In schwerer Zeit nicht aufgeben

In schwerer Zeit nicht aufgeben

Predigttext: Offenbarung 2,8-11
Kirche / Ort: Lübeck
Datum: 19.11.2006
Kirchenjahr: Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres
Autor/in: Pastor Heinz Rußmann

Predigttext: Offenbarung 2,8-11(Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

8 Und dem Engel der Gemeinde in Smyrna schreibe: Das sagt der Erste und der Letzte, der tot war und ist lebendig geworden: 9 Ich kenne deine Bedrängnis und deine Armut - du bist aber reich - und die Lästerung von denen, die sagen, sie seien Juden, und sind's nicht, sondern sind die Synagoge des Satans. 10 Fürchte dich nicht vor dem, was du leiden wirst! Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, damit ihr versucht werdet, und ihr werdet in Bedrängnis sein zehn Tage. Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. 11 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Wer überwindet, dem soll kein Leid geschehen von dem zweiten Tode.

Vorbemerkung zum Predigttext

Der Text enthält nach den bewährten Kommentaren exegetisch keine besonderen Schwierigkeiten. Die Verfolgungssituation der Gemeinde in der Zeit unter Domitian um 95 n.Chr. ist deutlich. Im Vordergrund stehen deshalb die Begriffe: Bedrängung und Treue zu Jesus. Der zu Gott auferstandene universale Christus spricht zum Engel, das heißt zum symbolischen Repräsentanten der Gemeinde. Er ermahnt und ermutigt die Christen, in schwerer Zeit nicht aufzugeben. Unklar und problematisch ist allerdings die Bezeichnung: Synagoge des Satans und auch die Formulierung: Juden, die keine Juden sind. Vermutlich haben Juden die Christen beim heidnischen Staat angezeigt, obgleich sie wie die Christen den Kaiserkult ablehnen. Der Text gibt m.E. zu wenig her, um über antisemitische Aussagen des NT zu predigen. Unter dem Thema: Volkstrauertag und Friedenssonntag ist es aber auf jeden Fall unerläßlich, auch an die entsetzlichen Judenverfolgungen der Nazi-Zeit zu denken.

Homiletische Überlegungen

Ein Ausleger schreibt: Die großartigen Bilder der Offenbarung finden eine Aktualisierung in den modernen Video-clips. Musik-Gruppen stellen sich dort auch dar mit einer bizarren Flut von Bildern. Um den Text zu predigen, muß man ihn konzentrieren. Ich schlage vor, die Treue in den Mittelpunkt zu stellen. Predigtaufbau und Gliederung: - Einleitung: Für die Predigthörer/innen steht im Vordergrund der sehr bekannte und bei den Kasualien: Konfirmation, Trauung und Beerdigung häufig verwendete Treuespruch: Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone ( d.h. Königskrone, den Siegerkranz , den göttlichen Strahlenkranz ) des Lebens geben! Um die Hörer emotional und existenziell gleich zu Beginn „einzufangen“, sollte man diesen Vers betonen, erläutern und ausführen. - Hauptteil: These: Bedeutung der Treue Gottes und der Menschen bis heute. Antithese: Mißbrauch der Treue im persönlichen Bereich, Mißbrauch des Treue-Eids bei manchen Soldaten. Gedenken der Gequälten und Kriegs-Opfer am Volkstrauertag. Synthese: Es bleibt die Treue von Jesus Christus zu seiner Gemeinde und zur Welt. - Schluß: Begründete Hoffnung für die Zukunft: das Wirken des kosmischen Christus bis zur Vollendung.

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Sei getreu bis in den Tod…

Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben, spricht Jesus Christus. Für viele Christen gehören diese Worte des auferstandenen Christus zu den bekanntesten und wichtigsten Worten der ganzen Bibel! Wie viele Konfirmanden hatten sie als Konfirmations-Spruch! Wie viele Brautpaare hörten sie als Motto für ihre Ehe! An wie vielen Gräbern wurden Trauernde durch diese Worte getröstet! Sie sind aber nicht nur ein Motto für feierliche Anlässe, sondern durchaus auch ein Wort für unseren Alltag als Christen. Bei meiner eigenen Großmutter hing der Spruch in Holz geschnitzt über ihrem Sofa. Es war ein Leitwort für ihr ganzes engagiertes Leben als christliche Ehefrau, Geschäftsfrau und Mutter von neun Kindern. In unserem Volk kann man nicht überblicken, wieviel Treue, Vertrauen, Zuverlässigkeit, Gerechtigkeit, Anhänglichkeit und Liebe Christen verbreitet haben mit diesem Spruch im Herzen. In den Ehen und im Beruf und Geschäftsleben sind Christen mit diesem Leitwort Jesus nachgefolgt, haben damit Verführung und Untreue und Korruption widerstanden.

Die Treue Gottes und die Treue der Menschen

Genau besehen ist Treue auch ein ganz zentraler Begriff der gesamten Bibel. Im ganzen Alten Testament geht es schon seit Adam und Eva um Gottes Treue und die häufige Untreue der Menschen. Immer wieder brechen sie den Bund mit Gott. Immer wieder fängt Gott ganz mit seinem Volk neu an. Immer wieder verehren seine Leute fremde Götter. Wie mit einer Fabrik produzieren sie Götter in ihren Herzen und setzen sie im Zentrum ihrer Seele an erste Stelle. Und immer wieder vergibt Gott ihnen nach dem Verrat. Ihre Untreue und ihre Fehlverhalten haben böse Folgen. Vieles schreiben sie aber Gott als Strafe zu, was sie sich selbst zugefügt haben. Sie zerstören z.B. Gemeinschaft durch Lieblosigkeit und beklagen dann ihre Einsamkeit. Gott aber hält den Menschen die Treue und fängt zuerst mit Abraham und dann im ganz großen Stil mit Jesus neu an. Seitdem bietet er allen Völkern seinen Bund an. Die Schwankungen des Menschenherzens aber was Treue betrifft gibt es bis heute auch in der ganzen modernen Gesellschaft: Eine Zeitlang war auch in unserer modernen Singlegesellschaft das Wort Treue ein verstaubter Begriff. Heute stellen nach neuen Befragungen sehr viele Zeitgenossen ihn an vordere Stelle als den Wert, durch den persönliche Beziehungen und persönliches Glück gelingen können.

In dem aktuellen und erfolgreichen Film „Schokolade zum Frühstück“ zum Beispiel trennt sich die Schauspielerin Bridget Jones von ihrem treuen, zwanghaft ordentlichen Verlobten und wendet sich dem Charmeur und Schlawiner Hugh Grant zu. Auf einer Reise nach Asien will der ohne ihr Wissen in ihrem Gepäck Rauschgift schmuggeln. Das wird entdeckt. Er flieht schnell und treulos ohne sie nach Europa. Sie sitzt in Asien für wahrscheinlich lange Zeit in einem Massengefängnis. Eines Tages öffnen sich die Gefängnistore: Ihr ja sehr penibler, aber treuer ehemaliger Verlobter hat sie unter größten Mühen selbstlos in der Ferne gesucht und aufgespürt. Ein Hohelied auf grundehrliche Treue heute! Die Sehnsucht nach solchen treuen Menschen ist überall heute besonders groß. Sehnsucht nach Menschen, die einem in Not zu Hilfe eilen, treu zu einem stehen, nach Streit schnell wieder die Friedenspfeife mit uns rauchen, einen nicht verpetzen, einen hinterm Rücken nicht schlecht machen, denen man vertrauen kann und auf die man bauen kann!

Allerdings müssen wir am Volkstrauertag bedenken, dass die Treue von Menschen sehr oft mißbraucht worden ist. Vertrauen, Treue, Liebe ist ein großes freies Geschenk zwischen Menschen! Wie oft ist es von Diktatoren, Machthabern und lieblosen Egoisten mißbraucht worden. Weil du versprochen hast, dass wir zusammengehören, mußt du mir gehorchen. Es gibt Töchter, die von ihrer eigenen Mutter aufgefressen werden, sagte unsere Ärztin vor kurzem. Das heißt: Eine pflegebedürftige alte Mutter fordert von ihrer Tochter so viel Treue, Pflege und Nähe, dass die Tochter im Extremfall eher stirbt als die Mutter. Auch in Ehen und Freundschaften wird unter dem Wort Treue viel erzwungen, was eigentlich liebevoll und frei geschenkt werden müßte. Besonders schlimm ist die Forderung von Treue bei verbrecherischen Diktatoren. Ich bin selbst zwei Jahre lang Bundeswehr-Soldat gewesen und finde es sehr gut, wenn Soldaten wie Polizisten Menschenleben schützen. Bei Diktatoren ist es anders: Hitler hat auf dem Treue-Eid für Führer, Volk und Vaterland noch bestanden, als er selbst – enttäuscht vom Mißerfolg seines Krieges – schon den Untergang Deutschlands gefördert hat. Am Volkstrauertag gedenken wir deswegen auch aller durch idealistische Treueforderungen verführten gefallenen Soldaten, ihrer Opfer, der Zivilbevölkerung in zerbombten Städten, der Flüchtlinge und aller Juden und Sinti, die durch den Krieg oder Konzentrationslager getötet worden sind. Und wir gedenken heute aller Soldaten und ihrer Opfer. Der Irak-Krieg ist mit einer unglaublichen Lüge vom bevorstehenden Giftgas-Angriff begonnen worden. Das Leid von Haß, Krieg, Attentat, Quälerei und Gewalt schreit zum Himmel!

Die Treue von Jesus Christus zu seiner Gemeinde und zur Welt

Was bedeutet es, wenn wir vor diesem Hintergrund uns deswegen Jesus Christus zuwenden und sozusagen bei ihm an der Himmelstür anklopfen? Jesus ermutigt uns doch auch zur Treue ihm gegenüber mit den Worten: Sei getreu bis an den Tod, so will ich Dir die Krone des Lebens geben! Jesus unterscheidet sich aber von allen anderen, denen wir nachfolgen sollen, weil er Treue, Liebe und Freiheit verbindet wie kein anderer! Er hält uns seine Treue sogar auch durch den Tod hindurch und über den Tod hinaus! Wie beim Tod des Stephanus, der ganz treu Jesus verkündet hat, erwartet Jesus seine Leute aus der unsichtbaren Dimension, vom Machtzentrum unserer Welt, von Gott aus. Er gibt uns immer die Freiheit, sich von ihm auch abzuwenden. Wir werden nicht wie bei den Moslems deswegen mit der Todesstrafe bedroht. Er hat Petrus verziehen und verzeiht uns, wenn wir ihn darum bitten. So hält er uns die Treue erstmal unser Leben lang. Danach hat seine Treue kein Ende. Jesus will uns die Krone des Lebens geben. Eines Tages wird jeder von uns vor Gott stehen. Er wird uns fragen, was hast du mit deinem Leben und deinen Begabungen gemacht? Es mag sein, dass dann die Liste unserer Verfehlungen in den Augen Gottes auch recht lang ist und die Liste unserer guter Taten dagegen recht mager. Ich bin überzeugt: Jesus wird dann zu Gott sagen: Mit seinen begrenzten Kräften hat dieser Mensch an mir treu festgehalten. Deswegen gehört er einfach zu mir und bleibt bei mir im ewigen Himmelreich!

Der kosmische Christus

Besonders aktuell aus dem Predigttext ist für uns evangelische Christen, dass Jesus Christus von der Seite Gottes zu uns spricht. Für viele Menschen heute – auch in unserer evangelischen Kirche – ist Jesus in erster Linie der vorbildlich gute Mensch und Jude und der Prophet, der uns besonders überzeugend von Gott erzählt hat. Nach unserem Bibeltext spricht hier aber der kosmische Christus, dem nach den Worten des Matthäus-Evangeliums am Ende gegeben ist „alle Gewalt im Himmel und auf Erden“. Er ist bei uns im Gottesdienst, in der Gemeinde, bei Gebet und bei Taten der Nächsten- und Feindesliebe. Er tröstet uns, wenn wir in irgendwelchen Gefängnissen von Leid und Unterdrückung stecken. So ist er auch bei Kapitän Schmidt aus dem Männerkreis unserer Gemeinde, der mit der Cap Anamur Ertrinkende aus dem Mittelmeer gefischt hat, ins Gefängnis kam und jetzt von einem italienischen Gericht verurteilt werden soll. Christus beeinflußt auch andere Religionen in kleinen Schritten zu mehr Humanität, reinerem Glauben, Abkehr von Aberglauben und Gewalt. Er spricht auch durch Atheisten zu uns: Bei einer Talkshow im November sagte ein Prominenter: „Ich bin zwar Atheist, aber ich bin überzeugt, dass wir Menschen nur leben und überleben können, wenn wir endlich human und friedlich und ehrlich und mit Liebe leben“. Wir ergänzen: Weil unser guter Wille oft so schwach ist, deswegen braucht die Menschheit Jesus und seinen Geist, um zum guten Ziel zu kommen. Es gibt nur einen sinnvollen Weg für uns: Jesus lebenslang die Treue zu halten und mit ihm dem Ziel entgegen zu gehen. Seinem Plan zur Vollendung kann niemand widerstehen.

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