jesus ist, mit Nahrung für ihren Hunger.

9 Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot. 10 Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt!

Statt nackt und bloß, traurig und hungrig, gibt es das, woran man kaum mehr glauben konnte: Das rettende Ufer. An dem sich Gottesgabe und menschliche Arbeit vereinen, auch die nun gefangenen Fische werden gewürdigt. Und es geht nichts mehr schief:

11 Simon Petrus (…) zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht.

12 Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern aber wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. 13 Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt’s ihnen, des gleichen auch die Fische.

Da knistert eine Spannung – es gäbe so viele Fragen, wer der Jesus nach Ostern denn nun ist, wie es in Zukunft werden soll, in der Zukunft, die man fast aufgegeben und nun wiedergewonnen hat…

Aber die Hauptantwort ist gerade diese wiedergewonnene Zunkunft, diese wiedergewonnene Zuversicht, diese wiedergewonnene Gemeinschaft mit Jesus. Das ist so oft kaum zu fassen, zu deuten, zu erfragen und zu verstehen – aber es kann erlebt und gelebt werden.

Der Alltag steht im Licht von Ostern. Quasimodogeniti – quasi wie neu geboren, aus dem Trott des Alltags heraus, des oft erfolglosen, wird man gestärkt und genährt auch für den Alltag. Das ist die Ostererfahrung, und die lässt sich immer wieder neu machen, als Auferstehung ins Leben.

Marie Luise Kaschnitz:

Auferstehung

Manchmal stehen wir auf
Stehen zur Auferstehung auf
Mitten am Tage
Mit unserm lebendigen Haar
Mit unserer atmenden Haut,

Nur das Gewohnte ist um uns.
Keine Fata Morgana von Palmen
Mit weidenden Löwen
Und sanften Wölfen.

Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken
Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus.

Und dennoch leicht
Und dennoch unverwundbar
Geordnet in geheimnisvolle Ordnung
Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.

Amen

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