In der Segenslinie Abrams

Israel ist und bleibt die Wurzel, aus dem das Christentum hervorging

Predigttext: 1.Mose 12,1-4a
Kirche / Ort: Gambach (35516 Münzenberg)
Datum: 16.07.2006
Kirchenjahr: 5. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrerin Dr. Ulrike Eichler

Predigttext: 1.Mose 12,1-4a (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Haus in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.

Exegetische (I) und homiletische (II) Einführung

I. Dieser Abschnitt steht am Anfang der Erzväterüberlieferung. Es ist die Beru-fungsgeschichte eines einzelnen, mit dem Gott etwas vorhat für ein ganzes Volk und für die ganze Menschheit. Es ist Abram, den Gott ruft, zu deutsch „Hoher Vater“. Abram stammte wie sein Vater Tharah aus Ur in Chaldäa im Zweistromland, wo ein hochzivilisiertes Volk lebte. Er folgte seiner Familie, die von dort auswanderte und sich in Haran niederließ. So wurde Haran zu seiner neuen Heimat. Dort erst traf ihn der Ruf Gottes persönlich. Gott hat hier einen Namen: Jahwe, in der Übersetzung mit „der HERR“ wiedergegeben. Der persönliche, immer wirkende Gott Jahwe ruft Abram an, weil er mit ihm etwas vorhat. Die Verheißung, die er ihm gibt, ist umfassend. Sie bezieht sich 1. auf ein Volk, das aus ihm hervorgehen wird, 2. auf ihn persönlich („Ich will dich segnen und dir einen großen Namen machen“), und 3. daß von ihm Segen ausgeht für alle Menschen auf Erden. Somit beginnt mit der Berufungsgeschichte auch eine Segens- und Heilsgeschichte für alle Völker. Sie bekommt damit eine menschheitsgeschichtliche Dimension. II. Von der Berufung Abrams zum Ruf Gottes an uns Menschen heute ist eine Linie zu ziehen. Immer wieder hat Gott Menschen berufen und angesprochen, weil er mit ihnen etwas vorhat. In der Stille hört man diesen Ruf, nicht bei lautem Ge-schrei oder Hektik. Und Gott sieht, wo ein Mensch bereit ist, seinen Ruf zu empfangen. Der Inhalt der Zuwendung Gottes ist ein 1. Auftrag und 2. eine Verheißung. Der Auftrag ist knapp und klar: aus der Verwandtschaft herausgehen „in ein Land, das ich dir zeigen will“. Das kann für uns heute ein doppeltes bedeuten: daß Gott uns aufträgt, alles in unserm Leben zurückzulassen, was uns noch irgendwie beschwert: Sorgen, Ängste Lasten oder Sünden und im Gottvertrauen sich aufmachen und einen Neuanfang wagen, wenn man auch nicht weiß, wie er im einzelnen aussehen soll. Die Verheißung beginnt Gott ganz einfach damit, daß er ankündigt, was er an ihm tut. Die deutsche Übersetzung sagt, daß Gott es tun will, im Hebräischen steht, daß er es tut. Das heißt, daß sein Wille hundertprozentig zur Tat wird. Die Verheißung bezieht sich zuerst auf das Volk, das aus ihm hervorgehen wird, also Israel. Dann bezieht sie sich auf ihn persönlich, daß Gott aus ihm Großes machen wird, und dann der Spitzensatz: „In dir sollen gesegnet werden als Geschlechter auf Erden“. Wie es geschehen soll bleibt offen, aber im Rückblick wird dies Wort zu einer Messiasverheißung, die für alle Menschen gilt. So läßt sich von diesem Text eine Linie von Abram, der dieser Verheißung vertraute, bis zum heutigen Menschen ziehen, der auch dieses Gottvertrauen wagt.

Lieder:

„Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ (EG 317, man achte auf Strophe 5 „…Alles, was Odem hat, lobe mit Abrahams Samen“) „Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr euch weist“ (EG 395) „Alles ist an Gottes Segen und an seiner Gnad gelegen“ (EG 352) „Immer auf Gott zu vertrauen“ von H. Masuch, Melodie: Spiritual in „Songs junger Christen I“ Hänssler Verlag.

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Liebe Gemeinde,

oft wird gesagt, eine Predigt solle trösten. Man geht in die Kirche, um seine Sorgen auf Gott zu werfen. Man möchte darin gewiß werden, daß er zu einem steht, einen führt und das Beste für sein Leben will. Das ist alles gut und richtig, aber das heißt nicht, daß Gott für mich alles tut, was ich von ihm haben möchte. Dann wäre nämlich ich der Bestimmende und Gott der Erfüllungsgehilfe meiner Wünsche.

Gott tröstet anders. Er führt uns manchmal ganz neue Wege, ehe er uns das tröstende Wort mitgibt. Abram hatte sich in seiner Verwandtschaft und seinem Haus eingerichtet. Da traf ihn Gottes Ruf ganz unerwartet. Gott hatte mit ihm etwas vor. Aber was? Er sprach zu ihm: „Geh heraus aus deinem Vaterland, deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Haus in ein Land, das ich dir zeigen will!“ Wie Gott zu ihm sprach, wissen wir nicht. In der Stille hört man seinen Ruf, nicht bei lautem Geschrei und Hektik. Überlegen Sie mal selbst, wie Gott heute Menschen ruft: Es kann durch ein Bibelwort geschehen, das einen trifft, aber auch durch einen andern Menschen, der mir genau das richtige Wort sagt. Es kann auch durch eine Krankheit geschehen oder irgendein Ereignis, das einem bewußt macht, daß man nicht mehr gedankenlos dahinleben will. Oder im Gebet und der Stille vor Gott wird einem dieser Ruf klar. Gott hat viele Wege, zu uns zu sprechen. Aber vor allen Dingen sieht er, wo ein Mensch bereit ist, seinen Ruf zu empfangen.

Gott hatte einen Plan für Abrams Leben: Er sollte herausgehen aus seiner ge-wohnten Umgebung in einen neues Land. Abram kannte das Neue noch nicht, aber er wußte, Gott wird’s ihm zeigen. In unser Leben kann auch einmal der Ruf kommen, aus dem Gewohnten herausgehen. Vielleicht sind wir in Ängste und Sorgen verstrickt. Vielleicht belastet uns etwas oder unsere alte, dumme Art, die andere verletzt, macht uns zu schaffen. Oder wir leben im Hader mit jemandem.

„Laß das alles zurück“, sagt Gott, „und geh heraus in ein Land, das ich dir zeigen will“, ein Land der Hoffnung und des Neuanfangs. Ich sehe es für dich schon, aber du mußt den Weg erst noch gehen. Mache dich auf in festem Gottvertrauen und gehe dem Neuen entgegen. Sei gespannt, was Gott für dich bereit hat. Du kennst das Land noch nicht, aber laß dich darauf ein! Wenn Gott einen Auftrag gegeben hat, dann gibt er auch den Trost mit auf den Weg, eine Verheißung sozusagen als Wegzehrung, weil man auf diesem Weg ja vielleicht auch ins Zweifeln kommen könnte, ob er der richtige ist.

Die Verheißung für Abram war eine so große und gewaltige, daß sie sein ganzes Leben durchzog und für ihn immer wieder Trost war in dunklen Stunden. Gottes Verheißung beginnt mit einem „Ich will“. Damit sagt er: Ich tu es. Darauf kannst du dich hundertprozentig verlassen. Gottes Wille wird immer zur Tat, allerdings zu seiner Zeit. Nun hören wir die drei Verheißungen im einzelnen:

1. Ich will dich zum großen Volk machen.
2. Ich will dich segnen und dir einen großen Namen machen
3. Und du sollst ein Segen sein bis dahin, daß in dir alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.

Das Erste ist die Verheißung, daß aus ihm ein großes Volk hervorgehen wird. Das erfüllte sich im Volk Israel, das sich in der Segenslinie dieses Abram sieht. Wer dieses Volk segnet, auf den kommt der Segen zurück, wer sich gegen es stellt, trifft sich nur selbst. Diese Verheißung gilt bis heute. Israel ist und bleibt die Wurzel, aus dem das Christentum hervorgegangen ist. Immer, wo die Christen sich gegen Israel stellten, haben sie ihren eigenen Kern verloren. Wo sie sich aber zu Israel stellten, haben sie auch wieder zu ihrer eigenen Mitte gefunden. Jeder prüfe sich selbst, wie er zum Volk Israel steht und was ihm dieses Volk bedeutet.

Das Zweite ist der persönliche Segen für Abram, das heißt, daß Gott ihm Gutes mitgibt auf seinen Weg ins Land der Hoffnung. Er hat Großes mit ihm vor. Er muß sich nur darauf einlassen, dann wird er den Segen auch erfahren. Das heißt für dich: Gott segnet dich, wenn du dich auf ihn einläßt. Er wird dich dann nicht immer den leichtesten Weg führen, aber es ist ein Weg, der gut für dich ist, ein Weg der Hoffnung.

Das Dritte ist nun die große Verheißung, die das Persönliche Abrams und seines Volkes übersteigt und die ganze Menschheit betrifft: „Du sollst ein Segen sein“, spricht Gott, „denn in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.“

Hat sich das erfüllt? Abram als Segensträger für alle Völker? Was für eine Verheißung! Und tatsächlich führt eine Segenslinie von Abram hin zu Jesus, der ja aus dem Volk Israel hervorging. Das Evangelium von ihm ist inzwischen zu allen Menschen gedrungen. Die ganze Welt ist durch das Opfer Jesu Christi am Kreuz erlöst von ihren Sünden. Die ganze Welt ist damit aufgerufen: „Laßt euch versöhnen mit Gott! Eure Erlösung liegt in dem, was schon geschehen ist durch Jesus. „Geht hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur!“, sagte Jesus zum Abschied seinen Jüngern. Alle, die dieses Evangelium annehmen und glauben, stehen in dieser Segenslinie des Abram. Sie sind sozusagen „Abrahams Kinder“. Der Name Abram bedeutet „Hoher Vater“. Später nannte ihn Gott Abraham, das heißt „Vater von vielen“, und in diesem Sinne auch: Vater vieler Kinder Gottes, vieler gläubiger Menschen! Denn er glaubte den Verheißungen Gottes und machte sich mit seiner Familie auf in das neue Land, das Gott ihm zeigte. So ist er für viele Menschen zum „Vater des Glaubens“ geworden.

Wage diesen Glauben! Wenn viele es auch für lächerlich halten, vertraue Gott trotzdem. Wenn Freunde nicht mitgehen, vertraue Gott trotzdem. Er hält deine Hand und läßt sie nicht los. Wenn eine Krankheit dir Angst macht, vertraue ihm. Er steht hinter allem und führt dich hindurch. Wenn du unsicher Neuland in deinem Leben betrittst, hab Vertrauen wie Abram. Martin Luther sagte einmal: „Glaube heißt, daß einer durch ein unmöglich Ding hindurch brechen soll. Er geht hinein ins Meer, als wenn kein Wasser da wäre, in den Tod, als wenn kein Tod da wäre, und fällt Christus um den Hals, als wenn es niemals Sünde gegeben hätte“.

Amen.

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