Gott will mich finden
Unsere Seelen sollen keinen Schaden nehmen
Predigttext: Lukas 15,1-7 (Übersetzung Gute Nachricht)
Eines Tages waren zahlreiche Zolleinnehmer und andere, die einen ebenso schlechten Ruf hatten, zu Jesus gekommen und wollten ihn hören. Die Pharisäer und Gesetzeslehrer waren darüber ärgerlich und sagten: „Er lässt das Gesindel zu sich! Er isst sogar mit ihnen!“ Da erzählte ihnen Jesus ein Gleichnis: „Stellt euch vor, einer von euch hat hundert Schafe, und eines davon verläuft sich. Lässt er dann nicht die neunundneunzigallein in der Steppe weiden und sucht das verlorene solange, bis er es findet? Wenn er es gefunden hat, freut er sich, nimmt es auf die Schultern und trägt es nach Hause. Dort ruft er seine Freunde und Nachbarn und sagt ihnen: Freut euch mit mir, ich habe mein verlorenes Schaf wieder gefunden! Ich sage euch: genauso ist bei Gott im Himmel mehr Freude über einen Sünder, der ein neues Leben anfängt, als über neunundneunzig andere, die das nicht nötig haben.Vorbemerkung
Stelle ich mir die Gottesdienstbesucher/Innen am 3. Sonntag nach Trinitatis vor, dann habe ich nicht so sehr die „großen“ Sünder und Sünderinnen vor Augen, die von der Gesellschaft geächtet sind, sondern eher Menschen, die sich im Umbruch dieser Zeiten hilflos und verloren vorkommen. Die nach Orientierung suchen und neu zum Vertrauen eingeladen werden müssen, zum Glauben an die Liebe Gottes, die sich in Jesus Christus zeigt. Dies versucht die Predigt.Gott will mich finden – dies ist die Botschaft unseres heutigen Gottesdienstes. Gott will mich finden. Gestatten Sie, dass ich diesen Gedanken mit Ihnen entfalte auf der Grundlage der folgenden biblischen Erzählung:
(Lesung des Predigttextes)
Gott will mich finden, und Gott verwendet darauf Energie und Ausdauer. Denn ich bin ihm wichtig! Ich, der ich mich selbst im Dschungel des Lebens verloren habe, im Labyrinth meiner Seele, in den Anforderungen unserer Gesellschaft und der Arbeitswelt oder einfach nur im Wirrwarr meiner Gefühle und Emotionen. Es scheint so, als hätten wir bei uns immer mehr einsame, verirrte und verwirrte Menschen, die nach dem festen Ort suchen. Einem Ort, wo sie getragen und gehalten sind. Einem Ort, von dem aus sie die Richtung erkennen und wissen, welche Entscheidung die richtige ist. Im Fernsehen gibt es zur Zeit eine Serie, die heißt: „Die harte Schule der fünfziger Jahre“. Die Serie versucht nachzuzeichnen, wie Jugendliche im Alter von 16 und 17 vor 50 Jahren in einem Internat erzogen wurden. Feste Regeln galten als ausgemacht. Wer sie übertrat, musste mit Sanktionen rechnen. Verhaltensweisen im Umgang miteinander und mit dem „Lehrkörper“ oder Grundregeln in einzelnen Fächern wurden regelrecht eingepaukt. Es gab eine Schuluniform, die Jungens trugen kurze Hosen, Mädchen trugen Röcke und Zöpfe mit Mittelscheitel. Stimmte der Scheitel nicht, wurde die Mitte der Stirn vom Rektor mit einem Stift markiert und das Mädchen musste sich erneut frisieren, kam sie wieder schlampig oder muckte auf, war das Essen für den Tag weg. Die schlimmste Strafe war Isolation, einen ganzen Tag allein sein müssen ohne die anderen, ausgeschlossen aus der Gemeinschaft, ohne jedoch seine Pflichten versäumen zu dürfen. Dies wurde von den Betroffenen als sehr hart empfunden.
Ich möchte nun kein Loblied auf diese Art Pädagogik singen, es wurde da sicherlich manche Kinderseele durch ungebührliche Strenge und Kleinkariertheit verkorkst. Ich möchte nur zeigen: Die Jugendlichen damals hatten ein festes Gerüst, einen Verhaltenscodex, an dem sie sich orientieren konnten. Unsere Jugendlichen heute haben viel mehr Freiheit. Aber sie kommen sich in dieser Freiheit manchmal unsagbar verloren vor und gehen dann auch verloren im seichten Gewässer der Medienindustrie und der allgemeinen Unverbindlichkeiten, wo heute das eine hipp und das andere hopp ist, aber alles zusammen ganz cool. Zulauf haben seit Jahren merkwürdigerweise diejenigen, die ganz deutlich sagen, was für sie richtig und was falsch ist und die einen klaren Verhaltenskatalog vorgeben. Vielleicht ist dies auch eine Begründung dafür, warum die Rechtsextremen gerade unter Jugendlichen solchen Zuspruch finden. Die sagen klipp und klar, was für sie richtig oder falsch ist, auch wenn sie dabei Geschichte verfälschen.
Oder wir beobachten, dass sich eine Parallelgesellschaft bildet, die eigene Gesetze kennt. Dazu gehört die Verachtung und Unterordnung von Mädchen und Frauen, sogar im Namen einer Religion.
Das Beschriebene löst bei uns ein Gefühl aus, den Boden zu verlieren, keine Orientierung mehr zu haben, ein Gefühl des Verlorenseins. Hier ergeht die zeitlos gültige Botschaft: Gott will mich finden; er sucht mich und geht mir nach bis zu dem Ort, an dem ich mich verloren und verirrt habe, wo meine verletzte Seele sich ängstigt und friert.
Dieses Gleichnis hat Jesus zunächst den Selbstgerechten erzählt, um ihnen zu zeigen, dass Gott ein sehr viel weiteres Herz hat als die Menschen. Jesu Gleichnis hat sehr viel mit unserem Inneren zu tun, mit dem, was uns umtreibt und auch von Gott wegtreibt.
Es gibt genug, was uns zu schaffen macht. Oft meinen wird, nicht noch mehr Lasten tragen zu können. Jede Medienmeldung über ein misshandeltes und ermordetes Kind fordert uns heraus und bringt uns zugleich in die Defensive gegenüber jenen, die Gott bereits ganz abgeschworen haben: „Da habt ihrs mal wieder: Die Sache mit dem lieben Gott und dem Beten und dem Schutzengel funktioniert doch nicht“. Eine ähnliche Anfechtung mag uns beschleichen, wenn wir unsere Alten- und Pflegheime besuchen oder in Familien kommen, in denen demente Menschen betreut und gepflegt werden, manchmal über viele, viele Jahre. Der Geist dieser Menschen wird immer verwirrter, der Umgang mit ihnen immer anstrengender. Wir können fragen, warum lässt der „liebe Gott“ diesen Menschen nicht sterben, es wäre wirklich eine Erlösung für ihn, aber auch noch mehr für die, die sich um ihn kümmern, oft bis an die Grenze der körperlichen (und seelischen) Erschöpfung. Der Herr über Leben und Tod, scheint weit, weit weg zu sein, und diese Familie ganz allein ihrem Schicksal überlassen.
Dagegen gilt die Botschaft: Gott will mich finden! Immer wieder, wenn ich vor Gott davonlaufe, eigene Wege suche, die nicht Gottes Wege sind. Gott will mich finden! Gott trägt mich auf seinen starken Schultern nach Hause. Dieses Bild gefällt mir: Gott trägt mich auf seinen starken Armen. Es gibt mir die Ruhe und den Halt, den ich brauche, um sicher nach Hause zu kommen. Zu Hause ist dort, wo sich die Engel Gottes darüber freuen, dass ich meinen Weg gefunden habe.
Gott will mich finden, nicht um mich auszuschimpfen oder zu bestrafen, sondern weil ich ihm wichtig und wertvoll bin. Darum wurde Gott in Jesus Christus Mensch. Gott hat damit gezeigt: Nichts Menschliches ist ihm fremd. Am Kreuz auf Golgatha hat Jesus alles, was uns von Gott trennt, weggenommen. Sünden können vergeben werden. Unsere Seelen sollen keinen Schaden nehmen. Die Kraft Gottes, die am Ostermorgen durch Jesu Sieg über den Tod deutlich wurde, lässt uns auch heute noch hoffen: Gott will mich finden und alles wird gut.
Amen