Sollt ich meinem Gott nicht singen
Liedpredigt zum Sonntag Kantate
Predigttext: Lied "Sollt ich meinem Gott nicht singen" (EG 325)
1. Sollt ich meinem Gott nicht singen? / Sollt ich ihm nicht dankbar sein? / Denn ich seh in allen Dingen, / wie so gut er's mit mir mein'. / Ist doch nichts als lauter Lieben, / das sein treues Herze regt, / das ohn Ende hebt und trägt, / die in seinem Dienst sich üben. / Alles Ding währt seine Zeit, / Gottes Lieb in Ewigkeit. 2. Wie ein Adler sein Gefieder / über seine Jungen streckt, / also hat auch hin und wieder / mich des Höchsten Arm bedeckt, / alsobald im Mutterleibe, / da er mir mein Wesen gab / und das Leben, das ich hab / und noch diese Stunde treibe. / Alles Ding währt seine Zeit, / Gottes Lieb in Ewigkeit. 3. Sein Sohn ist ihm nicht zu teuer, / nein, er gibt ihn für mich hin, / daß er mich vom ewgen Feuer / durch sein teures Blut gewinn. / O du unergründ'ter Brunnen, / wie will doch mein schwacher Geist, / ob er sich gleich hoch befleißt, / deine Tief ergründen können? / Alles Ding währt seine Zeit, / Gottes Lieb in Ewigkeit. 4. Seinen Geist, den edlen Führer, / gibt er mir in seinem Wort, / daß er werde mein Regierer / durch die Welt zur Himmelspfort; / daß er mir mein Herz erfülle / mit dem hellen Glaubenslicht, / das des Todes Macht zerbricht / und die Hölle selbst macht stille. / Alles Ding währt seine Zeit, / Gottes Lieb in Ewigkeit. 5. Meiner Seele Wohlergehen / hat er ja recht wohl bedacht; / will dem Leibe Not entstehen, / nimmt er's gleichfalls wohl in acht. / Wenn mein Können, mein Vermögen / nichts vermag, nichts helfen kann, / kommt mein Gott und hebt mir an / sein Vermögen beizulegen. / Alles Ding währt seine Zeit, / Gottes Lieb in Ewigkeit. 6. Himmel, Erd und ihre Heere / hat er mir zum Dienst bestellt; / wo ich nur mein Aug hinkehre, / find ich, was mich nährt und hält: / Tier und Kräuter und Getreide; / in den Gründen, in der Höh, / in den Büschen, in der See, / überall ist meine Weide. / Alles Ding währt seine Zeit, / Gottes Lieb in Ewigkeit. 7. Wenn ich schlafe, wacht sein Sorgen / und ermuntert mein Gemüt, / daß ich alle liebe Morgen / schaue neue Lieb und Güt. / Wäre mein Gott nicht gewesen, / hätte mich sein Angesicht / nicht geleitet, wär ich nicht / aus so mancher Angst genesen. / Alles Ding währt seine Zeit, / Gottes Lieb in Ewigkeit. 8. Seine Strafen, seine Schläge, / ob sie mir gleich bitter seind, / dennoch, wenn ich's recht erwäge, / sind es Zeichen, daß mein Freund, / der mich liebet, mein gedenke / und mich von der schnöden Welt, / die uns hart gefangen hält, / durch das Kreuze zu ihm lenke. / Alles Ding währt seine Zeit, / Gottes Lieb in Ewigkeit. 9. Das weiß ich fürwahr und lasse / mir's nicht aus dem Sinne gehn: / Christenkreuz hat seine Maße / und muß endlich stille stehn. / Wenn der Winter ausgeschneiet, / tritt der schöne Sommer ein; / also wird auch nach der Pein, / wer's erwarten kann, erfreuet. / Alles Ding währt seine Zeit, / Gottes Lieb in Ewigkeit. 10. Weil denn weder Ziel noch Ende / sich in Gottes Liebe find't, / ei so heb ich meine Hände / zu dir, Vater, als dein Kind, / bitte, wollst mir Gnade geben, / dich aus aller meiner Macht / zu umfangen Tag und Nacht / hier in meinem ganzen Leben, / bis ich dich nach dieser Zeit / lob und lieb in Ewigkeit. Text: Paul Gerhardt 1653 Melodie: Johann Schop 1641Einstimmung zum Sonntag Kantate
Am Sonntag Kantate, dem Sonntag der Kirchenmusik, muss es singen und klingen in unseren Gotteshäusern. "Cantate Domino..." Bei offenen Kirchenfenstern, das Hauptportal bleibt während des ganzen Gottesdienstes weit geöffnet, damit der Klang nach außen dringt und einlädt, hereinzukommen und mitzusingen. "Laudate, omnes gentes, laudate Dominum..." Der/die Kantor/in präludiert, indem er/sie die Orgelbank verlässt und sich singend vis à vis vor die Gemeinde stellt, sie animiert, ihr Lust macht, ihre Melodie zu finden. Man singt nur mit dem Herzen gut. "Auf und machet die Herzen weit..." Der Liturg/die Liturgin probiert es mit dem Singen der sonst gesprochenen Gebete. Vielleicht gehen sie so stärker zu Herzen. Sind wirksamer. Lassen etwas anklingen "Doppelt betet, wer singt." Stimmt ein in das Lied, das Menschen zusammenführt. In das Lied des österlichen Lebens, das tröstet in Traurigkeit. Des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Nicht in das alte Lied zurückfallen. "Singt dem Herrn ein neues Lied." Am Sonntag Kantate, dem Sonntag der Kirchenmusik, muss es singen und klingen in unseren Gotteshäusern. "Cantate Domino..."Liebe Gemeinde!
„Sollt ich meinem Gott nicht singen, sollt ich ihm nicht dankbar sein…?“ – auf dieses Lied von Paul Gerhardt möchte ich mit Ihnen/Euch heute am Sonntag Kantate besonders hören.
Paul Gerhardt gehört neben Martin Luther zu den bedeutendsten Dichtern des evangelischen Kirchenliedes. In seinen etwa 130 Liedern, von denen sich 29 in unserem evangelischen Gesangbuch finden, war er bemüht, die biblische Botschaft für die Menschen seiner Zeit weiterzugeben, indem er zeitgenössische Theologie und persönliche Glaubenserfahrungen einbezog. Paul Gerhardt wurde am 12. März 1607 in Gräfenhainichen geboren. Er starb am 27.Mai 1676 im Alter von 69 Jahren in Lübben.
„Sollt ich meinem Gott nicht singen, sollt ich ihm nicht dankbar sein?“ So beginnt eines seiner schönsten Lieder.
P.G. stellt eine rhetorische Frage. Sie drängt nach einer bejahenden Antwort. Die aufsteigende Melodie betont, dass es nur ein beherztes Ja zum Lobgesang und zur Dankbarkeit gegenüber Gott geben kann. Die Erfahrung der Liebe Gottes bewegt Paul Gerhardt dazu. Seiner Dankbarkeit will er durch Singen Ausdruck verleihen.
Die Entstehung dieses Liedes fällt in die persönlich und beruflich wohl glücklichste Zeit seines Lebens. Im Jahre 1651 wurde er zum Probst in Mittenwalde berufen. Es war nach einigen Jahren Hauslehrertätigkeit bei seinem zukünftigen Schwiegervater in Berlin seine erste hauptberufliche Stelle. Ein Jahr darauf folgte die Heirat mit Anna Maria Berthold. In diese Zeit ist auch der Höhepunkt seines dichterischen Schaffens zu datieren. Es entstanden z.B. die Lieder, die wir heute in diesem Gottesdienst singen: „Ich singe dir mit Herz und Mund“ (EG 324); „Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich“ (EG 351); „Befiehl du deine Wege“ (EG 361). Das sind Lieder voller Dankbarkeit, Gottvertrauen und Zuversicht, zu denen auch das Lied „Sollt ich meinem Gott nicht singen“ gehört. Stimmen wir in die erste Strophe ein.
Strophe 1 – Gott ist lauter Liebe
Gott ist lauter Liebe – so könnte die Überschrift über die erste Strophe lauten. Gott meint es gut mit mir, so spricht es P.G. in der ersten Liedstrophe aus. Es ist „nichts als lauter Lieben, das sein treues Herze regt“. Alle, die in Gottes Dienst stehen, sich darin „üben“, dürfen sich von Gott getragen wissen. Die erste Strophe mündet wie die acht weiteren mit Ausnahme der letzten Strophe in die staunende Erkenntnis „Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit“. Was spricht P.G. damit aus? Die Worte erinnern an das dritte Kapitel des Buches des Predigers aus dem Ersten Testament, der Hebräischen Bibel. Dort heißt es: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit…“ (Prediger 3,1f.). Alles in dieser Welt Vorfindliche hat also seine Zeit und sein Maß, es ist vergänglich, sei es noch so schön und wertvoll. Nur Gottes Liebe ist ewig, beständig, sie überdauert, bleibt. Aber alles in dieser Welt Vorfindliche ist umgeben von Gottes Liebe und ist in ihr geborgen. „Gott ist Liebe“, verkündigt der Erste Johannesbrief (4,16). Singen wir die zweite Strophe.
Strophe 2 – Gott gibt Schutz und Geborgenheit
Über die zweite Strophe möchte ich die Überschrift „Gott gibt Schutz und Geborgenheit“ setzen. Hier teilt P.G. seine persönliche Gotteserfahrung mit: „Wie ein Adler sein Gefieder über seine Jungen streckt, also hat auch hin und wieder mich des Höchsten Arm bedeckt…“ Anschaulich vergleicht P.G. Gott mit einem seine Jungen beschützenden und bergenden Adler. Schutz und Geborgenheit waren es, die P.G. durch Gott erleben durfte. Er versteht sich als Gottes Geschöpf, sein Kind, von Gott ins Leben gerufen und begleitet. Der Vergleich Gottes mit einem Adler ist ihm aus der Bibel vertraut: Wie ein Adler seine Jungen ausführt, so breitete Gott seine Fittiche aus und trug sein Volk auf seinen Flügeln (5.Mose 32,11). Es waren allerdings immer nur Augenblicke, „hin und wieder“ bestimmte Zeitpunkte, in denen P.G. diese glückliche Erfahrung mit Gott hatte. Geht es uns anders? Aber daran gilt es sich immer wieder zu erinnern. Gottes schützender „Arm“ voller Schöpferkraft war bereits, bevor ein Mensch darüber nachdenken kann, im Mutterleib an ihm wirksam, als Gott ihm sein „Wesen…und sein Leben“ gab. „Du hast mich gebildet im Mutterleib“, heißt es in Psalm 139 (V.13), der hier anklingt. Tragen wir Menschen heute der Tatsache genug Rechnung, dass wir nicht „Lebensschöpfer“, sondern Geschöpfe Gottes sind? – Hören wir eine Orgelmeditation, welche die Gedanken der zweiten Strophe aufnimmt, und singen dann einander die dritte Strophe zu.
Strophe 3 – Gottes Ringen um den Menschen – Gottes Sohn
Gottes Ringen um den Menschen – Gottes Sohn, ist das Thema in der dritten Strophe. „O du unergründ’ter Brunnen…“ – Wie ein unergründlicher tiefer Brunnen, den kein Mensch, auch nicht der intellektuellste, ausloten kann, erscheint ihm Gott, wenn er bedenkt, dass Gott seinen Sohn für ihn in den Tod hingibt, um ihn vor dem „ew(i)gen Feuer“ zu bewahren und für sich zu gewinnen. Mit dem „ewigen“, “unauslöschlichen“ Feuer haben Johannes der Täufer und Jesus gedroht, als sie das Volk zur Buße, zu Besinnung und Umkehr riefen und es warnten, von Gott abzufallen (Matthäus 3,12; 18,8). Es ist das leidenschaftliche und leidensbereite Ringen Gottes um den Menschen, das P.G. zu Herzen geht. Gott will, dass kein Mensch verlorengeht. Im Johannesevangelium hören wir (3,16): „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewigen Leben haben“. Gott gebe mir ein Herz, dass mich sein Ringen um mich berührt und mich heilsam verändert. Stimmen wir in die vierte Strophe ein.
Strophe 4 – Gott führt, leitet und erleuchtet – Gottes Geist in seinem Wort
Gott führt, leitet und erleuchtet, Gottes Geist in seinem Wort – davon handelt die vierte Strophe. Aber was gibt mir Gewissheit, dass ich auf dem rechten Weg bin? P.G. weiß sich von Gottes Geist geführt, der ihn auf dem Weg „durch die Welt zur Himmelspfort“, zum Ziel, zur Bestimmung allen Lebens, leitet und „mit dem hellen Glaubenslicht“ erfüllt, welches das Dunkel des Todes überstrahlt, entmachtet und die Angst überwindet. Gott gibt seinen Geist in seinem „Wort“. Wir hören es in der Bibel. „Geht hinein durch die enge Pforte“, spricht Jesus – „denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und viele sind’s, die auf ihm hineingehen. Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden“ (Matthäus 7,14). Ein Schauder hatte einst Jakob gepackt, als er von seinem Traum erwachte und inne wurde, daß Gott ihm so nahe war: „…hier ist die Pforte des Himmels“, rief er voller Furcht aus (1.Mose 28,17). Singen wir die Strophen 5-7.
Strophen 5-7 Gottes umfassende Sorge für den Menschen – Dominus providebit
Gottes umfassende Sorge für den Menschen besingen die Strophen 5-7. Strophe 5 „Meiner Seele Wohlergehen hat er ja recht wohl bedacht; will dem Leibe Not entstehen, nimmt er’s gleichfalls wohl in acht…“ – Gott will das Wohlergehen des Menschen. Dem Wort „Wohl“ entspricht in der (Hebräischen) Bibel der Ausdruck „Schalom“, „Friede“, der sich immer auf das Wohl des ganzen Menschen, „Leib und Seele“, bezieht. Wie wichtig ist doch diese Sicht, wenn es heute um den „Frieden auf Erden“ geht! – Wenn eigenes Können nichts mehr ausrichten kann und wenn die Erfahrung der Ohnmacht lähmen will, darf der Mensch darauf vertrauen, dass Gott ihm zu Hilfe kommt und ihm Kraft gibt. „GOTT ist meines Lebens Kraft“, betet der Psalmist (Psalm 27,1).
Strophe 6: Zum Wohlergehen gehört auch eine gute Ernährung, hören wir in der sechsten Strophe. Gott hat reichlich dafür gesorgt. Kein Mensch müsste hungern – auch heute nicht. Von der Dankbarkeit für das tägliche Brot sind die Worte P.G.s geprägt: „…wo ich nur mein Aug hinkehre, find ich, was mich nährt und hält…überall ist meine Weide“. – „Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut“, heißt es in der biblischen Schöpfungsgeschichte (1.Mose 1,31). Was hat der Mensch aus Gottes Schöpfung gemacht?
Strophe 7: Aber Gott bleibt seiner Schöpfung, seinen Geschöpfen, treu. „Wenn ich schlafe, wacht sein Sorgen und ermuntert mein Gemüt, daß ich alle liebe Morgen schaue neue Lieb und Güt…“, spricht P.G. in der siebenten Strophe aus. Gottes Sorge für den Menschen hört auch in der Nacht nicht auf, und Gott ist es, der ihn in einen neuen Tag hinein aufwachen und von neuem seine „Lieb(e) und Güt(e)“ schauen lässt. „Gottes Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu“, hören wir in den Klageliedern des Jeremia (3,22f.). Das bedeutet nicht, dass den Menschen keine Ängste überfallen und krank machen können. Aber ohne Gottes Gegenwart und Geleit – so betont P.G. – „wär ich nicht aus so mancher Angst genesen“. „In der Welt habt ihr Angst“, spricht Jesus, „aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden“ (Johannes 16,33). – Lesen wir jetzt jeder und jede für sich die Strophen 8 und 9, während dazu ein Orgelchoral erklingt!
Strophen 8 – 9 Die Bedeutung schwerer, bitterer Zeiten im Leben
Die Strophen 8 und 9 gehen auf die schweren, bitteren Zeiten im Leben ein.
Strophe 8: In den schweren, bitteren Zeiten des Lebens sieht P.G. „Zeichen“ des Gedenkens und der Zuwendung Gottes. Hart spricht er von „Gottes Strafen, seine(n) Schläge(n)“. Gott lenkt den von der Welt „hart gefangen“ gehaltenen Menschen „durch das Kreuz zu ihm“. Im Hebräerbrief (12,6) lesen wir: „Wen der Herr liebhat, den züchtigt er“, und ähnlich heißt es in der Offenbarung des Johannes (3,19) von Gott: „Welche ich liebhabe, die strafe und züchtige ich“ – Worte, die leider oft missverstanden wurden und eine schlimme Wirkungsgeschichte besonders für die Kindererziehung und für die Rechtfertigung von Schlägen hatten. Die biblischen Aussagen haben aber einen anderen Sinn. Sie wollen nach schweren Erfahrungen zum Ausdruck bringen: Die Liebe Gottes ist nichts Weichliches. Gott mutet uns Leben mit allen Härten zu, aber Gott verlässt uns nicht, wenn es uns hart ergeht. „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“, spricht der auferstandene Christus (Matthäus 28,20).
Strophe 9: P.G. will die Leidgeschüttelten trösten: „Christenkreuz hat seine Maße“. Die Zeit des Leidens ist begrenzt. Wie nach dem Winter der (Frühling und der) Sommer kommen, so „erfreu(e)t“ Gott den Menschen, „wer’s erwarten kann“, nach bitteren Zeiten wieder.
Erinnern wir uns: P.G. schrieb dieses Lied im Jahre 1653, das zu den glücklichsten Jahren seines Lebens gehörte. Zu diesen zählt auch die überwiegende Zeit seines Pfarrdienstes an der Nikolaikirche zu Berlin (1657-1669). Gegen Ende seines dortigen Dienstes starben seine Frau und vier der fünf Kinder. In dieser schweren Zeit hört sein Liedschaffen abrupt auf. Die oft vorgebrachte Interpre-tation, P.G. habe in seiner leidvollsten Zeit die schönsten Lieder geschrieben, ist also unzutreffend. Allerdings entstanden in der allgemein leidvollen Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) z.B. das Passionslied „Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld“ (1647, EG 83, vgl. „O Welt, sieh hier dein Leben“, 1647, EG 84) und das Osterlied „Auf, auf, mein Herz mit Freuden“ (1647, EG 112). Für die Verarbeitung seiner persönlichen Leiderfahrung, für seine „Trauerarbeit“, brauchte P.G. wie jeder Mensch Zeit. Er ist inzwischen zusammen mit seiner Schwägerin und dem ihm noch verbliebenen Sohn nach Lübben umgezogen, um die dortige Pfarrstelle anzutreten. „Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden“, spricht Jesus (Matthäus 5,4). Singen wir die letzte Strophe.
Strophe 10 – Die Dimension der Anbetung
„Weil denn weder Ziel noch Ende sich in Gottes Liebe find’t, ei so heb ich meine Hände zu dir, Vater als dein Kind…“ – Wie am Anfang betont P.G. am Schluss seines Liedes wieder seine Beziehung zu Gott, den er im positiven Vaterbild erlebt und dem er seine ganze Liebe entgegenbringt. Er besingt die unendliche Liebe Gottes. Sie bewegt ihn zur Anbetung. Anbetung erscheint ihm als die angemessenste Antwort auf den letztlich unfassbaren und unbeschreibbaren Gott. Doch kann ein Mensch diese Haltung gegenüber Gott bewahren? Treibt es ihn nicht immer wieder weg von seinem Ursprung, von seiner Mitte, von Gott? Darum ist die Bitte, die P.G. ausspricht, so wichtig: Gott wolle ihm „Gnade geben“, ihn mit ganzer Kraft immer und überall zu lieben, ihn „zu umfangen Tag und Nacht hier in meinem ganzen Leben…“
Was ist Dein Lied? Singe es! Und wenn es Dir nicht ums Singen zu Mute ist, lass es andere Dir singen! Gottes Liebe, seine Güte bleiben – in Ewigkeit. (Statt des gesprochenen „Amen“, stimmt die Gemeinde in die Amen-Strophe EG 289,5 „Sei Lob und Preis mit Ehren…“ ein.)