Seinem Glauben vertrauen

Der Glaube macht das Unmögliche möglich

Predigttext: Markus 9,17-27
Kirche / Ort: Leutershausen (69493 Hirschberg)
Datum: 18.09.2005
Kirchenjahr: 17. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrerin Sigrid Zweygart-Pérez

Predigttext: Markus 9, (14)17-27 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

(14 Und sie kamen zu den Jüngern und sahen eine große Menge um sie herum und Schriftgelehrte, die mit ihnen stritten.15 Und sobald die Menge ihn sah, entsetzten sie sich alle, liefen herbei und grüßten ihn. 16 Und er fragte sie: Was streitet ihr mit ihnen?) 17 Einer aber aus der Menge antwortete: Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist.18 Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn; und er hat Schaum vor dem Mund und knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich habe mit deinen Jüngern geredet, dass sie ihn austreiben sollen, und sie konnten’s nicht. 19 Er aber antwortete ihnen und sprach: O du ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn her zu mir! 20 Und sie brachten ihn zu ihm. Und sogleich, als ihn der Geist sah, riss er ihn. Und er fiel auf die Erde, wälzte sich und hatte Schaum vor dem Mund. 21 Und Jesus fragte seinen Vater: Wie lange ist`s, dass ihm das widerfährt? Er sprach: Von Kind auf. 22 Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, dass er ihn umbrächte. Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns! 23 Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst – alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. 24 Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem Unglauben. 25 Als nun Jesus sah, dass das Volk herbeilief, bedrohte er den unreinen Geist und sprach zu ihm: Du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus uns fahre nicht mehr in ihn hinein! 26 Da schrie er und riss ihn sehr und fuhr aus. Und der Knabe lag wie tot, so dass die Menge sagte: Er ist tot. 27 Jesus aber ergriff ihn bei der Hand und richtete ihn auf, und er stand auf.

Exegetische Hinweise zum Predigttext

Zitat aus: Eduard Schweizer, Das Evangelium nach Markus, NTD 1, Göttingen 1975, S.101-103 „Hat Markus diese Geschichte in zwei Formen gekannt? V.14-19 und 27-29 ist sie so erzählt, daß das Interesse ganz an den Jüngern und ihrem Unverständnis, in V.20-27 so, daß es am Vater hängt. Auch die Krankkeit ist doppelt beschrieben in V.18 und 21f. Das Volk ist nach V.14 und 17 schon da, nach V.25 strömt es erst herbei…Markus hat…vielleicht zwei Versionen zusammengearbeitet, weil er beide brauchen konnte, um deutlich zu machen, was Glaube in der Nachfolge Jesu ist. Daher ordnet er die Geschichte auch hier, nicht unter den Wundertaten Jesu, ein. Daher fehlt das ‚Messiasgeheimnis’…, d.h. die Proklamation Jesu durch den Dämon oder den Geheilten und Jesu Schweigegebot. Zu Jesu Worten „Du ungläubiges Geschlecht…“ (V.19): „Jesu Wort…zeigt, daß er nicht zu diesem ‚ungläubigen Geschlecht’ gehört, sondern ihm grundsätzlich gegenübersteht und auf Gottes Seite an der Not ihres Unglaubens leidet, ja, daß hier der eigentliche Kern seines Leidens liegt. Man kann den Text nicht lesen, ohne sich diesem Anspruch zu stellen…Wer zu sagen wagt ‚ich glaube’, der muß im gleichen Atemzug sagen, daß er das nur kann, weil er darauf traut, daß Gott ihm immer neu zum Glauben verhilft…Einzig im Wissen um den eigenen Unglauben kann man das Gottesgeschenk des Glaubens froh und getrost bekennen…So ist Glauben jenes unbedingte Offensein auf Gottes Tun hin…“

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Liebe Gemeinde,

was bedeutet Ihnen eigentlich Ihr Glaube?

Nein, erschrecken Sie jetzt nicht, es geht hier in keiner Weise um eine Inspektion von Glaubenstiefe oder Glaubensinhalten in unserer Gemeinde. Es ist viel mehr eine ganz persönliche Frage, die Sie auch nur sich selber beantworten sollen. Was bedeutet Ihnen eigentlich Ihr Glauben? Vielleicht geht es Ihnen wie der Frau, die mir einmal bei einem Besuch von zurückliegenden Schicksalsschlägen erzählte und dann meinte: „Wissen Sie, Frau Pfarrer, ich weiß nicht, wie ich das ohne meinen Glauben ertragen hätte. Wie machen das eigentlich die Menschen, die keinen Glauben haben?“

Der Glaube wird von vielen unter uns als eine Kraft erfahren, die uns trägt in Momenten, in denen uns der Boden unter den Füßen weggezogen wird. In denen alles, was uns sicher und dauerhaft erschien, in sich zusammenfällt oder uns geraubt wird. Meist können wir es erst im Nachhinein so sagen: Das Wasser stand mir bis zum Hals, aber Gott hat mich davor bewahrt, unterzugehen und zu ertrinken in den Fluten, die über mich hinwegströmen wollten. Ich wusste nicht mehr aus noch ein, ich dachte: ich bin von Gott verlassen, aber er hat mich einen Weg finden lassen, auf dem ich gehen konnte, und mir eine neue Zukunft erschlossen. Wenn wir das von unserem Glauben sagen können, dass er seine Kraft entfaltet in den Zeiten der Krankheit, Angst, Verlust und Trauer, wenn wir Gott als den erleben, der an uns festhält, wenn wir uns von ihm verlassen wähnen, dann ist unser Glaube etwas unendlich Kostbares und Wertvolles, was wir wohl gegen nichts auf der Welt eintauschen möchten.

Und doch ist unser Glauben hoffentlich nicht nur etwas für schwere Zeiten. Vielleicht geht es Ihnen ja auch so wie jemandem aus unserer Gemeinde, der mir bei einer längeren Autofahrt sagte: Es geht mir so unglaublich gut, ich bin ein gesegneter Mensch, ich kann das eigentlich gar nicht fassen und frage mich, warum gerade ich. Warum lässt Gott gerade mich so viel Gutes erfahren? Sein Glaube führte diesen Mann zu einer tief empfundenen Dankbarkeit.

Der Glaube kann also auch etwas sein, was uns zu der Überzeugung führt, dass nicht alles von uns selber abhängt, dass wir nicht alles machen können, auch nicht für alles verantwortlich sind. Dass wir vieles geschenkt bekommen, wie ja auch schon unser Leben an sich ein Geschenk ist. Sie, liebe Gemeinde, finden vielleicht noch viel mehr, noch ganz andere Antworten auf die Frage: Was bedeutet Ihnen eigentlich Ihr Glaube?

Glaube braucht manchmal viel Geduld

In unserem Predigttext begegnet uns ein Mensch, dessen Glaube auf eine harte Probe gestellt wird. Wie oft wird er Gott angefleht haben, seinem kranken Kind zu helfen? Wie viel Verzweiflung hat er in sich gespürt, wenn sein Sohn sich während seiner Anfälle verletzt hat und nichts und niemand ihm helfen konnte? Wieviel Ausgrenzung hat er zusammen mit seiner Familie wohl erfahren, wenn die Krankheit seines Kindes auf einen bösen Geist zurückgeführt wurde? Wenn schon bis heute das Leben mit einem behinderten Kind immer noch schwierig und voller Widerstände ist, gegen welche die Eltern und Familien ankämpfen müssen, um wieviel härter wird es damals gewesen sein, ohne gute ärztliche Betreuung, ohne therapeutische Begleitung, ohne pflegerische Unterstützung, dafür mit umso mehr Vorurteilen.

Aber vielleicht hat der Vater in unserem Predigttext auch immer wieder gespürt, wie sein Glaube ihn trägt, ihm die Kraft gibt, Tag für Tag und Nacht für Nacht für sein gepeinigtes Kind da zu sein. Es so zu lieben, wie es ist. Trotz der Einschränkungen eine glückliche Familie zu sein. Jedenfalls hat er seinen Sohn nicht aufgegeben. Er hat sich nicht mit dem Schicksal abgefunden. Sondern als er von Jesus hört, der schon anderen Kranken geholfen haben soll, da macht er sich mit seinem Kind auf, diesen Jesus zu finden. Aber als er dort hinkommt, wo man ihm sagte, dass er zu finden sei, ist Jesus nicht da. Hilfesuchend wendet er sich an seine Jünger, in der Hoffnung, dass diese an Jesu heilender Kraft Anteil haben. Auch die neue Enttäuschung bringt ihn nicht davon ab, es noch bei dem ankommenden Jesus zu versuchen. „Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns!“

Unser Glaube kann viel mehr, als wir ihm zutrauen

Was Jesus diesem um Erbarmen flehenden Vater antwortet, umfasst das, was wir vorhin darüber gesagt haben, was uns unser Glauben bedeuten kann, und es geht noch darüber hinaus: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt“. Was für eine Zusage! Was für eine Verheißung!

Wahrscheinlich haben auch Sie erst einmal gezuckt bei den starken Worten Jesu. Alles ist möglich, dem der da glaubt. Aber dann denke ich wieder an die Frau, von der ich zu Beginn erzählt habe. Tatsächlich hat ihr der Glaube ermöglicht, was nach Menschenermessen unmöglich erscheint: nach den schwersten Schicksalsschlägen neu anzufangen. Wieder ein fröhlicher Mensch zu werden. Glück zu empfinden und Glück zu schenken.

Jesus ermutigt in unserem Predigtext den verzweifelten Vater, seinem Glauben zu vertrauen. Die Möglichkeiten, die in ihm verborgen liegen, auszuschöpfen. Alles, aber auch alles von Gott zu erwarten. Und der Vater schreit seine Antwort hinaus: Ich glaube, hilf meinem Unglauben! Er wirft sich Gott ganz in die Arme. Und weiß dabei, dass auch dieser Glaube Geschenk ist. Nichts, was wir besitzen, sondern nur in der lebendigen Beziehung zu Gott seine Kraft entfaltet. Aber in dieser Beziehung wird das Unmögliche möglich. Wird die Macht des Bösen überwunden. Beginnt das Leben eines Menschen neu. Jesus richtet den Jungen, der wie tot am Boden liegt, auf. Der Geist, der ihn beherrscht hatte, hat seine Macht verloren.

Wenn wir unserem Glauben mehr vertrauten?

Was wäre, wenn wir unserem Glauben mehr zutrauten? Wenn wir uns immer wieder diese Worte Jesus neu zusagen lassen würden: Alles ist möglich, dem, der glaubt? Ich höre diese Worte heute, am 18. September, am Wahlsonntag, mit einem ganz besonderen Ohr. Was wäre, wenn wir auch die Gestaltung unseres Landes, seiner Politik, seiner Gesellschaft, mit dieser Zusage angingen: Alles ist möglich dem, der glaubt? Wenn uns durch den Glauben alles möglich ist, dann doch wohl auch, dass wir unser Land mit neuer Hoffnung erfüllen. Dass wir die Lust und die Freude entdecken, gemeinsam an der Lösung der gesellschaftlichen Probleme zu arbeiten. Alles ist möglich dem, der glaubt. Wie gut würde es uns tun, aufzuhören mit der Schwarzseherei. Wie gut, einander Hoffnung zu machen. Egal, wie die Wahl ausgehen wird. Wenn wir nicht alle bereit sind, mit Elan und Zuversicht das Land mitzugestalten, dann nützt uns auch die beste Politik nichts. Wir werden die Politikerinnen und Politiker nur dann zu Höchstleistungen animieren, wenn sie spüren, dass wir sie nicht als unsere natürlichen Feinde betrachten, sondern ihnen die nötige Unterstützung zukommen lassen. Unser Land braucht unsere Hoffnung, unsere Zuversicht. Braucht den Glauben, der Berge versetzen kann.

So persönlich die Frage auch gemeint war: Was bedeutet Ihnen Ihr Glaube? Ihre Antwort hat auch gesellschaftspolitische Bedeutung. Weil der Glaube, der uns durch persönliche schwere Zeiten trägt, der uns dankbar macht für erfahrene Güte, weil dieser Glaube auch die Kraft hat, unsere Welt zu verändern. Alles ist möglich dem, der da glaubt.

Amen.

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