Das österliche Geschenk eines von Tod und Irrsinn befreiten Lebens
Wissen, wo wir hingehören und woher wir unsere Energie, Weisheit und Kraft geschenkt bekommen
Predigttext: Markus 16,9-20 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
9 Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte. 10 Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren und Leid trugen und weinten. 11 Und als diese hörten, daß er lebe und sei ihr erschienen, glaubten sie es nicht. 12 Danach offenbarte er sich in anderer Gestalt zweien von ihnen unterwegs, als sie über Land gingen. 13 Und die gingen auch hin und verkündeten es den andern. Aber auch denen glaubten sie nicht. 14 Zuletzt, als die Elf zu Tisch saßen, offenbarte er sich ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, daß sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen. 15 Und er sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. 16 Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. 17 Die Zeichen aber, die folgen werden denen, die da glauben, sind diese: in meinem Namen werden sie böse Geister austreiben, in neuen Zungen reden, 18 Schlangen mit den Händen hochheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird's ihnen nicht schaden; auf Kranke werden sie die Hände legen, so wird's besser mit ihnen werden. 19 Nachdem der Herr Jesus mit ihnen geredet hatte, wurde er aufgehoben gen Himmel und setzte sich zur Rechten Gottes. 20 Sie aber zogen aus und predigten an allen Orten. Und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch die mitfolgenden Zeichen.Vorbemerkung
Zur ausführlicheren historisch-kritischen Analyse und psychologisch-symbolischen Predigtüberlegung verweise ich auf meine Predigthilfe im Deutschen Pfarrerblatt 3/2007 Seite 147. Man sollte m. E. bedenken, dass der Predigttext zum sogenannten unechten Markusschluß gehört. Der Abschnitt ist ein späterer zusammenfassender Katechismus der Osterereignisse für die Gemeinde und enthält fünf Zeichen und Wunder, durch welche der auferstandene Christus die Jünger begleiten wird. Die mit Abstand beste Auslegung für die Predigt kann man m. E. dem Markus-Kommentar von Eugen Drewermann, Band 2, S.723, entnehmen. Wichtig ist aber auf jeden Fall der grundlegende Aspekt des kosmischen - früher sagte man in der Dogmatik - universalen Christus in V19: Von der Rechten Gottes her schenkt Christus den Christen fünf Zeichen eines vom Tod befreiten Lebens!Liebe Gemeinde!
Was ist das Besondere am Predigttext für den heutigen Sonntag nach Ostern? Der auferstandene Jesus Christus schenkt uns durch seine Auferstehung ein von Tod und Irrsinn befreites Leben und unterstützt das durch fünf Wunder für unseren Alltag! Nur hier werden diese fünf Zeichen aufgezählt!
Die Bedeutung der Osterbotschaft für den Alltag
Die Botschaft von Ostern wird genau besehen im Alltag immer wichtiger und aktueller! Wer leidet heute nicht in unserer verworrenen Zeit an der irren Informationsflut und an der Beliebigkeit der Meinungen, Weltanschauungen und Werte! Wie soll man sich da zurechtfinden? Die Auferstehung Jesu dagegen gibt unserem Leben ein Zentrum und einen Halt! Wer sie für sein Leben annimmt, wird frei von vielen Versklavungen durch die Verhältnisse, die uns im Alltag unfrei machen. Denn endlich können wir wissen, wo wir endgültig hingehören, wo wir zu Hause sind und wofür wir wirklich leben können! Wir können immer wieder frei aufatmen.
Durch die Osterbotschaft kann unsere Seele Flügel bekommen. Hinter meinem Leben und Sterben taucht die Gewißheit auf, dass es hinter dem Horizont des Todes weitergeht. Schon jetzt können wir im Glauben mit der Stirn den Himmel berühren. Mein kleines Ich hat einen unveräußerlichen Wert bei Gott. Die überzeugende und faszinierende Vision, dass Jesus seit Ostern zu Gott, zum Machtzentrum des Universums uns vorausgeht, verbindet mich schon jetzt mit dem Ewigen.
Bedrohungen und heilende Mitte
Haben wir dagegen diesen Glauben nicht, ist jeder Mensch bedroht durch einen Hexensabbat vieler Dämonien, Teufelskreise und Fehlverhalten. Man könnte ja über unser aller Fehlverhalten schmunzelnd tolerant hinweggehen. In Wirklichkeit machen alle Fehlverhalten bitter einsam. Man kann unsere Fehlverhalten übrigens alle nach dem Pastoralpsychologen Pastor Dr. Gunnar von Schlippe einfach mit den beiden Buchstaben „ zu“ kennzeichnen. Ohne eine feste Mitte unserer Seele sind wir in unserer verwirrenden Welt zu ängstlich oder zu leichtsinnig, zu anklammernd lieb oder zu distanziert, zu gerecht oder zu kreativ, zu zwanghaft oder zu chaotisch, zu sparsam oder zu großzügig…
Mit dem Glauben an Jesus und seine Auferstehung aber werden wir nicht nur zurecht gerückt und finden eine heilende Mitte. Wenn Jesus uns als Auferstandener begleitet und wir ihm nachfolgen, werden uns fünf Zeichen und Wirkungen von Jesus begleiten.
Fünf Zeichen eines vom Tod befreiten Lebens
Wenn wir dem auferstandenen Christus nachfolgen, sagt unser Text, können wir
Abergeister vertreiben. Das klingt nach Esoterik und Aberglauben und etwas fremd und fern. In Wirklichkeit ist es besonders aktuell. Alle Analysen des modernen Zeitgenossen ergeben, dass er sein Zentrum verloren hat. Typisch ist z. B. nach der These vom Papst der Kommunikationspsychologie Professor Friedemann Schulz von Thun, dass der heutige Mensch verbreitet eine Patchwork-Identität hat, einen seelischen Speicher mit beliebigen Programmen, die ihn innerlich haltlos zerreißen. Eigentlich kann man nicht mehr zentriert denken, weil alles relativ erscheint. Genau besehen schwimmt man in einer Beliebigkeits-Toleranz aller möglichen Meinungen. Ich selbst bin als Jugendlicher Christ geworden, weil mich als Viel-Leser die totale Relativität der reinen Vernunft gequält hat. Plötzlich mochte ich nicht mehr lesen oder diskutieren. Christus hat dann für mich die Abergeister der seelen-zerreissenden Relativität beendet. Mit Jesus im Bunde konnte ich von dieser Mitte wieder sehr tolerant mich mit allen möglichen Weltanschauungen auseinander setzen.
Die Frage: Was würde Jesus tun? hilft uns allen einfach, klarer zu sehen, was der Menschlichkeit dient oder auch abgelehnt werden muß. Zum Beispiel stimmen wir mit vielem aus dem Islam überein. Wenn aber Menschenrechte verletzt werden, haben wir aber durch Christus den Blick für das, was der Zukunft dient! Nicht ein Gottes-Staat, durch Gebote und Verbote und scharfe Strafen organisiert, sondern Gottes Reich dient der Zukunft der Menschheit! Durch Christus bekommen wir einen merkwürdig klaren, gleichzeitig tolerant menschenfreundlichen, aber auch kritischen Blick für die Zukunft!
Wenn wir dem auferstandenen Christus nachfolgen, können wir
in anderen Sprachen reden. Menschen, die voreinander Angst haben, werden gewöhnlich rechthaberisch, halten Monologe oder liefern sich endlos spitzfindige Streitgespräche ohne Annäherung und Ergebnis und reden – je länger je mehr – aneinander vorbei. Auch Menschen, die wir nicht mögen, verstehen wir gewöhnlich nicht. Weil sie uns fremd sind, distanzieren wir uns von ihnen und dem, was sie sagen. Auf einer langen Taxifahrt in Frankreich wollte ich zum Beispiel vor Jahren meinen Kindern mal wagemutig mein Schul-Französisch demonstrieren. Der Taxifahrer war sehr freundlich. Er überhörte meine sprachlichen Fehler und fühlte sich ein in das, was ich meinte, und so ergab sich ein längeres erfreuliches Gespräch. Auf der Rückfahrt saßen wir dagegen im Taxi eines unfreundlichen Fahrers. Er verstand wenig, schüttelte belustigt oder ärgerlich den Kopf, und das Gespräch war bald zu Ende.
Wer von der Freundlichkeit des auferstandenen Christus angesteckt wird, kann mit neuen Zungen reden, Menschen besser verstehen, sich in ihre Worte, Gesten, ihre Körpersprache einfühlen und ihre Seelen berühren. Er kann den richtigen Ton und die richtigen Worte finden, die zu Herzen gehen und ankommen!
Wenn wir dem auferstandenen Jesus nachfolgen, können wir
Schlangen aufheben. In den USA gibt es eine christliche Gemeinschaft, welche das wörtlich nimmt. Giftige Klapperschlangen werden im Gottesdienst hochgehoben. Die Gottesdienstbesucher überleben fast ausnahmslos das Gebissenwerden, haben allerdings oft starke Narben. Diese wörtliche Auslegung unseres Textes ist natürlich nicht gemeint! Dem Theologen Drewermann muß man zustimmen, daß es sich im Predigttext genau besehen um psychologisch -symbolische Aussagen handelt. Dann sind sie überraschend aktuell!
Jeder von uns hat seine besonderen Ängste, die wie Schlangen im Verborgenen auf uns lauern. Mit Jesus bekommen wir Mut, bedrohliche und gefährliche Tatsachen in unserer Seele und in unserer Gemeinschaft, die sich wie Schlangen im Wüstensand verbergen, nicht mehr zu verdrängen. Mit Christus im Bunde bekommen wir den Mut, vorsichtig auf sie zuzugehen, sie behutsam aufzuheben und so zu behandeln, dass sie sich davon schlängeln.
Von Franz von Assisi wird zum Beispiel erzählt, dass er den gefährlichen und menschenfressenden Wolf von Gubbio gezähmt hat. Er hat ihn ganz bewußt in der Wildnis aufgespürt und ist auf ihn zugegangen. Er hat mit ihm im freundlichen Ton gesprochen und hat mit dem Wolf ausgehandelt, dass er in Zukunft mit seinen scharfen Zähnen das Stadttor bewachen solle. Dann hat er mit einer Hand die Pfote des Wolfes zum Bund ergriffen. Es ist ein großartiges Beispiel für christlichen Umgang mit der Angst vor Agressivität! Und heute sagen Psychotherapeuten auch, dass man seinen Ängsten, die wie Schlangen auf uns lauern , behutsam entgegentreten soll, um sie aufzuheben.
Wenn wir dem auferstandenen Jesus Christus folgen, können wir
Gift trinken. Auch dass ist heute sehr aktuell! Wieviel seelisches Gift wird unter uns heute durch herabsetzende Blicke, ironische Worte, zynische Aussprüche über Personen, Bonmots und vor allem durch Gerüchte und ihre bewußte Verbreitung verteilt! Wieviel Mobbing gibt es dadurch in Firmen!
Wie viele Menschen fühlen sich dadurch so angegriffen, dass sie sich zurückziehen und dann vereinsamen. Andere werden selbst zu Zynikern und sind dauernd damit beschäftigt, zu meckern und ihr inneres Giftgemisch aus Bedrohung und Groll zu verspritzen! Wer sich als Nachfolger verbunden mit Jesus fühlt, ist dagegen nicht ganz gepanzert.
Aber Christen gehen an der giftigen Bosheit der Mitmenschen eher nicht zu Grunde. Sie können eher hinter jedem Giftspritzer einen Menschen sehen, der sich nur vom Gift der Zeitgenossen bedroht fühlt. Dazu paßt, dass es in einer schwierigen Schulklasse unserer Schule mehrere Außenseiterkinder gab, neben die sich mit gemeinen Begründungen kein anderes Kind aus der Klasse setzen wollte. Nur ein Kind aus unserem Kindergottesdienst konnte die Lehrerin zu ihnen setzen. Der in der Klasse beliebte kleine Kerl bemühte sich dazu wacker, mit freundlichen Worten die Atmosphäre zu entgiften.
Kranken die Hände auflegen: In einer Zone der Vertrautheit und Geborgenheit, der wohlwollenden Nähe und der körperlichen Zeichenhandlung können Kranke aufatmen und neu Mut schöpfen. Sie brauchen sich nicht mehr selbst zu bestrafen oder zu quälen. Wer mal längere Zeit im Krankenhaus war, hat vielleicht auch erlebt, dass manches Pflegepersonal so gestreßt und gereizt war, dass man als Kranker hinterher kränker war als vorher, wenn sie da waren. Es gibt aber auch Krankenschwestern, Ärzte und Ärztinnen, die wie Engel herein schweben. Nach ihren guten Worten fühlt man sich der Heilung schon ein ganzes Ende näher.
Der große Denker Teilhard de Chardin hat deswegen mal gesagt: Nirgends in der Welt fühlt man Gottes Nähe so überzeugend, wie durch das Handeln guter Mediziner und Heiler beiderlei Geschlechts! Wer Jesus nachfolgt, kann etwas Heilendes verbreiten. Dazu noch: Eine alte Dame aus unserer Gemeinde hatte immer kalte Arme. Nur eine Stunde in der Woche nicht, wenn sie zum Gottesdienst in unserer Gemeinde saß.
Über alle diese fünf Zeichen und Aktionen von Jesus durch seine Nachfolger und uns wollen wir uns von Herzen freuen! Immer wieder wollen wir unseren Blick auf Jesus richten, der seit Ostern und Himmelfahrt zur Rechten Gottes erhöht ist und uns immer und überall beschenken will mit seiner Energie, Weisheit und Kraft! Daran wollen wir immer wieder gern denken! Denn immer wieder schenkt Jesus uns unerwartete Wunder! Wie wunderbar ist die Auferstehung von Jesus Christus! Frohe Osterzeit!