Den laxen Christen auf den Pelz gerückt

Der Ruf zum Fest des Lebens kann mich an jedem Ort erreichen

Predigttext: Matthäus 22,1-14
Kirche / Ort: Holzhausen b. Leipzig
Datum: 5.06.2005
Kirchenjahr: 2. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrerin Ursula Bürger

Predigttext: Matthäus 22,1-14 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

1 Und Jesus fing an und redete abermals in Gleichnissen zu ihnen und sprach: 2 Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete. 3 Und er sandte seine Knechte aus, die Gäste zur Hochzeit zu laden; doch sie wollten nicht kommen. 4 Abermals sandte er andere Knechte aus und sprach: Sagt den Gästen: Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet, und alles ist bereit; kommt zur Hochzeit! 5 Aber sie verachteten das und gingen weg, einer auf seinen Acker, der andere an sein Geschäft. 6 Einige aber ergriffen seine Knechte, verhöhnten und töteten sie. 7 Da wurde der König zornig und schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an. 8 Dann sprach er zu seinen Knechten: Die Hochzeit ist zwar bereit, aber die Gäste waren's nicht wert. 9 Darum geht hinaus auf die Straßen und ladet zur Hochzeit ein, wen ihr findet. 10 Und die Knechte gingen auf die Straßen hinaus und brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute; und die Tische wurden alle voll. 11 Da ging der König hinein, sich die Gäste anzusehen, und sah da einen Menschen, der hatte kein hochzeitliches Gewand an, 12 und sprach zu ihm: Freund, wie bist du hier hereingekommen und hast doch kein hochzeitliches Gewand an? Er aber verstummte. 13 Da sprach der König zu seinen Dienern: Bindet ihm die Hände und Füße und werft ihn in die Finsternis hinaus! Da wird Heulen und Zähneklappern sein. 14 Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.

Exegetische und homiletische Einführung

Es gibt drei Textfassungen dieses Gleichnisses: Mt 22,1-14; Lk 14,16-24 und Thomasevangelium Logion 64. Es scheint die Ausleger immer wieder zu reizen, dieses Gleichnis zu aktualisieren. Die Lukasfassung kommt wohl der jesuanischen Urfassung am nächsten. Das Eigentümliche der Matthäusfassung: Ein orientalischer König lädt Gäste zum Hochzeitsmahl seines Sohnes ein. Aber alle schlagen die Einladung aus. Die zweite Einladung zieht eine gesteigerte Verblendung nach sich: Die Königsboten werden verhöhnt und sogar getötet. Der König sendet daraufhin seine Truppen aus, läßt die Mörder umbringen und die Stadt anzünden. Der König sendet zum dritten Mal Boten aus, die nun beliebiges Volk hereinbitten. Da geschieht ein nichterwartetes Nachspiel: Der König prüft die Kleidung der Gäste und läßt den, der kein frischgewaschenes Gewand anhat, hinauswerfen. Der abschließende Warnspruch verallgemeinert den einen Fall: Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt. Dieses Gleichnis ist nur zu verstehen, wenn man die weiterspinnende und allegorisierende Gleichniskomposition und -interpretation begreift. Die Ermordung der Boten, der Kriegszug des Königs, das Niederbrennen der Mörderstadt, bezieht sich nach allgemeiner Überzeugung der Ausleger auf die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr. durch die Römer unter Titus. Mit „König“ ist im Gleichnis Gott gemeint, der für seinen Sohn, den Messias, an die himmlische Festtafel einlädt. Die erste Botengruppe sind die Propheten des alten Bundes. Die zweite Botengruppe sind judenschristliche Missionare. Die Erstgeladenen sind das Volk Israel. Die Zweitgeladenen sind die Heiden. Wollte das ursprüngliche Gleichnis den einzelnen Hörer zur Entscheidung rufen, so stellt das allegorisierte Gleichnis den geschichtlichen Abriß des Übergangs von der Juden- zur Heidenmission dar. So schließt es sich sachlich und wohlüberlegt an die vorausgehenden Gleichnisse von den beiden Söhnen (21,28-32) und von den bösen Winzern (21, 33-44) an. Dieser israelkritischen Note – die Ersteingeladenen kommen nicht – steht die Kritik an der möglichen christlichen Überheblichkeit entgegen. Die christliche Gemeinde, die im Festsaal Versammelten, ist aber eben auch ein corpus mixtum und als solches alles andere als vollkommen (Gemeindeerfahrung der christlichen Gemeindeleiter): kein hochzeitlich Gewand. Das bedeutet: Wer sein Christsein nicht sichtbar macht, hat genauso mit dem Ausschluß vom Heil zu rechnen, wie die zuerst Eingeladenen, das sich dem Heil verschließende Israel, für das Matthäus keine Hoffnung mehr kennt. Zwei Probleme birgt dieser Text: 1. Die polemisch-israelkritische Tendenz und 2. Der Trend zu einem gesetzlichen Christentum. Zu 1: Diese Tendenz sollte nicht weitergeführt werden, auch wenn man meint, damit der rätselhaften Tatsache, daß sich das Volk Israel bis heute in der Mehrheit dem Evangelium verschließt, Herr zu werden. Es ist die Frage, ob wir geschichtliche Ereignisse als spezielle Gottesstrafen für Israels Nein zum Evangelium werten dürfen. Nach Auschwitz dürfte sich das verbieten. Zu 2: Die ermahnende Tendenz des Nachsatzes weist darauf hin, daß Christsein sichtbare Entsprechungen im Leben des einzelnen Christen, des Festteilnehmers, haben muß. Das ist zu predigen, ohne in ein gesetzliches Christentum zu verfallen.

Literatur:

Günter Haufe in EPM Bd.II 1986/87, S.223-226.

Liedvorschlag:

EG 250,1,2+5 Ich lobe dich von ganzer Seele

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Liebe Gemeinde!

Jesus wandert mit seinen Freunden durch Galiläa und hat Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen. Er redet mit ihnen, erklärt, was es mit Gott und der Welt auf sich hat, wie sie es sich vorzustellen haben, wenn Gottes Reich anbricht. Wie wird es sein, wenn die Posaune erschallt? Wie und wo werden die Menschen dann ihren Platz haben? Jesus erzählte Geschichten, Vergleiche, wie man sich Gott und seine Herrschaft vorzustellen habe. So hat er auch ein Gleichnis erzählt, in dem Gott als Königsvater seinem Sohn die Hochzeit ausrichtet und die geladenen Gäste bittet zu kommen. Diese denken nicht daran, die Einladung anzunehmen. Sie gehen weiter ihren Dingen nach. Beim zweiten Versuch der Einladung töten sie sogar die Diener des Königs. Da nimmt der König einen dritten Anlauf und lädt die von den Hecken und Zäunen ein, die auch gerne einmal eingeladen werden möchten. Diese kommen, und das Fest findet statt.

So ähnlich hat Jesus das erzählt, um seinen Zuhörern deutlich zu machen: Gottes Fest kommt, ob die zuerst eingeladenen kommen oder nicht. Wenn die, die es eigentlich wissen müßten, wie herrlich das Leben in Gottes Festsaal ist, nicht kommen, dann ergeht die Einladung an die anderen, die nicht mehr damit gerechnet hatten, daß jemand sie noch will, geschweige denn zu einer Hochzeit einlädt. So hat Jesus erzählt.

Inzwischen sind 50 Jahre vergangen. Nach der Auferstehung sind christliche Gemeinden entstanden, und Matthäus erlebt wahrscheinlich eine Gemeinde, die meint, Hauptsache am Tisch sitzen, Hauptsache getauft, denn Gott ist grenzenlos gütig, ethische Verpflichtungen erwachsen daraus nicht. Wer getauft ist, muß sich um christliche Lebensführung keine Gedanken mehr machen. So verschärft Matthäus das Gleichnis vom einladenden König und rückt damit den laxen Christen auf den Pelz. Diese Gedanken sind uns gar nicht so fremd und haben uns in unserer Gemeindepraxis auch schon zu schaffen gemacht.

Es ist undenkbar, die Einladung an die königliche Tafel nicht anzunehmen – geschieht aber doch

Es ist eigentlich undenkbar, daß man die Einladung an die königliche Hochzeitstafel einfach ignoriert. Gründe werden keine genannt. Sie wollten nicht kommen. Vielleicht dachten sie: Meine Termine sind jetzt wichtiger. Zu der Einladung ist später noch Zeit. Wenn ich Rentner bin…Versetzen wir uns in die Rolle der Einladenden. Kennen wir nicht auch diese Erfahrung: Wir laden ein, und keiner kommt. Manchmal ist uns auch gar nicht festlich zumute. Nach Matthäus ist es undenkbar, die Einladung ins Himmelreich abzuschlagen.

Es ist undenkbar, daß beliebiges, unvorbereitetes Straßenvolk an die Tafel geholt wird – geschieht aber doch

Es ist eigentlich undenkbar, daß beliebiges, unvorbereitetes Straßenvolk an die festliche königliche Tafel geholt wird. Aber es ist die einzige Chance für Gott und die Menschen zu dem Hochzeitsfest – dem Fest des Lebens – zu kommen. Offensichtlich geht Matthäus davon aus, daß das Fest stattfindet, ob die zuerst eingeladenen kommen oder nicht, dann eben mit anderen, die sich freuen, daß sie auch am Lebensfest teilhaben dürfen. Manchmal trifft mich die Einladung wieder ganz unmittelbar, daß ich sie neu höre, vielleicht an Punkten meines Lebens, an denen ich mich gerade an Hecken und Zäunen befinde und gerade kein „hochzeitlich Gewand“ anhabe, mit keiner Silbe an die königliche Hochzeit dachte, an die Festtafel, die auch für mich bereitet ist, an Punkten meines Lebens, an denen mir nicht gerade festlich zumute ist. Aber das ist auch die Hoffnung, die Matthäus mit diesem Gleichnis weitergeben will, daß der Ruf zum Fest des Lebens jeden an jedem Ort erreichen kann. Wenn ich diese Hoffnung habe, auch mit anderen teile, entsteht unter uns ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl, die Zusammengehörigkeit derer, die selig gepriesen werden, wenn sie Leid tragen, wenn sie weinen, wenn sie für Gerechtigkeit streiten, wenn sie friedfertig sind, wenn sie keine geistlichen Leistungen aufweisen können. Der Matthäus der Bergpredigt spricht hier. Und weil er die Seligpreisung nicht verscherzen möchte, setzt er das mahnende Schlußwort.

Es ist undenkbar, daß jemand an der Tafel nicht angemessen gekleidet ist – bedenkt die Konsequenzen

Es ist für den Missionar und Prediger Matthäus undenkbar und zur Rettung der Festfreude unabdingbar, daß einer, der sich hat rufen lassen, der mit an der Festtafel sitzt, der getauft ist, der das Tor zum Fest durchschritten hat, kein angemessenes Hochzeitskleid trägt. Wenn ich bedenke, was man für weit geringere Anlässe wie diese königliche Hochzeit oft für einen Aufwand betreibt, um angemessen zu erscheinen – etwa Theater, Konzert, Ausflug…, kann ich Matthäus verstehen, der kein Verständnis zeigt, wenn jemand sich keine Gedanken macht, wie er an Gottes Tafel sitzen will. Alte Lumpen passen nicht an die Hochzeitstafel. Übertragen heißt das: Was zieht ein Christ an, damit er als Christ zu erkennen ist und auch mit sich übereinstimmt, mit seiner christlichen Identität? Im Epheserbrief im Neuen Testament heißt es: Zieht den neuen Menschen an, laßt nicht den alten Lumpen an. Und im Brief an die Gemeinde in Kolossä heißt es: So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Geduld, Sanftmut….Über alles zieht aber an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.

So sitzen die Eingeladenen – wir – an der Festtafel, und Gott wird sich die daran Sitzenden anschauen. Wer denkt, mit einem „Mini-Chistentum“ wirds schon gehen, der liebe Gott wirds schon durchgehen lassen, „wir kommen alle, alle in den Himmel“, dem setzt Matthäus hier den strengen prüfenden Gott entgegen. Eine halbe Bekleidung ist nicht angemessen, ein halbes Christsein wird bald ganz entgleiten. Wir sollen nicht in den Irrtum verfallen: ‚Mein Verhalten ist unwichtig…’ An dem ernsten Nachsatz merkt man, daß Matthäus eine christliche Gemeinde vor Augen hat. Ein Gleichnis, sozusagen zum innerkirchlichen Dienstgebrauch: Viele sind eingeladen, wenige sind erwählt. Daß wir zu den Erwählten gehören, erbitten wir immer wieder von Gott, daß uns Gottes Kleider zu Gottes Kindern machen.

Amen

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