Namensgebungen haben es in sich
Bei Jesus hat man schon lange vor seiner Geburt über passende Namen für ihn nachgedacht
Predigttext: Jesaja 9,1-6 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984):
1 Das Volk, das im Finsteren wandelt, sieht ein großes Licht und über denen, die im finstern Lande wohnen, scheint es hell. 2 Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man die Beute austeilt. 3 Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. 4 Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn daher geht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. 5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; 6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er´s stärke und stütze durch recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des Herrn Zebaoth.Vorbemerkung
Der Gottesdienst um 16.30 Uhr, ein Familiengottesdienst, ist an Heiligabend in Westerende, einer ostfriesischen Dorfgemeinde, der zweite Gottesdienst von vieren. Im Gottesdienst vorher fand das Krippenspiel statt, die ganz Kleinen sind also nicht in der Kirche, aber wegen der mitwirkenden Flötengruppen (Kinder und Eltern) doch wenigstens noch Kinder im Grundschulalter. Um 18 Uhr findet der klassische Weihnachtsgottesdienst für die Erwachsenen statt und um 23 Uhr der Spätgottesdienst. Zielgruppe: Jüngere Familien, Kinder, Konfirmanden, Großeltern. Die Weihnachtsgeschichte nach Lukas wird in drei Abschnitten gelesen: Lk 2,1-7 / Lk 2,8-14 / Lk 2,15-20, dazwischen jeweils Flötenmusik bzw. Gemeindegesang.Liebe Gemeinde,
neulich ist mir eine alte Karte in die Hand gefallen. Ich habe sie aufgeklappt, „Kinder sind ein Geschenk des Herrn“ steht darauf. Und dann: „Dankbar und voller Freude geben wir die Geburt bekannt….“ Die Karte ist fast 32 Jahre alt. Sie weist darauf hin, dass ich geboren bin. Meine Patentante, die schon über achtzig Jahre alt ist, hat sie mir frühzeitig „vererbt“.
Das ist ein eigenartiges Gefühl, die eigene Geburtsanzeige zu lesen. Mein eigener Name steht noch darauf und der meiner Eltern und dann folgen die Namen meiner sechs Geschwister. Schon früh habe ich meine Mutter danach gefragt, warum ich so heiße: Theda Rebecca. Und warum meine Geschwister ihre Namen bekommen haben. Jede/r einen ostfriesischen Vornamen und einen biblischen Zwischennamen. Da hat sie mir ein Buch von 1958 gezeigt: „Gebt ostfriesische Vornamen“, daran haben sich meine Eltern gehalten: Antje, Frauke, Udo, Enno, Haiko, Edzard und Theda. Und weil sie Christen sind und weil es in einer Pastorenfamilie so üblich ist, haben wir noch jede/r einen biblischen Namen erhalten. Stimmt gar nicht. Zwei Kinder nicht. Antje und Udo. Hinter ihren Zwischennamen verbergen sich Familientradition und auch Familienzwang. Meine älteste Schwester, das älteste Kind, hat gleich zwei Zwischennamen mit auf den Weg bekommen (wer weiß, ob man noch mal die Gelegenheit bekommt, einen Namen zu geben?): Sie heißt Antje Erika Wilhelmine – nach den beiden Omas. Da diese beiden keine biblischen Namen trugen, ging Antje, was das anging, leer aus. Und Udo? Der erste Sohn. Der sollte eigentlich Hermann heißen. Das ging gar nicht anders. Der Opa väterlicherseits wachte mit Argusaugen darauf, dass sich meine Eltern keinen Aussetzer erlaubten. Schließlich hießen doch die männlichen Vorfahren schon seit Generationen so! Meine gehorsamen Eltern nannten ihren Sohn also Hermann. Damit er nicht mit seinen Vettern verwechselt werden konnte, die allesamt Hermann heißen, wurde unser Hermann mit seinem Zwischennamen angeredet, einem ostfriesischen, nämlich Udo. Und das schon seit 39 Jahren. Da haben sie Opa also doch noch ein Schnippchen geschlagen…
Liebe Gemeinde, so eine Namensgebung hat es in sich. Ob das Kind nun Mareike oder Hauke, Steffen oder Johanna heißt, das ist ganz und gar nicht egal. Kürzlich in der Krabbelgruppe habe ich die Mütter befragt, warum sie ihrem Kind gerade diesen Namen gegeben haben. Von einem Namen will ich das erzählen. Die Tochter heißt: Belana Luise. Luise nach der Oma. Am Sterbebett hatte die Mutter versprochen, wenn sie einmal eine Tochter bekäme, solle sie Luise heißen. Und Belana? Der Name stammt aus der Serie Star Treck. Dort spielt eine Frau namens Belana mit, eine starke, resolute Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht. Das wünschen sich die Eltern auch für ihre Tochter. Sie hoffen, dass sich der Name auch in im Leben der Tochter verwirklicht. Sie hoffen, dass sie ihr etwas Gutes mit auf den Weg gegeben haben. Luise heißt übrigens übersetzt: die Kämpferin.
Andere nennen ihr Kind „Felix“, der Glückliche, weil sie sich wünschen, dass ihr Kind ein glücklicher Mensch wird. Eine Frau aus der ehemaligen DDR erzählte, sie habe einen englischen Namen, weil ihre Eltern damit ein Stück Freiheit, ein Stück Ausbruch aus den Mauern ausgedrückt und für dieses Kind gewünscht haben.
Als Jesus vor 2000 Jahren geboren ist, da hatte man keine Klappkarten verschickt. Aber eine Geburtsanzeige hatte er doch: einen riesigen Stern, der über dem Stall schien und seine Geburt weit und breit bekannt machte. Bei Jesus hat man schon lange vor seiner Geburt über passende Namen für ihn nachgedacht. Nicht seine Eltern, sondern weise Menschen, die mit Gottes Hilfe in die Zukunft schauen konnten. Einer von ihnen hieß Jesaja. Er soll folgendes gesehen haben:
(Lesung des Predigttextes)
Hinter dem Namen eines Kindes verbirgt sich Sehnsucht. Die Sehnsucht nach Glück etwa, nach Kraft oder nach der großen weiten Welt. Auch der Prophet Jesaja und mit ihm ein ganzes Volk hatte Sehnsucht. Sehnsucht nach einem Retter. Sehnsucht nach einem Weg aus der Dunkelheit, aus der totalen Finsternis. Sehnsucht nach Licht. Sehnsucht nach Fröhlichkeit und Jubel. Nach Befreiung. Sehnsucht nach jemandem, der die Last des Lebens abnimmt.
Ausgerechnet ein kleines Kind sollte diese alte, tiefe Sehnsucht stillen, das wusste Jesaja damals schon. Ein Kind soll geboren werden, ein Sohn. So ist es geschehen etwa 700 Jahre später in Bethlehem, so erzählt es die Weihnachtsgeschichte. Ihm, dem erwarteten Herrscher, gibt Jesaja lange vor seiner Geburt die Thronnamen, die vier hoffnungsvollsten Namen, die er sich erträumen kann: Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater und Friede-Fürst.
Jesus ist nicht so zur Welt gekommen, wie man es damals zur Zeit des Jesaja von einem königlichen Herrscher erwartet hätte. Jesus ist in kleinen Verhältnissen geboren und aufgewachsen. Wie wird er seinen großen Namen, sozusagen seinen Zwischennamen, gerecht? Ich denke, diese Namen beschreiben nicht nur die Person Jesus. Sie sind Gottes Plan für sein Leben. Sie drücken aus, was Jesus bei uns Menschen bewirken soll:
Jesus, Wunder-Rat, der Wunderbares plant. Ein Volk, das im Finsteren wandelt. Diese dunklen Schritte im Leben kennt jede und jeder von uns. Situationen im Leben, in denen wir kein Licht sehen. Wo wir im Stillen auf ein Wunder hoffen. Jesus Christus ist einer, der unser Leben im Ganzen sieht. Der unser Leben in seiner Hand hält. Der einen Plan hat für unser Leben. Jesus ist einer, der seinen Weg geht. Und der einen Weg für uns weiß.
Jesus, der Gott-Held, der starker Gott. Jesus ist kein Mensch wie jeder andere. Durch ihn wirkt Gott persönlich. Er hilft uns auf, wenn wir nicht mehr weiter gehen können. Er heilt uns an Körper und Seele. Er richtet uns auf, wenn wir verzweifelt sind. Ihm dürfen wir zur Last fallen, wenn wir sonst nirgends mehr anklopfen mögen.
Jesus, der ewiger Vater. Jeder Mensch hat Sehnsucht nach einem geborgenen Zuhause, nach einem Vaterhaus. Längst nicht jedem Menschen ist so ein Zuhause vergönnt, nicht nur in Extremfällen, wo Kinder verhungern. Menschen wie du und ich. Die sich nach einem Ort sehnen, wo sie aufgenommen werden. Wo sie angenommen sind. Wo nicht Schulzensuren oder Arbeitsleistung zählen. Wo man sich ausruhen kann von aller Mühe. Ein Vaterhaus, in das man auch wieder zurückkehren kann. Jesus hat einmal von so einem Vaterhaus erzählt. Gott ist so ein Vater, sagt Jesus, der Halt gibt. Der uns liebt und uns jeden Tag mit offenen Armen entgegenläuft.
Jesus, du Friedefürst. Gerade an Weihnachten sehnen wir uns nach Frieden. Die Welt ist weit davon entfernt, und jeder und jede weiß selbst, wie es in der kleinen Welt Zuhause aussieht. Frieden untereinander, Friede mit sich selbst – wer wünscht sich das nicht. Jesus will diesen Frieden bringen. Versöhnung zwischen Menschen, die vielleicht jahrelang im Streit leben und daran kaputt gehen. Wer mit Jesus zu tun hat, der kann sich von seiner Kraft zur Versöhnung anstecken lassen! Stellen Sie sich das einmal vor: Sie trauen sich endlich, auf den Menschen zuzugehen, mit dem sie im Streit liegen. Oder jemand reicht ihnen die Hand und sagt: Lass uns wieder Freunde sein…
Eltern geben keine Namen ohne Hintergedanken. Bei Jesus war das genauso. Viele Menschen haben erlebt, wie er seinen Namen alle Ehre gemacht hat: als Ratgeber in allen Lebenslagen, als starker Gott in Menschengestalt, als liebevoller Vater, als tiefer Friede. All das können wir erleben, wenn wir uns auf ihn einlassen!
Gesegnete Weihnachten.
Amen