Den Blick wieder gen Himmel richten
Unser Blick in den Himmel ist der Blick auf Jesus Christus
Predigttext: Offenbarung 1,4-8 (Übersetzung und Gliederung von Heinrich Kraft)
Johannes an die sieben Kirchen in der Asia: Gnade sei mit euch und Friede Von dem, der ist und der war und der kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron, und von Jesus Christus, dem treuen Zeugen, dem Erstgeborenen von den Toten und dem Fürsten über die Könige der Erde. Ihm, der uns liebt und erlöst hat aus unseren Sünden durch sein Blut und zum Königtum machte, seinem Gott und Vater zu Priestern, ihm sei Ehre und Macht in alle Ewigkeit. Amen. Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehn und die ihn durchbohrt haben, und alle Stämme der Erde werden über ihn klagen. Ja. Amen. Ich bin das Alpha und das O, spricht Gott, der Herr, der ist und der war und der kommt, der Allherrscher.Zum Predigttext
Unser Abschnitt ist nicht auf die Himmelfahrt Christi bezogen, er greift weiter aus. Der Seher der göttlichen Offenbarung wendet sich (nach dem Vorbild der ersten Siebenersammlung von Paulusbriefen) an sieben Gemeinden in Kleinasien und damit an die Gesamtheit der Kirchen dort. Denn die Zahl Sieben steht für alle, die ihm anvertraut sind und die er erreichen kann und will. Gnade und Frieden soll ihnen zuteil werden von der göttlichen Kraft, die er dreifach beschreibt. Damit ist noch keine Trinitätslehre ins Auge gefasst, aber doch eine dreifach uns begegnende Autorität. Erstens und allem voran ist der über alle Zeit Erhabene, der ist und war und kommt, Gott von Anfang und in alle Ewigkeit, genannt. Zweitens die Kraft, die von Gott ausgeht, hier nicht ein Heiliger Geist sondern sieben Geister, die wieder für die vollkommene Fülle der Gaben stehen, hinter denen aber auch die biblische Aufgliederung Jesaia 11,2 zu vermuten ist: in Weisheit, Verstand, Rat, Stärke, Erkenntnis, Frömmigkeit und Gottesfurcht. An dritter Stelle und in großer Ausführlichkeit, die auch den späteren zweiten Artikel des Glaubensbekenntnisses auszeichnet, steht der Bote, der uns die Kenntnis Gottes gebracht hat und seine Gaben vermittelt, der treue Zeuge, der Auferstandene und der Fürst über die Könige der Erde. Dieser liebt uns, erlöst uns, gibt uns teil an seinem Königtum und macht uns zu Priestern, die seinem Gott und Vater dienen. Das Kommen dieses entscheidenden Heilsbringers will der Seher mit seinem Werk ansagen. Er kommt mit den Wolken des Himmels und wird alle beschämen, die gegen ihn standen, ihn durchbohrt haben. Er ist für alle Stämme der Erde da. Das wird durch Ja und Amen bekräftigt. Aber das betrifft nur die Vermittlung und führt nicht zu einer neuen Gotteslehre. Der Seher beendet die Einleitung zu seiner Schrift mit dem Selbstzeugnis des Allherrschers, das die Bildwerke der orthodoxen Kirche von dem Unsichtbaren über alle Zeiten Erhabenen auf den Sichtbaren in unsere Zeitlichkeit Gekommenen übertragen haben, den sie dann auch als Pantokrator verehren. Nun sollen wir über diesen Text an Himmelfahrt predigen. Sicher ist seine Auswahl durch die Übertragung der Würde des Pantokrators auf den zum Himmel Gefahrenen bestimmt. Und wir wissen natürlich, dass etwa der Hebräerbrief den Sohn mit gleichen Prädikaten belegt wie sie hier dem Vater zukommen: Jesus Christus, gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit (13,8), und fühlen uns berechtigt, Gott und Christus in einem Atemzug zu nennen. Aber bleiben wir bei unserem Text: Der zum Himmel Gefahrene – oder mit unseren Versen: der Erstgeborene von den Toten - ist der, der im Auftrag des Allherrschers Fürst über alle Könige auf Erden ist. Er wird kommen und alle Stämme auf Erden beschämen. An ihm und keinem anderen entscheidet sich unser Gottesverhältnis. Weil er uns liebt und uns erlöst hat, wissen wir von Sinn und Ziel unserer Welt und damit auch von Sinn und Ziel unseres Lebens. Das will auch die Botschaft von der Himmelfahrt Christi aussagen. Der sich hier auf Erden für uns hingab – „Blut“ steht für sein ganzes Leben und Sterben – stellt uns vor den Ewigen, der ist und war und kommt, und bestimmt damit auch unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wir sehen den, den wir durchbohrt haben, erkennen also unsere tägliche Gottlosigkeit und finden doch „Gnade und Friede“, erhalten die Gaben der sieben Geister und dürfen hoffen auf den, der uns entgegen kommt. Nein, wir müssen uns nicht mit Weltbildfragen herumschlagen, die man früher oft an diesem Feiertag abgearbeitet hat. Christus ist bei Gott, stellt uns vor Gott, und der ungeliebte und oft umgedeutete Feiertag soll zur Frage werden, ob wir den Himmel sehen, Gott, der bei uns war, ist und zu uns kommt, ob wir das an seinem Boten lernen, dem treuen Zeugen. Dann lernen wir das Alphabet unseres Leben und zugleich das große O, seinen Ausgang und sein Ziel.Literatur:
Heinrich Kraft, Die Offenbarung des Johannes, Tübingen 1974.Lieder:
„Wie schön leuchtet der Morgenstern ...“ (EG 70,1+2+7, zur Predigt). „Der Himmel geht über allen auf“ (EG 594, Hessischer Anhang).Liebe Gemeinde!
Ein Buch mit sieben Siegeln
Das letzte Buch der Bibel wird im Blick auf seine Visionen gern ein Buch mit sieben Siegeln genannt. Damit wird auch ausgedrückt, dass es schwer verständlich ist. Und indertat, seine Ausdrücke und Bilder sind uns eher fern, obwohl sie voller Inbrunst und Feuer sind.
Aber für viele Menschen unserer Tage gilt das Verdikt – ein Buch mit sieben Siegeln – nicht nur von einer einzelnen Schrift, es gilt leider auch vom ganzen Bibelbuch mit allen seinen Schriften. Ja es gilt: Der ganze Himmel, von dem dieses Buch künden will, ist den Menschen heute oft verschlossen. Sie zitieren den Dichter: „Tor, wer dorthin die Augen blinzelnd richtet“. Sie rühmen sich ihres Realismus, der nur anerkennt, was vor Augen liegt. So ist auch dieser Himmelfahrtstag dem allgemeinen Unverständnis verfallen und, weil man auf keinen Feiertag verzichten will, mit anderen Inhalten belegt worden. Man macht ihn, der oft in der Nähe des Muttertages im Kalender steht, schlicht zum Vatertag.
Aber welche Ironie tut sich da auf! Der da zu seinem Vater im Himmel kommt und uns Menschen lehrt, den Ewigen als Vater im Himmel anzurufen, der erreicht die feiernden Väter, die anderes im Sinn haben, nicht mehr. Dabei will uns dieser Tag gerade dazu anleiten, den Blick wieder gen Himmel zu richten.
Gnade und Friede
Das ist auch das Anliegen des Verfassers des letzten Bibelbuches. Die Menschen in den sieben Kirchen in Kleinasien und damit – das meint nicht zuletzt die Siebenzahl als Zahl der Vollkommenheit – alle Christen dort und so auch wir heute, sollen Gnade und Frieden erfahren. Er bezeichnet damit etwas, was wir alle brauchen. Gnade meint, dass wir uns angenommen fühlen, dass wir etwas wert sind, ein Leben führen, das sich lohnt, nicht nur für uns, auch für die Menschen mit denen wir unterwegs sind. Johannes will, dass unser Weg im Frieden verläuft, im Frieden mit unseren Nächsten, auf dass wir mit ihnen fröhlich sein können und im Frieden unter den Völkern leben, auf dass wir vor Terror und Angst bewahrt werden.
Das sind Gaben, zu denen wir zwar beitragen können, die wir uns im letzten aber nicht selbst zuteilen können. Das sind Gaben, die von Gott abhängen, und damit auch davon, ob Menschen nach dem Himmel, nach Gott Ausschau halten. Die Gaben, die Menschen sich zusprechen und in ihren Händen halten, wie Ruhm und Geld, machen oft gierig und ruhelos. Wer hat, will mehr haben und wer mehr hat, will immer mehr haben. Um dieser irdischen Gaben willen gibt es Streit und Krieg.
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der ist und der war und der kommt. Ja, das ist es, was wir im Himmel suchen, was wir bei dem suchen, der alles umfängt, der unser Leben im Ganzen umspannt: Die Tage, die gewesen sind, oft mit Lasten beschwert, mit falschen Worten, Entscheidungen und Taten. Die Stunden, die uns umgeben, oft getränkt mit Angst und Neid und Missmut. Aber auch die Jahre, die vor uns liegen oder mit denen wir meinen, nicht mehr rechnen zu können. Was war mit uns, was ist mit uns, was wird mit uns werden?
Der Vater im Himmel und die sieben Geister
Hier können wir uns an den Vater im Himmel wenden. Der war gestern bei uns, ihm verdanken wir unser Leben und die Jahre und Tage bis heute. Der ist heute bei uns und kann uns leiten, dass wir nicht abstürzen. Und der kommt uns morgen und in alle Ewigkeit entgegen, so dass wir getrost voran schreiten dürfen.
Mit diesem Vater im Himmel kommt ein neuer Geist in unser Leben. Gnade und Friede von den sieben Geistern, die vor seinem Thron stehen. Wir brauchen Gottes Geist in seiner ganzen Fülle. Wieder steht die Siebenzahl für diese Vollkommenheit der Gottesgaben. Aber der Seher zitiert auch seine Bibel, unser Altes Testament. Der Prophet Jesaia hat sieben Geistesgaben aufgelistet, wir benötigen sie alle: Weisheit – Verstand – Rat – Erkenntnis – Stärke –Frömmigkeit – Gottesfurcht.
Diese sieben Geister stehen um Gottes Thron. Lohnt sich da nicht der Blick in den Himmel? Wenn doch nur von diesen sieben Gaben mehr in der Welt wäre, wenn doch auch wir an unserem bescheidenen Ort davon mehr Gebrauch machen könnten!
Der Lehrer Jesus Christus
Aber finden wir das alles beim Blick in den Himmel? Das Ergründen der Gottesferne ist von vielen versucht worden, ist es nicht irritierend und ungewiss? Der gestirnte Himmel über mir, den Immanuel Kant bewundert, er ist unkonkret, und der Philosoph ergänzt ihn durch das moralische Gesetz im Menschen, aber es will uns heute scheinen, als ob dies den himmellosen, den gottlosen Gesellen abhanden gekommen ist.
Die Christenheit und der christliche Seher wissen einen sicheren Weg zur Erkenntnis des Himmels und Gottes. An die Seite Gottes und seiner Geister stellen sie den, den Gott in seinen Himmel berufen hat, der aber zuvor unter uns Menschen war und uns dieses Gottes gewiß gemacht hat.
Jesus Christus hat uns gelehrt, was vor Gott Gnade ist, was Frieden heißt. Frömmigkeit und Gottesfurcht lernen wir bei ihm, und damit kommt alles andere in unser Leben: Weisheit und Verstand, Rat und Erkenntnis und nicht zuletzt Stärke, so dass wir uns sogar unserer Schwachheit rühmen können, wie es der Apostel Paulus angesichts von Schwierigkeiten und Krankheit tut, der jubilieren kann: Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark. Er weiß, dass Gott Kraft gibt und diese Kraft alles andere überwindet.
Der treue Zeuge
Von diesem Jesus Christus kann man konkret sprechen und der Seher Johannes tut es. Er nennt ihn den treuen Zeugen. Wir haben sein Zeugnis. Es ist in vielen Briefen seiner Boten den ersten Gemeinden beschrieben, in vier Werken gesammelt, die wir frohe Botschaft, Evangelium, nennen, in der Geschichte der Apostel nachgezeichnet und nicht zuletzt in den Hoffnungsbildern entfaltet, die der Seher Johannes in seiner Offenbarung mit großer Leidenschaft uns vor Augen gemalt hat.
Johannes weiß, dass Gott selbst diesen Jesus beglaubigt hat. Durch die Auferweckung ist er zum Erstgeborenen von den Toten geworden, hat uns also eine neue Erde und einen neuen Himmel eröffnet. Damit kommt das Königreich nah, das Jesus gepredigt hat. Jesus wird selbst als Messias, als Christus zum Fürsten über die Könige der Erde.
Von Jesus kann gesagt werden, dass er ein Mensch war, der nicht seine Mitmenschen ausnutzte, sondern der – was selten ist auf Erden – wirklich liebte, der uns liebt, und das mit seinem Leben und Sterben unter Beweis gestellt hat. Damit erlöst er uns durch sein Blut, also durch seine Hingabe, erlöst uns von unserer Selbstliebe, die jeden Tag neue Verletzungen und Versündigungen gebiert. Damit macht er Christen zu Priestern, die dem Vater im Himmel dienen, die seine Botschaft weitertragen und Menschen mit den Gaben der Geister Gottes erfüllen, also Gnade und Friede in dieser Welt befördern.
Der Weg in den Himmel
Unser Blick in den Himmel ist so der Blick auf Jesus Christus. Es ist der Blick auf den, der seine Jünger und uns gelehrt hat, den fernen Gott „im Himmel“ als nahen Vater anzurufen. Und für uns ist er nun beim Vater, von wo er uns entgegen kommt. Ja, was der Seher hier von Gott sagt, dass er alles umfasst, war, ist und kommt, das übertragen wir auf Jesus, der uns im Blick auf Gott alles bedeutet, so dass eine Epistel in unserem Neuen Testament auch von ihm sagt: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.
Vornehmlich unsere Schwestern und Brüder aus der ersten christlichen Kirche, der Orthodoxie, haben an der Stelle des Allmächtigen, von dem Johannes hier spricht und den man nicht sehen und abbilden kann, Jesus Christus in den Kuppeln ihrer Kirchen als den Allherscher dargestellt und ihm oft, sozusagen als seine Insignien, das Alpha und das Omega, das große O, den ersten und letzten Buchstaben des griechischen Alphabets, an die Seiten gemalt.
Und das meint nun dieser Tag, der die Himmelfahrt Christi feiert. Wir haben in diesem treuen Zeugen, der für uns gelebt hat und gestorben ist, den Garanten für den Weg in den Himmel, den Weg zu Gott. Unser Bekenntnis nennt ihn sitzend zur Rechten Gottes. Wir haben durch ihn die Geistesgaben Gottes, mit denen wir leben, mit denen wir auch sterben können, wir folgen ihm, dem Erstgeborenen von den Toten, auf dem Weg in den Himmel, den uns nun keiner mehr nehmen kann, wir gehen ihm entgegen, oder besser: „Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehn und die ihn durchbohrt haben“.
Alpha und Omega
Mag sein, dass alle Stämme auf Erden über ihn klagen werden – oder besser: über ihren eigenen Unverstand und ihre Bosheit bestürzt sind – aber alle Zungen werden auch bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist zur Ehre Gottes des Vaters, wie Paulus im Philipperbrief aus einen ihm vorgegebenen Bekenntnis zitiert. Aber dank seiner können wir schon heute jeden Tag zu dem uns so fernen Ewigen und Allherrscher beten: „Unser Vater im Himmel“.
So gewinnen wir ein Alphabet, aus dem alle unsere Worte gebildet werden. Von ihm her soll unser Reden bestimmt werden, sollen Worte gesprochen werden, die nicht unsere Sehnsüchte formen, sondern Hoffnung vermitteln, frohe Botschaft künden. Denn er, Gott selbst, ist das Alpha und das Omega, er ist Anfang und Ende, und dazwischen sind wir, mit unserem Leben, das von ihm her und vor ihm einen Sinn bekommt, einen Sinn, der unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umfängt. Auch wenn der Blick zum Himmel den gewaltigen Gott nicht ergründen kann, – weil, wie schon der König Salomo wusste, aller Himmel Himmel ihn nicht fassen können – der, der unter uns war und nun bei ihm ist, Jesus Christus, schließt uns den Himmel auf. Er steht für den, den er Vater nannte, so dass wir ihn nun d e n Sohn Gottes nennen und einer der Evangelisten ihn gar als „Gott von Gott“ anbeten konnte.
Der Seher Johannes hört die Stimme des Ewigen: Ich bin das Alpha und das Omega, spricht Gott, der Herr, der ist und der war und der kommt, der Allherrscher. Solche Worte hören und verstehen wir, weil wir den Sohn haben, der sie aus der gewaltigen Ferne in eine unvorstellbare Nähe rückt, zu uns, so dass wir wie Kinder dem himmlischen Vater vertrauen können. Der zum Himmel Gefahrene öffnet uns den Blick in den Himmel und wird uns auch den Weg in den Himmel, in die Ewigkeit, führen, wo wir den loben und preisen, der das A und das O ist, der da ist und der da war und der da kommt, der Allherrscher, der Pantokrator und unser Vater.