Ein Haus braucht festen Grund – wie das Leben
Die Predigt Jesu, die auf einem Berg begann, findet den Weg in die Niederungen
Predigttext: Matthäus 7,(21-23)24-27
(21 Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. 22 Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen böse Geister ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Wunder getan? 23 Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter!) 24 Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. 25 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. 26 Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. 27 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war groß.Exegetisch-homiletische Überlegungen
In der Luther-Bibel werden die Vv. 12-23 mit „Vom Tun des göttlichen Willens“ überschrieben, die Vv. 24-29 mit „Vom Hausbau“. Unsere Perikope ist aus diesen beiden Teilen – die ursprünglich eine sogar weit darüber hinausgehende Einheit bilden – „herausgeschnitten“. Es geht um die Klugheit, sein Leben auf festen Grund zu bauen – hier: die Rede Jesu zu hören und zu tun. Ein auf festem Fundament stehendes Haus trotzt der Witterung und den Zeitläufen. „Platzregen“ und „Winde“ bezeichnen Anfechtungen, die nicht nur verunsichern, sondern das Leben zum Einsturz bringen (können). Mit diesem Abschnitt wird die Bergpredigt Jesu beschlossen. Insofern ist seine Jünger-Rede, die in 5,1 auf einem Berg beginnt, mitzuhören. Die Schlussworte des Evangelisten gehören zwar nicht mehr zum Predigttext, können ihn aber gut beschließen, wobei besonders auffällt, dass sich das Volk (nicht nur die Jünger) „entsetzt“ (V.28.29): Und es begab sich, als Jesus diese Rede vollendet hatte, dass sich das Volk entsetzte über seine Lehre; denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie ihre Schriftgelehrten.Lieder:
„Wer nur den lieben Gott lässt walten (…der hat auf keinen Sand gebaut)“ (EG 369), „Herr, deine Liebe“ (EG 653 Regionalteil Evang. Landeskirche in Baden, Elsass und Lothringen, Pfalz), „Komm, bau ein Haus“ (EG 640 Regionalteil Bayern und Thüringen; bzw. …ohne uns geht gar nichts…KIMMIK-PRAXIS, Heft 10, Nr.17)Es ist alles gesagt, was zu sagen war. Jetzt geht seine Predigt zu Ende – die Predigt Jesu, die auf einem Berg begann – und seitdem „Bergpredigt“ heißt. Fasziniert sind bis heute Menschen von dem, was sie dort zu hören bekommen:
Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich. Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
Oder: Ihr habt gehört, dass gesagt ist: »Du sollst deinen Nächsten lieben« und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
Oder: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie? Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.
Und: Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten. Geht hinein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und viele sind’s, die auf ihm hineingehen. Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden!
Ich habe einige Ausschnitte vorgelesen. Es gibt noch viele andere wichtige und schöne Stücke. Schade, ich kann sie nicht alle vorlesen. Nehmen Sie doch heute Nachmittag die Bibel. Lesen Sie – im Evangelium nach Matthäus, die Kapitel 5 bis 7. Die Bergpredigt Jesu. In ihr ist alles gesagt, was zu sagen war. Vom Willen Gottes, ja, aber auch vom guten Leben der Menschen – von Verheißungen, die wie Lichter sind, aber auch von den schmalen Wegen, die in keiner Karte verzeichnet sind.
II.
Am Ende seiner Predigt erzählt Jesus von einem Menschen, der ein Haus baut. Viel Arbeit zwar, aber auch eine große Freude. Die eigenen vier Wände – berühmt bis heute. Mit dem Grundstück fängt es an. Wo? Wie teuer? Erschlossen? Umfeld? – Spannende Fragen. Es ist viel zu bedenken. Schließlich ist es auch nicht billig. Reicht der Kredit? – Dann wird gemessen, gezeichnet, abgegrenzt. Auf diesem Stück Erde werde ich wohnen. Im Geist wachsen auch schon die Mauern, glänzt ein Dach, grüßen von den Fenstern rote Geranien. Wie aus dem Bilderbuch – oder dem Prospekt der Bausparkasse.
Ein Haus zu bauen, bedeutet vielen Menschen sehr viel. Es ist mehr als eine Unterkunft oder eine Bleibe für die Nacht, es ist ein Traum, ein Lebensraum. Die Werbestrategen zeigen darum auch nie besorgte oder verbitterte Gesichter, sondern glückliche, gelöste, zufriedene. Die Botschaft, die vermittelt wird, ist sehr einfach: Bau dein Glück.
Das Leben in der Hand zu haben, etwas daraus zu machen, zu planen und zu bewegen, gehört zu den größten Herausforderungen und Sehnsüchten, die Menschen mit einander teilen. Das Gleichnis, das Jesus erzählt, ist da wie aus dem Leben gegriffen: Es muss alles stimmen. Risiken sind zu begrenzen. Auf die Sicherheit kommt es an. Langfristig gedacht. Ob tatsächlich jemals ein Mensch sein Haus auf Sand gebaut hat? Nein, ich verstehe Jesus auch so. Wenn es regnet und stürmt, muss ein Haus feststehen, Geborgenheit schenken, Wärme und Licht verteilen. Was klug ist – und was töricht, wird daran gemessen: Der kluge Mensch baut sein Haus auf Felsen, der törichte gibt sich mit Sand zufrieden. Das ist das Bild, das sich in meinem Kopf festsetzt. Aber es ist ein unheimliches Bild: Eigentlich ist Sand keine Alternative. Es kostet nicht einmal mehr, den Felsen zu nehmen. Für den Sand spricht – nichts. Für den Felsen – alles!
III.
Wir könnten jetzt vom Regen reden, von den Stürmen auch. Und mein erster Gedanke war, Erfahrungen aufzuzählen, die unser Vertrauen zutiefst erschüttern. Ich dachte an einen Arztbesuch mit einer schlechten Diagnose – an eine Kündigung im fortgeschrittenen Alter – an eine Trennung nach bitteren Auseinandersetzungen. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Viele Erfahrungen sind dazu angetan, uns das Gefühl zu vermitteln, nicht mehr fest zu stehen. Aber meint Jesus das? Was ist an unseren Erfahrungen denn klug, was töricht? Und vor allem: Jesus nennt den Menschen klug, der seine Rede hört und tut. Das ist ein weiter Blick. Über unsere Tellerränder hinaus.
Von meinem ersten Gedanken habe ich Ihnen erzählt. Ich wollte vom Regen reden, auch von den Stürmen. Das sind dankbare Bilder, weil sich viel in ihnen unterbringen lässt. Auch Christen machen Erfahrungen, die an die Substanz gehen. Die Schlussfolgerung aber, wer Jesu Rede höre und lebe, werde wie ein Felsen sein, über den Dingen stehen und jeder Heimsuchung widerstehen, steht nicht im Evangelium – tut aber weh. Was ist denn, wenn ich einfach mitgerissen werde und das Haus meines Lebens zerbricht? Bin ich dann schuldig? Trifft mich der Vorwurf, nicht genug gehört, nicht genug getan zu haben, was Jesus sagt? So merkwürdig es klingt: Der Glaube könnte meinem Leben dann den Rest geben. Ein Sturm, in dem ich falle.
Gerade die Bergpredigt, die Jesus gehalten hat, ist – von Satz zu Satz, „Stein auf Stein“ – eine Predigt, die einen festen Grund legt: Die Predigt beginnt mit einer Verheißung – mit Seligpreisungen: Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
Jesus lenkt den Blick weg von unserer Klugheit und behaftet uns nicht auf Torheiten. Er kultiviert auch nicht die hoch gepriesene und allseits erwartete Fähigkeit, sich im Leben gut anzupassen. Und die Meisterschaft, im Leben auch einstecken zu können, wird nicht von ihm ausgetragen. Jesus erzählt das Gleichnis sozusagen als Höhepunkt seiner Predigt. Denn den Felsen, auf dem wir das Haus unseres Lebens fest bauen können, finden wir nur in seiner Rede – ansonsten würden wir den Felsen nirgendwo finden, so weit wir auch gingen oder liefen. Die Bergpredigt, zunächst den Jüngern gehalten, dann aber vom Volk gehört, könnte auch Felspredigt heißen. Weil sie zu dem Felsen führt, den nicht einmal die Hölle bezwingen kann. Und da reden wir nur von – Regen und Sturm!
IV.
Manchmal freuen wir uns, in diesen oder jenen Widrigkeiten bestanden zu haben. Ich will nicht so tun, als gebe es nicht auch ein christliches „Erfolgserlebnis“. Es bleibt nicht einmal immer im stillen Kämmerlein. Aber dann geht es uns so, als würden wir in dem Haus allein leben. Zufrieden mit uns, zufrieden mit Gott. Vermutlich sogar in dieser Reihenfolge. Zugegeben: Es hört sich bei Jesus auch fast so an, als würde es um unser Haus gehen. Aber die Predigt, die auf einem Berg begann, findet den Weg in die Niederungen. Wir nehmen Menschen wahr, die uns brauchen – mit Vertrauen, Weitsicht und Liebe. Denen wir – um im Bild zu bleiben – das Haus öffnen können, wenn der plötzliche Regen kommt und der Sturm nicht aufhören will. Am Schluss der Bergpredigt können wir das Gleichnis auch so ins Bild bringen: Für wen kann ich feststehen, ein Felsen sein, eine feste Burg? Ähnlichkeiten mit den Psalmen, die so zu Gott sprechen, sind beabsichtigt und nicht zufällig …
Ich darf weiterdenken: an Menschen, die verfeindet sind – an Fremde, die zu uns gehören, aber hinter Vorurteilen verschwinden – an Ausländer, die nirgendwo mehr zu Hause sind. Da ist es wieder: das Bild vom Haus. Und der Traum, dass das Glück gebaut werden kann.
Es ist alles gesagt, was zu sagen war. Jetzt geht seine Predigt zu Ende – die Predigt Jesu, die auf einem Berg begann – und seitdem „Bergpredigt“ heißt. Fasziniert sind bis heute Menschen von dem, was sie dort zu hören bekommen:
Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Matthäus, der Evangelist, erzählt auch die Reaktionen der Menschen auf die Predigt Jesu: Und es begab sich, als Jesus diese Rede vollendet hatte, dass sich das Volk entsetzte über seine Lehre; denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie ihre Schriftgelehrten.