Untrennbar miteinander verbunden

Die Bedeutung der Mahlfeier für die Gemeinschaft der Christen kann nicht überschätzt werden

Predigttext: 1.Korinther 10,16-17
Kirche / Ort: 07381 Pössneck
Datum: 13.04.2006
Kirchenjahr: Gründonnerstag
Autor/in: Pfarrer Jörg Reichmann

Predigttext: 1. Korinther 10, 16-17 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

16 Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? 17 Denn ein Brot ist's: So sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.

Homiletische Einstimmung

Gründonnerstag ist ein „normaler Arbeitstag“, d.h. Gottesdienste finden in der Regel als Abendgottesdienst oder für bestimmte Zielgruppen statt – in unserer Gemeinde z.B. als Abendmahlsgottesdienst für die SeniorInnen am Nachmittag. Im Bewusstsein der gesellschaftlichen Öffentlichkeit zumindest in unserem Teil Deutschlands ist die Bedeutung des Gründonnerstags restlos verloren, wir haben Mühe, das besondere Proprium des Karfreitags von einem verlängerten Osterwochenende zu differenzieren, was bei sehr vielen Zeitgenossen auf Unverständnis stößt. So führt der ortsansässige „Verein für Heimatgeschichte“ seit Jahren am Karfreitag heimatkundliche Exkursionen unter dem Titel „Osterspaziergang“ durch, die sich größter Beliebtheit erfreuen. Da weiß der gebildete Bürger wenigstens, was er mit diesem zusätzlichen freien Tag anfangen soll. Kirchliches Bitten und Drängen, wenigstens den unpassenden Namen der Aktion zu ändern, werden einfach ignoriert, weil die eigentliche Bedeutung des Karfreitags mehr und mehr in Vergessenheit gerät. Den „Osterspaziergang“ von Goethe hat man hingegen in der Schule lernen müssen. Was erwartet die Predigerin/ den Prediger also am Gründonnerstag? Ein Insider - Feiertag mit einer Insider - Gemeinde, die Vergewisserung für den eigenen Glauben sucht. So weit, so gut, doch der Tag als Gedenktag der Einsetzung des Heiligen Mahles und auch der gebotene Predigttext hätten es verdient, zumindest im Lichte der gemeindlichen und kirchlichen Öffentlichkeit über den „harten Kern“ hinaus wahrgenommen zu werden, ja für konstruktive Diskussionen zu sorgen, denn die Bedeutung der Mahlfeier für die Gemeinschaft der Christen kann nicht überschätzt werden.

Zum „Sitz im Leben“ des Predigttextes

Es fällt auf, wie oft Paulus in den Briefen nach Korinth die Menschen auf den richtigen Weg des Glaubens zurück rufen muss, weil die Versuchungen und Einflüsse im religiös unübersichtlichen Korinth auf die junge Christengemeinde zum einen und die Neugier und Begeisterungsfähigkeit der Menschen selbst zum anderen zu allerlei sonderbaren Auffassungen in der Gemeinde führten, die kaum mehr etwas mit der Botschaft Christi zu tun hatten. So auch hier in unseren beiden Versen und ihrem Kontext, die das Verhältnis von Opfern für andere Götter und dem Heiligen Mahl klären wollen. Also gab es Christen, die auch weiterhin an Opferriten für andere Götter festhielten, zur „Sicherheit“ sozusagen, um diese günstig zu stimmen. Das schien „in Mode“ zu kommen, was von Paulus kritisiert wurde, indem er die Einmaligkeit und Exklusivität des Heiligen Mahls für alle Christen in den Vordergrund stellt, das alle anderen Opfer überflüssig macht. Dieser Gedanke wird zum Leitmotiv der Predigt.

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Liebe Gemeinde!

Ein Pößnecker in Hamburg

Ein Pößnecker (Pößneck ist Kleinstadt mit ca. 13.500 Einwohnern) kommt zum ersten mal nach Hamburg. Was wird er empfinden? So viele Eindrücke in kürzester Zeit, so viele Menschen, soviel Trubel, soviel Leben in der Stadt. Das Leben dort strengt an, ist viel hektischer als bei uns auf dem flachen Land. Aber es bietet auch eine ganze Reihe von Annehmlichkeiten und Möglichkeiten, die es eben nur in einer großen Stadt geben kann. Theater, Kulturevents, was das Herz begehrt. Eine solche pulsierende Großstadt war auch Korinth, damals in der Antike. Turbulent, laut, Menschen aus dem gesamten Mittelmeerraum und wer weiß noch woher kamen dort hin, lebten dort, hatten ihre Sitten und Gebräuche mitgebracht. Es gab dort wohl ein echtes „Multi- Kulti“ (nicht von „Kultur“, sondern von „Kult“ abgeleitet), alle hatten sie ihre Religion und ihre Kulte mitgebracht. Tempel und Zeremonienhäuser für die vielen Göttinnen und Götter gab es an jeder Straßenecke, zahlreiche Festumzüge und Feierlichkeiten waren direkt im Stadtbild zu erleben und die anfänglich wohl recht überschaubare Christengemeinde, deren Mitglieder vor der Taufe ja auch nicht religionslos waren, mittendrin. Weshalb sollten sie auch am Rand stehen? Solche Ereignisse hatten einen hohen Unterhaltungswert und außerdem konnte es ja auch nicht schaden, ein paar kleine Opfer für den verehrten Gott oder die Göttin zu bringen. Ihre Gunst könnte nützlich sein, man will ja schließlich durchs Leben kommen. Das hatte ja gar nichts damit zu tun, dass man oder frau getauft war.

Schaden kann´s ja nicht, oder?

Zurück zu unserem Pößnecker. Nehmen wir mal an, er fällt auch in der Großstadt auf die Füße, entdeckt so nach und nach auch die religiösen Angebote der Stadt. Auch hier kommt er aus dem Staunen nicht heraus, was es alles gibt. Er ist ein religiöser Mensch, getauft und konfirmiert, kommt sogar regelmäßig Heilig Abend in die Kirche und hin und wieder zu einer Gemeindeveranstaltung. Nun beginnt er, seinem Interesse folgend die einschlägigen Angebote auszutesten, findet dieses nicht schlecht und jenes auch ganz nett. Frage ich ihn, woran er glaubt, bekomme ich die Antwort: „Das muss ich ganz allein entscheiden, was für mich gut ist, daran glaub ich“. Klingt logisch, ist es aber nicht. Denn irgendwann in seiner Kindheit hatten seine Eltern für ihn entschieden: Du wirst getauft. Als Jugendlicher hat er hoffentlich ein Wörtchen mitgeredet, aber noch nicht allein entschieden, als die Familie befand: Wir feiern Konfirmation, nicht Jugendweihe. „Aber was hat das denn mit meiner Taufe zu tun? “, fragt er mich verständnislos zurück. „Appetit kann man sich überall holen, gegessen wird zu Hause.“ Aha, denke ich, diesen Spruch kenne ich. Zwar aus einem ganz anderen Zusammenhang, aber er klingt passend. Erinnert mich irgendwie an den japanischen Geschäftsmann, den ich vor Jahren kennen lernte. Katholik sei er, sagte er, aber wenn es um etwas Wichtiges im Leben gehe, dann sei es selbstverständlich in seiner Heimat, dass auch Christen zum Buddhatempel und zum Shintoschrein gehen und beten. Schaden kann´s ja nicht, oder? Und ich möchte auch nicht wissen, wie viele eifrige Horoskopleserinnen zum Gottesdienst kommen. ‚Schaden kann´s nicht’ ist eine merkwürdige Devise, meinen Sie nicht auch?

Um die Einheit der Gemeinde besorgt

Paulus jedenfalls sah das so. Deshalb schrieb er einen Brief an die Christen in der Großstadt Korinth, in der Gemeinde, die er selbst gegründet hatte. Menschen, die erst kürzlich dort gewesen waren, hatten ihm berichtet, was uns vorhin auch zu Ohren gekommen ist. Viele nahmen wieder an fremden Gottesdiensten teil, ja jeder machte so langsam sein eigenes „Ding“ in Sachen Glauben. Paulus war besorgt, er wollte, dass die Christen beieinander blieben, die Gemeinde nicht zerfiel. Mit vielen Worten und immer wieder mahnte er zur Einheit und einmal auch, wir lesen es heute, beschwört er regelrecht die Gemeinschaft der Glaubenden in Christus.

(Lesung des Predigttextes)

Das Mahl der Gemeinschaft

Durch das Heilige Mahl sind wir die Gemeinschaft in Christus, ein Leib, untrennbar miteinander verbunden. Alles andere, was ihr meint, zu eurem Heil tun zu müssen im Opfer für andere Götter, ist von Übel für euch. Im Heiligen Mahl wird das Zentrum unseres Glaubens erlebbar, nicht auf anderen Wegen. Das sind Worte, die mir zu denken geben. Wie halten wir es mit dem heiligen Mahl? Ich kann mich gut erinnern: Als der Gemeindekirchenrat meiner ersten Pfarrstelle beschloss, zusätzlich zur bisherigen Tradition des Heiligen Mahles am Karfreitag und Ewigkeitssonntag (dort Totensonntag genannt) ein monatliches Abendmahl einzuführen, weil es für die Gemeinde gut und wichtig sei, weil da die Gemeinschaft wirklich zu erleben sei, gab es nicht nur Zustimmung, vor allem die älteren traditionsgeprägten Menschen, für die das Abendmahl den düsteren Charakter von „arme Sünder Mahl“ hatte, fragten mich: „Wieso soll ich denn schon wieder gehen, einmal im Jahr reicht doch“. Zu jedem Konfirmationsgottesdienst am Pfingstsonntag mit großer Gemeinde gibt es etliche aus der Verwandtschaft der KonfirmandInnen, die zu Beginn der Abendmahlsfeier die Kirche verlassen. Kein Bezug mehr dazu oder noch nie gehabt, so interpretiere ich dieses Verhalten.

Wie also halten wir es mit dem Heiligen Mahl in der Gemeinde, in der Kirche? Nach Paulus soll es das einzigartige Zentrum unsres Glaubenslebens sein. Dieses Empfinden habe ich immer, wenn bei uns Abendmahl gefeiert wird, freilich manchmal nur schwach, wenn die Feier streng im liturgischen Korsett verläuft und auch noch ein gewisser Zeitdruck durch nachfolgende Gottesdienste am gleichen Sonntag nicht zu verleugnen ist. Doch auch unter diesen eher ungünstigen Bedingungen gibt es im wahrsten Sinne des Wortes Augenblicke, wo allen klar ist: Gott lädt jede und jeden von uns ein, alle sind an seinem Tisch willkommen. Als ganz außergewöhnlich habe ich Abendmahlsfeiern auf Konfifreizeiten erlebt, intensiv vorbereitet und gestaltet von der Gruppe, da war es die Gemeinschaft, von der Paulus in unseren Versen spricht. Davon zehren nicht nur die jungen Leute. Diese Abendmahlsfeier ist wichtiger als alles andere, was sie noch zu ihrem Heil versuchen.

Vereint am Tisch des Herrn

Unser Pößnecker, der jetzt in Hamburg lebt, war auch dabei. Ich hoffe und bete, dass er sich daran erinnert und zurückfindet. Ich wünsche, dass eines Tages das gemeinsame Mahl aller Christen selbstverständlich ist und unsre Nachgeborenen nur noch die Köpfe schütteln können über die ach so guten Gründe ihrer Vorfahren, sich gegenseitig vom Tisch des Herren fernzuhalten.

Amen.

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