Die aufrichtige Überzeugung von den Geboten Gottes ist gefragt

Die Gebote Gottes und Gotteserkenntnis haben sich noch nicht durchgesetzt, Gott sei Dank wird das aber nicht auf ewig so sein

Predigttext: Jeremia 31,31-34
Kirche / Ort: St.Michael/ 79650 Schopfheim
Datum: 28.05.2006
Kirchenjahr: Exaudi (6. Sonntag nach Ostern)
Autor/in: Pfarrer Dr. Michael Hoffmann

Predigttext: Jeremia 31, 31-34 (revidierte Lutherausgabe 1984)

„Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloß, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: «Erkenne den HERRN», sondern sie sollen mich alle erkennen, beide, klein und groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

Vorbemerkung

Der neue Bund gilt Israel und Juda. Schon von daher hat sich diese Verheißung nicht an den Adressaten des Neuen Testaments erfüllt. Vielmehr wird in diesem Text die ausdrückliche Treue Gottes zu Israel ausgedrückt. So vehement durch verschiedene Synodalbeschlüsse die theologische Solidarität und Verbundenheit mit Israel betont wird, so schwach kommt diese besondere Beziehung in der aktuellen politischen Situation zum Ausdruck, wo Israel immer noch als Haupthindernis auf dem Weg des Friedensprozesses gilt. Ich will hier keine politische Diskussion entfachen, sondern nur auf dem Hintergrund dieses Textes daran erinnern, dass Christen in besonderer Weise mit Israel verbunden sind und bleiben. Der bei Jeremia verheißene „neue Bund“ ist dabei als Erneuerung des Sinaibundes verstanden mit dem Unterschied, dass die Gebote nicht auf Stein, sondern ins Herz geschrieben werden. Das hermeneutische Problem, wie ausdrücklich Israel geltende Verheißungen auf die Kirche beziehungsweise Christen zu beziehen sind, kann für diesen Text dadurch gelöst werden, dass durch Christus auch Heiden an diesen Verheißungen Israels partizipieren können. Der Text besitzt ja gerade in der aktuellen Situation wegweisende und orientierende Kraft. Angesichts der wachsenden Gewaltbereitschaft an Schulen und der offensichtlichen Ausländerfeindschaft in manchen ostdeutschen Städten wird evident, dass ethische Normen Menschen nicht angeboren sind, sondern es Gebote und Gesetze braucht, um Leben zu schützen. In diesem Text geht es um die Tora Gottes, die schon dem Schutz des Lebens verpflichtet war. Die Bezugnahme auf die Befreiung Israels aus Ägypten profiliert die geschichtliche und somit immer wieder konkrete Bedeutung der Gebote Gottes. Deshalb ist die Erinnerung an die Tora keine fromme Übung, sondern Grundbedingung für das Leben. Dabei wehrt auch dieser Text jedem Fundamentalismus und Radikalismus, insofern Gott selbst es ist, der die „Erkenntnis des Herrn“ bewirken wird. Und schließlich pointiert auch noch die Zusage der Sündenvergebung in Vers 34, dass alle Themen des Neuen Testaments in der hebräischen Bibel ihre Entsprechung haben. Die eschatologische Verheißung der Sündenvergebung und der künftigen Einhaltung der Gebote kann in der Predigt seelsorgerlich entfaltet werden.

Hilfreiche Literatur:

Roland Gradwohl, Bibelauslegung aus jüdischen Quellen, 4 Bände, Calw 1987ff. (Unverzichtbar für das Verständnis der alttestamentlichen Predigttexte), Frank Crüsemann, Maßstab: Tora, Israels Weisung für die christliche Ethik, Gütersloh 2003.

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Liebe Gemeinde,

Menschen brauchen Regeln

Menschen brauchen Gesetze und Regeln. Es stimmt leider nicht, dass Rücksicht und Ehrfurcht vor dem Leben angeboren sind. Die Ausländerfeindlichkeit im Osten ist zum Thema geworden. Gewalt an den Schulen und unter Schülern erschreckt immer wieder die Öffentlichkeit. Viele Unfälle auf den Straßen haben ihre Ursache in Rücksichtslosigkeit. Es gibt sie leider nicht, die natürliche Achtung voreinander. Es gibt ihn nicht, den schützenden Respekt vor anderen. Deshalb brauchen Menschen Grenzen und Gesetze. Ob im Straßenverkehr, wo Regeln lebensnotwendig sind oder auch im Umgang miteinander, wo Grenzen nicht abschotten, sondern schützen. So langsam wächst auch die Erkenntnis, dass Höflichkeitsformen keine überflüssigen Floskeln sind, sondern das Zusammenleben erleichtern. Das war schon immer so. Und es ist immer noch so, dass es die Gebote Gottes sind, die die Schwachen schützen, die Starken in die Pflicht nehmen und die Mächtigen an ihre Verantwortung erinnern. Es sind diese uralten Gebote der Bibel, mit denen schon damals Gott selbst versucht hat, das Miteinander der Menschen zu regeln.

Menschen brechen Regeln

Aber auch damals war es nicht besser als heute. Auch damals haben Menschen diese Gebote übertreten, anderen Schaden zugefügt und selbst dabei Schaden genommen. Heute hören wir davon, dass Gott selbst es ist, der diese Übertretungen beenden wird. Heute hören wir davon, dass Gott selbst dafür sorgen wird, dass seine Gebote eingehalten werden. Nicht um seinetwillen. Sondern um unseretwillen. Hören wir den Predigttext für den heutigen Sonntag, wie er geschrieben steht im 31. Kapitel des Propheten Jeremia.

(Lesung des Predigttextes)

Schon Gott hat die Erfahrung gemacht, dass Menschen sich nicht an seine Gebote halten. Das ist nichts Neues. Schon damals waren die Folgen für die Menschen in Israel spürbar: Ungerechtigkeit und Unterdrückung, Haß und Gewalt, Neid und Mißtrauen haben die Gemeinschaft vergiftet. Da haben die einen auf Kosten der anderen gelebt und vielen wurde ihr Recht vorenthalten. Es ist die alte Geschichte. Es ist unsere Geschichte. Genau in diese Geschichte greift Gott ein.

Kenntnis von Gottes Gesetz

„Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben.“ Gott selbst wird sich nicht auf ewig damit abfinden, dass seine Gebote nicht eingehalten werden. Das ist keine Drohung, sondern Hoffnung. Weil es bei Gottes Geboten nicht um Gott, sondern um Menschen geht. Es ist dieses alte und bekannte Gesetz, das Gott in den Herzen fest schreibt. Jesus hat einmal das ganze Gesetz mit diesen Worten zusammengefaßt: „Du sollst Gott, den Herrn lieben mit all deiner Kraft und deinen Nächsten wie dich selbst“. An diesem Gebot hängt das Gesetz und die Propheten. Nicht die Liebe zu Gott, sondern zum dem Nächsten steht an erster Stelle. Dass diese Nächstenliebe nötig ist, ist auch denen einsichtig, die mit Gott nichts zu tun haben wollen. Diese Nächstenliebe, die die Würde von Menschen achtet, tut auch heute wieder Not. Nicht nur in manchen ostdeutschen Städten, wo Menschen anderer Herkunft und Hautfarbe um Leib und Leben fürchten müssen, sondern auch im Verhalten der großen Firmen, die durch Fusionen Menschen nicht „freisetzen“, – wie so oft gesagt wird, sondern bedrücken. Die Gebote Gottes haben mit Menschen und unserem Leben zu tun. Da haben wir Vieles in unserer Hand, um die Gegenwart zu gestalten.

„Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben.“ Menschen halten Gebote erst dann wirklich ein, wenn sie wirklich von ihrem Sinn überzeugt sind. Und da frage ich mich, ob nicht auch das unsere Aufgabe als Kirche ist? Nicht nur die Gebote Gottes verkünden, sondern sie auch einhalten. Weil wir davon aus ganzem Herzen überzeugt sind. Immer noch ist das der Maßstab, an dem viele Kirche messen. Es ist diese Glaubwürdigkeit, diese Nächstenliebe, die wirklich ausstrahlt. Es braucht doch nicht die großen Synodalbeschlüsse, die Formulierung von Leitsätzen und die Suche nach Leitbildern, sondern diese aufrichtige Überzeugung von den Geboten Gottes. Dadurch wirkt Kirche anziehend. Wenn andere merken, dass der Kirche und ihren Christen diese Gebote Gottes aus ganzem Herzen wichtig sind und sie deshalb den Menschen zur Seite stehen. Immer noch haben sich die Gebote Gottes und seine Erkenntnis auf der Welt noch nicht durchgesetzt. Gott sei Dank wird das aber nicht auf ewig so sein.

Erkenntnis von Gott

„Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: «Erkenne den HERRN», sondern sie sollen mich alle erkennen, beide, klein und groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken“. Gott sei Dank ist es nicht unsere Aufgabe, Menschen zur Erkenntnis von Gott zu führen. Überall da, wo Menschen das versuchen, bringen sie nicht Heil, sondern Unheil. Der Fundamentalismus mit dem religiös getarnten Terrorismus ist eine moderne Geisel unserer Zeit und kann sich nicht auf Gott berufen. Wo Menschen sich anmaßen, Gottes Gesetze nicht nur zu kennen, sondern andere zu ihrer Einhaltung zu zwingen, hat das mit menschlicher Überheblichkeit, aber nichts mit unserem Gott zu tun. Menschen brauchen eben nicht dafür zu sorgen, dass andere Gott erkennen. Das ist ureigene Sache Gottes. Was wir wirklich brauchen, sind keine Bekenntnisse, sondern die Gebote Gottes. Und die werden zum Leben führen. Dafür sorgt Gott selbst! Gott sei Dank!

Amen.

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