Leibhaftige Freiheit
Nicht alles dient zum Guten
Predigttext: 1.Korinther 6,9-14.18-20 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
9 Oder wißt ihr nicht, daß die Ungerechten das Reich Gottes nicht ererben werden? Laßt euch nicht irreführen! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, Ehebrecher, Lustknaben, Knabenschänder, 10 Diebe, Geizige, Trunkenbolde, Lästerer oder Räuber werden das Reich Gottes ererben. 11 Und solche sind einige von euch gewesen. Aber ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes. 12 Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangennehmen. 13 Die Speise dem Bauch und der Bauch der Speise; aber Gott wird das eine wie das andere zunichte machen. Der Leib aber nicht der Hurerei, sondern dem Herrn, und der Herr dem Leibe. 14 Gott aber hat den Herrn auferweckt und wird auch uns auferwecken durch seine Kraft. (15 Wißt ihr nicht, daß eure Leiber Glieder Christi sind? Sollte ich nun die Glieder Christi nehmen und Hurenglieder daraus machen? Das sei ferne! 16 Oder wißt ihr nicht: wer sich an die Hure hängt, der ist ein Leib mit ihr? Denn die Schrift sagt: »Die zwei werden ein Fleisch sein« (1. Mose 2,24). 17 Wer aber dem Herrn anhängt, der ist ein Geist mit ihm.) 18 Flieht die Hurerei! Alle Sünden, die der Mensch tut, bleiben außerhalb des Leibes; wer aber Hurerei treibt, der sündigt am eigenen Leibe. 19 Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und daß ihr nicht euch selbst gehört? 20 Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe.Exegetische (I.) und homiletische (II.) Vorbemerkungen
I. Die Perikope I Kor 6,12-20 steht im Kontext paulinischer Ermahnungen an die Korinther, die sich auf die Reinheit und Heiligkeit der Gemeinde und ihrer Glieder beziehen und vorwiegend um die Themen Sexualität und Ehe kreisen. Im Hintergrund steht die Auseinandersetzung des Paulus mit dem in Korinth von einem Teil der Gemeinde vertretenen Verständnis des Geistbesitzes. So glaubten manche, als Pneumatiker seien sie bereits in einem Zustand der Erlösung und darum in der Gestaltung ihres Lebens von moralischen Normen völlig frei. Menschliche Grundbedürfnisse wie Hunger und Durst und Sexualität könnten ohne Bedenken, ohne religiöse Tabus und Vorschriften befriedigt werden, da sie nicht heilsrelevant seien. Dies hat offenbar zu einer libertinistischen Lebensweise geführt. So wie ein Christ alles essen dürfe, also keinen Speisegesetzen unterliege, so sei auch nichts dabei, seinen Geschlechtstrieb frei auszuleben, auch mit Personen, mit denen man nicht verheiratet ist. Renate Kirchhoff (Die Sünde gegen den eigenen Leib, 1994) hat gezeigt, dass mit pornai nicht nur Prostituierte gemeint sind, sondern alle Frauen, mit denen ein Mann geschlechtlich verkehrte, ohne mit ihnen verheiratet zu sein. Die Dienstleistungen von Prostituierten in Anspruch zu nehmen, galt in der antiken Gesellschaft nicht als ungewöhnlich oder verwerflich. Sklavinnen waren zu sexuellen Dienstleistungen verpflichtet, wenn ihr Herr dies wünschte, und auch bei vielen Freigelassenen war die Prostitution oftmals Teil ihrer täglichen Arbeit. Offenbar betraf dies auch christliche Männer und Frauen aus Korinth. Verteidigt wurde diese Praxis von den Korinthern durch das Argument, in Christus von allem Irdischen frei geworden zu sein. Dagegen betont Paulus, dass die in Christus vermittelte Freiheit nicht bedeute, dass das Irdische und die damit verbundene Leiblichkeit irrelevant seien. Das alltägliche Leben sei vielmehr im Lichte der christlichen Freiheit zu führen. Nichtehelicher Geschlechtsverkehr aber sei damit unvereinbar. Denn der Leib des Christen sei keineswegs etwas, das mit seinem Christsein nichts zu tun habe. Paulus wertet also die Leiblichkeit gerade auf, um sie als Argument gegen sexuelle Libertinage ins Feld zu führen. Dass sich gleichwohl im Laufe der Kirchen- und Theologiegeschichte mit seiner Begründung immer wieder auch frauen- und leibfeindliche Tendenzen verbunden haben, wird man allerdings kaum bestreiten können. Auch wenn die Warnung vor porneia, also vor nichtehelicher Sexualität, für Paulus situationsbedingt im Zentrum seiner Argumentation steht, so geht es ihm doch um mehr und anderes als eine bloße Reglementierung der Sexualität. Das lässt sich erschließen aus seinem Lasterkatalog (V. 9), in dem u.a. auch Diebstahl, Geiz und Alkoholismus unter die Sünden gerechnet werden, die vom Reich Gottes ausschließen. Der (eschatologische) Ausschluss aus dem Reich Gottes impliziert aber zugleich eine ethische Bestimmung der Zugehörigkeit zur Gemeinde. Wer ein ethisches Verhalten wie in den Lasterkatalogen aufgeführt an den Tag legt, zeigt dadurch, dass er nicht zur christlichen Gemeinde gehört (so mit H. Merklein: Der erste Brief an die Korinther, Kapitel 5,1-11, ÖTK 7/2, 62). Der Lasterkatalog ist freilich recht plakativ und beantwortet die Frage noch nicht, welches soziale Verhalten wirklich mit dem Christentum unvereinbar ist. So wird man heute weder Homosexualität im Sinne einer Liebesbeziehung noch etwa Alkoholismus als eine Sünde verstehen können, die notwendigerweise von Gott trennt. Gerade hier sind christliche Kirchen in Vergangenheit und Gegenwart oftmals sehr rigoros gewesen, ohne z.B. den Geizigen mit ähnlicher Unnachsichtigkeit zu verfolgen wie den „Unzüchtigen“, obwohl Paulus doch beides in einem Atemzug nennt. Aber auch andere Argumente des Paulus (wie etwa seine These, durch den Geschlechtsverkehr werde eine Ehe geschlossen) vermögen heute nicht mehr recht zu überzeugen. Vielleicht liegt das auch daran, dass er eine gesellschaftliche Situation voraussetzt, die der unsrigen nur noch sehr entfernt entspricht. II. Was folgt daraus für die Predigt? Ich halte es für verfehlt, den Text eins zu eins in die Gegenwart übersetzen zu wollen. Gewiss braucht die Gemeinde Orientierung auch in Fragen der Sexualethik. Aber sie braucht weder konkrete Verhaltensanweisungen noch die Verurteilung von bestimmten sexuellen Praktiken. Was sie braucht sind allerdings Maßstäbe, anhand deren sie sich als Gemeinde und als einzelne Christen ein Urteil bilden und ihr eigenes Verhalten daran normieren können. Diese Maßstäbe, die auch das Urteil des Paulus leiten, gilt es herauszustellen, auch wenn wir in der konkreten Anwendung dieser Maßstäbe dann vielleicht andere Wege einschlagen müssen als Paulus. Welche Maßstäbe lässt Paulus im vorliegenden Text erkennen? Oberster Maßstab christlichen Verhaltens ist, ob etwas aus Liebe geschieht und zum Guten dient. Dabei gilt es der Vorstellung zu widerstehen, als gäbe es Bereiche, in denen die Bezogenheit auf Christus keine Rolle spielte. Die von den Korinthern vorgenommene Aufteilung in den für das Heil relevanten Bereich des Geistigen oder Geistlichen und in den für das Heil irrelevanten Bereich des Irdischen und Leiblichen entspricht nicht dem ganzheitlichen Menschenbild der Bibel. Die in Christus gewonnene Freiheit vom ständigen Kreisen des Sünders um sich selber und die dadurch ermöglichte Freiheit des Christenmenschen zur vorbehaltlosen Liebe, muss auch im alltäglichen Leben Wirkung zeigen. Die Freiheit muss leibhaftig werden. Das gilt für alle Bereiche menschlichen Lebens und Zusammenlebens, nicht nur für den Bereich des Geschlechtlichen. Es gilt heute insbesondere auch im Blick auf unseren Jugendlichkeitswahn und der bedenkenlosen Manipulation menschlicher Leistungsfähigkeit durch Dopingmittel im Sport. Ich möchte meine Predigt in diesen umfassenderen Horizont stellen, um dadurch der Engführung auf das Thema Sexualität zu entgehen. Formal versuche ich, den Text in drei Abschnitten in die Predigt zu integrieren und dialogisch zu diskutieren, indem ich Paulus und die Korinther miteinander ins Gespräch bringe.Lieder:
„All Morgen ist ganz frisch und neu“ (EG 440) „Du meine Seele singe“ (EG 302,1) „O Jesu Christe, wahres Licht“ (EG 72,1-3+5) „Lass mich, o Herr, in allen Dingen“ (EG 414) „Strahlen brechen viele“ (EG 268)Ich muss Sie vorwarnen: Heute kommt es dicke. Obwohl das Motto des 8. Sonntags nach Trinitatis von den „Früchten des Geistes“ handelt, die wir doch als süß und schmackhaft und wohltuend anzusehen geneigt sind, spricht Paulus heute von Dingen, die alles andere als leicht verdaulich sind. In seinem ersten Brief an die Gemeinde in der Hafenstadt Korinth zieht er richtig vom Leder. Wir lesen aus Kapitel 6 die Verse 9-11.
(Lesung des Predigttextes, 1.Abschnitt, I Kor 6,9-11)
Da prasseln einige harte Brocken auf uns herab: Unrecht und Unzucht, Götzendienst, Ehebruch, Jungenstrich, sexueller Missbrauch von Kindern, Diebstahl, Habsucht, Alkoholexzesse, Zynismus und Wirtschaftskriminalität. Es fehlt nur noch Mord und Totschlag, dann hätten wir alles beisammen. Mitten hinein in diesen Sündenpfuhl treffen die Worte des Paulus. Jeder Treffer ein riesiger Feuerball. Die Zuschauer jubeln. Über jeden einzelnen Brocken könnte man eine Menge sagen. Man muss nur in die Zeitung schauen.
Haben Sie auch vor ein paar Tagen gelesen, dass der mehrfache Kinderschänder und Kindermörder Dutroux seine Taten nicht bereut und sich stattdessen über das Gefängnisessen beschwert hat? Glatt könnte man vergessen, dass Paulus seinen Brief schon vor fast 2000 Jahren geschrieben hat. Zum Glück betrifft uns das ja nicht. Bei uns kommen solche Dinge nicht vor. In Korinth, ja. Oder in den Großstädten wie Frankfurt oder Hamburg, wo es keine Moral und keinen Anstand mehr gibt. Aber nicht bei uns in unserem beschaulichen Heddesheim.
„Das ist mal wieder typisch“, höre ich da die Frankfurter und die Hamburger protestieren. „Nur zu, ladet nur alle eure Vorurteile bei uns ab.“ Und die Korinther pflichten ihnen bei: „Wir finden es ungerecht, dass wir immer in ein so schiefes Licht gestellt werden, so als bestünde unsere Gemeinde nur aus Kriminellen und Perversen. Lest doch mal genau, was da steht: ‚Einige von euch’ – sagt Paulus; also tut doch nicht immer so, als wäre die Korinther Gemeinde ein einziger Sündenpfuhl gewesen. Und passt auf, wie es weitergeht: ‚Einige von euch sind solche gewesen’ – hört ihr: ‚gewesen’, Vergangenheitsform. Das liegt inzwischen hinter uns. Jetzt ist es tatsächlich ganz anders. Das muss auch Paulus zugeben. Wir sind geheiligt und gerecht geworden durch den Geist Gottes, der uns in der Taufe zuteil geworden ist. Das ist nämlich der Punkt, auf den es uns ankommt: Durch den Geist sind wir innerlich neu geworden. Hat das nicht auch Paulus gepredigt, dass wir zur Freiheit berufen sind und dass nicht die äußerlichen, materiellen Dinge das Entscheidende sind, sondern dass es auf den inwendigen Menschen ankommt? Man muss nur genau unterscheiden können zwischen Leib und Seele. Was mit unserem Leib geschieht, ist unwichtig; da fühlen wir uns ganz darüber erhaben und frei. Das Eigentliche ist doch die innere Einstellung, die Gesinnung, die Seele, die gar nicht berührt wird von den banalen Dingen des Alltags. Kein Mensch schlägt in der Bibel nach, um herauszufinden, wie ein Steak gebraten werden muss oder ob man die Gabel in der rechten oder linken Hand hält. In der Religion geht es um etwas Höheres. Das darf man nicht vermischen mit den Bedürfnissen des Körpers wie Essen und Trinken, Schlafen und Miteinander Schlafen. Die Speise ist für den Bauch da und der Bauch für die Speise. Entsprechendes gilt auch für den Sex. Wir vertreten das Christentum als eine Religion der Freiheit. Alles ist erlaubt“.
So ungefähr argumentieren die Korinther. Und irgendwie finde ich das durchaus sympathisch. Für die Korinther ist das Christentum nicht die Religion, die überall Verbotsschilder aufstellt, sondern die Religion, die zur Freiheit führt. Haben Sie damit nicht etwas Richtiges und Wichtiges erkannt?
„Halt, halt, halt“, höre ich da Paulus energisch protestieren. „So einfach geht das nicht. Lest ruhig einmal vor, was ich zu eurem Slogan ‚Alles ist mir erlaubt’ geschrieben habe.“ Und so lesen wir weiter im ersten Brief des Paulus an die Korinther, im 6. Kapitel, die Verse 12-14.
(Lesung des Predigttextes, 2.Abschnitt, I Kor 6,12-14)
„Über Freiheit habe ich auch ein wenig nachgedacht“, sagt Paulus. „Es reicht nicht zu sagen: ‚Alles ist mir erlaubt.’ Man muss doch weiter fragen, wozu es dient und was es mit mir macht, was ich da tue. Nicht alles, was mir erlaubt ist, dient zum Guten. Ob etwas zum Guten dient, das muss das Kriterium und der Maßstab eures Handelns sein. Natürlich sind wir frei, weil Christus uns frei gemacht hat. Aber er hat uns doch nicht frei gemacht, Dinge zu tun, die uns und anderen schaden. Ihr glaubt doch selber nicht, dass das die Freiheit ist, zu der Christus euch befreit hat? Was hätte sich denn dann in eurem Leben verändert? Seid ehrlich: Gar nichts! Dann steckt ihr doch immer noch in euren alten Zwängen fest. Von wegen ‚frei’. Eure vermeintliche Freiheit ist nichts anderes als die alte Unfreiheit der Sünde. Ja: Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangen nehmen. Die Speise mag für den Bauch sein und der Bauch für die Speise, das will ich euch gerne zugeben, aber mit dem Leib, der ihr seid, da verhält es sich anders. Dieser Leib gehört nämlich Christus, den Gott ebenso auferweckt hat wie er auch euch auferwecken wird. Deshalb bin ich der Meinung, dass der Leib Höherem dienen muss als nur dem Ausleben des Geschlechtlichen.“
Da melden sich die Korinther wieder zu Wort: „Weißt du“, sagen sie zu Paulus gewandt, „wir können dem Leib unmöglich eine so große Bedeutung zusprechen. Das Spirituelle ist doch das einzige, was letztlich in Glaubensdingen wirklich zählt. Wer glaubt, ist all dieser irdischen Dinge doch längst enthoben“.
„Nein, nein“, widerspricht Paulus. „Das eine darf man doch nicht gegen das andere ausspielen. Natürlich hat das Spirituelle seine Bedeutung. Aber ihr lebt doch noch auf dieser Erde und da will das Spirituelle umgesetzt sein in etwas Materielles. Die Freiheit, die Christus geschenkt hat, die will sich doch bewähren und auswirken im Alltag, im alltäglichen Verhalten gegenüber unseren Mitmenschen. Die Freiheit, die wir durch Christus haben, ist die Freiheit zu lieben. So sieht es doch aus. Und die Liebe ist nichts Abstraktes, nichts Spirituelles, sondern etwas, das sich im Umgang miteinander zeigt. Wo denn sonst? Und darum ist sie auch etwas Leibliches. Darum kann auch die Gestaltung eurer Sexualität nicht beliebig sein, sondern muss von der Liebe bestimmt sein. Deshalb denke ich so hoch vom Leib und kann eure Leibfeindlichkeit – ja so verstehe ich euren Umgang mit der Leiblichkeit – deshalb kann ich eure Leibfeindlichkeit nicht mitmachen. Im Gegenteil. Ich denke: Für den Christen ist der Leib ein Tempel des Heiligen Geistes. Der Geist Gottes wohnt doch in euch, in eurer ganzen Person. Und deshalb ist euer Leib ein Tempel des Geistes. Einen Tempel aber muss man in Ehren halten. Und wenn ihr mich fragt, wie man einen Leib in Ehren halten kann, dann kann ich nur sagen: weder durch besondere Askese noch durch besondere Freizügigkeit, sondern dadurch, dass er zu einem Werkzeug der Liebe Gottes gemacht wird. Wenn wir uns wenigstens darauf einigen könnten, wäre ich schon zufrieden. Aber meine Meinung wisst ihr nun. Ich kann euch nur noch einmal zurufen.“
(Lesung des Predigttextes, 3.Abschnitt, I Kor 6,18-20)
Wir klinken uns hier aus dem Gespräch der Korinther mit Paulus aus und fragen, welche Konsequenzen wir für uns heute ziehen können. Ich glaube, dass nicht alle Äußerungen des Paulus zum Thema Sexualität für uns bindend sein können. Manches dürfen wir auch anders akzentuieren, weil wir in anderen Zeiten, in anderen gesellschaftlichen Kontexten leben. Wir dürfen es anders akzentuieren, wenn wir an dem Grundsatz festhalten, der aller ethischen Urteilsbildung zugrunde liegen muss: an dem Grundsatz, dass unser Handeln in dieser Welt von der Liebe bestimmt sein muss, zu der uns Christus befreit hat.
Wir werden heute Menschen, die Alkoholprobleme haben oder in anderer Weise suchtkrank sind, nicht aus der Gemeinde Christi ausschließen, sondern dafür Sorge tragen, dass sie von ihrer Sucht geheilt werden können. Das gebietet die Liebe Christi. Wir werden homosexuelle Menschen, die einander in Liebe und Treue zugetan sind, nicht mit Kinderschändern gleichsetzen, sondern wir werden ihre besondere Lebensform achten und schützen. Das gebietet die Liebe Christi. Der Kirchenvater Augustin hat einmal gesagt: Liebe und dann mach, was du willst. Damit meinte er nicht diese Willkürfreiheit, die sich frei fühlt, dem anderen auch schaden zu dürfen. Sondern er meint einen Willen, der sich ganz von der Liebe Christi bestimmen lässt. Nur dieser Wille ist wirklich frei.
Wir leben in einer Zeit, die wenig weiß von dieser Liebe Christi. Eine Zeit, die stattdessen geprägt ist von unbarmherzigen Leistungszwängen. Nur der zählt, der jung und schön und erfolgreich ist. Der viel einbringt. Dafür tun manche sehr viel. Quälen sich in Studios, um ihren Körper zu stählen, nehmen Medikamente, um leistungsfähiger zu werden. Der Jugendlichkeitswahn, der sich unter uns immer noch breit macht, ist mit der These des Paulus, wonach der Leib ein Tempel des Heiligen Geistes sei, kaum zu vereinbaren. Und ebenso wenig der Wahn, diesen Leib durch Dopingmittel über seine natürliche Leistungsgrenze hinaus zu puschen. Denn der Leib, den Paulus meint, ist der ganz gewöhnliche Leib. Ihn hat Gott sich für uns auserwählt. In ihm will er wohnen. Durch diesen Leib will er handeln. Die Freiheit, die Gott uns geschenkt hat, und die Liebe, die er uns hat zuteil werden lassen, wollen leibhaftig werden in diesem und durch diesen Leib. Deshalb kommt es weniger darauf an, was unser Körper zu leisten imstande ist oder ob er den herrschenden Schönheitsidealen entspricht, sondern es kommt nur darauf an, ob er ein Werkzeug der Liebe Gottes und ein Tempel des Heiligen Geistes ist.