Kontakt statt Funkstille

Vom Beten

Predigttext: Kolosser 4,2-6
Kirche / Ort: 70734 Fellbach
Datum: 21.05.2006
Kirchenjahr: Rogate (5. Sonntag nach Ostern)
Autor/in: Pfarrerin i.R. Stefanie Schäfer-Bossert

Predigttext: Kolosser 4, 2-4 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns, dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue und wir das Geheimnis Christi sagen können, um dessentwillen ich auch in Fesseln bin, damit ich es offenbar mache, wie ich es sagen muss.

Zur Predigt und Liturgie

Die Predigt setzt sich mit dem Beten auseinander und auch mit dem, was es uns schwer machen kann – durchaus mit dem Ziel oder zumindest der Hoffnung, einige Hindernisse wenn nicht auszuräumen, so doch überwindbarer zu machen. Der Aspekt der „Beharrlichkeit“ wird durch die Schriftlesung bestärkt, als die ich das Gleichnis der fordernden Witwe (Lukas 18,1-8) vorschlagen möchte. Die Predigt ist auf einen Abendmahlsgottesdienst zugeschnitten – die Hinweise darauf können (müssen aber nicht) auch dann stehen bleiben, wenn das Abendmahl nicht in diesem Gottesdienst gefeiert wird. Psalmvorschlag: Psalm 27, Lied zum Eingang/ vor der Predigt: „Danke für diesen guten Morgen“ (EG 334).

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Liebe Gemeinde!

Ein Brief aus Widrigkeiten

Unser heutiger Predigtext steht im Kolosserbrief, der im Stil des Apostels Paulus, aber etliche Jahre später, an die Gemeinde in Kolossä geschrieben wurde. In der Geschichte, die der Predigttext des letzten Sonntags war, wurde geschrieben, dass Paulus bei seiner Mission oft in Fesseln gelegt wurde – eine solche Situation setzt auch der Kolosserbrief voraus: dass man sich nicht von Widrigkeiten abhalten lässt, den Glauben zu bekennen und zu leben. Als Brief der Bibel nehmen wir es auch als einen Brief an uns, als Predigttext ist’s ein kurzer, aber umso eindringlicherer:

(Lesung des Predigttextes)

Schwierigkeiten mit dem Beten

„Dein Pfad ist mit Gras bewachsen“, so sagte ein afrikanischer Gemeindeältester zu einem Stammesangehörigen; der hatte lange nicht mehr den Weg von seiner Hütte zum gemeinsamen Gebetsort gefunden. Er hatte offenbar Schwierigkeiten mit dem Beten. Da muss er ja nicht der einzige gewesen sein.

Morgens – keine Ruhe; da nimmt uns der unbewältigte Tag schon gefangen. Und Abends – sind wir abgespannt, ausgelaugt und leergepumpt, dass Gedanken und Worte fehlen können. Oft kommt zu allen äußeren Abhaltungen noch eine innere Müdigkeit hinzu. Fast unmerklich verstummt dann das Gespräch zwischen Gott und uns. Der alte Luther hatte schon zu beobachten: Wer nicht regelmäßig betet, tut es bald auch nicht mehr unregelmäßig.

Das spricht übrigens für feste Gebete und Gebetszeiten – nicht immer ereignet sich vielleicht, was man hoffen würde, aber es gibt einen Raum, wo überhaupt etwas passieren kann! Vielleicht geht es manchen aber auch wie jener 13-jährigen Schülerin, die sagte: „Als sich eine Krise im Elternhaus anbahnte und die Eltern sich trennen wollten, da betete ich von ganzem Herzen, Gott möge dies verhindern. Doch er hat es nicht getan. Seither habe ich nicht mehr gebetet“.

Was soll das Beten, wenn Gott meine Gebete nicht erhört?! Da stehen die vielfältigen Erfahrungen des Leides, der Ungerechtigkeit und nicht erhörter Gebete unserm Beten im Weg. Paulus würde wahrscheinlich an dieser Stelle sagen: Sollen wir darum also nicht beten, damit unsere Enttäuschung ausgeschlossen werde? Das sei ferne!!!!

Beharrlichkeit gegen die Funkstille

Dieser Fall scheint ihm durchaus bekannt gewesen zu sein: „Desgleichen hilft auch der Geist unserer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt; sondern der Geist selbst vertritt uns mit den unaussprechlichen Seufzern“ (Röm 8,26)- auch denen, die wir zu Gott senden. Deshalb steht vor allem am Schluss der Paulusbriefe immer wieder: „Seid beharrlich im Gebet“ oder „haltet an am Gebet“.

Von den ersten Christen in Jerusalem wird gesagt: „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet“ – all das vereinen auch wir heute in unserem Gottesdienst und nicht nur heute.

Das „beharrlich und beständig“ ist es vielleicht, das uns nicht immer leicht fällt, aber gerade das hat uns Jesus im Gleichnis von der fordernden Witwe ans Herz gelegt. Nicht sofort zur Funkstille übergehen, die zeigt ja, dass man nichts mehr erwartet. Dass uns nicht alle Wünsche und Forderungen sofort erfüllt werden – es macht es nicht leicht, kann uns aber auch zum Nachdenken über uns selbst und über festgefahrene Gleise bringen. Es gibt viele Wege, nicht nur den, der uns gerade eingefallen ist.

Mit flehenden Bitten, die wir nicht erhört sehen, ist es schwieriger, und um Kadavergehorsam kann es nicht gehen. Die Ermunterung zu Beten soll gewiss nicht mit Forderungen belasten. Sondern sie will ermutigen, davon Gebrauch zu machen, dass wir mit Gott reden dürfen. Denn beten heißt nicht so sehr, dass ich immer als Bittsteller vor Gott erscheine. Im Gespräch sein – das heißt auch unter Menschen: Nicht nur bitten, sondern auch alles erzählen, mitteilen, teilen. Martin Luther nannte das „ein ständiges Gespräch des Herzens mit Gott“. Er war der Meinung, dass niemand bei seiner Arbeit so hart beschwert sei, dass er dabei in seinem Herzen nicht mit Gott reden könnte.

Danken hilft, sich nicht im Schlechten zu verlieren

Unser Brief jedenfalls ermuntert: „ Seid beharrlich im Gebet!“ Und er geht weiter: „Seid beharrlich im Gebet und wacht in dem selben mit Danksagung“. Das kann noch einmal an die Geschichte erinnern, die letzten Sonntag Predigttext war – es geht um ein Beten und um das Weitergeben des Glaubens unter drastisch erschwerten Bedingungen: Paulus und Silas nach der Folter im Gefängnis – eigentlich Grund zum Hadern, auch das kann ein Gebet sein – aber es heißt: „Sie beteten und lobten Gott“. Für das Gefängnis werden sie wohl nicht gedankt haben, aber sie lassen sich davon nicht komplett bestimmen, sie haben immer noch etwas anderes als ihre schlechte Situation, sie denken an Gott, dass sie überall Hilfe und Beistand haben und sei’s nur, um durchzustehen. Zurecht – das Ende der Geschichte (die ist aber auch recht lang!) war letzten Sonntag nicht im Predigttext: Sie kommen auf jeden Fall frei. Manchmal ist es nur eine Frage, ob man durchhält, bis sich die Situation wieder entspannt.

Offene Türen statt Gefangensein

In dieser Geschichte „Das Beten im Gefängnis“ gibt es einen Satz, der auch symbolisch zu hören sein kann und dann wunderbar beschreibt, was es mit dem Beten auf sich haben kann: „plötzlich aber geschah es, dass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen, und von allen fielen die Fesseln ab“ (Apg 16, 26). Ich habe nicht umsonst „wunderbar“ gesagt: Wenn es zu dieser Freiheit, eben auch inneren Freiheit, kommt, das grenzt schon an ein Wunder. So groß muss es vielleicht gar nicht immer sein, alle Türen auf, alle Fesseln ab, aber ein Gebet hat schon so manche Tür wieder aufgetan und Fessel abgeworfen. „Plötzlich aber geschah es, dass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen, und von allen fielen die Fesseln ab.“

Am Anfang des Kolosserbriefs steht, als eine Grundlegung, ein Gebet der urchristlichen Gemeinden, ein gewaltiger Christushymnus, der sich betend vergewissert, was Gott uns mit seinem Schöpfungswerk, mit Christus und seinem Erlösungswerk, geschenkt hat – und diese Erlösung feiern wir im Abendmahl miteinander, die Lösung so vieler Fesseln, in die man verstrickt sein kann. Übrigens, den Kolossern ging es damals so wie uns heute. Sie waren geradezu von einem Jahrmarkt von Weltanschauungen umgeben. Viele Theologien, Philosophien und bunte Mixturen aus allem sorgten in der Gemeinde für Verwirrung. Da können wir mit unserem Kolosserbrief dagegenhalten: Lasst euch nicht verführen und vernebeln! Ihr wisst doch, wem ihr vertraut ! Ihr kennt doch den Gott, dem ihr euch anvertraut habt! Bleibt mit Gott im Gespräch. Vergesst nicht all das Gute, das Gott euch getan hat!

Dankt Gott

Ganz einfach: Dankt Gott für alles. Aus der Dankbarkeit erwächst die Kraft zum beharrlichen Beten – und umgekehrt: Dankbarkeit hilft beten. Ganz einfach?! Wir kennen’s anders: „Not lehrt beten“ und: Es gibt genug, wofür es wahrlich keinen Grund zum Danken gibt und wo, das muss gesagt sein, das Danken nur noch zynisch wäre.

Aber – noch eine Geschichte aus dem Gefängnis sagt mehr als tausend Erklärungen: Der Essener Evangelist und Jugendpfarrer Wilhelm Busch erzählte einmal, wie er im Dritten Reich von der Straße weg verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden war. Er beschreibt, wie quälend langsam die Tage und Nächte dahinschlichen. Wie er durch den Mangel an frischer Luft, durch das miserable Essen und den Umstand, dass er zur Tatenlosigkeit verurteilt war, körperlich und seelisch am Ende war. Da fiel ihm auf einmal das Bibelwort ein: „Sagt Gott Dank allezeit für alles“. Er ist hingekniet und hat angefangen zu danken. Zuallererst dafür, dass Jesus Christus unsere Sünden hinweggetragen hat an das Kreuz, dann für seine Frau und seine Kinder. Eins nach dem anderen fiel ihm ein, wofür er Gott zu danken hatte, und auf einmal verging die Zeit wie im Flug und sein Herz wurde wieder fröhlich und getrost.

Ganz ähnlich haben wir es vorhin gesungen: „Danke für diesen guten Morgen, Danke für jeden neuen Tag“, sechs Strophen lang, wofür wir Gott danken können – im Grunde müssten wir jetzt alle die kleinen Paul Gerhards spielen und das Lied auf mindestens sechszehn Strophen erweitern. Jubelnd endet das Lied: „Danke, ach Herr, ich will dir danken, dass ich danken kann“. Tun!

(Fürbitte)

Liebe Gemeinde, „Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns“. Bitte und Fürbitte, die Bitte um eigene Stärkung und die Bitte für andere, beides gehört so eng zusammen, wie es hier nah beieinander steht. Wir dürfen auch die Not, die Schwierigkeiten und die Verzweiflung anderer aufnehmen und sie vor Gott bringen. Genauso wie auch andere für uns beten dürfen. Wie gut kann es tun, wenn man weiß, besonders in einer schwierigen Situation, dass andere für mich beten. Es stärkt und trägt. „Betet für mich.“ Selbst der Schreiber des Briefs, der die Gemeinden unterstützen und sogar korrigieren möchte, weiß , wie sehr er das braucht: „Betet zugleich auch für uns, dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue und wir das Geheimnis Christi sagen können, damit ich es offenbar mache, wie ich es sagen muss.“ Auch die Verkündigung und das Zeugnis des Glaubens braucht die Fürbitte, auch darin kann man sich gegenseitig stärken, besonders in den Ländern, wo man wegen des christlichen Glaubens verfolgt wird, hofft man auf unsere Fürbitte. Auch in unseren und für unsere Gemeinden ist sie wichtig. Danke!

Beten und verantwortlich leben gehören zusammen

Eins bleibe nicht ungesagt, nur weil es jetzt heute nicht Hauptthema der Predigt ist: Beten und verantwortlich leben gehören zusammen! Was wir im Gebet bekannt und erkannt haben, das muss in unserem Leben zum Tragen kommen. Wir können nicht für die Hungernden auf dieser Welt beten, ohne selbst zu helfen, wo es uns möglich ist, und das auch strukturell, zum Beispiel, indem wir einen gerechten Handel unterstützen, auch wenn uns das etwas teurer kommt, aber anderen Menschen das Lebensnotwendige sichert. An der Tür einer südfranzösischen Kirche steht: „Das Leben der Christen ist die einzige Bibel, die heute noch gelesen wird“. Leben wir als ein Brief Christi, als ein Brief Gottes, und lassen wir unseren Gebetspfad nicht mit Gras bewachsen sein.

Amen.

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