Was macht dass ich so unbeschwert und mich kein Trübsinn hält?

Vom Wandern und vom Bleiben, von Gottes Licht und Wort

Predigttext: Johannes 8,31-32
Kirche / Ort: Fellbach
Datum: 31.12.2006
Kirchenjahr: Altjahresabend
Autor/in: Pfarrer Jürgen Bossert

Predigttext: Johannes 8, 31-32 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Jesus spricht: Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.

Vorbemerkung

Die Predigt spielt die im Jesuswort vorgegebenen Stichworte durch unter dem Aspekt, der wohl auch für die Perikopenerstellung leitend gewesen sein dürfte und die Frage zum Jahresabschluss ist: Was bleibt? Sie geht ihrerseits, durchaus materialiter, den Weg von einer gewissen Schwere hin zu einer heiteren Leichtigkeit, mit der auf dem sicheren Grund des Gottesworts von manchem Sorgen Abstand gewonnen werden kann. In Fellbach wird der Gottesdienst zudem als Abendmahlsgottesdienst gefeiert, der dies noch vertieft.

Vorschläge zu Liturgie und Liedern

Schriftlesung: 2. Mose 13, 21.22 „Nun lasst uns“ (EG 58, 1-3+11) „Von guten Mächten“ (EG 65,1+5) „Jesu Name“ (EG 62,1+3+5)

Literatur:

Hans Dieter Hüsch, Das Schwere leicht gesagt, Freiburg , Basel, Wien, 4.Auflg. 1994, S.45.

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Liebe Gemeinde!

Der Predigtext für den heutigen Sylvestertag, für den diesjährigen Übergang vom Alten zum neuen Jahr, steht im Johannesevangelium, dem 8. Kapitel, die Verse 31 – 32.

(Lesung des Predigttextes)

Was bleibt?

Liebe Gemeinde, was bleibt? Was ist wahr? Was heißt frei? Diese Fragen legt einem Jesus in den beiden Versen vor. Die Antwort gibt er gleich mit – sein Wort bleibt einem durch die Zeiten, an den verschiedenen Orten, an denen man sich aufhält, bleibt einem beim Wandern von einem Tag zum andern.

Was bleibt? So lässt sich fragen, wenn man Bilanz zieht, wenn etwas abgeschlossen wird und man in Neues aufbricht. Was bleibt? Was ist wahr? Hat das Alte eine Wahrheit? Und schließlich was heißt Freiheit? Wie frei war ich, wie frei kann ich ins Neue gehen? Die Zeit zwischen den Zeiten, die Zeit, in der man vom Alten ins Neue übergeht, lädt ein, solchen Fragen nachzuspüren.

Was bleibt? Was bleibt von dem alten Jahr für die Welt, für unser Land, für Fellbach, für unsere Gemeinde und für mich, für uns einzelne? Was bleibt übrig von den Vorsätzen, die man vor einem Jahr getroffen hat? Wo bleibe ich, nach diesem Jahr? Bin ich auf der Strecke geblieben? Wo bin ich getrieben von Zwängen, von Sorgen von Fragen, getrieben als unfreier Mensch? Die persönliche Bilanz, die muss jede und jeder einzelne von uns ziehen; die große Bilanz der Welt, des Landes der Stadt, kann in den Journalen und im Internet und in den Büchern nachgelesen werden. Gutes und Schlechtes, Frohes und Trauriges hat sich ereignet – was bleibt? Was bleibt mir, wenn ich nun in das neue Jahr 2007 gehe? Wenn das alte 2006 vorbei ist?

Was bleibt

Etwas, was mir bleiben kann, etwas, was mit mir gehen will, also bei mir bleiben will, das bietet Jesus an: Sein Wort, Gottes Licht. Licht und Wort werden ja bei Johannes oft beinahe gleichgesetzt. Gott bleibt mir, Gottes liebevolles Geleit will mich geleiten vom Alten ins Neue, jeden Tag, von dieser guten Macht umgeben da kann ich wandern von einem Tag zum anderen, von einem Jahr zum anderen. Gottes Wort – ich bin bei dir, fürchte dich nicht! Friede sei mit dir – dies will mit mir gehen, so wie die Wolken und Feuersäule das Volk Israel begleitet hat, durch die Zeit, von einem Ort zum anderen.

Wahrheit und Wirklichkeit

Bleibe ich bei diesem Wort, so erkenne ich die Wahrheit, denn ich kann die Welt von diesem Wort aus wahrnehmen, anschauen und beleuchten. Was heißt Wahrheit? Was ist wahr? Dass 1+1 = 2 ist, das ist wahr – da stimmen Aussage und Sache überein; wenn ich mir in den Finger schneide, das tut weh, auch das ist wahr; aber ist das, was ich als wirklich und tatsächlich erfahre, die ganze Wahrheit? “Die Wirklichkeit ist nicht die Wahrheit. Was wäre das für eine Welt, wenn die Wirklichkeit, diese Wirklichkeit rund um uns die Wahrheit wäre? Die Welt vor dieser Wirklichkeit retten wollen. Die Welt, wie sie sein könnte, lieben. Die Wirklichkeit aber kennen.” (Erich Fried) Ja, die Wirklichkeit erkennen, das will gelernt sein, gerade bei so vielschichtigen Lebensverhältnissen, in denen wir leben.

Wahrheit und Gegenwirklichkeit

Was ist Wahrheit? Es ist schwer, eine endgültige Antwort darauf zu finden; doch bei alledem – sie scheint ein menschliches Grundbedürfnis auszudrücken: Wahrheit, wahr ist etwas, auf das ich mich echt verlassen kann; etwas, das mir einen festen Grund, ein Fundament für mein Leben gibt. Ist Wahrheit nicht das, worauf endgültig Verlass ist, das einem Sicherheit und Beständigkeit gibt? Im Wort wahr steckt das Wort wahren / bewahren – in acht nehmen, schützen – verweist nicht dies darauf, dass es um sichere Beständigkeit geht? Wahrheit meint den verlässlichen und starken Grund für mein Leben, ein Grund, der mir nicht entzogen werden kann, auch wenn ich meine, grundlos zu sein und das Gefühl habe, keinen festen Boden unter den Füßen zu haben – manchmal geht Gott mit, ich kann`s spüren, manchmal ist er nicht da – es ist dann nur eine Spur zu sehen. Wo ist Gott dann? Vielleicht trägt er mich? Einen solchen starken Grund zu haben, das befreit, das macht unabhängig von anderen Herren, unabhängig von anderen Meinungen – gibt einem Gelassenheit, Abstand zu sich selbst und der Welt.

Gegenwirklichkeit hat Grund

Nicht, dass man dann im Raum völlig schwerelos herumschwebt, das nicht, aber es gibt eben diesen Abstand – zu Sorgen und all dem, was einen belasten und erdrücken kann und so bedrängt und unfrei macht, gar lähmt. Und: Ich darf manches aus der Hand legen und geben, auch das ist Befreiung; der starke Grund trägt mit, Gott, der mich in seiner Hand hält, möchte mir auch manches, was belastet aus der Hand nehmen und mittragen; manches ablegen, was war und was sorgt.

Grund zur heiteren Leichtigkeit

Da kann es dann zu Leichtigkeit und Heiterkeit kommen, mit der man sich in neue Gefilde wagen, unbeschwert und frohgemut nach vorne schauen kann und das, was kommt, in der gebotenen Ruhe anpacken kann; das neue Jahr, dies unbeschrieben Blatt, aber doch zum Teil mit vorgezeichneten Bahnen und Wegen, beschreiben und beschreiten kann. Vielleicht trotz alledem vergnügt beschreiten kann:

„Ich bin vergnügt
erlöst
befreit
Gott nahm in seine Hände
Meine Zeit
Mein Fühlen Denken
Hören Sagen
Mein Triumphieren
Und Verzagen
Das Elend
Und die Zärtlichkeit

Was macht dass ich so fröhlich bin
In meinem kleinen Reich
Ich sing und tanze her und hin
Vom Kindbett bis zur Leich

Was macht dass ich so furchtlos bin
An vielen dunklen Tagen
Es kommt ein Geist in meinen Sinn
Will mich durchs Leben tragen

Was macht dass ich so unbeschwert
Und mich kein Trübsinn hält
Weil mich mein Gott das Lachen lehrt
Wohlüber alle Welt.“ (Hans Dieter Hüsch)

Wo ich bleibe

Jesus spricht: Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. – Ich kann wissen, was mir bleibt: Gottes Wort – ich bin der Herr dein Gott, du brauchst keine anderen Götter, wer oder was auch immer diese sein mögen. Diese Zusage, die tut dem seelischen Immunsystem gut; ich kann wissen, wo ich bleibe und wer ich bin: Ein Kind Gottes, umgriffen von seinen guten Mächten. Da kann ich mich aufmachen, kann furchtlos und fröhlich ins Neue hinein, denn Gottes Wort und Geist will mit uns sein, wie die Wolken und Feuersäule uns geleiten im neuen Jahr 2007. Mit Wünschen zum neuen Jahr des Pfarrers zu St. Lamberti in Münster von 1843 möchte ich schließen:

“Herr setze dem Überfluss Grenzen
und lasse die Grenzen überflüssig werden.
Lasse die Leute kein falsches Geld machen,
aber auch das Geld keine falschen Leute.
Schenke unseren Freunden mehr Wahrheit
und der Wahrheit mehr Freunde.
bessere solche Beamte, Geschäfts- und Arbeitsleute,
die wohl tätig, aber nicht wohltätig sind.
Gib den Regierenden ein besseres Deutsch
und den Deutschen eine bessere Regierung.
Herr sorge dafür, dass wir alle in den Himmel kommen.
Aber nicht sofort!”

Amen.

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