„Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“

Jesaja 43,19a - Jahreslosung 2007

Predigttext: Jesaja 43,19a
Kirche / Ort: Starnberg
Datum: 1.01.2007
Kirchenjahr: Neujahrstag
Autor/in: Pfarrer Dr. Hermann Ruttmann

Predigttext/Jahreslosung 2007:

„Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“ Jesaja 43,19a (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Vorüberlegungen

Biblischer Kontext Die Jahreslosung 2007 ist der Befreiungsbotschaft Deuterojesajas entnommen und der Konkretisierung des ersten Gottesknechtsliedes in Jesaja 42. Die Passage, aus der die Jahreslosung entnommen ist, entstammt der Gattung der Heilszusage bzw. Heilsankündigung, die laut Westermann an das Volk gerichtet ist. Die Botschaft Mit der Befreiung der Exulanten aus Babylon verbindet Deuterojesaja hier eine Umwandlung der Natur. Preuß sieht hierin einen Beleg, dass mit dem neuerlichen Exodus die eschatologische Heilszeit anbreche. Man wird nicht fehlgehen, wenn man in der Passage den in die Zukunft projizierten Glauben Deuterojesajas sieht. In diesem Sinn ist die Jahreslosung auch hermeneutisch zu entfalten. Zur Predigt Die Predigt ist für das bekannte unbeugsame westmittelfränkische Dorf konzipiert, aber auch ohne landwirtschaftlichen Hintergrund dürfte die Einleitung verständlich sein.

Lieder:

„Nun lasst uns gehen“ (EG 58) „Von guten Mächten“ (EG 65) „Nun danket alle Gott“ (EG 321)

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Liebe Gemeinde!

Was ein Bauer nicht sein darf

Ein Bauer – und natürlich auch eine Bäuerin – darf dreierlei nicht sein: Ein Nostalgiker, ein Pessimist und ein Skeptiker. Warum? Nun, ein Nostalgiker ist ein Mensch, der immer nur zurückschaut und sagt: „Früher war doch alles besser!“ Der sehnt sich als Bauer nach den Zeiten zurück, als noch alles gemütlicher war, mit kleinen Schleppern, als man noch alles hatte: Schweine und Kühe und Hühner und den ganzen Gemischtwarenladen. Ein nostalgischer Bauer wird die Zukunft verschlafen und sein Betrieb wird kaum überleben.

Ein Bauer bzw. eine Bäuerin darf auch kein Pessimist sein: Ein Pessimist ist ein Mensch, für den das Glas immer halbleer ist, der die Gegenwart gar nicht schätzen kann, weil er von der Zukunft immer das Schlechteste erwartet: Ein Pessimist wird davon ausgehen, dass die Ernte im nächsten Jahr noch schlechter wird, dass die Preise weiter in den Keller runter gehen und dass der nächste Skandal die Landwirtschaft ruinieren wird. Ein pessimistischer Bauer wird keine guten Entscheidungen treffen, weil er ja sowieso immer das schlimmste erwartet.

Und ein Bauer darf kein Skeptiker sein. Der Skeptiker ist ein Mensch, der letztlich nicht zu Entscheidungen kommt, weil etwas Neues ja auch beinhaltet, dass es scheitern kann. Ein skeptischer Bauer wird keinen neuen Schweinestall bauen, weil er ja nicht sicher weiß, ob das Schweinfleisch so lange den Preis hält, bis er den Stall abgezahlt haben wird. Ein skeptischer Bauer trifft keine Entscheidungen ohne doppelte Absicherung – und damit wird sein Bauernhof die wichtigsten neuen Trends verpassen.

Ein Bauer, eine Bäuerin darf also weder nostalgisch, noch pessimistisch noch skeptisch sein. Und deshalb passt die Jahreslosung für das Jahr 2007 nicht nur für uns alle, sondern auch für unsere Bauern in Krautostheim. Sie entstammt, wie im Jahr 2006, dem Alten Testament, und sie ist ein Wort aus dem Prophetenbuch Jesaja: „Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“

Die Befreiungsbotschaft des Jesaja trägt über Jahrhunderte

„Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“ Jahreslosungen haben es ja an sich, dass sie ein ausgewähltes Wort aus einem größeren Zusammenhang darstellen – und ohne den führen sie oft zu Fehlschlüssen. Der Prophet Jesaja lebte im 8. Jahrhundert vor Christus und über 200 Jahre lang sollten seine Worte von seinen Schülern neu geschrieben werden. Seine 66 Kapitel sind über diesen Zeitraum hinweg gewachsen. Aus dem 30. Kapitel war ja bereits unsere Schriftlesung, die gegen die Bequemlichkeit des Volkes gerichtet war. Die Worte Jesajas und damit auch das Buch Jesaja wurden immer wieder erweitert, wenn seine Schüler eine Befreiung für das Volk verkündeten: Und als nach der Zerstörung Jerusalems 597 vor Christus die oberen 10.000 des Volks nach Babylon verschleppt worden waren, verkündete der Prophet Jesaja bzw. seine jüngsten Schüler: „Gott wird das Volk aus Babylon herausführen. Er wird einen Weg bahnen durchs Meer, die Berge wird er einebnen, damit das Volk ausziehen kann! Gott wird Euch befreien.“ Und da gehört auch die heutige Jahreslosung mitten hinein: „Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“

Gott befreit sein Volk aus Babylon – dort haben sich die Judäer ja auch selber hingebracht: Sie haben nicht das getan, was Gott und seine Propheten von ihnen erwartet haben und haben statt dessen Großmachtpolitik gespielt, ohne soziale Gerechtigkeit und ohne Verstand. Babylon steht seither für alles, wohin Menschen geraten, wenn sie sich in den eigenen Stricken verfangen. Gott befreit sein Volk – entgegen der Vorhersagen all derer, die immer nur von früher reden, als angeblich alles besser war, entgegen derer, die immer nur das Schlimmste von der Zukunft erwarten und entgegen den Leuten, die sich für nichts entscheiden können, weil es ja keine Erfolgsgarantie gibt.

Gottes Befreiung ist nichts für Nostalgiker

„Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“ Die Befreiung, die Gott uns Menschen zusichert, ist nämlich nichts für Nostalgiker. Ein Nostalgiker sagt: „Früher war alles besser! Früher ging es uns besser, ach wenn doch die alten Zeiten wiederkommen könnten.“ Gott sagt seinem Volk zu: „Es mag schon sein, dass früher alles besser war – aber es gibt keinen Weg zurück: Ich nehme Euch in eine Zukunft mit, die ganz anders sein wird als das, woran sich ein Nostalgiker erinnern kann: Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf.“ Ein Vers vor unserer Jahreslosung sagt Gott: „Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige.“ Die Befreiung, die Gott uns Menschen zusichert, ist nichts für Nostalgiker. Sie ist etwas für Menschen, die nicht in der Vergangenheit hängen, sondern sich auf das Neue einlassen können.

Gottes Befreiung ist nichts für Pessimisten

Die Befreiung, die Gott uns Menschen zusichert, ist auch nichts für Pessimisten: Ein Pessimist macht nämlich keine guten Erfahrungen: Er sucht immer den Haken an einer Sache, er lässt sich auf nichts ein – er weiß, dass es regnen wird und glaubt so fest daran, das es ihn auch sicher erwischen wird. Die Befreiung Gottes ist etwas für Optimisten – nicht für weltfremde Leute auf rosa Wolken, sondern für Optimisten: Menschen, die an der Schwelle zu einem neuen Jahr sagen: „Eine wunderbare Chance liegt vor uns: 365 unverbrauchte Tage, an denen wir Freude erleben können, an denen wir unser Leben voranbringen können, an denen wir Gottes Werk auf dieser Erde ein Stück vorantreiben können, an denen Menschen nicht sterben müssen, weil wir ihnen vorher helfen können, an denen es uns gut gehen kann.“ Das sind Optimisten: „Ich will Wasser gießen auf das Durstige und Ströme auf das Dürre: Ich will meinen Geist auf deine Kinder gießen und meinen Segen auf deine Nachkommen“ sagt Gott wenige Verse nach unserer Jahreslosung – nein, Gottes Befreiung ist nichts für Pessimisten, sie macht aus Pessimisten Optimisten, die Gutes von einem neuen Jahr erwarten.

Gottes Befreiung ist nichts für Skeptiker

Die Befreiung, die Gott uns Menschen zusichert, ist erst recht nichts für Skeptiker. Skeptiker sind Menschen, die erst mal gar nichts tun, weil sie wissen, dass manches nicht ihren Ansprüchen genügen kann. Skeptiker sind Menschen, die abwarten und erst mal zusehen, bevor sie etwas machen. Wenn einer zu einem Skeptiker kommt und ihm freudestrahlend erzählt, dass er etwas Neues gekauft hat, wird er erst mal mit den möglichen Schäden konfrontiert. Und einer Rechnung, dass sich das gar nicht lohnen kann – ein Skeptiker ist der Mörder aller Freude und Anfänge. Gottes Befreiung ist nichts für Skeptiker, sie macht aus Skeptikern Handelnde und Mithelfende, die ein neues Jahr gestalten und erfolgreich machen.

„Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“ Gott befreit sein Volk – entgegen der Vorhersagen der Nostalgiker, der Pessimisten und der Skeptiker. Gottes Befreiung macht aus Nostalgikern offene Menschen für Neues, aus Pessimisten Optimisten und aus Skeptikern Mithelfende.

Stehen wir Gottes Befreiung im Wege?

Nicht nur den Bauern wünsche ich, dass die Befreiung unseres Gottes sie ergreift: Wir alle müssen uns immer wieder überprüfen, ob wir nicht schon selbst dieser Befreiung im Wege stehen: Ob wir nicht schon zu Nostalgikern geworden sind und uns nach früher sehnen, anstatt nach vorne zu blicken. „Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige.“ So sagt Gott es bei Jesaja. Wir müssen uns alle selbst überprüfen, ob wir uns nicht die Sicht auf das Neue, das Gott heranwachsen lässt, verstellen: Lasst uns das kommende Jahr mit seinen 365 unverbrauchten Tagen als 365 Chancen begreifen, Neues zu erleben! Die Pessimisten kennen keine Zukunft, weil sie immer über das halbleere Glas klagen! Lasst uns nicht zu Mördern des neuen Jahres werden, indem wir skeptisch auf alles blicken, was auf uns zukommt. Lasst uns handeln und da eingreifen, wo etwas schief läuft: In der Politik, in der Landwirtschaft, bei den Rechten der Menschen. Und lassen wir den Skeptiker hinter uns, der uns nur ausbremst und nichts verändert.

„Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“ Ich wünsche uns die Freude auf dieses Neue, das Gott für uns bereit hält, die Bereitschaft, uns darauf einzulassen und die Befreiung Gottes, die daraus folgt.

Amen.

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