Es ist gut, dass ich umkehren kann

Zeit, meine Position zu bestimmen

Predigttext: Matthäus 12,33-35(36-37)
Kirche / Ort: 73457 Essingen
Datum: 16.11.2005
Kirchenjahr: Buß und Bettag
Autor/in: Lektor Hellmut Litzelmann

Predigttext: Matthäus 12,33-37 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984/99)

33 Nehmt an, ein Baum ist gut, so wird auch seine Frucht gut sein; oder nehmt an, ein Baum ist faul, so wird auch seine Frucht faul sein. Denn an der Frucht erkennt man den Baum. 34 Ihr Schlangenbrut, wie könnt ihr Gutes reden, die ihr böse seid? Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. 35 Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus dem guten Schatz seines Herzens; und ein böser Mensch bringt Böses hervor aus seinem bösen Schatz. 36 Ich sage euch aber, dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie geredet haben. 37 Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.

Einführende Gedanken zum Predigttext

Als Predigttext für den Buß- und Bettag 2005 ist der Bibelabschnitt Matthäus 12,33-37 aus der Reihe 3 vorgegeben. "Vom Baum und seinen Früchten" lautet die Überschrift in der Lutherbibel (Revision 1984/99). Die Bibelstelle steht im Kontext der Beelzebubrede Vv 22ff. Synoptisch findet sich für Vv 33-36 Parallele bei Lukas 6,43-45 ("Feldrede"), Vv 36f ist Sondergut. Die Abschnitte davor ("Jesu Macht über die bösen Geister” Vv 22-30 und "Die Sünde gegen den Heiligen Geist" Vv 31-32) sowie der Abschnitt danach ("Die Zeichenforderung der Pharisäer" Vv 38-42) haben sowohl bei Lukas als auch bei Markus synoptische Parallelen. Das Evangelium nach Matthäus (Entstehung gegen Ende des 1. Jh. n. Chr.) richtet sich an judenchristliche Gemeinden. Es kann nicht darum gehen, das Gute (nur) zu predigen, sondern das Gute zu tun. Dieser an die Pharisäer gerichtete Vorwurf darf uns nicht dazu verleiten, auf den Splitter dort zu zielen und dabei den eigenen Balken zu ignorieren, insbesondere sind antisemitische Interpretationen vollkommen fehl am Platz, auch wenn manche Ausleger bei Martin Luther diese Richtung im Ansatz erkennen. Für die Menschen, die an diesem Tag eine Kirche aufsuchen, dürfte der Charakter von Buße und Vergebung deutlich im Vordergrund gottesdienstlicher Erwartung und Absicht stehen. Deshalb folgt meine Auslegung des Predigttextes drei Hauptgedanken: Umkehr ist nötig – Umkehr ist möglich – Umkehr ist fröhlich.

Anregungen zur Gestaltung:

Im Gottesdienstbuch für die Evang. Landeskirche in Württemberg, Ergänzungsband, sind drei Formen für die Gestaltung eines Bußgottesdienstes ausgeführt: Erste Form (mit Verlesung der Gebote), Zweite Form (mit Bekenntnisgebet), Dritte Form (mit Bußpsalm). - In "Losungen 2005" steht für den 1. Sept. als Dritttext der Losungsredaktion ein "Gebet zur Umkehr": „Herr Jesus Christus, es ist gut zu wissen: Umkehr ist möglich, immer wieder. Überall in dieser Welt erheben falsche Götter ihre vermeintlich kraftvolle Stimme. Die, die sich ihr zuwenden, merken oft sehr spät, dass es hinter der Fassade dunkel ist. Sprich du selbst zu ihnen durch die, die vom Licht zeugen“. - Psalmgebet: Psalm 51, 3-14 (Tagespsalm, in den Regionalausgaben EG sind die Verse 3-6.8.10-14 abgedruckt: Baden/Elsaß/Lothringen: EG 730, Bayern/Thüringen: EG 751, Hessen/Nassau, Kurhessen/Waldeck, Nordelbien, Niedersachsen/Bremen, Österreich, Oldenburg, Ost-Verbund, Rheinland/Westfalen/Lippe, Württemberg: EG 727, Mecklenburg: EG 759, Pfalz: EG 733, Reformierte Kirche: EG 728. - Thematisch passende Lieder, die dem Sprachempfinden unserer Zeit näher als die vorgesehenen Tageslieder stehen, sind z.B.: "O Herr, nimm unsre Schuld" (Text und Melodie: Hans-Georg Lotz 1964: EG 235) oder "Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut" (Text und Melodie: Irmgard Spiecker 1970: EG-W 635, EG-BEL 662, EG-P 662); "Wo ein Mensch Vertrauen gibt" (Text: Hans-Jürgen Netz 1975; Melodie: Fritz Baltruweit 1977: EG-W 638, EG-BT 648, EG-HN 630, EG-KW 630, EG-NB 604, EG-Ö 643, EG-Ol 604); "Kommt, atmet auf, ihr sollt leben" (Text und Melodie: Peter Strauch 1993: EG-W 639). – Kanzelgebet: O Herr, lass uns dein Wort nicht dadurch vergeblich sein, dass wir es kennen und nicht lieben, dass wir es hören und nicht tun, dass wir ihm glauben und nicht gehorchen. Öffne uns die Ohren und das Herz, dass wir dein Wort recht fassen. Amen. (Altes Kirchengebet. EG-W Zwischentext S. 414, bei Nr. 194)

Literaturauswahl:

Handbuch zur Bibel. - R. Brockhaus, Wuppertal, 6. Aufl. 1986. - NTD 2 (Mt). Schniewind, Julius. Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, 12. Aufl. 1968. - Wilckens, Ulrich: Das neue Testament. - Zürich und Gütersloh, 8. Aufl. 1991. - Wuppertaler Studienbibel, NT, R. Brockhaus, 2001 (CD-ROM). - Deutsches Pfarrerblatt. Heft 10/2005. Predigthilfe. Balser, Dagmar. http://www.deutsches-pfarrerblatt.de. - Lied trifft Text. Eine Arbeitshilfe zur Gottesdienstgestaltung mit dem Evangelischen Gesangbuch. Gesangbuchverlag Stuttgart 2000. - Franz Alt (geb. 1938): Frieden ist möglich. Die Politik der Bergpredigt. München Zürich (8) 1983. - Paul Maar (geb. 1937): Ein Sams für Martin Taschenbier. Hamburg 1996, 2003. - Die täglichen LOSUNGEN und Lehrtexte der Brüdergemeine für das Jahr 2005. 275. Ausgabe. Hrsg.: Evang. Brüder-Unität, Herrnhut und Bad Boll.

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Liebe Gemeinde!

Umkehr ist das Thema am Buß- und Bettag. Wer ruft da zur Umkehr? Warum soll ich überhaupt umkehren? Und wohin? Hören wir auf den Predigttext, der in der Lutherbibel überschrieben ist mit “Vom Baum und seinen Früchten”. Ich lese aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 12, die Verse 33 bis 37:

(Lesung des Predigttextes)

Umkehr ist nötig

Liebe Gemeinde, wie gut, dass eine Sackgasse keine Einbahnstraße sein kann! Wie oft bin ich schon einen Weg gegangen, bei dem es sich im Verlauf herausgestellt hat, dass es nicht der richtige Weg für mich ist. Da muss ich die Möglichkeit haben, wenden zu können. Wäre meine Sackgasse gleichzeitig eine Einbahnstraße, käme ich nie wieder heraus. Es ist gut, dass ich umkehren kann.

Heute am Buß- und Bettag denke ich nicht nur an die Verkehrswege. Ich denke an meine Lebenswege. Ich denke an das Ziel und ich überlege, an welchem Punkt des Wegs ich gerade bin. Es ist gut, solche Tage der Besinnung zu haben. Unabhängig davon, ob sie gesetzlich verordnet, geduldet oder zur Finanzierung anderer Aufgaben zweckentfremdet wurden. An einem solchen Tag nehme ich mir Zeit, meine Position zu bestimmen, mir über meine Richtung klar zu werden.

Wenn ich lese, dass ich für jedes unnütze Wort, das ich geredet habe, zur Verantwortung heran gezogen werde (Vers 36), erkenne ich: Umkehr ist nötig. Ich würde es mir zu einfach machen, wenn ich nur sagte: Es war eben gedankenlos daher geredet, was ich geredet habe. Dann wäre es wie bei einer faulen Frucht. Man erkennt schon von außen: Da ist nichts Gutes drin (Vers 33). So soll mein Denken und Reden nicht sein. Erst recht nicht mein Tun. Umkehr ist nötig.

Liebe Gemeinde, das ist der erste Schritt, den ich tun muss: Ich muss einsehen, dass ich umkehren muss. Ich muss stehen bleiben, inne halten, mich prüfen. Unser Bibelabschnitt ist eine Hilfe dazu. Gottes Wort zeigt mir nicht nur, was in meinem Leben faul ist, wo ich umkehren muss, er zeigt mir auch den Weg zurück und Er geht mit mir.

Umkehr ist möglich

Umkehr ist möglich. Das könnte der Titel eines Buchs von Franz Alt sein. Aber dieses Thema ist schon sehr viel älter. Eigentlich so alt wie die Menschheit. Wir leben auf der Erde nicht im Paradies. Immer wieder gibt es faule Früchte und immer wieder bringen Menschen Böses hervor (Vers 35). Unsere Nachrichten sind voll davon. Ich möchte hier nicht auf die großen Verbrechen eingehen. Wo Sie und ich unsere eigenen wunden Punkte haben, das müssen Sie und ich für uns selbst ausloten. Tröstlich finde ich, dass wir darin nicht gefangen sind, sondern immer wieder die Möglichkeit haben, heraus zu kommen. Mit den Worten unseres Bibelabschnitts gesprochen: Ich kann zu einem guten Baum werden, der gute Früchte hervor bringt. Wie geht das? Ist es so einfach, dass wir uns das einfach wünschen, und es geht in Erfüllung? Paul Maar schreibt in einem Kinderbuch von einem schüchternen Jungen, zu dem ein Sams kommt, ein seltsames lustiges Wesen, das Wünsche erfüllen kann. Es sagt zu dem Jungen:

“Andre können dich nicht ändern,
ändern musst du dich allein.
Du wirst nie die andern ändern,
aber du kannst anders sein.”

Liebe Gemeinde, der Junge in unserer Geschichte hat es sich zu Herzen genommen, was das Wunschwesen ihm gesagt hat. Nehmen wir uns auch zu Herzen, was Gott uns heute sagt. Umkehr ist nötig und Umkehr ist möglich. “Du wirst nie die andern ändern, aber du kannst anders sein.” Wo ich in den Fehlern meiner Mitmenschen herum stochere, stehe ich mir selbst im Weg, meine eigenen wunden Punkte wahr zu nehmen. Ich soll auch gar nicht meine Mitmenschen ändern. Ich soll bei mir selbst anfangen. Ich selbst muss mich auf dem Absatz umdrehen. “Andre können dich nicht ändern, ändern musst du dich allein.” Ich glaube nicht, dass Gott mich immer am Arm packt und umdreht. Er stellt hier und da Stopp-Zeichen und “Hier wenden” – Schilder auf. Lesen muss ich sie selber. Und ich darf darauf vertrauen, dass Seine Hand mich führt auf dem Weg der Umkehr.

Umkehr ist fröhlich

Wie geht es einem Menschen, der umkehrt, der ein Stück seines eingeschlagenen Weges zurück geht? Ich habe da nicht nur die ermutigenden Worte unseres Bibelabschnitts vor Augen, sondern auch die drohenden Worte, die Worte, die keinen Zweifel daran lassen, was mit den Menschen geschehen wird, die in ihrem Herzen böse bleiben. Es drängen sich mir Bilder auf von Verurteilten, die beim Verlassen des Gerichtssaales ihr Gesicht verhüllen, um nicht vor aller Welt als Sensation zur Schau gestellt zu werden. Sieht so Umkehr aus? Liebe Gemeinde, Gottes Gnade, seine vergebende Liebe malt ein anderes Bild: Erinnern wir uns an das Gleichnis vom verlorenen Sohn oder sagen wir treffender: vom umkehrenden Sohn (Lukas 15,11-32). Denn mit seiner Umkehr ist er nicht mehr verloren, sondern frei. Umkehr macht frei, könnten wir sagen. Frei von der bisherigen Schuld. Wer erkannt hat, dass der Weg bis dahin der falsche war und wer dann folgerichtig umkehrt, der tut Buße. Er sieht ein, was falsch war und entscheidet sich für das richtige: Er kehrt um. In diesem Gleichnis stellt Jesus uns vor Augen, wie Gott darauf reagiert: Er nimmt diesen als verloren gemeinten Menschen an! Gott liebt nicht die Sünde, aber Er liebt den Sünder. In seiner Liebe ruft er ihn auf den richtigen Weg.

Umkehr ist nötig, Umkehr ist möglich und Umkehr ist fröhlich: Wer Vergebung erfahren hat, kann aufatmen. Kann frei sein und froh. “Freut euch mit mir”, heißt es in den drei Gleichnissen (Lukas 15), “und feiert mit mir. Denn was verloren war, ist wieder gefunden.” Liebe Gemeinde, hüten wir uns davor, mit Gottes Vergebung leichtfertig umzugehen nach dem Motto “Gott meint es ja doch nicht so ernst”. Unser Bibelabschnitt warnt uns mit deutlichen Worten davor. Wir sollen den Ruf zur Umkehr erkennen, ihn wahrnehmen und uns aber nicht davor scheuen, diesen Schritt zur Umkehr dann auch zu tun. Gott schenke Ihnen und mir immer wieder den Mut dazu, nicht nur am Buß- und Bettag.

Amen.

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