Österliche Umwälzungen
Leichtigkeit als Zukunftsmusik
Predigttext: 1. Samuel 2, 1.2.6-8a, Lobgesang der Hanna (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
1 Und Hanna betete und sprach: Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN. Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils. 2 Es ist niemand heilig wie der HERR, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist. 6 Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. 7 Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. 8 Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse.Vorbemerkungen
Die Predigt nimmt den Kasus Ostern in der Schriftlesung auf, mit dem Auferstehungstext Matthäus 28, 1-8, und bringt ihn mit Hannas Lobgesang und Dankgebet als Predigtext ins Gespräch. Dies soll, was bei diesem christlichen Hauptfest Ostern besonders wichtig ist, nicht im Schema „Verheißung – Erfüllung“ geschehen, in dem ersttestamentliche Texte nur als Hinweis auf Christus gelesen werden, sondern nimmt vielmehr existenzialtyplogisch existenzielle Fragen auf. Bewusst wird auf eine Ausmalung weiblichen Kinderwunsches verzichtet, wird der der Hanna in gesellschaftlichen Kontext gestellt und nicht als einzige Möglichkeit für Sorge und Freude einer Frau enggeführt. Die Predigt hat insgesamt weniger lehr – denn collagenhaften Charakter und lässt verschiedene Elemente sich gegenseitig interpretieren, wie auch das Erste Testament nicht nur vom Zweiten her verstanden werden kann (wenngleich wir unsere christliche Brille nie leugnen sollten) und das Zweite/ Neue Testament das Erste so stark voraussetzt, dass es ohne es gar nicht verständlich wäre. Ein weiteres, leitendes Element ist die Symbolik des Steins. Hier kann natürlich noch vertieft werden. Gegebenenfalls könnten sogar Steine ausgeteilt werden oder „Sorgensteine“ während des Gottesdiensts auf einen Zettel geschrieben werden, der in einem (vor der Kirche in einer Wanne brennenden?) Osterfeuer verlodert. Man könnte die Steine (ob mineralisch-konkret, gedacht oder auf Papier notiert) mit etwas Luftig-Leichtem kontrastieren – eine Osterglocke? Schmetterlinge? In diesen findet sich die Symbolik „das Schwere stirbt, das Leichte ersteht auf“ natürlich besonders treffend - vorher basteln und verteilen? Luftballons könnten diesen Dienst auch leisten, und warum sollte die Ostergemeinde nicht Luftballons durch den Kirchenraum spielen? (Vorsicht, dass man nicht den Aspekt „Träume platzen auch mal“ auslässt, sonst hat der erste geplatzte Ballon die Predigt konterkarriert). Man kann also ruhig die Phantasie spielen lassen und um den Grundstock, den diese Predigt bietet, symbolische Aktionen setzen. Die hier genannten Singstücke können durch andere ersetzt werden, durch Gemeindegesang sowieso. Im Gottesdienst werden zwei Musikstücke gesungen, vor der Lesung: „Heute ist der Siegestag“ von Philipp Heinrich Erlebach (1657 – 1714), nach der Predigt: „Jesus unser Trost und Leben“ von Johann Seb. Bach (1685 – 1750). Psalm 118 (EG 747) Lesung Matthäus 28, 1-8 Lieder: „Wach auf, mein Herz, die Nacht ist hin“ (EG 114, 1-5.10) „Er ist erstanden“ (EG 116)Literatur:
Eberhard Jüngel ist zitiert nach dem EG (Württemberg) S. 239. Zur Vorbereitung empfiehlt sich: Roland Gratwohl, Bibelauslegungen aus jüdischen Quellen, Band 2: Die alttestamentlichen Predigttexte des 4. Jahrgangs, Stuttgart, 1987, S. 84 –93.Liebe Gemeinde,
Wer wälzt den Stein weg?
wir haben den Ostertext nach dem Matthäusevangelium als Lesung gehört. Ein sehr plastische Geschichte, die man kann sich gut vorstellen kann. Ein schwerer Stein wurde von einem Grab gewälzt. Ein riesiger Grabstein, der das Grab so unzugänglich macht, dass kein Hinaus und kein Hineinkommen möglich ist. Auf einmal ist der weg. Unmöglich, nach menschlichem Ermessen, zumal ohne technische Hilfsmittel. Wer hat den Stein weggewälzt, diesen riesigen harten und eigentlich unbeweglichen Steinbrocken – wer wälzt uns den Stein, den Sorgenstein, der auf dem Herzen drückt und lastet? Das ist eine der Lebensfragen, die sich uns stellen, eine existentielle Frage, diese Osterfrage, wer uns den Stein wegwälzt.
Stein, das ist etwas Schweres. Mit einem Stein kann man etwas beschweren – ein Papier zum Beispiel, damit es nicht fortfliegt. Will man etwas versenken, dann bindet man einen Stein dran, der zieht es ins Wasser hinab. Stein drückt, wenn er auf etwas liegt. Steine, die im Weg liegen, behindern. Steine belasten – und liegen einem manchmal nicht Steine auf dem Herzen, auf der Seele. Manchmal fühlt man sich doch, als ob einem eine Zentnerlast auf der Schulter lastet und drückt. Und was kann das nicht alles sein, das auf einem lastet und drückt wie ein Stein? Manchmal fühlt man sich und seine Pläne und seine Hoffnungen so, als ob sie unter Steinen begraben seinen. So ähnlich ging es auch einer Frau, Hanna heißt sie, die in unserem Predigttext betet, Gott dankt und lobt. Hören wir das Dankgebet der Hanna, nach dem Buch 1. Samuel, Kapitel 2:
(Lesung des Predigttexts)
Hannas Freude
Hanna betet, freut sich und dankt Gott. Sie hat Gutes erlebt. Ein große Sorge wurde von ihr genommen, ein schwerer Stein von ihrem Herzen gewälzt. Sie hat, nach langem bangem Hoffen, ein Kind geboren – Samuel. Kinderlosigkeit war für eine Frau damals ein Schmach, sie war nichts wert, wurde geächtet, gleichsam ausgestoßen. Doch Gott steht ihr bei – er erhört ihr Bitten und schenkt ihr einen Sohn. Nimmt ihr Sorgen und Ängste. Führt sie wieder zu einer guten Weltsicht, die sie fröhlich stimmt. Das kommt einem Sieg gleich, das Leben hat gewonnen – wie es auch vorher in der Aria besungen wurde: „Heute ist der Siegestag, lasst uns freuen, lasst uns lachen“.
Fürchtet euch nicht, freuet euch
Fürchtet euch nicht! das hören die Frauen in der Ostergeschichte. “Fürchtet euch nicht”! hören auch wir. Fürchtet euch nicht, in diesem Zuruf, in diesen drei Worten ist die Osterbotschaft aufs kürzeste zusammengefasst. Oder mit anderen Worten, mit denen des Apostel Paulus: „Freut euch im Herrn allewege und abermals: Freuet euch!“ Keine Furcht, sondern Freude, das ist Ostern, das ist die Auferstehungsbotschaft, das ist Nahrung für die Seele, Nahrung für die oft bekümmerte, verkümmerte und beschwerte Seele.
Dem Leben, der Welt zuwenden
Man kann sich wieder, gestärkt und aufrechten Hauptes der Welt zuwenden, dem Leben, der Zukunft. Die Frauen gehen vom Friedhof, vom Grab weg, wenden sich dem Leben und Werden zu. Hanna, die Gott vertraut hat, dass er ihr hilft, bleibt in ihrem Dankgebet nicht bei sich stehen – sie denkt an die Welt, die Armen, die Hungernden, die Erniedrigten und Beleidigten. Hanna rechnet damit, dass es für sie und damit für alle eine gute Zukunft gibt. Sie findet sich nicht mit den Tatsachen ab – dass alles so bleiben muss, (aktuelle Beispiele). Sie gewinnt, ja hat eine neue Weltsicht, sie interpretiert die Tatsachen neu – im Licht Gottes. Im Licht von Ostern die Welt sehen und verstehen, dazu laden uns Hanna und die anderen Frauen ein. Der Stein ist weg, das Leben hat gesiegt. Gott hat den Stein, der euch bedrückt weggerückt, weggewälzt, auf dass wir Menschen uns in Bewegung versetzen können: zur Welt, zum Mitmensch, zur Mitkreatur. Hoffnung auf Leben auf Zukunft – trotz alledem.
Leichtigkeit als Zukunftsmusik
Oder mit Worten von Helmut Gollwitzer: „Nicht ins Endlose wälzt sich der Strom der Weltgeschichte, dieser Geschichte von Blut und Tränen, von Morden und Gemordetwerden. Der Sieg der Liebe wird diesem schrecklichen Strom ein Ende bereiten – ein Ende, in dem Gott abwischen wird alle Tränen von allen Augen, ein Ende, in dem der Tod abgetan sein wird und Gottes Liebe sein wird alles in allem“. Diese Hoffnung darf aufleben und aufblühen und in lebendige Bewegung versetzen.
Ostern – das ist die Antwort auf die Frage, wer die Sorgensteine wegwälzt. Freilich nicht dass wir dann keine Belastungen mehr hätten – aber diese brauchen nicht zu erdrücken, die Hoffnungsfunken können wieder aufleuchten und brennen. Das Herz darf leicht werden, man kann sich erheben, aufstehen, und gut gestimmt, frohen Mutes nach vorne in die Zukunft schauen und gehen. Trotz alledem. Eine Leichtigkeit des Seins, das will uns Ostern geben. Oder, um es musikalisch auszudrücken, diese leichte, frohe lichte Osterhoffnung:
„Wenn es so etwas wie Zukunftsmusik gibt, dann war sie damals, dann ist sie am Ostermorgen an der Zeit: zur Begrüßung des neuen Menschen, über den der Tod nicht mehr herrscht. Das müsste freilich eine Musik sein – nicht nur für Flöten und Geigen, nicht nur für Trompeten, Orgel und Kontrabass, sondern für die ganze Schöpfung geschrieben, für jede seufzende Kreatur, so dass alle Welt einstimmen und groß und klein, und sei es unter Tränen, wirklich jauchzen kann, ja so, dass selbst die stummen Dinge und die groben Klötze mitsummen und mitbrummen müssen: Ein neuer Mensch ist da, geheimnisvoll uns allen weit voraus, aber doch eben da“. (Eberhard Jüngel)
Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn. Fürchtet euch nicht. Jesus lebt. Ansporn zum Leben.
Amen.
(Überleitung/ Ankündigung der Aria: Jesus unser Trost und Leben – kein Feind kann uns nun schaden, ob er tobet noch so sehr, darum, Zion, fröhlich singe: Halleluja.)