Vertraut den neuen Wegen

Aufbruch an der Hand Gottes

Predigttext: 2.Mose 12,1.3-4.6-7.11-14
Kirche / Ort: Kasse
Datum: 5.04.2007
Kirchenjahr: Gründonnerstag
Autor/in: Kirchenrat Dekan i.R. Werner Dettmar

Predigttext: 2.Mose 12,1.3-4.6-7.11-14 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Der Herr aber sprach zu Mose und Aaron in Ägyptenland: Sagt der ganzen Gemeinde Israel: Am zehnten Tage dieses Monats nehme jeder Hausvater ein Lamm, je ein Lamm für ein Haus. Wenn aber in einem Hause für ein Lamm zu wenige sind, so nehme er´s mit seinem Nachbarn, der seinem Hause am nächsten wohnt, bis es so viele sind, dass sie das Lamm aufessen können. Und sollt es verwahren bis zum vierzehnten Tag des Monats. Da soll es die ganze Gemeinde Israel schlachten gegen Abend. Und sie sollen von seinem Blut nehmen und beide Pfosten an der Tür und die obere Schwelle damit bestreichen an den Häusern, in denen sie´s essen. So sollt ihr´s aber essen: Um eure Lenden sollt ihr gegürtet sein und eure Schuhe an euren Füssen haben und den Stab in der Hand und sollt es essen als die, die hinwegeilen; es ist des Herrn Passa. Denn ich will in derselben Nacht durch Ägyptenland gehen und alle Erstgeburt schlagen in Ägyptenland unter Mensch und Vieh und will Strafgericht halten über alle Götter der Ägypter, ich, der Herr. Dann aber soll das Blut euer Zeichen sein an den Häusern, in denen ihr seid. Wo ich das Blut sehe, will ich an euch vorübergehen, und die Plage soll euch nicht widerfahren, die das Verderben bringt, wenn ich Ägyptenland schlage. Ihr sollt diesen Tag als Gedenktag haben und sollt ihn feiern als ein Fest für den Herrn, ihr und alle eure Nachkommen, als ewige Ordnung.

Zum Predigttext

Die Passafeier der Juden ist zweifach mit Jesu Tod verbunden: Paulus und Markus berichten vom Passamahl Jesu mit seinen Jüngern in der Nacht, in der er verraten wurde, nach Johannes stirbt Jesus an dem Tag, an dem die Passalämmer geopfert werden, am Kreuz. Wir müssen die Diskrepanz hier nicht untersuchen. Angesichts der Textwahl für diesen Gründonnerstag ist wichtig, dass der alte Bund mit dem neuen verbunden ist. Und nach den vielen Absagen an den alten Bund der Juden seitens der Christen mit den bösen Folgen durch die Jahrhunderte hindurch tun wir gut daran, die Erinnerung an Jesu Kreuz und Auferstehung mit der an die jüdische Passafeier zu verbinden. Wie auch immer es mit der genauen Datierung seine Bewandtnis hat, wir dürfen davon ausgehen, dass Jesus als Sohn des jüdischen Volkes das Passafest mit seinen Jüngern jährlich gefeiert hat, und das sicher mehrfach, auch wenn wir nichts Genaues über die Dauer seines Wirkens in Galiläa und Judäa wissen. Natürlich kann sich die Predigt vor der (Kern)Gemeinde, die sich am Gründonnerstag zum Gottesdienst versammelt, nicht nur auf das mit dem OP-Text gegebene Passafest beschränken, sondern muss die Verbindung mit der Einsetzung des Abendmahls durch Jesus deutlich auch als unseren Rückblick und Ausblick herausstellen und Kraft zu neuen Wegen vermitteln. Sie sollte freilich im Abend- und Abendmahlsgottesdienst entsprechend kurz sein.

Lied zur Predigt:

„Vertraut den neuen Wegen“ (EG 395)

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Der Auszug der Juden aus Ägypten

„Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen werde.“ Die Geschichte des Heils für die Menschen, die das Paradies verspielt haben, beginnt in der Bibel mit einem Auszug, einer Auswanderung. Sie ist die Geschichte von Abraham, einem Menschen, den Gott samt seinen Nachkommen erwählt hat, um die Welt ein wenig erträglicher und heilvoller zu machen. Und sie geht an wichtigen Wegkreuzungen so weiter, dass Gott Menschen immer wieder herausruft aus alten Bindungen und sie zu ihrem und anderer Heil auf neue Wege führt.

Unser Predigttext erzählt von dem Abend, als die Israeliten vor dem Auszug aus Ägypten standen. Aus einem Haufen Sklaven, zusammengezwungen aus verschiedenen Stämmen und Völkern, soll unter der Führung des Mose eine befreite Schar werden, die durch das Wunder am Schilfmeer nicht nur zur eigenen Nation sondern auch zu einer besonderen Glaubensgemeinschaft wird.

Die Juden feiern diesen Auszug aus der Knechtschaft bis heute mit einem beeindruckenden Fest, dem Passa. Sie denken an das Passalamm, mit dessen Blut sich die Israeliten vor der letzten furchtbaren Plage bewahren können, die die Ägypter hart traf und sie bewog, ihre billigen und über Gebühr gequälten Arbeiter endlich, wenn auch nur für eine kurze Zeit ziehen zu lassen. Als sie die Flüchtenden dann doch wieder verfolgen, versinkt ihr Heer in den Fluten des Schilfmeers.

Der Gang Jesu in den Tod

Jesus, seinem Volk und dessen Glaubenserfahrungen aufs tiefste verbunden, hat dieses Passafest mit der Schar seiner Jünger wohl regelmäßig begangen. Wir wissen nicht, wie oft, weil wir nicht sagen können, welchen Zeitraum sein Wandern und Predigen in Galiläa und Judäa ausfüllte. Aber wir wissen, dass er dieses Passafest in seiner letzten Nacht gefeiert hat, als er einen besonderen Auszug vor Augen hatte, den aus dieser unserer Welt, seinen sicheren Tod.

Es war die Nacht, so zitieren wir seine ersten Jünger in ihrem Bericht vom letzten Mahl, in der er verraten wurde. Es war der Abend, an dem er von der jüdischen Obrigkeit gefangen genommen und an die Römer überstellt wurde, die ihn dann an das Kreuz schlugen. Es schien ein endgültiger Auszug zu sein, ein Weg in das Verderben hinein, wie er manchem Israeliten damals in der Wüste wohl auch vorgekommen sein mag.

Aber es wird ein Auszug an der Hand Gottes, unter dem Versprechen, das schon dem Abraham gegeben wurde: Ich will dich zum großen Volk machen und dich segnen. Moses darf das für sein Volk bereite gelobte Land wenigstens noch sehen. Und als Jesus das letzte Mahl mit seinen Jüngern feiert, hat er dabei das ewige Reich seines Vaters vor Augen, er spricht zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch, dass ich nicht mehr trinken werde vom Gewächs des Weinstocks, bis an den Tag, an dem ich aufs neue davon trinke im Reiche Gottes.

Unsere Auszüge

Während die Juden die Feier des Passa jährlich wiederholen, halten wir Christen im Gedenken an Jesu letztes Mahl mit seinen Jüngern das Abendmahl in vielen Gottesdiensten und tun es an jedem Gründonnerstag, dem besondern Gedächtnis der Einsetzung des Abendmahls. Damit stellen wir auch unsere Auszüge unter die Segensverheißung unseres Gottes.

Denn auch unser Leben besteht aus solchen Auszügen, kleine wie große. Sie beschränken sich nicht auf das Motto in Schillers Lied von der Glocke: Der Mann muss hinaus ins feindliche Leben. Und es gilt auch nicht länger, dass die züchtige Frau dem Manne folgt, ihr Vaterhaus verlässt und das Haus der Familie hütet; wir alle, Männer und Frauen, müssen heute immer wieder neue Wege gehen, Altvertrautes hinter uns lassen und uns neuen Herausforderungen stellen. Man sagt es schon den jungen Menschen bei ihrer Berufswahl, dass sie bis ins Alter hinein bereit sein müssen, auch beruflich immer neue Anläufe zu unternehmen.

Geh aus deinem Vaterland! Mancher meint das wörtlich und sucht sich nicht nur in den Gefilden der Europäischen Union sondern auch weit darüber hinaus einen neuen Wirkungskreis. Manchen treibt Verfolgung und Not weit aus seiner Heimat in unsere Nachbarschaft, um einen neuen Anfang zu versuchen. Und mancher muss auch durch eine tückische Krankheit lernen, an einen letzten, endgültigen Auszug aus dieser unserer Welt zu denken.

Unter dem Segen Gottes

Es ist schon von Bedeutung, wenn unsere Neuanfänge und Auszüge unter dem Segen Gottes unternommen werden. Das wusste Israel, und das hat Jesus seinen Jüngern vermittelt. Es wird uns vor Augen gestellt in den beiden Sakramenten, die wir in unseren Gottesdiensten feiern, in der Taufe, in der Regel am Beginn des Lebens, und im Abendmahl, das uns immer wieder zu neuen Anfängen, auch gegenüber unseren Mitmenschen, Mut macht.

Ja auch um neue Aufbrüche zu den Menschen um uns herum geht es. Denn das Abendmahl betrifft auch unsere Wege miteinander und zueinander und lädt uns ein, falsche Wege aufzugeben, Wege, auf denen wir Menschen verletzen und traurig machen. Nicht umsonst verbindet die kirchliche Tradition das Abendmahl mit der Beichte, bei uns Evangelischen meistens in der Form des allgemeinen Sündenbekenntnis. Wir bekennen darin, dass wir gesündigt haben in Gedanken, Worten und Werken, also vielfach falsche Wege eingeschlagen haben, und suchen so den Ausgang auf einen neuen gesegneten Weg.

Weil wir das immer wieder nötig haben, darum feiern wir nicht nur einmal im Jahr Abendmahlsgedächtnis am Gründonnerstag. Wir haben uns angewöhnt, entgegen weit verbreiteter protestantischer Tradition öfter unseren Gottesdienst mit dem Abendmahl zu verbinden. Dieser Gründonnerstag kann uns helfen, dass wir uns noch mehr Gedanken darüber machen, warum wir das tun.

Der neue Weg mit Jesus Christus

Jesus Christus bietet uns einen neuen Weg an, einen Weg, der aus mancherlei Knechtschaften ins Freie führt. Er tritt im Abendmahl vor uns hin als der, der Weg, Wahrheit und Leben ist. Er, der selbst hinaus ging in die Tiefe der Aussichtslosigkeit, in den Tod, hat damit für uns den Weg ins Leben eröffnet. Auf das Passamahl folgte für ihn die Verhaftung im Garten Gethsemane. Es folgten Verhör und Folter, es folgte die Kreuzigung auf dem Hügel Golgatha. Das war der Karfreitag. Aber dann kam der Ostermorgen und es vollendete sich, was er seinen Jüngern in der Stunde des Passagedächtnisses vorausgesagt hatte: er trinkt neu vom Gewächs des Weinstocks im Reich Gottes. Denn er trat als der Auferstandene, als der lebendige Sohn des Höchsten vor die verzagt Zurückgebliebenen und Geflohenen.

Die Christen essen seither mit ihm vom Brot und trinken mit ihm aus dem Kelch. Er schließt mit ihnen den Bund, das neue Testament, er schenkt ihnen die Befreiung von dem vielerlei Bösen, das sie knechten will. So kommen auch wir auf einen neuen Weg, auf dem er uns Mut, Kraft, Wahrheit und neues Leben schenkt und uns das Versprechen gibt, dass wir schließlich und endlich mit ihm Tischgemeinschaft haben im Reich seines Vaters, im Reich Gottes.

Gott hat sein Volk herausgeführt aus der Knechtschaft, sein Sohn feiert das mit seinen Jüngern. Gott führt ihn selbst von Karfreitag nach Ostern, aus dem Tode in sein Reich. Und Gott will einen jeden von uns führen und leiten. Er befreit uns aus unseren Gebundenheiten und Elendigkeiten, aus unseren Sünden und Knechtschaften. Er gibt uns Kraft zu neuen Wegen. Er schenkt neues Leben in den Feiern an dem Tisch seines Sohnes und weckt in uns die Vorfreude auf das neue Trinken vom Gewächs des Weinstocks in seinem ewigen Reich.

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