Wege im Licht Gottes
Der Gott Jakobs hat etwas zu sagen, was Grenzen und Todeslinien überwindet
Predigttext: Jesaja 2,1-5 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
1 Dies ist's, was Jesaja, der Sohn des Amoz, geschaut hat über Juda und Jerusalem: 2 Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, 3 und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns auf den Berg des HERRN gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. 4 Und er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. 5 Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des HERRN!Exegetisch-homiletische Vorüberlegungen
Eine Vision über Juda und Jerusalem: In der letzten Zeit versammeln sich die Völker auf dem Berg Zion, um die (Weg-)Weisung Jahwes zu empfangen. Parallel formuliert: Jahwes Wort geht von Jerusalem aus. Inhaltlich wird in der Vision Jesajas geschaut, wie aus Schwertern Pflugscharen und aus Spießen Sicheln werden. Was dem Krieg diente, dient jetzt dem Leben. Pflugschare und Sicheln stehen für bebaute und bewohnte Erde. Die Völker müssen sich nicht mehr gegeneinander sichern oder Angst vor einander haben. Der Hass, der in der Geschichte gelernt (und gelehrt) wurde, wird in einer neuen Konstellation verlernt. V. 5 führt die Gedanken aus der Schau heraus: Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht Jahwes. Der weite Blick in die „letzte Zeit“ wird in der Gegenwart festgemacht. Bevor die Völker kommen, wird das Haus Jakob (= Israel) aufgerufen, sich aufzumachen, im Licht Jahwes zu leben: Seine Weisung ist bekannt und bewährt sich. Jesaja entwickelt keine Utopie, sondern schreibt die vertraute Geschichte fort. Besonders wichtig ist, die Wirkungsgeschichte wahrzunehmen. „Schwerter zu Pflugscharen“ war die Losung der friedlichen „Revolution“ in der ehemaligen DDR. Wohl selten zuvor hat sich ein biblisches Wort so bemerkbar und griffig in die Tagesdiskussionen eingebracht. Die Bewegung, die der Text vorgibt, wurde wörtlich genommen: Kommt nun … Dass von Zion Weisung ausgeht und des HERRN Wort von Jerusalem, ist zu einem Leitwort des christlich-jüdischen Dialoges geworden. Christen, die sich in den Bund Gottes mit seinem Volk hineingenommen sehen, hören nach Auschwitz neu auf Jahwes Stimme, fragen nach seiner Verheißung und achten auf Jerusalem. „Wendung nach Jerusalem“ ist darum auch kennzeichnend für den Weg, den Christen gehen. Zu den Fragen, die der Text aufwirft, gehört heute, die zerrissene und brutale Realität im Hl. Land, besonders in Jerusalem, wahrzunehmen. Die Völker lassen sich nichts sagen, sie bleiben in ihren „Geschichten“ gefangen und setzen auf militärische Sicherungssysteme. Die UNO spiegelt Fronten und Machtverhältnisse; Israel selbst baut einen Zaun, der trennt. Ein Blick in die Tageszeitung macht deutlich, dass Hass gelernt und gelehrt wird. Aus Schwertern werden nicht Pflugscharen, sondern Langstreckenraketen, aus Spießen nicht Sicheln, sondern Bomben im Rucksack. Eine Predigt aus Jes. 2 wird die „Schau“ in die „letzte Zeit“ nicht zerreden oder problematisieren dürfen, sondern als Verheißung wach halten – und im letzten Vers die eigene Verantwortung wahrnehmen. Die „Schau“ beginnt mit dem (eigenen) „Kommen“, mit dem Weg im Licht Gottes.Fürbitten
Barmherziger Gott, du hast uns in deiner Barmherzigkeit aufgetragen, die Welt ins Gebet zu nehmen. Wir bitten dich: • Für alle Menschen, die Angst haben, Angst vor einer Begegnung, einer Diagnose oder einem Verlust. Schenke ihnen den Mut, darüber zu reden – und Menschen, die ihnen zuhören. Herr, erbarme dich • Für alle Menschen, die sich darüber hinwegsetzen, was Menschen einschüchtert und klein macht. Hilf ihnen, einen neuen Blick zu gewinnen – und Menschen, die mutig für andere eintreten. Herr, erbarme dich • Für alle Menschen, die an ihren Erinnerungen zerbrechen und von Vergangenem nicht loskommen. Bewahre ihnen Lebensmut – und Menschen, die sie begleiten. Herr, erbarme dich • Für alle Menschen, die mächtig und einflussreich sind. Lass ihnen Grenzen – und Menschen, die kritisch mit ihnen umgehen. Herr, erbarme dich • Für alle Menschen, die öffentliche Meinungen bilden und beeinflussen. Schenke ihnen Liebe zur Wahrheit – und Menschen, die sich nicht vereinnahmen lassen. Herr, erbarme dich. Gott, wir danken dir für alle Zuneigung, Treue und Geborgenheit, die Menschen einander schenken. Hilf uns, nicht müde zu werden oder aufzugeben. Von deiner Zusage leben wir: Du gehst mit uns. In Ewigkeit. Amen.Alternativvorschlag:
Gott, in deiner Barmherzigkeit öffnest du den Himmel und schenkst uns deinen Geist. Wir bitten dich: Für die Menschen, die Worte brauchen, die noch nicht abgenutzt sind. Um Vertrauen zu wecken, Vorurteile zu entkräften und Frieden zu stiften. Wir rufen zu dir: Komm, Heiliger Geist Für die Menschen, denen die Worte ausgegangen sind. Weil sie enttäuscht wurden, sich zurückgezogen haben und an nichts mehr glauben. Wir rufen zu dir: Komm, Heiliger Geist Für die Menschen, die öffentliche Meinungen bilden. Damit sie den Mut haben, die Wahrheit zu sagen, dem Hass zu wehren und kluge Fragen zu stellen. Wir rufen zu dir: Komm, Heiliger Geist Für die Menschen, die ihre Länder in internationalen Gremien vertreten. Dass sie den Menschen eine Stimme geben, die keine mehr haben, sich sorgen um die Zukunft der Kinder und in Krisensituationen Auswege finden. Wir rufen zu dir: Komm, Heiliger Geist Für die Menschen, die im Hl. Land keinen Frieden finden. Dass sie miteinander reden, Zäune abbauen und sich von Gewalt nicht einschüchtern lassen. Wir rufen zu dir: Komm, Heiliger Geist Für die Menschen, die in den Kirchen das Wort führen. Dass sie menschlich, liebevoll und verständlich das Evangelium verkünden, Fremden Freundschaft gewähren und für Gerechtigkeit eintreten. Gott, in deiner Treue bewahrst du uns einen weiten Blick. Wir bitten dich: Hilf uns aufzubrechen, in deinem Licht leben und deiner Verheißung zu vertrauen. Dein Geist gibt der Erde ein neues Gesicht.I
Es ist Urlaubszeit. Viele Menschen wandern auf Bergrücken oder erklimmen Steilwände. Sie genießen den Aufstieg, die weite Sicht, das unbeschreibliche Panorama. Es sind dann Bilder im Kopf und in der Seele, die nicht klein zu kriegen sind. Klar, es gibt auch das Gefühl, winzig zu sein, aber mehr noch, Teil einer großartigen Schöpfung zu sein – und in einer langen Kette von Menschen, die lange vor uns lebten, aber diesen weiten Blick mit uns teilen.
Es ist Urlaubszeit. Sie kommt leicht daher, fordert aber heraus. Kräfte werden gemessen, Ziele hoch gesteckt, Träume realisiert. Ein Traum ist, über sich hinauszuwachsen, alltägliche Grenzen hinter sich zurück zu lassen, den Himmel zu erobern. Ein Berg kommt mir gerade recht – oder umgekehrt.
Jesaja, der Sohn des Amoz, nimmt uns mit auf einen Berg. Einen besonderen. Es ist der Berg Zion. In unserer Geographie ausgedrückt: Jerusalem. Wir besingen sie noch heute als hochgebaute Stadt – und wer schon einmal da war, sieht sie vor sich. Heute führen Straßen in sie. Von allen Seiten. Aber was Jesaja uns zumutet, ist mehr als eine Bergwanderung, die nicht mehr sein muss: Auf diesem Berg versammeln sich die Völker. Ein Gipfeltreffen, sozusagen. Was sie hier wollen? Den Gott Jakobs hören, seine Wege entdecken, auf seinen Steigen wandeln. Hier gibt ein Wort das andere. Eine große Variation – aber nur ein Thema: die neue Weltordnung. Ich weiß: Neue Weltordnungen wurden schon oft beschworen, zitiert, angepriesen, für dumm verkauft. Aber diese Weltordnung, die Jesaja kommen sieht, verändert die Welt: Schwerter zu Pflugscharen, Spieße zu Sicheln. Eine große Abrüstung, mehr: Die Aggression wird nicht mehr gelernt, auch nicht mehr gelehrt. Hass wird begraben. Der Krieg bekommt keine neue Nahrung. Er verhungert. Aber die Menschen ziehen mit dem alten Kriegsgerät neue Furchen, der Sensenmann mäht nur noch Gras. „Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“
Eine Urlaubsimpression? Und wenn es so wäre? Kräfte sind zu messen, Ziele hoch zu stecken, Träume zu realisieren. Jesaja hat sich nicht in einer Vision versteckt, um Realitäten zu fliehen. Im Gegenteil: Als er diesen weiten Blick fand, stand es um Jerusalem nicht gut. Und die mächtigen Völker, ringsum, haben auch damals schon Machtpolitik vom Feinsten betrieben. Was diplomatisch nicht ging, holte man sich mit Waffengewalt. Ein Gipfeltreffen in Jerusalem? Warum denn da? Und Schwerter zu Pflugscharen? Für wen? Jesaja liebt Jerusalem, die kleine Stadt. Zwar hochgebaut, aber einnehmbar und verletztlich: „Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des HERRN!“ Das ist die eigentliche Brisanz: Wer im Lichte Gottes seinen Weg geht, sieht über die Tagesereignisse, den großen Reden und den Geschichten, die wie Gefängnisse sind, hinaus. Wer im Lichte Gottes seinen Weg geht, beginnt damit, Schwerter in Pflugscharen zu verwandeln. Das Unmögliche wird zu einer beglückenden Erfahrung: Die großen und bedeutenden Völker können sich in Jerusalem versammeln, um sich von Gott den Weg weisen zu lassen – den Weg zum Frieden, zum versöhnten und ausgeglichen Miteinander. Jesaja mutet uns noch Jahrhunderte danach die andere Sicht zu – und das ist keine Urlaubsimpression.
II
Es ist so lange noch nicht her, dass Menschen in der ehemaligen DDR einen Satz für sich entdeckten – und ihn zu einem Programm machten: Schwerter zu Pflugscharen. Ob sie die große Vision, die Jesaja hatte, in ihren Einzelheiten kannten? Vielleicht wussten sie nicht einmal, dass sie ihr Wort in Jesaja 2 finden konnten – aber das Wort lebte, gab eine Richtung vor, ließ sich nicht totschweigen. Es war eine Zeit, in der Machtblöcke hoch gerüstet einander gegenüberstanden. Längst war nicht ausgemacht, dass es eine friedliche Revolution werden könnte, die 1989 die Welt veränderte. Aber eine Vision stand vor den Ereignissen. Kurz beschrieben, griffig und gut zu merken: Schwerter zu Pflugscharen. Das war eine Absage an Gewalt und Gegengewalt, eine Absage an Rüstung und Nachrüstung, eine Absage an die gewohnten Denkmuster und eingespielten Vorurteile. Jesaja hätte sich kaum träumen lassen, dass seine Vision Mut machen würde, sich auf einen neuen Weg zu machen – und die meisten haben nicht einmal gewusst, aus welcher Quelle sie schöpften. Dies ist, was Jesaja, der Sohn des Amoz, geschaut hat über Deutschland …
Heute lesen wir in unseren Zeitungen, sehen auf unseren Bildschirmen, wie in Israel Angst und Unsicherheit neue Angst, neue Unsicherheit schaffen. Wir nennen das – Teufelskreislauf. Ich zitiere aus einer Meldung:
Die Mauer in Israel wächst. Trotz unzähliger Appelle aus dem In- und Ausland lässt die Regierung unbeirrt weiter bauen. Javier Solana, EU – Sondergesandter für Sicherheit, räumte gestern ein, dass Israel das Recht auf Verteidigung habe. Aber die Mauer außerhalb des israelischen Territoriums sei gesetzeswidrig. Außerdem befürchtet Solana humanitäre Probleme. Am 1. September soll der erste Stein in Jerusalem gesetzt werden. Die Konsequenzen für die Bevölkerung? Schauen Sie dahin, wo die Mauer schon steht, sagt Pater Ibrahim Faltas, katholischer Pfarrer, früher in Bethlehem, jetzt in Jerusalem. Die Menschen leben schlecht: “Sehr schlecht. Es gibt nun Menschen, die die Pfarrkirche in Jerusalem nicht erreichen können oder nicht zur Schule gehen können. Viele aus dem Westjordanland arbeiten in Jerusalem oder in Israel. Jetzt können Sie nicht zur Arbeit gehen, weder in Jerusalem noch im Rest-Israel. Man kann sich also vorstellen, dass die Arbeitslosigkeit hoch ist, sehr hoch.” Laut Israel soll der Mauerbau den Extremismus der Palästinenser stoppen. Pater Faltas ist anderer Meinung: “Das beste für die beiden Völker ist, wirklich zusammenzuleben. Es gibt schon jetzt viele gemeinsame Projekte zwischen den Palästinensern und Israelis. Diese Friedensinitiativen müssen noch verstärkt werden.” Faltas erinnert: Schon der verstorbene Papst Johannes Paul II. habe gesagt: “Das Heilige Land braucht keine Mauern. Es braucht Brücken.” (rv)
Was ist, wenn aus Schwertern Langstreckenraketen, aus Spießen Bomben im Rucksack werden? Wenn der militärische Fortschritt nicht mithalten kann, Selbstmordattentäter aber wie von selbst nachwachsen? Wenn Zäune Sicherheit versprechen, aber nur neuen Haß schüren? In Synagogen wie Kirchen hat Jesaja einen guten Namen, er ist wie ein einzigartiger Lichtblick: Er hält die Erinnerung daran wach, dass der Gott Jakobs etwas zu sagen hat, was unsere Engen, Grenzen und Todeslinien überwindet. Indem er Menschen zu einander setzt, sie einlädt, ihre Erwartungen zu formulieren, aber auch über nicht bewältigte Vergangenheit zu reden. Ich stelle mir vor: Jesaja erzählt seine Vision in der Vollversammlung der UNO. Und sein letzter Satz ist – ohne Amen: Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des HERRN! Nein, fromm sollten wir diesen Satz nicht lesen. Er überträgt uns Verantwortung – Antwort eben!
III
Wir reden über Hass, wir sehen ihn wachsen, wir träumen davon, wie Menschen ihn verlernen. Jesaja hat in seiner Vision Bilder weiter gegeben, die Schule gemacht haben. Viele Völker haben den christlichen Glauben angenommen. Es war ein langer und beschwerlicher Weg. Oft genug gepflastert mit Gewalt. Was das Wort nicht erreichte, sollte das Schwert richten. Oder die Kirche kam, nachdem die Soldaten ihr Werk verrichtet hatten. Die christliche Färbung, oft genug nur wie Schminke, gab sich mit Feindbildern zufrieden und schuf neue. Schon sehr früh beginnt in der Geschichte die unheilvolle Judenfeindschaft, die sich im 20. Jahrhundert zu Völkermord und Vernichtung auswuchs. Jesaja wurde als artfremd ausgeschieden, die Vorstellung, in Jerusalem dem Gott Jakobs das letzte Wort zu lassen, schlichtweg als unsinnig (und undeutsch) abgetan. Mit verheerenden Folgen für die ganze Welt. Schon kurz nach dem 2. Weltkrieg, nach Auschwitz, beginnt der Dialog zwischen Juden und Christen. Wieder ist es Jesaja, der Worte leiht: „Kommt, lasst uns auf den Berg des HERRN gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem.“
Viel haben wir zu erzählen. Die Hebräische Bibel wird von Christen neu entdeckt, die Tora, lange als jüdisches Gesetz verschrieen, als heilvolle Weisung erfahren, Jerusalem mit neugierigen Augen aufgesucht. Umgekehrt helfen jüdische Ausleger, im Neuen Testament neue, sprich: alte Seiten wahrzunehmen. Im Gespräch wächst das Vertrauen wieder, im Gespräch wird ein Lernweg beschritten. Aus ihm kommt keiner so raus, wie er in ihn hineingegangen ist. Die Abgrenzungen, die in Fleisch und Blut übergegangen schienen, wurden entlarvt. Ich denke an ein Buch. Es trägt den Titel „Wendung nach Jerusalem“. Jesaja kann sich freuen.
Wenn Christen, weltwelt, Gottes Wort auslegen, stoßen sie auf die alten Verheißungen, die – wie der berühmte Regenbogen – eine Welt überwölben, die in Hass auseinander zu fallen droht. Es ist fast buchstäblich so, dass die Völker, hier: die Christen, vom Gott Jakobs Einweisung in das Leben erbitten und erwarten. Jesaja sah die Völker auf den Berg Gottes pilgern – im übertragenen Sinn sind wir tatsächlich dahin unterwegs. Weil wir den Herren der Geschichte schon längst das Vertrauen abgesprochen, den großen Helden unseren Gehorsam aufgekündigt, die Glorienscheine entzaubert haben. Christen haben auch die Formulierung gefunden, dass sie mit Israel auf einen neuen Himmel und eine neue Erde warten. Was uns Christen oft so leicht über die Lippen geht: Wir seien schon erlöst – wird von Jesaja in eine Vision gekleidet. Wir sind auf dem Weg. Über ihm steht: „Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des HERRN!“
IV
Im Licht des Herrn: Jesaja hat uns Bilder und Worte anvertraut, mit denen wir auch die unheilvollen, gewalttätigen Züge menschlichen Lebens wahrnehmen, aber auch die große Hoffnung beschreiben, dass Gottes Wort die gute Weisung ist, das Leben zu finden, zu bewahren und zu teilen. Bei Jesaja sind Menschen nicht allein unterwegs, sie halten ein großes Treffen ab – es wird viel erzählt, vielleicht auch geweint. Dann werden die Schwerter zu Pflugscharen, die Spieße zu Sicheln. Was Menschen umbrachte, dient jetzt ihrem Lebensunterhalt. Gewalt, die nur neue Gewalt schaffen kann, wird verbannt. Die Erde birgt nicht mehr die Opfer, sie lässt das Leben sprießen. Sorgfältig behütet und bewahrt. Von Menschen. Nach Hautfarben, Traditionen und Dialekten fragt niemand – und wenn, dann nur, um sich über den Reichtum und die Schönheit der anderen zu freuen.
Etwas fehlt noch, darf aber nicht untergehen: Gott Jakobs. Jakob ist einer der sogenannten Erzväter, der Dritte im Bund. Seine Geschichte wird mit ihren Höhen und Tiefen in der Genesis, im Ersten Buch Mose erzählt. Ein Schlawiner, Trickser und Chameur. Gott wird als Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs genannt – oder hier bei Jesaja eben: Gott Jakobs. Diese namentliche Verbindung erzählt von einem Geheimnis: Gott ist der, der mit Menschen unterwegs ist – und seine Geschichte mit der Geschichte von Menschen verknüpft. Der Gott Jakobs ist – der Vater Jesu Christi. Als Menschen, die nach ihm genannt sind – Christen – treten wir eine Geschichte ein, die lange vor uns begonnen hat und die weit über uns hinaus führt. Jesaja hat auch die Fortsetzung geschrieben. Sie hört sich so an:
„Und der HERR Zebaoth wird auf diesem Berge allen Völkern ein fettes Mahl machen, ein Mahl von reinem Wein, von Fett, von Mark, von Wein, darin keine Hefe ist. Und er wird auf diesem Berge die Hülle wegnehmen, mit der alle Völker verhüllt sind, und die Decke, mit der alle Heiden zugedeckt sind. Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der HERR hat’s gesagt. Zu der Zeit wird man sagen: »Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Das ist der HERR, auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.« (Jes. 25,6-9)
Und der Friede Gottes,
der die Bitterkeit von den Herzen nimmt,
der bewahre unsere Herzen und Sinne,
in Jesus Christus,
unserem Herrn.