Geheimnis des Glaubens

An Karfreitag geht es um Zusammenhänge, die uns an die Grenze unseres Fassungsvermögens bringen

Predigttext: Hebräer 9,15-28
Kirche / Ort: 24960 Munkbrarup
Datum: 14.04.2006
Kirchenjahr: Karfreitag
Autor/in: Professor Dr. Klaus Schwarzwäller

Predigttext: Hebräer 9, 15-28 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Darum ist Christus auch der Mittler des neuen Bundes, auf daß durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die, die da berufen sind, das verheißene ewige Erbe empfangen. Denn wo ein Testament ist, da muß auch der Tod eintreten dessen, der das Testament gemacht hat. Denn ein Testament tritt erst in Kraft mit dem Tode; es hat noch nicht Kraft, wenn der noch lebt, der es gemacht hat. Daher ward auch der erste Bund nicht ohne Blut gestiftet. Denn als Mose alle Gebote nach dem Gesetz dem ganzen Volk vorgelegt hatte, nahm er das Blut von Kälbern und Böcken mit Wasser und Scharlachwolle und Ysop und besprengte das Buch und danach alles Volk und sprach: „Das ist das Blut des Bundes, den Gott für euch verordnet hat.“ Und die Stiftshütte und alles Gerät des Gottesdienstes besprengte er desgleichen mit Blut. Denn nach dem Gesetz wird fast alles mit Blut gereinigt, und ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung. Es mußten also die Abbilder der himmlischen Dinge so gereinigt werden; aber sie selbst, die himmlischen Dinge, müssen bessere Opfer haben, als jene waren. Denn Christus ist nicht eingegangen in das Heilige, das mit Händen gemacht ist, welches ist ein Gegenbild des wahrhaftigen Heiligtums, sondern in den Himmel selbst, um jetzt zu erscheinen vor dem Angesicht Gottes für uns; auch nicht, damit er sich oftmals opfere, gleichwie der Hohepriester alle Jahre in das Heilige geht mit fremdem Blut; sonst hätte er oft müssen leiden vom Anfang der Welt her. Nun aber, am Ende der Zeiten, ist er einmal erschienen, durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben. Und wie den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: so ist Christus einmal geopfert, wegzunehmen vieler Sünden; zum andern Mal wird er nicht um der Sünde willen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil.

zurück zum Textanfang

Liebe Gemeinde!

Natürlich ist Karfreitag nicht irgendein Tag – sonst wären wir nicht versammelt. Es ist der Tag, an dem Jesus Christus gekreuzigt wurde. Und Jesus Christus war nicht irgendein Mensch – sonst wäre nicht sein Kreuz seither Symbol und Ausdruck seines Lebens und Wirkens und unseres Glaubens an ihn. Mit ihm hat man, wie Paulus zusammenfaßt (1. Kr. 2, 8), „den Herrn der Herrlichkeit“ getötet. Darum zugleich auch: Hier begegnet nicht irgendein Vorgang – elender Zufall, schlimmes Unglück, verhängnisvoller Irrtum, fatale Verkettung widriger Umstände o.dgl. Die Kreuzigung von Jesus Christus hat vielmehr einen Zusammenhang, genauer noch: Sie hat einen doppelten Zusammenhang: einen himmlischen und einen irdischen. Erst in diesem doppelten Zusammenhang und mit ihm ist die Kreuzigung von Jesus Christus das, was sie ist. Will sagen: Wir erfassen und begreifen sie nur, indem wir uns auf diesen doppelten Zusammenhang einlassen. Dann wird sich uns aufhellen, warum Jesus Christus sterben mußte und welches die Dimensionen dieses Geschehens sind. Das scheint auf Verwickeltes hinzuweisen. In der Tat: Wenn, wenn es sich denn so verhält, daß sündige, irrende Menschen den Herrn der Herrlichkeit am Kreuz töteten, wenn das überhaupt geschehen konnte: dann ist das mehr und anderes, als man auf einem Cartoon oder einem Kalenderblatt unterbringen könnte. Dann geht es hier um Zusammenhänge, die uns an die Grenze unseres Fassungsvermögens bringen.

Der für den heutigen Tag vom Kirchenausschuß vorgeschlagene Predigttext macht das unübersehbar. Der Ausschuß hat darum angeregt, nur einige Verse heranzuziehen – ich vermute: Weil man der Meinung war, der ganze Text (und auch der ist ja nur ein Ausschnitt) würde eine Predigt sozusagen von innen her zum Platzen bringen und eine Gemeinde überfordern. Ich bin anderer Ansicht. Eben weil es um so unauslotbare Dimensionen und so umfassende Zusammenhänge geht, sollten wir sie uns allesamt auch zumuten – und wäre es nur, damit wir den bleibenden Eindruck gewönnen: Das ist viel mehr, als ich fassen kann. Natürlich – daß Gottes Wirken über das hinausgeht, was ich fassen kann, darüber muß man nicht viele Worte machen. Ich meine vielmehr dies, daß uns hier etwas vor Augen kommt, was unsere Horizonte übersteigt.

Damit wir uns dabei nicht verstricken oder verlaufen (auch ich nicht!), werde ich in großen Linien dem himmlischen und dem irdischen Zusammenhang nachgehen und am Ende nachzeichnen, wie sie sich im Kreuzestod von Jesus Christus verbinden. Hier nun zunächst unser Text (Hebräer 9, 15-28); er ist lang und kann einen fast schon erschlagen:

(Lesung des Predigttextes)

Lassen Sie uns keine Zeit verlieren mit dem Seufzen über einen so langen und schwierigen Text, in den man nur ganz mühsam allmählich hineinfindet! Lassen Sie uns sofort beginnen, uns in ihn einzuhören!

Da ist zunächst der – wie ich ihn genannt habe – himmlische Zusammenhang. Es ist der Zusammenhang, den Gott setzt und durch den er allem Bestimmung, Bewegung und Sinn gibt. Dieser Zusammenhang – er ist weder einsichtig noch harmlos, weder offenkundig noch logisch. Vielmehr: Er ist gültig. Der Zusammenhang, den Gott setzt, ist gültig. Und wie es sinnvoll und angemessen ist, die Verhältnisse des Landes zu kennen, in dem ich lebe (mit oder ohne Fragebogen), so erst recht, sich über den Zusammenhang Klarheit zu verschaffen, der gültig ist, ob ich will und weiß und mag oder nicht.

Drei der Linien dieses himmlischen Zusammenhangs zeichne ich jetzt nach.

Die eine: Gott verbindet und verbündet sich mit uns Menschen. Vom „Bund“ ist hier die Rede, von dem zwischen Gott und seinem Volk Israel. Dabei ist im damaligen Sprachgebrauch „Bund“ und „Testament“ dasselbe. Wenn man in dieser feierlichen, förmlichen Weise von einem Bund – wir würden sagen: „Bündnis“ – spricht, dann ist etwas gemeint, was schlechterdings Bestand hat, was ein letztes Wort ist. Das gilt. Um dieses Bundes willen ist Israel Gottes Volk. Israel selbst oder andere Völker mögen das wollen oder nicht, angemessen finden oder nicht – so ist es, so ist es von Gottes wegen. Israel hat zwar kraft dieses Bundes durch die Jahrtausende hindurch Leben und Identität bewahrt. Doch es hat dabei vor allem leiden müssen. Verstehen wir: Wo Gott sich uns verbündet, da haben wir zwar Leben und sind sozusagen nicht tot zu kriegen. Doch dieses Leben wird uns nicht leicht gemacht! O nein, in und aus einem Bund mit Gott zu leben – es gibt Bequemeres, Leichteres, Angenehmeres! Kein „Aber…“! Das ärgert teils, und teils gibt es zu denken: Wieso denn?

Auf der zweiten Linie bekommen wir Antwort – eine unangenehme, ja uns verdrießende Antwort: Wegen der menschlichen, wegen unserer Schuld. Wieso Gott unsere Schuld so schwer nimmt, wo es doch Menschheitswissen ist, daß es menschliches Leben ohne Schuld nicht gibt? Das wäre ein eigenes Thema. Nehmen wir’s jetzt einfach, wie es ist: Gott nimmt unsere Schuld schwer. Vergleichbar dem, wenn mein Kind in Schuld oder auch in Schulden fällt: Da wäre es schon eigenartig, wenn ich das nicht schwer nähme! Denn damit ist es unglücklich, verfehlt es seinen Weg, gerät es in Schlamassel und Ausweglosigkeit und wird bei alledem womöglich für mich unerreichbar. Freilich auch: Wenn ich mich dann zu ihm bekenne, kriege ich meinerseits u.U. schmutzige Hände oder ernte scheele Blicke – eben: Schuld wie Schulden, das sind wahrlich keine Kindereien! Schuld nun, so haben wir im Text gehört, wiegt vor Gott so schwer, daß sie nur mit Blut aufgewogen, also mit dem Leben gesühnt werden kann. Und kein Mensch ist ohne Schuld. Was beides miteinander ergibt, ist klar wie das Einmaleins: Wir sind allesamt vor Gott verloren; unser Leben ist verspielt. Wenn er sich trotzdem gültig mit uns verbündet zu unseren Gunsten, damit wir leben, dann kann das für uns nur bedeuten: ein Leben, das gleichsam durch das Nadelöhr der Verlorenheit hindurch gefädelt wurde und sich dadurch von dem Üblichen deutlich unterscheiden. Darum für uns weder leicht noch lustig.

Damit ist die dritte Linie erreicht: Unsere Schuld hat Gott selber aufgewogen und ausgelöst, indem Jesus Christus sich für uns in den Tod gab. Und das zählt ein für allemal. Fragen wir jetzt nicht – das wäre wiederum ein großes Thema für sich – nach Gründen und Hintergründen dabei. Nehmen wir’s ein weiteres Mal einfach so, wie’s lautet und uns vorliegt: Das Blut für unsere Schuld, es floß; das wegen unserer Schuld verwirkte Leben, es wurde dahingegeben: beides an Karfreitag zu Golgatha. Seither – machen wir’s uns klar, als spielten wir mit unserem PC: Wenn Gott mich aufruft und ich erscheine, dann wird für ihn mein Bild überblendet, so daß er mich sieht im Bild von Jesus Christus. Das heißt, daß alles, was er mir vorzuwerfen hat und was ich mir selber vorwerfe, von Jesus Christus umfaßt und überdeckt ist: Er hat sich dafür bereits gegeben. Gewiß – ich kann mich weigern zu erscheinen, wenn Gott ruft, oder ich kann mir verbitten, daß mein Bild durch das von Jesus Christus überblendet wird. Dann muß ich sehen, wie ich mit Gott und meiner Schuld und Gottes Einschätzung der Schuld zurecht komme. Doch Gott bietet mir testamentarisch an: Jesus Christus will für mich stehen. Dann soll alles gut sein. Wer alt genug ist, so daß er oder sie auch auf Schuld und Trümmer zurückblickt und entsprechend auf Verletzungen und Wunden, und das alles bohrt und wühlt in der Seele, der weiß, o ja, der weiß, was das wäre: – Alles gut. Alles wieder gut. Und Gottes Anerbieten gilt.

So weit das, was ich den himmlischen Zusammenhang genannt habe. Nun zum irdischen! Abermals ziehe ich drei der Linien nach.

Die erste: Alles, was wir tun und tun können, das ist begrenzt, endlich, muß vergehen. Auch wo wir von Gottes wegen etwas tun, errichten, gestalten: Es gilt nur in einem bestimmten Rahmen, für eine bestimmte Zeit, an einem bestimmten Ort. Mose hatte Gottes Willen und sein Gesetz zu verkünden und deren Gültigkeit mit Opferblut zu besiegeln. Weil durch ihn, also weil durch einen Menschen vollzogen, bedurfte es immer wieder neu der Bestätigung: einerseits als Bekräftigung, andererseits und im selben Zusammenhang zur Reinigung von der Schuld derjenigen Personen, die hier zu amtieren hatten. Und also hatte es Geltung nur mehr für Israel mit seinen Amtsträgern jeweils für bestimmte Zeit. Außerhalb Israels und der jeweiligen Zeit – wir Heutige haben da keine Probleme. Selbstverständlich ist’s nicht, auch für uns nicht. Ich erinnere – nicht, weil’s parallel wäre, sondern damit wir einen Eindruck von den Zusammenhängen gewinnen; ich erinnere also noch einmal an die Debatte in unserem Land um Einwanderung und Staatsbürgerschaft. Ich kann eben nicht einfach in ein fremdes Land kommen und beanspruchen: Ich gehöre dazu! Und entsprechend kann ich nicht ohne weiteres z.B. das Wahlrecht ausüben. – Verstehen wir? Indem von Gottes wegen durch Menschen ein Versöhnungszusammenhang geschaffen wurde, hatte der seinen räumlichen, zeitlichen und personellen Geltungsbereich. Was außerhalb lag, das war eben außerhalb und blieb außerhalb – jedenfalls für Menschen, für unsere Einsicht und unser Handeln.

Die zweite Linie: Soll die Menschheit als Ganze aus ihrer Schuld erlöst werden, so muß hier Alles ganz und gar und ausschließlich bei Gott liegen. Ehe wir hier nicken: „Natürlich!“ oder uns freuen: „Na toll, dann bin ich’s ja los!“; ehe wir so reagieren, lassen Sie uns uns klar machen: Damit sind wir im Entscheidenden abhängig, völlig abhängig von Gott; und: Das kratzt an unserer Selbstachtung. Wenn, wenn denn alles bei Gott liegt und dabei gerade das für mich Wesentliche: Was kann ich dann tun? Was bleibt für mich übrig? Und worauf soll ich mich dann verlassen – können? Auch wer es gewohnt ist, abzustauben und mitzunehmen, wird hier ins Nachdenken geraten: Denn das, was ich hier – scheinbar – einstecken kann, das raubt mir Boden und Wurzeln. Überhaupt: Nimmt man’s ernst und denkt man’s zuende, so ist alles, woran ich mich orientiere und halte und was mir Heimat und Sicherheit gewährt, nunmehr relativ, immer schon unter dem Vorbehalt Gottes. Dann drängt sich die Frage auf und bringt in Unruhe: Wo, wo sind wir dann zu Hause, wirklich zu Hause? Kurzum, wenn Gott uns erlöst, dann erbringt das eine ganz tief gehende Umstrukturierung unserer Lebenszusammenhänge. Wie tief die geht, wird deutlich am Schicksal des Afghanen Abdul Rahman oder – vor fast einem Menschenalter; wir gedenken seiner in diesem Jahr besonders – an dem von Dietrich Bonhoeffer. Sie entzogen sich – unter den Vorzeichen der jeweiligen Situation – um Gottes willen den bestehenden Zusammenhängen, in denen sie leben bzw. lebten. Das ist, vorsichtig geredet, alles andere als ein Kinderspiel.

Die dritte Linie: Global gesehen, sind wir Menschen vor Gott darin alle gleich, daß wir auf Versöhnung angewiesen sind. Wenn wir’s nicht glauben: Man höre eine Woche lang Nachrichten, sehe eine Woche lang „Tagesschau“ oder „heute“, lese eine Woche lang die Zeitung… Ach ja – das sind immer nur „die Anderen“?! Ich hätte damit doch nichts zu tun? Nun, wer da nicht sehen will, wer blind sein will – Wenn, wenn es in diesem ganzen unsäglichen Schlamassel, in dem wir alle, in dem die Menschheit steckt, wenn es hier eine glückselige Insel geben sollte, für die das alles nicht gilt: Ich kenne keinen Atlas, in dem sie zu finden wäre! Es gibt also keinen Grund zu hochmütiger Herablassung für die einen und ebenso wenig zu verzagtem Minderwertigkeitsgefühl für die anderen: Multimilliardär und Obdachloser, Professor und Handlanger, verfeinerter Mitteleuropäer und Buschmann – wir alle sind darauf angewiesen, daß Gott uns Erlösung schafft. Denn Geschichte und Gegenwart liefern den Beweis: Wir, wir schaffen sie nicht. Krieg ja. Feindschaft ja. Zerstörung ja. Ausbeutung ja – ich muß nicht fortfahren. Wir schaffen vieles. Aber Versöhnung – nein. Wir stecken alle miteinander in derselben verzweifelten Situation: Wir sind unversöhnt, doch auf Versöhnung angewiesen. Denn wir sind schuldige Menschen und auf unsere Grenzen beschränkt.

So weit der von mir so genannte irdische Zusammenhang. Und nun zum Kreuz von Jesus Christus, in dem die beiden Zusammenhänge sich miteinander verschlingen.

Wir sehen einen Menschen am Kreuz hängen, einen außerordentlichen, beeindruckenden, einen Menschen, der jeden bewegt und ins Nachdenken bringt, der ihm begegnete oder sich mit ihm beschäftigt. Er wurde gefoltert, zeigt Folterspuren. Daß er unschuldig ist, weiß jeder – auch der, der ihn zur Folter freigab und ihn liquidieren ließ. Man richtete ihn hin durch Kreuzigung: schmachvolle und qualvolle Hinrichtungsart für Sklaven und niederes Pack. Doch zu seinen Häupten hat man zur Abschreckung seinen Namen und die Todesursache angebracht: „Jesus von Nazareth, der Juden König“ (= INRI [Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum]). Das also ist hier die message: Wer es wagen sollte, die herrschende Macht in Frage zu stellen, hat keine Gnade zu erwarten. Und Jesus hatte genau das getan: Er hatte alle menschliche Macht in Frage gestellt dadurch, daß er ganz und gar in Gott wurzelte.

Wir begehen heute Karfreitag, weil das eben Gesagte einst geschah. Was dabei oft vergessen wird: Das alles ist nur mehr ein Aspekt bei alledem, der Aspekt nämlich, der uns geläufig ist: Unversöhntheit und darum auch Unversöhnlichkeit in der Welt, Schuld, aus der diese Unversöhntheit und Unversöhnlichkeit hervorgehen, und die Provokation, die darin liegt, daß jemand sich den Mächten entzieht und ganz in Gott gründet. Nachdem das einst geschehen ist, erlahmt mit der Zeit das Interesse daran. Es wird vergessen, ja man will es am Ende auch gar nicht mehr wissen. Es ist – wie wir das bürokratisch nennen – „abgehakt“, wird zum bloßen Gedenktag und steht damit in der Gefahr zu entleeren. Karfreitag aber ist mehr, ist anderes. Nämlich?

Dies: Gott selbst ist es, der sich mit uns Menschen verbündet hat – bis dahin, daß er unsere Schuld, unseren ganzen Schlamassel auf sich genommen hat. Unsere Schuld und damit unsere Todesverfallenheit sollen weder fortdauern, noch sollen sie nur fallweise überwunden werden. Bleibend, für alle Menschen und alle Zeiten sollen sie überwunden sein und soll Versöhnung an ihre Stelle treten. Darum hat er sich ins Zentrum menschlicher Not gestellt und sich dem Tode preisgegeben, dem qualvollen Schandtot, er selber. So hat nun sein Wille und Hinabsteigen in unser Elend Gültigkeit, letzte Gültigkeit: Dieser gekreuzigte Mensch steht für uns alle vor Gott, so daß Gott, wenn er uns sieht, gleichsam nicht an ihm vorbeisehen kann.

Darum also begehen wir Karfreitag: Der gekreuzigte Christus steht für uns vor Gott – und bleibt vor ihm, für immer und ewig. Für uns. Für alles, was uns quält, und auch das, was nicht zu entschuldigen ist. Für unser aller Schlamassel. Für alle Schuld und Bosheit. Auch für unsere Tränen und Trauer. Er tut es aus Liebe, so wahr an Karfreitag sein Blut floß.

Dieses Mysterium, das „Geheimnis des Glaubens“ – wir können’s nur mit fassungslosem Staunen zur Kenntnis nehmen. Verstehen – Wenn es uns einst geschenkt sein sollte, daß wir Gott schauen: Dann werden wir beginnen, es verstehen zu können, und Gott dafür preisen.

Amen.

zurück zum Textanfang

Ihr Kommentar zur Predigt

Ihre Emailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert.