Was genügt im Leben?
Wenn sich Tiefen auftun und alle Worte versagen
Predigttext: 2.Korinther 12,1-10 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
Gerühmt muss werden; wenn es auch nichts nützt, so will ich doch kommen auf die Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn. (2) Ich kenne einen Menschen in Christus; vor vierzehn Jahren – ist er im Leib gewesen? Ich weiß es nicht; oder ist er außer dem Leib gewesen? Ich weiß es auch nicht; Gott weiß es – da wurde derselbe entrückt bis in den dritten Himmel. (3) Und ich kenne denselben Menschen – ob er im Leib oder außer dem Leib gewesen ist, weiß ich nicht, Gott weiß es -, (4) der wurde entrückt in das Paradies und hörte unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann. (5) Für denselben will ich mich rühmen; für mich selbst aber will ich mich selbst nicht rühmen, außer meiner Schwachheit. (6) Und wenn ich mich rühmen wollte, wäre ich nicht töricht; denn ich würde die Wahrheit sagen: Ich enthalte mich aber dessen, damit nicht jemand mich höher achte, als er an mir sieht oder von mir hört. (7) Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe. (8) seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass er von mir weiche. (9) Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne. (10) Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.Exegetisch-homiletische Überlegungen
„Der Sonntag Sexagesimae reißt aber eine Perspektive auf, die Paulus am eigenen Leib in seinem Sturzflug erfährt. In ihm werden seine Augen geöffnet für die Tiefe der Gnade, die tief genug greift, um auch den Letzten hochzuheben.“ So Kerstin Vocke in den GPM. 2. Kor. 12,1-10 gehört zum Ende der sog. Narrenrede des Paulus (vgl. 2. Kor. 11,1-12, 13). Paulus sieht sich veranlasst, den Korinthern die Augen zu öffnen. Narrheit, nicht Klugheit, ist das Sich-selbst-Rühmen der nach ihm nach Korinth gekommenen Apostel, die als besonders geistgefüllte Menschen andere für sich einnehmen wollen – und sich von Paulus (und seiner Verkündigung) abheben. Sie verweisen auf besondere Gotteserfahrungen, um sich als Autoritäten einzuführen. Ihr Vorwurf an die Adresse des Paulus: Er sei ein Narr. Die Ausleger verweisen darauf, dass Paulus diese Rolle übernimmt, um sie ad absurdum zu führen. Auch Paulus kann von großen Erfahrungen, ja von einer Entrückung in den Himmel erzählen – und redet dann von der Schwachheit, die ihn ganz und gar auf die Kraft Christi verweist. Das gehört zu der theologia crucis, die schon im 1. Kor. von Paulus entfaltet worden war. Nebenbei: Der Kyrios hat Paulus große Erfahrungen machen lassen – für Paulus kein Anlass, sich auf einen Wettstreit über „größeren Ruhm“ einzulassen. Paulus sieht auch die Schwäche, die er nicht beschönigt, als eine Gabe Gottes, die er annimmt und in ihnen stark wird. „Wenn er sich seiner Schwachheit rühmt, dann nicht, weil er mit ihr kokettiert, sondern weil er seine Sehnsucht nicht aufgeben will. Aber in diesem Sturzflug in die Tiefe der Gnade geht es darum, nichts aus sich selbst machen zu wollen, wie Bonhoeffer gesagt hat, also auch keinen Starken oder einen Schwachen. Wenn er seine Schwachheit als besondere Gottesnähe anpreisen würde, wäre es nichts anders als das, was seine Gegner tun. Es wäre genau dasselbe religiöse Kreisen um sich selbst.“ (Vocke, 120) Zur Predigtvorbereitung gehören sehr enrsthafte Fragen: Kann Paulus ein Vorbild sein? Lässt sich Schwäche auf der Kanzel veredeln? Wo fängt der falsche Trost an und wo hört die Wahrheit auf? Wie kann uns heute aufgehen, was „Gnade“ ist? Was genügt im Leben? - Gerade weil V. 9 bekannt ist wie der berühmte bunte Hund, liegen in ihm auch die größten Gefahren: Es gibt eine sehr schreckliche Wirkungsgeschichte, in der Menschen schwach gemacht oder gehalten werden. Oder gespiegelt: in der Menschen sich immer nur selbst klein machen oder glauben, machen zu müssen (auch eine Form von „Selbstruhm“ …). Schließlich: Menschen können aus ihrer alltäglichen Welt erzählen, dass Schwäche zur Tyrannei einsetzbar ist, andere in Haft nimmt und klein hält. Ein wichtiger Gesprächspartner ist - Nietzsche. Dionysos gegen den „Gekreuzigten“: da habt ihr den Gegensatz. Es ist nicht eine Differenz hinsichtlich des Martyriums, - nur hat dasselbe einen anderen Sinn. Das Leben selbst, seine ewige Fruchtbarkeit und Wiederkehr bedingt die Qual, die Zerstörung, den Willen zur Vernichtung. Im anderen Falle gilt das Leiden, der „Gekreuzigte als der Unschuldige“, als Einwand gegen dieses Leben, als Formel seiner Verurteilung. – Man errät: das Problem ist das vom Sinn des Leidens: ob ein christlicher Sinn, ob ein tragischer Sinn. Im ersten Falle soll es der Weg sein zu einem heiligen Sein; im letzteren Fall gilt das Sein als heilig genug, um ein Ungeheures von Leid noch zu rechtfertigen. Der tragische Mensch bejaht noch das herbste Leiden: er ist stark, voll, vergöttlichend genug dazu; der christliche verneint noch das glücklichste Los auf Erden: er ist schwach, arm, enterbt genug, um in jeder Form noch am Leben zu leiden. Der Gott am Kreuz ist ein Fluch auf das Leben, ein Fingerzeig, sich von ihm zu erlösen; - der in Stücke geschnittene Dionysos ist eine Verheißung des Lebens: es wird ewig wiedergeboren und aus der Zerstörung heimkommen. Aus: Der Wille zur Macht. Versuch einer Umwertung aller Werte, Stuttgart 1964, S. 687f. (s. aber zu dieser Ausgabe: http://www.virtusens.de/walther/wille.htm)Literatur:
Kerstin Vocke, GPM 2005/6, 115-122; Johannes Gruner, Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext, Studium in Israel 2005, 91-96; Luthers Heidelberger Disputation: http://www.ubf-net.de/heidelberg/texte/hddisput.htmGebete und Segen
Kyrie
Herr, wir freuen uns auf das Wort, das du uns gibst - über unsere Sprachlosigkeit können wir kaum reden. Herr, erbarme dich Wir danken für die Nähe, die du uns schenkst - unsere Zerrissenheit befehlen wir dir. Christus, erbarme dich Wir teilen Hoffnungen, die wir von dir haben – unsere Bedenken legen wir dir ans Herz. Herr, erbarme dich Oder: Barmherziger Gott, Karikaturen werden zu Provokationen und schüren Hass. Wir bitten um deinen Geist. Herr, erbarme dich Unser Herr, wir möchten mit allen Menschen Frieden und Freiheit teilen. Um dein Licht bitten wir. Christus, erbarme dich Geist des Lebens, Vorurteile und Ängste brechen auf, die wir glaubten, überwunden zu haben. Wir bitten um die Kraft der Versöhnung. Herr, erbarme dichTagesgebet
Gott, in deiner Treue und Barmherzigkeit sind unsere Gedanken und Erfahrungen gut aufgehoben. Wir vertrauen dir an, was uns bewegt: Was uns lähmt, aber auch, was uns Flügel verleiht. Was uns schuldig spricht, aber auch, was uns Hoffnung macht. Du schenkst uns deine Gemeinschaft und Nähe durch Jesus Christus …Fürbitten
Vater aller Menschen, wir sehen im Fernsehen, lesen in unseren Zeitungen, wie verletzlich Gefühle sind – und wie sie als Waffe eingesetzt werden können. Wir bitten dich: Für die Menschen, die für Nachrichten und Botschaften Bilder suchen und Karikaturen zeichnen. Dass sie Missverständnisse nicht in Kauf nehmen und Menschen nicht klein machen. Wir rufen zu dir: Schenke uns Frieden Für die Menschen, die Meinungen bilden und Stimmungen beeinflussen. Dass sie ihre Worte abwägen und keinen Hass schüren. Wir rufen zu dir: Schenke uns Frieden Für die Menschen, die Gesetze auslegen und Recht sprechen. Dass sie ohne Ansehen der Person die Würde der Menschen schützen. Wir rufen zu dir: Schenke uns Frieden Für die Menschen, die Romane und Geschichten schreiben. Dass sie denen ein Gesicht und eine Stimme geben, die nichts mehr sagen können. Wir rufen zu dir: Schenke uns Frieden Für die Menschen, die für alles einfache Formeln parat haben und alles besser wissen. Dass sie offene Ohren und ein gütiges Herz bekommen, wenn sie sich auf andere Meinungen und Sichtweisen einlassen. Wir rufen zu dir: Schenke uns Frieden Du hast die Welt gut geschaffen. Wir danken dir für alle kleinen und großen Lebensräume, für Begegnungen, die uns reich machen, und für die Hoffnung, die wir mit anderen teilen. Dass wir in deinem Frieden leben und sterben, darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Oder: Wir danken dir, barmherziger Gott, dass deine Kraft in den Schwachen mächtig ist. Um deine Gnade bitten wir für Menschen, die zeitweilig oder für immer nicht mehr allein leben können, die auf Hilfe angewiesen sind und doch mit Hoffnung und Lebensmut andere anstecken. Herr, erbarme dich für Menschen, die für andere da sind, die behutsam und liebevoll pflegen, die zuhören können und in einem Gesicht zu lesen verstehen. Herr, erbarme dich für Menschen, die mutig sind, die helfen, Selbstvertrauen wachsen zu lassen und anderen Kraft geben, an das Unmögliche zu glauben. Herr, erbarme dich für Menschen, die sich in der Frage nach dem „Warum“ verlieren, die sich selbst schuldig sprechen und im Selbstmitleid es anderen schwer machen. Herr, erbarme dich Schenke uns Augen für die Wunder an unserem Weg, Trost, wenn Wünsche nicht in Erfüllung gehen und den Glauben, der sich nicht klein krieg lässt. Wir loben und preisen dich, Vater im Himmel.Schlussgebet
Barmherziger Gott, wir danken dir, deine Gäste zu sein. Du beschenkst uns reich. Mit deinem Wort, mit deinem Mahl. Wenn wir jetzt wieder unsere Wege weitergehen, sind wir von dir geliebt und begleitet. Das erfüllt uns mit Freude, schenkt Gelassenheit und macht uns zu guten Gefährten auf dem Weg zu dir. Durch Christus, dem Anführer ins Leben.Segen
Gott, der in der Wüste einen Weg bahnt, schenke dir einen festen Grund unter den Füßen. Gott, der Berge lachen lässt, bringe deine Hoffnungen nach Hause. Gott, dessen Güte weit ist wie der Himmel, gebe dir an jede Hand einen Menschen, den du halten kannst, im Namen des Vaters ….Klein gemacht
Es muss Paulus wehgetan haben: Als er Korinth verließ, traten Apostel auf, die sich schnell beliebt machten. Gewand im Auftreten, brilliant im Reden, klug im Kopf. Alphatiere eben. Sie wussten sich nicht nur gut in Szene zu setzen, sie überboten sich auch mit ihren Gotteserfahrungen. Wenn sie sich nicht selbst rühmten, wurden sie gerühmt. Die Gemeinde in Korinth musste sich nicht schämen. Sie stellte jetzt etwas dar. Nicht mal hinter vorgehaltener Hand wurde Paulus klein gemacht. Schwach sei seine Vorstellung, reden könne er auch nicht, und was er sage, ginge an den frommen Bedürfnissen vorbei. Es muss Paulus weggetan haben …
Was soll Paulus schreiben? Schon fast verklausuliert erzählt er von sich – er kenne da jemanden, der entrückt wurde, im dritten Himmel gewesen sei, unaussprechliche Worte gehört habe. Aber er will nicht mithalten, nicht das Spiel spielen, sich immer wieder neu überbieten zu lassen und zu überbieten. Überhaupt: War das seine Leistung? Sein Verdienst? Nein, damit er sich der hohen Offenbarungen nicht überhebe, erzählt er von einem Pfahl im Fleisch: Er ist krank, gezeichnet, schwach. Würde er von einer Nadel reden – das Bild würde nicht reichen. Es ist ein Pfahl. Er steckt tief, ist nicht zu verstecken, wird von allen gesehen. Das schreibt Paulus nach Korinth. Ob sie ihn verstehen werden?
Schöner Schein?
Manchmal denke ich an Paulus. Dann, wenn mir die Bilder nicht aus dem Kopf gehen, die heute beschreiben, worauf es ankommt. Große religiöse Erfahrungen sind nur selten darunter, aber die vielen Träume, stark zu sein, sich abheben zu können, auf der Seite der Sieger zu stehen. Glanz zieht an. Kurse werden angeboten, reden zu lernen, gut und überzeugend reden zu lernen. Ja, sich überzeugend darstellen zu können. Böse Zungen behaupten, es käme auf den schönen Schein überhaupt nur an. Selbst religiöse Erfahrungen und mystische Erlebnisse brauchen, um wahrgenommen zu werden, public relations, Werbung, Hochglanzpapier und Image. Armer Paulus – du mit deinem Pfahl im Fleisch.
Aber dann kommen mir auch Menschen in den Sinn, die gerade mit diesem Bild verwachsen sind. Ein Pfahl im Fleisch. Ich denke an Menschen, die Schmerzen haben, auch darunter leiden, nicht mehr mithalten zu können, ja, nicht einmal mehr dazu zu gehören, wenn Erfolge und Preise verteilt werden. Einige leiden sehr darunter, weil sie sich einmal Hoffnungen gemacht haben, etwas zu erreichen, aus ihrem Leben etwas zu machen. Andere haben es schon früh aufgegeben, überhaupt noch etwas zu erwarten. Von dem Rummel ganz abgesehen. Pfähle im Fleisch bekommen keine Auszeichnungen. Nicht einmal den goldenen Pfahl. Vielleicht Heiligenscheine? Lieber nicht!
Narretei
Paulus schreibt einen Brief an die Korinther. Er wägt die Worte ab. Und schreibt doch offen, was ihn bewegt. Wenn es nur um sein Empfinden ginge, um seine Verletzlichkeit – er hätte wohl lieber geschwiegen. Aber in dem, was in Korinth vor sich geht, sieht Paulus eine Narretei. Eine Narretei, über die er nicht lachen kann. Weil Menschen hier nur noch damit beschäftigt sind, gut anzukommen und die Reihen geschlossen zu halten. Für Schwäche ist da kein Platz – und für Schwache auch nicht. Die Starken bleiben unter sich. In ihren Kreisen wird viel von Offenbarungen geredet – wer nur sein alltägliches Leben erzählen kann, wird nicht mehr gehört. Umworben schon gar nicht. Paulus weiß, wie man über ihn redet. Was man ihm vorhält. Ein Narr sei er, sagen die Leute. Narretei auch, was er sage.
Was kann Paulus denn schreiben? Was er im Himmel gehört, im Himmel gesehen hat? Ach was, würden die Leute sagen: Wir haben … Paulus kennt die Menschen in Korinth. Ihre Vorliebe für große und kluge Reden, für tiefe und erhabene religiöse Empfindungen, für herausragende und besondere Erlebnisse. Auch die mit Gott. Da schreibt Paulus ihnen von der Kraft Gottes, die in schwachen Menschen mächtig ist. Paulus erinnert an Jesus. Er hat Menschen in ihrer Schwäche angenommen, ihnen Vergebung zugesprochen, ihnen Vertrauen geschenkt – und dem Schächer neben sich am Kreuz das Paradies zugesagt. Ob man in Korinth solchen Typen einen Platz im Himmel gönnte? Vielleicht im ersten – den dritten hatte man dann für sich.
Paulus, der die Rolle aufnimmt, ein Narr zu sein, weiß sich dem einen verpflichtet, der ihn berufen hat. Von ihm sagt Paulus, mehr radebrechend als geradeaus, dass von ihm die unaussprechlichen Worte sind, die er im Paradies gehört hat:
„Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne. Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark“.
Der Wunsch, stark zu sein und gehalten zu werden
Die besondere Erfahrung, die Paulus gemacht hat und beschreibt, wird in unseren Bibelausgaben dick gedruckt und oft als Spruch für besondere Ereignisse in unserem Leben verwendet. Es sind in der Regel Lebenswendepunkte. Dazu gehören die Taufe, die Konfirmation, die Trauung – und die Beerdigung. „Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“
Wenn ich mit Menschen spreche, die sich auf einen dieser Tage vorbereiten, nehme ich Wünsche wahr, für die die meisten keine eigenen Worte haben: den Wunsch, dann stark zu sein und gehalten zu werden, wenn man schwach wird, krank, alt, in eine Lebenskrise gerät, von anderen aufgegeben wird. Es ist dann nicht selbstverständlich, noch geachtet zu werden – oder sich selbst achten zu können. Viele Menschen erzählen dann auch von Ängsten, dem Leistungsdruck nicht gewachsen zu sein, auf den sie sich einlassen müssen. Eltern teilen den ungeheuren Mut ihrer Kinder, etwas aus ihrem Leben zu machen, fragen aber, für was sich denn eigentlich zu leben lohnt. Und am Grab, wenn Menschen Abschied nehmen, ist allen bewusst, wie zerbrechlich viele Hoffnungen sind und mit in die Erde gelegt werden.
„Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“. Es ist die Erfahrung eines Menschen: Paulus. Er weiß, dass viele Menschen vor ihm, an seiner Seite oder auch nach ihm etwas an diesem Wort finden: das Erbarmen Gottes mit Menschen, die schwach sind – mehr: Gott möchte in ihnen zu Wort kommen. Kraftvoll, lebendig. Manchmal bin ich erstaunt, mit wie vielen Hoffnungen Menschen zu diesem Wort greifen.
Wenn sich Tiefen auftun und alle Worte versagen
Wie der Brief des Paulus in Korinth angenommen wurde? Ich muss Ihnen gestehen, das nicht zu wissen. Ein gewisses Verständnis für die Menschen in Korinth kann und will ich auch nicht verbergen. Es ist eine herausfordernde Stadt, eine Oase für Intellektuelle, eine Hochburg der griechischen Kultur. Und doch hat Paulus schon in seinem ersten Brief gewusst, dass besonders viele einfache Menschen in der kleinen christlichen Gemeinde eine Heimat gefunden haben. Für sie war es aufregend, den glänzenden Diskussionen beizuwohnen, von Offenbarungen zu hören, von denen sie nur träumen konnten – und dazu zu gehören.
Es muss Paulus wehgetan haben: Als er Korinth verließ, traten Apostel auf, die sich schnell beliebt machten. Gewand im Auftreten, brilliant im Reden, klug im Kopf. Alphatiere eben. Sie wussten sich nicht nur gut in Szene zu setzen, sie überboten sich auch mit ihren Gotteserfahrungen.
Paulus hat ihnen geschrieben. Von den großen Offenbarungen und klugen Reden hat kein Mensch etwas, wenn sich Tiefen auftun und alle Worte versagen. Aber die Gewissheit, dass Gott Menschen auch dann lieb hat, wenn sie schwach sind, ist ein offener Himmel. Was Paulus von sich sagt, kann ein Mensch für sich übernehmen: Ich kenne einen Menschen, der wurde in das Paradies entrückt und hörte unaussprechliche Worte. Die Vision – ein Bekenntnis. Das ist dann keine Offenbarung, der sich ein Mensch rühmen könnte – das ist eine Offenbarung, die ihn groß macht. Mitten in der Angst. Auf dem Weg, der scheinbar nur nach unten geht.
Wenn der Brief, den Paulus den Korinthern geschrieben, so bei uns ankommt, dass Schwache gestärkt werden, Starke sich aber nicht überheben – dann sind wir dem Evangelium begegnet. Dem Evangelium, dass uns als Gemeinde Christi offene Augen schenkt: für die vielen Pfähle im Fleisch. Und für die Kraft, die Leben verwandelt. Wir können uns dann auch mitfreuen – und Gott danken, wenn Menschen stark sind oder wieder gefestigt in ihr Leben zurückkehren. Wir sind auch eingeladen, dabei zu helfen. Wie Paulus schrieb: Gerühmt muss werden.
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.