Gott wählt

Die Wahl Gottes garantiert kein sicheres Leben, sondern einen Auftrag

Predigttext: 5.Mose 7,6-12
Kirche / Ort: Schopfheim
Datum: 3.07.2005
Kirchenjahr: 6. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrer Dr.Michael Hoffmann

Predigttext: 5. Mose 7,5-12 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Denn du bist ein heiliges Volk dem HERRN, deinem Gott. Dich hat der HERR, dein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind. Nicht hat euch der HERR angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker - denn du bist das kleinste unter allen Völkern -, sondern weil er euch geliebt hat und damit er seinen Eid hielte, den er euren Vätern geschworen hat. Darum hat er euch herausgeführt mit mächtiger Hand und hat dich erlöst von der Knechtschaft, aus der Hand des Pharao, des Königs von Ägypten. So sollst du nun wissen, daß der HERR, dein Gott, allein Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten, und vergilt ins Angesicht denen, die ihn hassen, und bringt sie um und säumt nicht, zu vergelten ins Angesicht denen, die ihn hassen. So halte nun die Gebote und Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, daß du danach tust. Und wenn ihr diese Rechte hört und sie haltet und danach tut, so wird der HERR, dein Gott, auch halten den Bund und die Barmherzigkeit, wie er deinen Vätern geschworen hat.

Vorbemerkung

Am 6. Sonntag nach Trinitatis wird in der Alten Kirche in Schopfheim ein ganz traditioneller Gottesdienst gefeiert. Entsprechend rechne ich vor allem mit den bekannten sonntäglichen Gottesdienstbesuchern. Von daher kann ich auch gewisse Vorkenntnisse der biblischen Geschichten voraussetzen. Der Text selbst setzt auch die Kenntnis der Gebote Gottes voraus. Dass der Text dann auch noch die Befreiung Israels aus Ägypten anspricht, dürfte ein Hinweis auf Exodus 20 sein, wo die 10 Gebote auch in diesem Zusammenhang eingeführt werden. Von daher wäre auch zu überlegen, ob vielleicht in der Predigt speziell auf die 10 Gebote Bezug genommen werden könnte. Ich habe in der Predigt vor allem die freie Wahl Gottes thematisiert, die allerdings keine besondere Vorrechte, sondern eher Verpflichtungen begründet. Ebenfalls kann in der Predigt wieder auf das besondere Verhältnis zu Israel abgehoben werden. Dass die Wahl Gottes sich auch auf Christen durch die Taufe bezieht, ist nicht durch den Predigttext, sondern durch Hermeneutik zu begründen. Literatur: Roland Gradwohl, Bibelauslegung aus jüdischen Quellen, Bd 1: Die alttestamentlichen Predigttexte des 3. Jahrgangs, Calw 1986, S. 118ff.

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Liebe Gemeinde,

Was können wir wählen?

Stimmt es eigentlich, dass wir immer die Wahl haben? Aller Voraussicht nach können wir im September eine bestimmte Partei und einen neuen Bundestag wählen. Dagegen hängt im Alltag unsere Wahl meist vom Einkommen ab: welche Wohnung wir nehmen, ob wir ein Haus bauen, oder welches Auto wir fahren. Welche Ausbildung junge Menschen bekommen, hängt vom Zeugnis ab, und ob wir die gute Stelle bekommen, hängt oft genug nicht von Fähigkeiten sondern von Beziehungen und Empfehlungen ab. Und bei den Dingen, die für das Leben wirklich wesentlich sind, haben wir oft genug überhaupt keine Wahl. Ob Menschen den richtigen Partner finden, ob Paare Kinder bekommen, können sie zwar wünschen, aber nicht wirklich wählen. Und bei der Gesundheit haben wir überhaupt keine Wahl mehr. Die Qual der Wahl haben wir oft nur bei den Dingen, die nicht wesentlich sind. Welche Schokolade wir essen oder mit welcher Kreditkarte wir bezahlen, ist nicht wichtig für unser Leben. Und viele Menschen haben in ihrem Leben überhaupt keine Wahl mehr. In den Krisengebieten der Erde, wo es schon lange nicht mehr um Auswahl eines Angebotes geht, sondern nur noch ums nackte Überleben. Die Wahl ist begrenzt. Und wo wir dann schon wirklich wählen können, dann wählen wir das zuverlässigste Auto, die schönste Wohnung und den besten Arbeitsplatz. Um die richtige Auswahl treffen zu können, gibt es unendlich viele Ratgeber.

Die Wahl Gottes

Heute an diesem Sonntag hören wir auch von einer Wahl. Da wählen aber nicht Menschen aus den Angeboten des Konsum, sondern Gott selbst wählt Menschen. Diese Wahl Gottes ist der Predigttext, wie er geschrieben steht im 5. Buch Mose, im 7. Kapitel.

(Lesung des Predigttextes)

Gott wählt auch. Nicht aus Berechnung, sondern aus Liebe. Dafür gibt es keinen besonderen Grund. Israel ist nicht das größte, sondern das kleinste Volk. Das ist für uns schwer zu verstehen in einer Gegenwart, die für alles Erklärungen und Gründe sucht. Das ist auch anstößig in einer Gegenwart, in der gerade auch die Begründung einer Wahl wichtig ist. Wahl ohne Begründung ist oft genug Willkür. Wenn zwei Bewerber sich um eine Stelle bemühen und die andere gewählt wird, braucht das doch eine Begründung. Dabei garantiert die Wahl Gottes keine Vorzugsstellung. Israel selbst ist das Volk, das über all die Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch Vertreibung, Verfolgung, Vernichtung und Ermordung erlebt hat. Israel ist das Volk, das nicht einmal jetzt in sicheren Grenzen wohnen kann. In der Tat hat die Auswahl Gottes nichts mit Ehre und Anerkennung zu tun. Und gerade die Menschen, die Gott sich erwählt hat, haben oft keine Anerkennung, sondern Verfolgung erfahren. Propheten sind nicht geachtet, sondern geächtet worden. Der Apostel Paulus ist verspottet und angefeindet worden, er hat nicht als Mensch, sondern durch seine Briefe gewirkt. Und Jesus, der auserwählte Sohn Gottes, ist gestorben in Jerusalem.

Die Wahl Gottes als Auftrag

Die Wahl Gottes garantiert kein sicheres Leben, sondern einen Auftrag. Wenn Gott Menschen wählt, dann haben sie auch eine Aufgabe: „So halte nun meine Gebote und Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, dass Du danach tust.“ Dabei stehen Gebote heute nicht mehr hoch im Kurs. Was Menschen suchen, sind keine Gebote, sondern Angebote. Und gerade auch Kinder und Jugendliche sind mit einfachen Geboten und Verboten kaum mehr zu erziehen. Dafür braucht es nicht Autorität, sondern Argumente. Dabei ist es doch gut, dass Menschen kritischer geworden sind und Gebote und Verbote auf ihren Sinn hin prüfen. Erst das Halten und Ausführen von unmenschlichen Geboten hat die Verbrechen im 3. Reich ermöglicht. Es stimmt, Gebote und Verbote müssen ihre Menschlichkeit unter Beweis stellen. Dabei werden Gebote heute nicht mehr auf ihre Menschlichkeit hin geprüft, sondern auf die Vorteile hin, die Menschen sich davon versprechen.

Die Gebote Gottes sind anders. Schwache werden geschützt und gefordert, Starke in Verantwortung genommen und an Rücksicht erinnert. Wenn Gott Menschen wählt, gibt er auch seine Gebote. Dabei hängt die Treue Gottes nicht an der Erfüllung seiner Gebote. Gott sei Dank! Es sind andere Maßstäbe, die Gott anlegt. Nicht wir binden uns an Gott, sondern Gott bindet sich an uns. Das hat Israel erfahren. Das erfahren wir als Christen. Nicht wir sind herausgeführt worden aus Ägypten, sondern Israel. Israel ist das geliebte Volk Gottes. Deshalb ist unsere Beziehung zu Israel immer etwas Besonderes. Aber auch wir als Christenmenschen sind erwählt. Durch die Taufe. Dadurch werden auch wir zu geliebten Kindern Gottes. Dadurch gelten die Gebote Gottes auch uns. Gott selbst ist uns treu.

Die Wahl Gottes als Verheißung von Zukunft

Sicher, die Wahl Gottes garantiert keine Vorzugsstellung vor anderen. Deshalb ist es ja auch so schwer, für Glaube und Kirche zu werben. Vorteile vor anderen gewährt Gott nicht. Aber eines gewährt Gott. Erfüllung. Und die ist nicht auf unser irdisches Leben beschränkt.

Es stimmt schon, dass wir bei den entscheidenden Dingen des Lebens nicht die Wahl haben.

Gott sei Dank wählt Gott uns!

Amen.

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