Aus unseren Bruchstücken wird etwas Ganzes
Atem des Lebens in einer vom Tod durchdrungenen Welt
Predigttext: 1.Korinther 15,50-58 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
50 Das sage ich aber, liebe Brüder, daß Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit. 51 Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; 52 und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. 53 Denn dies Verwesliche muß anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muß anziehen die Unsterblichkeit. 54 Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht (Jesaja 25,8; Hosea 13,14): »Der Tod ist verschlungen vom Sieg. 55 Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?« 56 Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. 57 Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus! 58 Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wißt, daß eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn. Empfehlend verweisen wir auf die Predigthilfe unserer Kollegin, Pfarrerin Gabriele Dietzel, im DtPfrbl 3/2006, S.139f. (Redaktion Heidelberger Predigt-Forum, redaktion@predigtforum.de)Lesung des Textes von Lothar Zenetti (aus: Die wunderbare Zeitvermehrung) in der Liturgie oder in der Predigt und/oder für die Gottesdienst-Besucher ausgelegt oder als Geschenk
In einer Predigt hört’ ich sagen: Jesus war ein Freund der Sünder, der Armen, der Gescheiterten. Er heilte die Kranken, er war das Licht der Welt… Er war, er war, er war – ist er es denn nicht mehr? So in Vergangenheit von ihm zu reden, wenn auch rühmend – heißt ihn für tot erklären, heißt leugnen, dass er auferstand und dass er lebt und dass er ist das Licht der Welt. Und mehr: Er, der da war und ist, er wird auch sein- ich hoffe, darauf hoff’ ich nicht allein!Hier, in unserem Krankenhaus, wird die Frage nach der Auferstehung oft gestellt, liebe Gemeinde. Das ist verständlich, denn hier sind Menschen, deren Leben in Gefahr geraten ist, manchmal sogar an die Grenze gelangt ist. Aber auch Patienten, deren Erkrankung nicht allzu schwerwiegend ist, fragen sich – oder auch mich: Was wird sein, einmal, nach dem Tod? Was wird mit mir sein? Geht es noch weiter? Und: wie wird das sein? Wie sieht das aus? Werde ich meine Lieben wiedersehen? Natürlich wird überall auf der Welt über diese Fragen nachgedacht, aber in Krankenhaustagen rücken die sog. „Letzten Dinge“ wie von selbst nahe, näher zumindest als im normalen Alltag.
„Der Herr ist auferstanden“ – das ist die wichtigste Botschaft in vielen Briefen des Apostels Paulus. Er schrieb seine Briefe in den Jahren 50 bis 60 nach der Geburt Christi an einige kleine Gemeinden in Griechenland und in der heutigen Türkei. Die waren weit weg von den Geschehnissen in und um Jerusalem, und sie brauchten darum immer neue Worte und Hinweise, was es mit der Auferweckung Jesu von den Toten auf sich hatte. Und was diese Auferstehung denn mit ihnen zu tun hat. So geht es uns auch. Paulus wird nicht müde, ihnen immer wieder davon zu schreiben. Leidenschaftlich. Da gibt es die kleine Gemeinde in der Welt- und Handelsstadt Korinth, mit der er schon manchen Streit gehabt hat. In seinem ersten Brief an diese Gemeinde schreibt er ein langes Kapitel über die Auferstehung Jesu und was sie für uns Menschen bedeutet. Die Schlussworte dieses Kapitels sind unser heutiger Predigttext.
(Lesung des Predigttextes)
Wir werden leben nach unserem Tod.
Das Leben nach unserem Tod ist unverweslich. Und unsterblich.
Alles an uns, was verweslich ist, wird nicht mehr sein.
Mehr ist nicht gesagt. Nichts Konkretes, nichts Vorstellbares. Keine Bilder.
Aber weniger ist auch nicht gesagt. Wir sind unsterblich – nach dem Tod des Körpers.
Das ist ja eine ungeheure Aussage.
Die Bibel, die hebräische Sprache, unterscheidet zwischen Körper und Leib. Unser Körper: das ist Fleisch und Blut, das ist das Verwesliche, was Paulus meint. Unser Leib: das sind wir als ganzer Mensch, mit unseren Beziehungen zu anderen Menschen und zu Gott und mit unserem Verwobensein in den ganzen Kosmos. Der Leib: das sind wir als Person selbst, in unserer Einmaligkeit als Persönlichkeit und in unserer Einmaligkeit unseres Lebensverlaufes mit allen Beziehungen, die dazu gehören. Wir, mit unserem einmaligen Wesen.
Leibhaftige Auferstehung bedeutet: Wir selbst, als Persönlichkeit, als das, was uns ausmacht, werden leben und werden gerettet, in einer Form oder Art und Weise, die unverweslich ist. Mitsamt unseren Beziehungen werden wir gerettet, mit den gelebten und den ungelebten, mit den gelungenen und den gescheiterten. Sie werden geheilt, die Beziehungen, und vollendet. Aus unseren Bruchstücken wird etwas Ganzes. „Es wird auferstehen ein geistlicher Leib“, sagt Paulus kurz vorher in diesem Brief, und damit meint er: So wie Gott selbst Geist ist, also: Atem, Lebenshauch, so werden wir aus Geist bestehen, kehren ein in Gottes Geist, werden Teil davon.
Ich glaube, es ist nicht so wichtig, dass wir uns das genau vorstellen können – wie das konkret aussieht: Auferstehung, unsterblich und unverweslich sein. Ich persönlich brauche keine Bilder davon und mache mir auch keine Bilder davon. Aber mir ist wichtig: Wir sind bei Gott und werden bei Gott sein. „Auf dass Gott sein wird alles in allem“, so drückt Paulus es ein paar Zeilen vorher aus. Wie auch immer das aussehen mag.
„Gott wird sein alles in allem.“ Das finde ich tröstlich. So kann ich glauben, dass wir dort alle anderen, die vor uns gehen mussten, wieder finden werden. Dies ganz vorsichtig zur Frage, die hier oft gestellt wird: Werde ich meine Lieben wieder sehen? Gewiss nicht so, dass wir alle einander begegnen wie wir hier auf der Erde herumlaufen. Das nicht, denn unser Körper verwest. Aber wir als Wesen, als Person, mit dem biblischen Wort gesagt: als Leib – also mit unseren Beziehungen – werden leben – bei Gott, mit Gott und so auch miteinander.
So gut ich es kann, habe ich nun versucht, für Sie zu entfalten, was Paulus über unsere Auferstehung sagt. Viele andere biblische Texte reden in anderen Bildern davon: Die Toten sind in Gottes Hand geborgen. Gott wird abwischen alle Tränen…Wir werden verwandelt…Aber das stimmt ja mit dem überein, was Paulus predigt. (Ich persönlich glaube das ganz fest. Es war für mich ein langer Prozess, das so denken und glauben zu können. Es kann sein, dass sich mein Glauben und Denken auch noch einmal verändern wird. Glaube ist ja nie ein fester Besitz, ist nichts Starres. Ich denke, dass unser Glaube immer im Prozess ist, sich entwickelt, sich ändert, erschüttert wird, wieder fester wird. Dass wir zweifeln … müssen…Uns die Mühe machen müssen, neu zu denken und neu zu glauben. All das kann sich nur ereignen, wenn wir mit den Glauben leben. Andernfalls verlieren wir ihn vielleicht.)
Alles, was Paulus über unsere Auferstehung schreibt, ist die Folge der Auferweckung Jesu Christi von den Toten. Und die bedeutet: was Jesus lebte, das gilt weiterhin. Sein Leben ist nicht vernichtet, obwohl sein Körper vernichtet ist. Alles, was er sagte und tat, was er uns von Gott vermittelte – all das gilt weiterhin. Deshalb führen uns alle Ostertexte der Bibel ins Leben zurück, sowohl die Brieftexte als auch die Evangelienberichte. Noch sind wir ja nicht dort, in der Ewigkeit. Wir haben das Jetzt und Heute zu bewältigen – und zwar im Sinne Jesu Christi, denn es gilt ja, gilt ja weiterhin, was er lebte und sagte und tat. Die Auferstehung von den Toten beginnt heute schon sich auszuwirken – in unserer Lebenszeit, auf dieser Erde.
„Geht hin und verkündet es meinen Brüdern!“ So heißt der Auftrag an die Frauen im Bericht des Evangelisten Matthäus, den wir vorhin gehört haben. „Darum, seid fest und unerschütterlich und nehmt immer mehr zu im Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist.“ So sagt es Paulus. Wenn das wahr ist, dass Jesus Christus von den Toten auferstanden ist und dass wir von den Toten auferstehen werden, dann ist unser Leben so bedeutsam, so wert, so geliebt von Gott, dass es auch jetzt schon bedeutsam ist wie wir leben und wie andere Menschen leben. Dann ist auch jetzt das Leben wert und jeder Mensch wert. Dann ist nichts sinnlos, was wir tun, um das Leben zu lieben, zu erhalten, zu schützen, zu retten. Dann gilt es, sofort und immer sich an Jesus zu halten und ihm nachzufolgen. Alle unsere Versuche, zu lieben, seien sie noch so zaghaft und zerbrechlich in dieser schwierigen Welt – sie sind nicht vergeblich. Nicht umsonst ist unser Bemühen um Verständigung unter den Menschen, um Worte und Gesten, die trösten, die Verschlossenheit öffnen, Beziehungslosigkeit überwinden und Frieden stiften. Auferstehung übergeht die Realitäten unserer Welt nicht, sondern durchbricht sie. Wir sind Atem des Lebens in einer vom Tod durchdrungenen Welt.
„Es kann gelebt werden.
Es kann geliebt werden!
Denn: es ist Ostern!“ (Ernst Lange)
Jesus hat nicht nur vor 2000 Jahren gelebt.
Er ist bei Gott lebendig und deshalb auch jetzt bei uns.
Seine Worte sprechen zu uns.
Ja, natürlich sind sie auslegungsbedürftig, weil sie von Menschen aufgeschrieben sind, mit ganz bestimmten Interessen, vorher erst noch mündlich weitererzählt. Die Evangelien sind Predigten für je andere Hörer und Hörerinnen und sie antworten auf bestimmte Fragen und Lebensumstände, sie sind in verschiedenen Regionen entstanden. Deshalb fallen die Evangelien verschieden aus und wir müssen das alles wissen und bedenken, wenn wir die Bibel verstehen wollen und begreifen wollen, was Jesus uns heute sagt.
Aber: er lebt, bei Gott, und seit 2000 Jahren versuchen Christen, auf ihn zu hören und in seinem Sinne zu leben, also ihm nachzufolgen. Unsere Welt zu gestalten wie er es uns zeigt. Ohne die Auferstehung Jesu Christi von den Toten würde heute keiner mehr von Jesus reden. Am Grün-Donnerstag haben wir hier auf den Stationen Abendmahl gefeiert. Das waren schöne, intensive Feiern. Mit viel Innigkeit haben unsere Patienten das Abendmahl empfangen. Mir kommt es immer wie ein Wunder vor, dass dieses Mahl seit 2000 Jahren gefeiert wird, dass so viel Kraft von ihm ausgeht.
Wir Christen glauben an das Leben, wir stellen uns den Karfreitagen unseres eigenen Lebens und unserer Welt, aber wir glauben an das Leben.
Das ist Ostern.
Frohe Ostern, liebe Gemeinde.
Amen.