Der Triumph von Ostern

Wir leben vom Alten - Wir leben vom Neuen

Predigttext: Johannes 7,37-39
Kirche / Ort: Darmstadt
Datum: 8.05.2005
Kirchenjahr: Exaudi (6. Sonntag nach Ostern)
Autor/in: Oberkirchenrat i.R. Professor Prof. h.c. Dr. Karl Dienst

Predigttext: Johannes 7, 37-39 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

„Am letzten Tag des Festes [Laubhüttenfest], der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht“.

Homiletische Anmerkungen

1) Ich habe den Pfarramtskalender 2005 vor mir liegen. Da wird für den 8. Mai auf das „Ende der Missionsgebetswoche“, auf den „Beginn der Gebetswoche für die Einheit der Christen“ und den „Muttertag“ hingewiesen. Nur bei den im Kleindruck aufgeführten „Jubiläen“ findet sich neben dem Hinweis auf den Geburtstag von Henri Dunant (Rotes Kreuz) der Vermerk: „Deutsche Kapitulation 1945“. In den „Predigtstudien“ (PrSt 2004/2005 1. Halbband, Stuttgart 2004, behandelt Günter Ruddat die Perikope vom Kirchenjahr her unter dem Thema: „Weg-Weisung zum Wasser in der Wüste“: „Wer sich auf den Pilgerweg dieses Textes [Joh. 7, 37ff.] und seiner Kon-Texte macht, wird nicht im Tempel bleiben, sondern wird hinausgehen aus der Stadt und das Wasser suchen, von dem hier die Rede ist, da wo die Wüste sich in uns und um uns ausbreitet und die Erde nach Wasser schreit“, was dann eher (in gutem Sinne!) „religiös“ entfaltet wird. 2) Auf der anderen Seite thematisieren die Massenmedien mit und ohne viel Bild unaufhörlich den 60. Jahrestag der Deutschen Kapitulation mit den bekannten „Liturgien“. Dies veranlaßt mich zu weiteren Überlegungen im Blick auf die homiletische Umsetzung unserer Perikope! Wie kann darüber am 8. Mai 2005 gepredigt werden? 3) Unsere Gesellschaft ist bekanntlich „familiären und mitbürgerlichen Gedenk- und Feiertagen“ nicht abgeneigt. Aus einer einschlägigen Redensammlung seien genannt: Tag des Kindes – Muttertag/Vatertag – Tag des alten Menschen – Tag der Umwelt – Tag des Tieres – Valentinstag - Weltspartag - Weltwassertag usw. Längst hat sich ein säkulares „Kirchenjahr“ etabliert, das neben Geschäftsinteressen auch Darstellungsinteressen (nicht nur von Politikern) befriedigt. Bei der Kritik an solchem „Friede, Freue, Eiertanz“ braucht man nicht unbedingt das „Milieu“ einer normalen deutschen Kirchengemeinde als „Versammlung der Mediokren, der Unsportlichen, der zu kurz Gekommenen (Manfred Josuttis, Die Einführung in das Leben. Gütersloh 1996, 72ff.) oder den österreichischen Liedermacher Wolfgang Ambros zu bemühen: „Das Leben ist ein Heidenspaß, für Christen ist das nichts“. Wichtiger ist für mich die Beobachtung, daß im Blick auf solche „Gedenktage“ durchweg die „Misere der öffentlichen Gefühle“ im Zentrum steht, d. h. das öffentliche Bild der Lage, das die öffentlich bestellten Vertreter der gesellschaftlichen Interessen, die Meinungsführer auch der kirchlichen, der literarisch-künstlerischen Bezirke und schließlich die berufsmäßigen Erzeuger, Verwalter und Vertreter der Öffentlichkeit täglich aufs Neue zusammensetzen, und das nur oft zu dem privat gehegten Bild vom Leben der Deutschen in einem Mißverhältnis steht. Es klingt fast wie ein Hilferuf, wenn Peter Brachér in der „Welt am Sonntag“ (13.3.2005, S. 78) fordert: „Keine Gefechte an der Seelenfront bitte!“: „Liebe Psychologen, ich habe eine Bitte: Laßt uns, die wir den monströsen Krieg von 1939 bis 1945 als Kinder durchlebt haben, in Ruhe. Buddelt nicht in unserer Seele, legt uns nicht auf die Couch“. Gerade dies hat heute Konjunktur, wenn „Experten“ über die 60-75jährigen schreiben: Sie seien „traumatisiert“, „bindungsunfähig“, würden von geheimen Ängsten „überflutet“, hätten ihre Gefühle „eingekapselt“, die Kriegserlebnisse wären in ihren Köpfen „eingraviert“, deshalb seien sie mit einer „emotionalen Hornhaut“ ausgestattet und hätten ihr „wahres Selbst“ nicht verwirklichen können, ein Zustand, der zuweilen sogar als vererbbar („transgenerationale Transmission“) angesehen wird. Brachérs Bitte verstehe ich auch, wenn ich an so manche Predigt denke, die –bestimmt oft gut gemeint- Vergangenheit durch politische oder psychoanalytische „Aufklärung“ „bewältigen“ möchte! 4) Zum Nachdenken sei hier aus einem m. W. unveröffentlichten Vortrag zitiert, den Johannes Gross 1979 in Frankfurt unter der Überschrift: „Die Misere der öffentlichen Gefühle“ gehalten hat: „Zum öffentlichen Klima der Bundesrepublik tragen auch die Kirchen ihren Scheffel Mehltau bei. Die protestantische Kirche, die das Sünder-Ethos unserer Gesellschaft weit mehr ausdrückt als die katholische, hat schon seit Jahrhunderten eine innigere Beziehung zum Zeitgeist unterhalten... Seit der Stuttgarter Schulderklärung 1945 ist sie den Deutschen keine Handreichung schuldig geblieben, die weniger frohe Botschaft enthielt als den permanenten Ruf zur Buße und Umkehr... In ihr herrscht heute gleichsam ein ewiger Karfreitag, was theologisch auch seinen Grund darin haben mag, daß die Kreuzigung ein unbezweifelbares Faktum ist, die Auferstehung aber nicht, so daß die Verheißungen des Evangeliums dem Kirchenvolk nur in violetten Farben verkündigt werden. Die freudigen Hochfeste der Christenheit, wie Ostern oder Weihnachten, werden von unserem, seiner Staatsbindung verlustig gegangenen Protestantismus eher herunter moralisiert. Atomkraft und Entwicklungshilfe bieten beliebte Motive und ein allgemeiner Aufruf zur Askese bei der Wahrnehmung nationaler Interessen... Die katholische Kirche hat daran weniger teil... Immerhin ist [aber] auch sie aus der ekklesia militans zur ekklesia clamans geworden...“ 5) Ich verschweige nicht, daß eine Predigt am 8. Mai 2005 leicht auf manche Dogmen einer political (und auch ecclesiastical) correctness stößt. Ich bin daher der Predigerin und dem Prediger nicht böse, wenn sie / er meine Überlegungen –hoffentlich in Liebe und nicht im Ärgern- „zensiert“! Ich gebe zu: Meine Generation (Jahrgang 1930) hatte damals keine Zeit, sich selbst zu analysieren. Daß es mir bis heute schwer fällt, altes Brot wegzuwerfen, mag allerdings auch „psychosozial“ verursacht sein. Sei’s drum! 6) Was die „Texttreue“ der Predigt anbelangt, so zeigt ein Blick in neuere Kommentare (z. B. Ludger Schenke, Düsseldorf 1998; Udo Schnelle, Leipzig 1998; Ulrich Wilckens, Göttingen 1998), wie unsere Perikope bis hin zu dem am gemeinsames Lernen von Juden und Christen interessierten Klaus Wengst (Stuttgart 2000) und Eugen Drewermann (Düsseldorf 2003) aus jeweils unterschiedlicher Perspektive und Interessen in den Blick genommen wird. „Bibeltreue“ ist offenbar mehr als biblizistische „Buchstabentreue“.

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Wasser des Lebens

„Das Wasser des Lebens“: Damit wirbt zum Beispiel die Mineralwasserfirma „Reginaris“ für ihren Sprudel. Sie vertraut dabei auf die Alltagserfahrung: Ohne Wasser kein Leben! 2004 stand der Weltkindertag unter dem Motto: „Wasser –ein Kinderrecht“. Politiker fürchten: Die Verteilungskämpfe um Wasser werden zunehmen. Wasser ist schon ein hohes Gut. Es eignet sich auch gut als Gleichnis für etwas Besonderes, Lebensdienliches, ja Lebensnotwendiges.

Jesus greift das Bild vom Wasser des Lebens auf. Er sagt: Nur bei mir gibt es das wahre Wasser des Lebens! Unser Text läßt sich zu einem „Ich-bin-Wort“ Jesu umformen:

„Ich bin das Wasser des Lebens,
wer zu mir kommt, dem werde ich zu trinken geben,
und wer an mich glaubt, den wird nicht dürsten,
der wird das Leben haben“ (Gottfried Adam / Günter Ruddat).

Im Klartext heißt das: Ohne diesen Jesus gibt es kein Leben, das diese Bezeichnung verdient. Leben entspringt aus der Mitte Jesu. Und: Jesus als Quelle des Lebens verströmt sich, verteilt sich im Überfluß, breitet sich aus auch über unsere Wüsten, die wir täglich durchwandern. Ohne Jesus kein Leben! Jesus greift das Bild vom Wasser des Lebens auf, um das Kommen des heiligen Geistes anzusagen. Er kündigt mit diesem Bild Pfingsten an, die Ausgießung des Heiligen Geistes, den Auftrag an alle, sich auf Jesus einzulassen, in Gottes Namen eine neue Einstellung zum Leben zu gewinnen, sich von einem guten Geist bestimmen zu lassen, damit Frieden und Gerechtigkeit sich ausbreiten. Sich von Jesu Geist erfassen zu lassen und diesen Geist weiter zu geben – darum geht es in diesem Text aus dem Johannesevangelium, den wir gemeinsam bedenken wollen.

Wasser des Todes

Wasser ist aber nicht nur ein Symbol für Leben und Heilsein! Wasser hat es stets auch mit der Bedrohung, ja mit der Vernichtung des Lebens zu tun. Flutkatastrophen sind ja nicht erst ein Produkt unseres Jahrhunderts. Und nicht nur in Asien kann Wasser auch bedrohlich, zerstörerisch sein. Wasser ist eben „ambivalent“, lebensdienlich und lebenzerstörend, „Lebenswasser“ und „Todeswasser“.

Die Ambivalenz des 8. Mai 1945

Die Botschaft Jesu aus dem Johannesevangelium hören wir heute an einem Tag, der an den 8. Mai 1945 erinnert, der in die Geschichte als Tag der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands eingegangen ist. Für die einen war der 8. Mai 1945 eher ein Tag der Befreiung von den Schrecken des Krieges, von den Qualen und Todesängsten, die auch politisch und rassisch Verfolgte zu ertragen hatten. Für andere war er eher der Anlaß für Gefangenschaft, Vertreibung und Verlust der Heimat, für den Zusammenbruch grundlegender Überzeugungen und Gewißheiten. Auch hier wird eine Ambivalenz sichtbar, dieses Ineinander von lebensdienlich und lebenzerstörend. Denken wir darüber im Lichte unseres Textes nach!

Wir leben vom Vergangenen

Wir leben stets auch vom Vergangenen! Trotz allem Gerede von der „Stunde Null“: Einen Nullpunkt gibt es in der Geschichte, gibt es in unserem Leben nicht. Das Heute ist stets in den Strom der Geschichte eingebettet. Dies gilt auch für den Tag der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945. Auch dieses Ereignis kann nicht für sich allein betrachtet und bewertet werden. Da gibt es Beziehungen, auch Fernwirkungen. So hieß es unlängst in einem Beitrag des Präsidenten des „Internationalen Komitees für die Geschichte des Zweiten Weltkriegs“ Gerhard Hirschfeld [DIE WELT 3.1.2005, S. 29]: „Die unstrittige, teilweise sehr enge Bindung zahlreicher Deutscher an das NS-System war keineswegs erst während des Krieges entstanden… Das verbreitete Gefühl, nach der schmachvoll empfundenen Niederlage des Ersten Weltkriegs und den bedrückenden Jahren der Weimarer Republik nun endlich einmal auf der internationalen Siegerstraße zu stehen, hatten bei Deutschen aller sozialen Schichten zu einer partiellen, mitunter weitgehenden Identifikation mit dem NS-Regime geführt. Dieses Hochgefühl sowie ein geradezu pseudo-religiöser Glaube an den allmächtigen ‚Führer‘ waren sicherlich die stärksten psychologischen ‚Bindemittel‘ der Bevölkerungsmehrheit an das nationalsozialistische System“. Im Unterschied zu vielen Versuchen einer „Vergangenheitsbewältigung“ erwähnt Hirschfeld z. B. auch die auf eine bedingungslose Kapitulation hinauslaufende alliierte Kriegsführung mit ihrer „Zerstörung der nationalen Souveränität Deutschlands und die Hinnahme einer Fremdherrschaft“, ferner den sog. „Morgenthau-Plan“, der die Entindustrialisierung und damit letztlich Verarmung Deutschlands zum Ziel hatte, den „besonderen Charakter des Krieges“ usw. „Auch viele redlichen Frauen und Männer sahen im Ende des Hitler-Regimes einen militärischen, politischen und gesellschaftlichen Zusammenbruch sowie vielfach eine persönliche Katastrophe… Auch die Alliierten hatten Deutschland nicht befreien, sondern lediglich besiegen wollen“. Ereignisse wie diese legen es nahe, darüber nachzudenken, welche Triebkräfte die Geschichte bestimmen. Trauen wir als Christen das Gott zu? Oder sehen wir da ein blindes Schicksal am Werk? Oder haben wir die Geschichte längst in eigene Regie übernommen?

Richter über das Vergangene?

Wir alle leben vom Vergangenen. Das bedeutet aber auch: Wir machen uns oft zum Richter über das Vergangene! Manchmal vergessen wir dabei allerdings: Aus der Perspektive eines Zuschauers urteilt es oft genüßlich. Vor dem Fernseher kann man ohne Risiko Abscheu und Empörung zum Ausdruck bringen und einem Betroffenheitskult frönen. Die „Gnade der späten Geburt“ treibt hier merkwürdige Blüten. Die Bösen sind schnell die Anderen! Nicht Wenige halten es heute mit der Devise: Man entkommt dem Gericht am besten, wenn man es selber wird! Manche –auch selbsternannte- „Zeitgeschichtler“ bzw. „Zeitzeugen“ gleichen eher einem Richter, Staatsanwalt oder Großinquisitor als einem Historiker, wie ihn Leopold von Ranke gefordert hat: „Man hat der Historie das Amt, die Vergangenheit zu richten, die Mitwelt zum Nutzen zukünftiger Jahre zu belehren, beigemessen: so hoher Ämter unterwindet sich gegenwärtiger Versuch nicht: er will bloß zeigen, wie es eigentlich gewesen“. Diese Bescheidenheit hat Ranke viele Gegner eingebracht. Angesichts des Mißbrauchs der Geschichte nach allen Seiten hin halte ich dieses Ideal für den Umgang mit Geschichte allerdings für wichtig.

Freilich gibt es Unterschiede bei der Beurteilung historischer Ereignisse, weil die Wirklichkeit und das eigene Erleben vielschichtig, weil das historische Erkenntnisinteresse zeitgebunden ist. Wir sehen die Geschichte eben nicht mit den Augen Gottes, sondern mit unseren verschiedenen Brillen an. Nur in totalitären Systemen wird eine bestimmte Brille vorgeschrieben. Der demokratische Staat läßt viele Brillen zu, auch wenn durch verschiedene „Lobbies“ immer die Gefahr herrscht, diese Freiheit einzuschränken. Wir sehen die Geschichte nicht mit den Augen Gottes, sondern mit unseren Augen an: Dieser Unterschied bei der Beurteilung historischer Ereignisse gilt auch im Blick auf die Einschätzung des 8. Mai 1945, der oft verkürzt und ohne Blick auf die vielen Einzelschicksale meist nur als „Tag der Befreiung“ dargestellt wird. Ich will mich hier nicht auf den oft tagespolitischen Kampf um die Meinungsführerschaft einlassen. Ich wehre mich allerdings gerade auch als Theologe gegen alle Versuche, aufgrund eines politischen Glaubens auf eine bestimmte Einschätzung festgelegt zu werden. Denn: Wir leben auch vom Neuen!

Wir leben vom Neuen

Als Kommentar zu unserem Johannestext sei der Apostel Paulus im 2. Brief an die Korinther, Kap. 5, Vers 17 zitiert: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur, das Alte ist vergangen, Neues ist geworden“. Wir leben auch vom Neuen: Wir dürfen teilhaben an der Zukunft Gottes, das heißt, unsere Geschichte auch aus der Zukunftsperspektive Jesu betrachten, die mit Ostern angebrochen ist. Das heißt: Wir dürfen es Gott zutrauen und zumuten, daß seine Macht die Welt und uns trägt. Wir dürfen den Aberglauben aufgeben, daß wir mir unserer Kraft das Heil der Welt schaffen können. Wer aus eigener Kraft auf Erden das Paradies schaffen will –das haben auch Stalin und Hitler versucht- hat oft die Hölle zurückgelassen. Unsere Geschichte aus dem Blickwinkel, aus der Perspektive Jesu zu sehen, das heißt auch: Es Gott zutrauen, daß seine Treue mich hält und trägt. Auch da, wo meine Wünsche nicht erfüllt werden. Auch in allem Rätselhaften und Sinnlosen.

Von der Freiheit eines Christenmenschen

Wir leben auch vom Neuen! In diesem Jesus Christus ist die neue Welt Gottes schon angebrochen. Deshalb hat Freiheit, Befreiung es mit ihm zu tun. Diese Gewißheit hat Martin Luther 1520 in seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ so beschrieben: „Der Glaube vereinigt die Seele mit Christus, wie eine Braut mit ihrem Bräutigam. Aus dieser Ehe folgt, wie der heilige Paulus sagt, daß Christus und die Seele ein Leib werden. Daher werden auch beider Güter, Glück, Unglück und alle Dinge ihnen gemeinsam, so daß das, was Christus hat, der gläubigen Seele gehört, und das, was die Seele hat, Christus zu eigen wird… Hier beginnt nun der fröhliche Wechsel und Streit…Daher ist es nicht möglich, daß die Sünden die Seele verdammen, denn diese liegen nun auf Christus und sind in ihm verschlungen“. Soweit Martin Luther. Das ist Freiheit, Befreiung nach biblischem Verständnis! Diese Schrift Luthers entstand 1520 als ein letzter Versuch, zwischen Papst Leo X. und Luther zu vermitteln. Der Papst hatte Luther bereits offiziell den Bann angedroht. Und diese Freiheitsschrift Luthers beginnt mit den Worten: „Damit wir gründlich erkennen können, was ein Christ ist und wie es um die Freiheit steht, die Christus ihm erworben und gegeben hat, will ich diese zwei Thesen aufstellen: Ein Christ ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem verpflichtet [untertan]. Ein Christ ist ein dienstbarer Knecht in allen Dingen, und jedermann verpflichtet [untertan]“. Das bedeutet für Christen „Freiheit“ und „Befreiung“! Und unser Reden von „Freiheit“ und „Befreiung“ sollte sich an diesem Standard messen lassen.

Der Triumph von Ostern

Wir leben vom Neuen, das mit Ostern angebrochen ist. Was das auch für den Alltag bedeuten kann, hat die englische Schriftstellerin Dorothy Leigh Sayers in ihrem 1938 erschienenen Buch „Der Triumph von Ostern“ so beschrieben: „Das Problem der Sünde und des Bösen ist bekanntlich eine Frage, mit der alle Religionen zu ringen haben, ganz besonders aber die, die einen allguten und einen allmächtigen Gott bekennen. Wir sagen so rasch: ‚Wenn Gott heilig und allmächtig ist, so muß er einschreiten und dieser ganzen Art von Dingen ein Ende machen‘. Und unter ‚dieser Art von Dingen‘ verstehen wir Kriege, Verfolgungen, Grausamkeiten, Hitlerismus, Bolschewismus, oder was immer der große Ausbruch sein mag, der uns zur Zeit besonders bedrängt. Aber sind wir denn so sicher, daß wir das Problem dabei unter allen seinen Aspekten wirklich gesehen haben? Die Frage: ‚Warum schlägt Gott diese Diktatoren nicht tot?‘ ist doch eigentlich eine etwas fernliegende Frage. Warum, meine Dame, hat Gott Sie nicht mit Stummheit und Blödsinn bestraft, bevor Sie gestern jene unbegründete und ungültige Verleumdung in die Welt setzten? Oder mich, bevor ich mich meinem wohlmeinenden Freund gegenüber so peinlich rücksichtslos benehmen konnte? Und warum, mein Herr, ließ er Ihre Hand nicht über dem Gelenk abfaulen, bevor Sie Ihren Namen zu jenem schmutzigen kleinen finanziellen Betrug hergaben? So war es nicht gemeint, sagen Sie? Aber warum eigentlich nicht? Sind etwa Ihre Missetaten und die meinen dadurch weniger häßlich, weil unsere Möglichkeiten, Schaden anzurichten, weniger ins Auge fallen als die gewisser anderer Leute? Oder wollen Sie behaupten, daß Ihre Taten und die meinen Gott zu unbedeutend sind, als daß er sich damit plagen wollte? Das könnte eine zweischneidige Sache sein, denn in diesem Fall dürfte es für seine Schöpfung wunderbar wenig ausmachen, wenn er uns beide morgen auslöschte“. Soweit Dorothy Sayers mit ihren nachdenkenswerten Worten. Ich finde: Gute Worte, die uns auch vor vorschnellem Richtertum und Sektierertum gegenüber der Geschichte bewahren, vor allem aber von eigener Selbstgerechtigkeit und Fanatismus befreien können. Auch diese Freiheit, auch diese Befreiung gehört zu der neuen Welt, die mit Christi Auferstehung schon Wirklichkeit geworden ist und die Jesus Christus uns zusagt, wenn er spricht: „ ICH BIN DAS WASSER DES LEBENS. Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen“.

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