Brot vom Himmel

Ein Brot gegen den konkreten Hunger in der Welt und gegen den Hunger unserer Seele

Predigttext: Johannes 6,30-35
Kirche / Ort: Providenz-Kirche Heidelberg Altstadt/City
Datum: 10.07.2005
Kirchenjahr: 7. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrer Heinz Janssen

Predigttext: Johannes 6,30-35 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

30 Da sprachen sie zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? 31 Unsre Väter haben in der Wüste das Manna gegessen, wie geschrieben steht: »Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen.« 32 Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. 33 Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben. 34 Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot. 35 Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.

Mein Zugang zum Predigttext

Brot ist ein tiefgreifendes Symbol für Leben. Darauf und damit auf das „Ich-bin-Wort“ Jesu (V.35) konzentriere ich mich in meiner Predigt. Dass vom Brot nicht ausschließlich im spirituellen Sinn die Rede sein darf, verdeutlicht die unserer Perikope vorangehende Geschichte von der Speisung der Fünftausend (Joh 6,1-15),die auch das Sonntagsevangelium ist. Für unsere Perikope Joh 6,30-35 ist es darum wichtig, den Kontext, das ganze Kapitel 6, zu beachten. Die Feststellung im Ersten Testament, der Bibel Jesu, „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht“ (Dtn 8,3, zit. in Mt 4,4), kann nicht alternativ verstanden werden, beides gehört untrennbar zusammen: Der Mensch lebt vom Brot und vom Wort Gottes. Dies ist für die christliche Gemeinde anschaubar in der Person Jesu von Nazareth, in seinem Leben und Wirken. Die Rede vom „Brot des Lebens“ nimmt deutlich die Speisungsgeschichte Ex 16 auf, die sich darum als (Epistel-)Lesung empfiehlt. H.Strathmann (NTD 4, Göttingen 1963, S.116) weist auf das „Dogma der jüdischen Theologie“ hin, „daß das Mannawunder der Wüstenzeit sich in der messianischen Heilszeit wiederholen werde“. Beim Heiligen Abendmahl, das an diesem Sonntag mit diesem Predigttextes nicht fehlen darf, werde ich in Anknüpfung an die Perikope die Spendeformeln „Brot des Lebens“ und „Kelch des Heils“ verwenden. Lieder: „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“ (EG 326,1+4+5+7) - „Ich lobe meinen Gott“ (EG 272) - „Bewahre uns, Gott“ (EG 171).

Literatur:

K.Wengst, ThKNT 4,1, 2.Aufl., Stuttgart 2004. - H.Hübner, Vetus Testamentum in Novo, Bd. 1/2, Evangelium secundum Iohannem, Unter Mitarbeit von Antje und Michael Labahn, Göttingen 2003.- H.Strathmann, NTD 4, Göttingen 1963.

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Liebe Gemeinde!

Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens…

Brot ist ein tiefgreifendes Lebenssymbol. Zwei verschiedene Sorten Brot verweisen auf unser Leben: das weiche frische Brot von heute und das harte trockene Brot von vorgestern. Das eine ist angenehm im Geschmack und leicht zu kauen, das andere ist harte Kost.

Brot – welch ein tiefgreifendes Lebenssymbol. Wir genießen die guten, angenehm weichen und schmackhaften Seiten des Lebens und müssen auf den harten Kanten herumbeißen, bis wir die schweren Lebenserfahrungen schlucken und verdauen können. Diese harten Kanten bekommt ein Mensch, dem alle Lebenspläne durchkreuzt werden, z.B. durch Kündigung, schwere Krankheit oder wenn eine Beziehung gescheitert ist. Sogar die Menschen, die zu seinem Lebensumfeld gehören, sind davon betroffen und leiden darunter – hartes Lebensbrot, zum Zähneausbeißen, trocken und schwer zu schlucken, Brot, das schwer im Magen liegt.

Wieviel Leid kann ein Mensch erdulden, ohne daran kaputt zu gehen? Wie oft meinen wir, wir müssten – besonders als Christen – in schwierigen Lebenssituationen die Zähne zusammenbeißen, schlucken und bloß kein Wort der Klage und des Schmerzes über unsere Lippen lassen.

Die Frage ist: Wovon haben wir uns ernährt, als uns im Dunkel bedrängender Erfahrungen nichts mehr schmecken wollte? Der Evangelist erinnert an die vertraute, hoffnungsvolle biblische Geschichte, wie Gott sein Volk durch die Wüste führte und ernährte:

Unsre Väter und Mütter haben in der Wüste das Manna gegessen, wie geschrieben steht (Psalm 79,24): „Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen“.

Wieviele Menschen vor uns und heute vielleicht jetzt unter uns haben erfahren, wie sie durch schwere Zeiten an Leib und Seele ernährt und getragen wurden. Und wie viele haben sich auf den Weg gemacht, um diese Erfahrung mit anderen Menschen zu teilen, sich ihnen mitzuteilen. Indem sie anderen in Not geratenen Menschen helfen, sie besuchen, stützen und begleiten und damit „das Brot des Lebens“ austeilen, ihnen sogar selbst zum Brot werden, zum „Brot der Liebe“.

Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern…

Ist es nicht einleuchtend – dieses Bild vom „laib“haftigen Lebensbrot? In der Entstehung des Brotes spiegelt sich etwas von unserem Leben, dem Geheimnis des Lebens, wieder. Getreidekörner werden ausgesät, Geduld ist nötig, bis die ersten Halme sichtbar werden, behutsame Pflege muss sich anschließen. Wenn das Getreide reif ist, wird es geerntet, abgemäht, gedroschen, zermahlen. Aus dem mit Wasser vermengten Mehl wird das Brot gebacken. Wobei das Salz gegen die Fadheit und der Sauerteig oder die Hefe als Triebmittel nicht fehlen dürfen. Der Teig muss aufgehen, in Bewegung gebracht werden.

So wie das Brot nicht von Anfang an „fertig“ war, müssen auch wir Menschen von einer Lebensphase in die andere hineinwachsen und an schwierigen Situationen reifen, nur dass dieser Wachstumsprozess nicht nach einer erkennbaren Regel oder nach den Gesetzen einer objektiven Logik abläuft, sondern für uns meist unverständlich und rätselhaft bleibt. Wie leicht geraten wir in solchen Lebenssituationen an den Rand der Verzweiflung, fühlen uns von Gott verlassen und sehnen uns nach den sprichwörtlichen „Fleischtöpfen Ägyptens“. Die „Fleischtöpfe Ägyptens“ stehen für den Blick zurück, und der ist nicht lebensspendend.

Leben braucht Wandlung und Verwandlung, die richtige Würze, um genießbar zu werden, und die Bewegung. Schmerzhafte Krisen sind damit verbunden – Geheimnis des Lebens! Aber auch heilsame Krisen – Geheimnis des Glaubens!

Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.

Der Evangelist Johannes stellt uns Jesus von Nazareth als die Ikone eines schmerzvoll und heilsam sich wandelnden Lebens vor Augen, als das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und der Welt das Leben gibt. Jesus, ein „Lebensmittel“, das beste Lebensmittel, für unseren Geist, unsere Seele. Ein Brot gegen den konkreten Hunger in der Welt und gegen den Hunger unserer Seele, ein Brot, das zum Leben verhilft. „Schafft euch Speise, die nicht vergänglich ist, sondern die bleibt zum ewigen Leben“, ruft Jesus dem Volk, den Jüngerinnen und Jüngern, im vorangehenden Zusammenhang unseres Predigtextes zu.

Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben.

Symbolisch, augen- und sinnfällig nehmen wir das Brot des Lebens auf, wenn wir (heute) am Tisch des erhöhten Herrn Abendmahl/Eucharistie feiern.

Herr, gib uns allezeit solches Brot.

„Kommt, denn es ist alles bereit; schmecket und sehet, wie freundlich Gott ist. Wohl dem, der auf ihn trauet!“ (Psalm 34,9)

Amen.

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