Welt, die nicht von unserer Welt

Warten auf ein Wort des Trostes und der Ermutigung

Predigttext: Jesaja 65,17-25
Kirche / Ort: 98597 Fambach
Datum: 26.11.2006
Kirchenjahr: Letzter Sonntag des Kirchenjahres
Autor/in: Pfarrer Michael Glöckner

Predigttext: Jesaja 65, 17-25 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

17 Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, daß man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. 18 Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich will Jerusalem zur Wonne machen und sein Volk zur Freude, 19 und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens. 20 Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen, sondern als Knabe gilt, wer hundert Jahre alt stirbt, und wer die hundert Jahre nicht erreicht, gilt als verflucht. 21 Sie werden Häuser bauen und bewohnen, sie werden Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen. 22 Sie sollen nicht bauen, was ein anderer bewohne, und nicht pflanzen, was ein anderer esse. Denn die Tage meines Volks werden sein wie die Tage eines Baumes, und ihrer Hände Werk werden meine Auserwählten genießen. 23 Sie sollen nicht umsonst arbeiten und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des HERRN, und ihre Nachkommen sind bei ihnen. 24 Und es soll geschehen: ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören. 25 Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muß Erde fressen. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der HERR.

Predigtmeditation

Totensonntag – Ewigkeitssonntag – Letzter Sonntag im Kirchenjahr Am Ende des Kirchenjahres schlagen wir das Buch zu, um es eine Woche später, am 1. Sonntag im Advent von neuem wieder aufzuschlagen. Der Blick wandert zurück auf die Gemeindeglieder, die im zurückliegenden Kirchenjahr gestorben und christlich bestattet worden sind. Das von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen initiierte „allgemeine Kirchenfest zur Erinnerung an die Verstorbenen“ - ob als „Totensonntag“, ob als „Ewigkeitssonntag“ bezeichnet, oder als „Letzter Sonntag im Kirchenjahr“ (vgl. dazu K.-H. Bieritz, Das Kirchenjahr. Feste, Gedenk- und Feiertage in Geschichte und Gegenwart, München 1994, 181ff.) – führt Menschen in unsere Kirchen, die einen Verlust zu beklagen haben. In unserer Gemeinde werden unter Glockengeläut die Namen der Verstorbenen vorgelesen, wobei zwei Konfirmanden nach der Nennung eines jeden Namens je eine Kerze auf den Taufstein stellen (vgl. Röm 6,3f.). Verheißung Gottes, die gut tut Die Verheißung Gottes, durch den Verfasser von Jes 65,17-25 niedergeschrieben (auf die Details der Urheberschaft von Jes 56-66 soll hier nicht eingegangen werden, vgl. dazu E. Zenger, Einleitung in das Alte Testament, Stuttgart 31998, 393ff.), kommt da gerade recht. Derartige Seelsorge können die Besucherinnen und Besucher der Gottesdienste am Ewigkeitssonntag gut vertragen, wird in ihnen ausgesprochen, was in unserer Wirklichkeit oftmals nicht der Realität entspricht, woran es hier noch mangelt: Kinder, die frühzeitig sterben; Jugendliche und Erwachsene, die mitten aus dem Leben gerissen werden; alte, von Krankheit gezeichnete Menschen, die ein trauriges Dasein fristen (Jes 65,20). Es werden im Gottesdienst am Ewigkeitssonntag Menschen auf ein Wort des Trostes und der Ermutigung warten, die um ein nicht erfülltes Leben trauern. Hier wird der Verheißungscharakter, den diese Zeilen beinhalten, Gehör finden. Unsere Welt ist damit noch nicht beschrieben, noch sind wir in die „vorletzten Dinge“ gestellt. Darum warten wir „auf einen neuen Himmel und auf eine neue Erde“ (Jes 65,17). Es wird nicht vergeblich sein. Trostbilder Faszinierend und ansprechend sind die Bilder des Trostes, die vorliegende Verheißung beinhaltet. Auf eine Auswahl soll in der Predigt eingegangen werden. Drei von ihnen halte ich an diesem Sonntag für besonders bedenkenswert: - Gott will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, oder „Von der Erwartung“ (Jes 65,17) - Klage und Weinen werden ein Ende haben, oder „Über die Freude“ (Jes 65,19) - Gott will uns Antwort geben, oder „Das letzte Wort“ (Jes 65,24)

Lieder

„Morgenglanz der Ewigkeit“ (EG 450) „Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr“ (EG 382) „O komm, o komm, du Morgenstern“ (EG 19) „Der Himmel, der ist, ist nicht der Himmel, der kommt“ (EG 153, nach der Predigt) „Es ist gewisslich an der Zeit“ (EG 149) „Wir warten dein, o Gottes Sohn“ (EG 152)

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Liebe Gemeinde!

Wie in jedem Jahr suchen wir am Ewigkeitssonntag nach dem, was unserem Leben und unserem Sterben eine Richtung und eine Orientierung geben kann. Wir suchen nach Halt in dem Wort, das tröstet und befreit. Gedanken streifen den Sinn, Bilder gehen uns durch den Kopf: Bilder von den Menschen, die uns verlassen haben – manche alt und lebenssatt, andere unzeitig aus dem Leben gerissen. Dahinein spricht uns heute der Prophet an, mit anderen Bildern, die er den unsrigen von Leiden und Sterben entgegensetzen will. Ich möchte drei der Bilder herausgreifen und mit Ihnen suchen, wie diese uns trösten könnten:

– Gott will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, oder „Von der Erwartung“
– Klage und Weinen werden ein Ende haben, oder „Über die Freude“
– Gott will uns Antwort geben, oder „Das letzte Wort“

I.

Liebe Gemeinde, vom neuen Himmel und über die neue Erde haben wir zu reden, wenn wir unsere Erwartung in Worte fassen wollen. Denn unserem Himmel und unserer Erde sind keine bleibende Bedeutung verheißen. Wenn Gott wiederkommt, „…zu richten die Lebenden und die Toten“, dann wird es mit diesem Himmel und dieser Erde ein Ende haben. So lesen wir es in der Bibel. Dabei wird deutlich, dass Himmel und Erde aber durchaus geeignet sind, die Wirklichkeit, die auf uns zukommt, zu beschreiben. Denn der Prophet redet in dem Gotteswort ja von dem neuen Himmel und der neuen Erde, in der sich Menschen freuen können, weil sie frei sind von Weinen und Klagen, und Gott selbst wird sich mit und über die Menschen freuen. Wenn mich einmal einer fragen würde: „Was ist der Gegenstand der Erwartung von Christen?“ bzw. „Worauf wartet ihr eigentlich?“, ich würde ihn eben darauf hinweisen, auf den neuen Himmel und die neue Erde. Diese Zukunft will unser Leben bestimmen, will uns trösten und befreien. Wie kann sie das? Ich gebrauche zwei Beispiele, die das verdeutlichen:

Ein alter Herr sitzt in einem Cafe´. Er bestellt sich einen Cappuccino, dazu ein Stückchen von der frisch gebackenen Erdbeertorte. Irgendwie beneide ich ihn, diesen Mann, der mitten am Tag Zeit hat, gemütlich zu sitzen und zu genießen. Doch dann sehe ich den unter dem Tisch stehenden gepackten Koffer. In einer Stunde muss er sich im Krankenhaus melden, eine wichtige Operation steht bevor, vielleicht schon morgen.

Das zweite Beispiel: Ein junger Mann arbeitet als Maurer in der Mittagshitze des August, der Schweiß läuft ihm über die Stirn. „Der Arme“, denke ich, als ich das sehe, „der hat bestimmt nichts zu lachen!“ Hat er doch, auch wenn die Arbeit im Moment sehr hart ist. Denn in dem Haus steht sein Spind, darin ist die Jacke und in der Innentasche sind zwei Kinokarten für den neuen Film, der am Abend im Kino ausgestrahlt werden soll. Er und seine Freundin werden ihn sich ansehen. Zwei Beispiele, liebe Gemeinde, wie die Zukunft unser Leben schon jetzt bestimmen kann.

Gott will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, das ist die Erwartung, die uns heute, unter dem Gestirn des alten Himmels und auf dem Boden der alten Erde trösten und Mut machen will.

II.

„Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe: Denn siehe, ich will Jerusalem zur Wonne machen und sein Volk zur Freude, und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens.“ (Jesaja 65,19) Liebe Gemeinde, wir gehen auf eine Welt zu, in der Klage und Weinen nicht das letzte Wort haben werden, sondern überschattet sind von der Freude, wenn Gott und Mensch in Gemeinschaft miteinander leben. Wenn wir in heute das Heilige Abendmahl feiern, dann ist das ein Abbild dieser Freude. Denn der Gastgeber und Hauherr Jesus Christus lädt uns nicht nur ein, sondern er schenkt uns sich selbst in, mit und unter Brot und Wein. Es gibt wohl kein besseres Zeichen dieser Gemeinschaft. Gott schenkt sich uns in dem, was wir zum Leben brauchen: das Brot zum satt werden, das Grundnahrungsmittel. Es würde zu unserem Leben fast genügen, hätten wir nur das Brot, und vielleicht noch ein wenig Wasser zum Trinken. Aber Gott schenkt sich uns auch im Wein, dem Freude bringenden Getränk als einem besonderen Geschenk. Es gibt für Hungrige und Durstige nicht nur das Lebensnotwendige, also das, was man unbedingt zum Überleben benötigt, sondern eben auch das, was unser Leben schön macht. Für Klage und Weinen ist an solchem Tisch kein Platz. Hier haben wir über die Freude zu reden: die Freude, dass Jesus uns nahe kommen will, und das tut er – unter anderem – in Brot und Wein.

„Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?“, so fragt der Heidelberger Katechismus im Zeitalter der Reformation (Frage 1). Wir könnten auch fragen: „Was ist deine einzige Freude im Leben und im Sterben?“, also eine Freude, die uns wahrhaft tief erfreuen kann. Und er hält als Antwort vor: „Dass ich mit Leib und Seele, beides, im Leben und im Sterben nicht mein, sondern meines getreuen Heilands Jesu Christi eigen bin….“ Ich höre da die Worte des Paulus: „Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. Denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende Herr sei.“ (Römer 14,8f.) Klagen und Weinen werden ein Ende haben, denn wir wissen, wohin wir gehören, wem wir im Leben und im Sterben vertrauen dürfen: dem, der von sich sagt: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“. (Matthäus 28,20b)

III.

Liebe Gemeinde, das „letzte Wort“ ist das, das uns trösten möchte. Gott begegnet uns in seinem Wort und wird uns am Ende der Zeiten Antwort geben: Antwort auf die Fragen, die uns bedrängen, die uns entmutigen. „Und es soll geschehen: ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören.“ (Jes 65,24). Gott hat das letzte Wort, und es ist gut, dass es sich so verhält. Woher wollten wir es auch nehmen, das letzte Wort, würde es uns Gott nicht selber sagen?! Was könnten wir uns sagen, hätten wir es nicht, das Wort Gottes, das bergend uns Halt und Richtung verschafft?! Wenn ein Mensch stirbt, bleiben oft mehr Fragen als Antworten. Wenn ein Mensch stirbt, dann bleiben Unausgesprochenes, auch Verletzungen und Kränkungen. Dann bleiben oft so eine Unklarheit und Ungewissheit, ob wir nicht doch etwas an diesem Menschen, an dem Ebenbild Gottes versäumt haben. Damit müssen wir leben, und damit müssen immer wieder Menschen sterben, mit dem Unsagbaren, dem Unausgesprochenen. Aber Gott bleibt das letzte Wort vorbehalten, und damit sind wir eben gleich wieder am Anfang, nämlich bei seiner Verheißung: „…ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird“. Das ist Gottes letztes Wort, seine Antwort auf unser Fragen. Wie wird sie sein, Gottes neue Welt? Der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch sieht Gottes neue Welt so:

„Ich seh´ ein Land mit neuen Bäumen.
Ich seh´ ein Haus aus grünem Strauch.
Und einen Fluss mit flinken Fischen.
Und einen Himmel aus Hortensien seh´ ich auch.
Ich seh ein Licht von Unschuld weiß´.
Und einen Berg, der unberührt.
Im Tal des Friedens geht ein junger Schäfer,
der alle Tiere in die Freiheit führt.
Ich hör´ ein Herz, das tapfer schlägt,
in einem Menschen, den es noch nicht gibt,
doch dessen Ankunft mich schon jetzt bewegt,
weil er erscheint und seine Feinde liebt.
Das ist die Zeit, die ich nicht mehr erlebe,
Das ist die Welt, die nicht von uns´rer Welt.
Sie ist aus feinstgesponnenem Gewebe,
und Freunde, glaubt und seht: sie hält.
Das ist das Land, nach dem ich mich so sehne,
das mir durch Kopf und Körper schwimmt.
Mein Sterbenswort und meine Lebenskantilene,
das jeder jeden in die Arme nimmt“.

Amen.

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