“…damit sie alle eins seien”

Eingeladen zur weltweiten Familie Gottes

Predigttext: Matthäus 6,7-13
Kirche / Ort: Evangelische Martinskirche / Münzesheim (76703 Kraichtal)
Datum: 17.05.2007
Kirchenjahr: Christi Himmelfahrt
Autor/in: Pfarrer Heinz Janssen

Predigttext: Johannes 17,20 – 26 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

20 Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, 21 damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, daß du mich gesandt hast. 22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind, 23 ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, daß du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst. 24 Vater, ich will, daß, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe der Grund der Welt gelegt war. 25 Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich, und diese haben erkannt, daß du mich gesandt hast. 26 Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.

Vorbemerkung

Die Predigt halte ich in der Evangelischen Martinskirche in Münzesheim im Rahmen der dort stattfindenden Jahrestagung der Gemeinschaft der Kirchendiener/innen und Hausmeister/innen in der Evangelischen Landeskirche in Baden.

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Liebe Gemeinde!

Vierzig Tage nach Ostern feiert die christliche Kirche das Fest der Himmelfahrt Christi. „Aufgefahren in den Himmel“, heißt es im Glaubensbekenntnis. Vierzig Tage lang, so steht es in der Bibel (Apostelgeschichte 1,3f.) erschien Jesus nach seiner Auferstehung seinen Jüngerinnen und Jüngern und erzählte ihnen vom Reich Gottes, bis er (wie eine wörtliche Übersetzung des griechischen Urtextes lautet) „emporgehoben“ (Apostelgeschichte 1,9; Lukas 24,50 vgl. Lukas 9,51; 24,51 „hinaufgehoben“) bzw. „aufgenommen“ wurde (Markus 16,19; Apostelgeschichte 1,2.11a.22; 1.Timotheus 3,16). Dabei ist an Gott als den Handelnden gedacht, der Jesus zu sich emporhebt, ihn aufnimmt. Die Symbolik dieser Umschreibung der österlichen Zeit findet Ausdruck in einem heute noch hier und dort gepflegten Brauch: Im Gotteshaus wird eine Christusfigur vor den Augen der Gemeinde nach oben gezogen. Nach der Schriftlesung (Apostelgeschichte 1) wird die Osterkerze augelöscht und damit wird andeutet, dass die Zeit, da Jesus auf der Erde war, zu Ende ist.

Dieses sichtbare Geschehen will aber auf eine unsichtbare Wirklichkeit hinweisen. Das innere Auge soll gleichsam den Weg des auferstandenen Jesus zu Gott mitgehen, wie er zur Rechten Gottes den Platz einnimmt, um in der Einheit mit Gott und dem Heiligen Geist heilsam zu wirken; „er sitzt zur Rechten Gottes, des himmlischen Vaters“, so sprechen wir es im Glaubensbekenntnis aus. Diese unmittelbare Nähe Jesu zu Gott bringt die Bedeutung des Festtags Christi Himmelfahrt auf den Punkt: Jetzt, da Jesus uns fern ist, ist er uns ganz nahe. Welch ein Trost, welch tröstliche Geborgenheit!

Der heutige Predigttext handelt nicht ausdrücklich vom Festtag Christi Himmelfahrt, aber er nimmt seine Inhalte auf.

I.

Jesus betet: „Ich bitte aber nicht nur für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden“. Ein erstaunliches Gebet. Jesus scheint darin in die Zukunft zu planen. Seine Bitte gilt nicht allein seinen Jüngern, sondern auch den Menschen, die durch deren Predigt zum Glauben an Jesus kommen und damit zur großen Familie Gottes finden werden. “Familie Gottes” – das ist ein sprechendes Bild für “die heilige christliche Kirche” unseres christlichen Glaubensbekenntnisses. In einer Familie hat jeder und jede seinen/ihren Platz und seine/ihre Aufgabe. Jesus will und bittet Gott, dass alle, die zur Familie Gottes gehören, eins seien.

Wir verstehen das Gebet Jesu vielleicht besser, wenn wir uns seiner Bitte um Heiligung zuwenden, wie er sie im vorangehenden Zusammenhang des Predigttextes ausspricht: „Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit“ (V.17). „Heiligen“ – was bedeutet dieses Wort eigentlich? Wir gebrauchen es in jedem Gottesdienst im Vater unser: „Geheiligt werde dein Name“. Im Glaubensbekenntnis bekennen wir uns zur „Gemeinschaft der Heiligen“. Das Wort hat etwas mit Gott zu tun, mit dem von Gott beseelten Raum, mit allem, was zu ihm gehört. Unser Bekenntnis zur Gemeinschaft der Heiligen spricht aus, dass wir zu Gott gehören, ihm angehören und bei ihm gut beraten, aufgehoben und versorgt sind.

Diese Zugehörigkeit spricht Jesus in seinem („hohepriesterlichen“) Gebet an. Jesus gehört zu Gott. Zu Jesus gehören die Jünger und die Menschen, die an ihre Botschaft von der Liebe Gottes glauben; die ihre Worte verinnerlichen, sie als Gottes Wahrheit akzeptieren und darin die grundlegende Orientierung für ihr Leben sehen. Darin sind wir heute mit vielen Christinnen und Christen, die uns vorausgingen und mit uns gehen,wie in einer großen Familie verbunden.

Eine starke Kette, Glied für Glied, eine Verbindung, die in den gut zweitausend Jahren nicht durchzureißen war; „damit sie alle eins seien, ich in ihnen und du in mir“ – Jesus betet um eine Einheit der Familie Gottes, die nicht uniform ist, sondern sich durch die Liebe gestaltet, die erkennt und bereit ist, in Glauben und Leben zu lernen.

II.

Immer wieder gab es aber Versuche, diese Kette, diese starke Verbindung, zu durchtrennen, die mit der Himmelfahrt Christi vierzig Tage nach Ostern ihre umfassende Bedeutung erhielt. Denn mit dem Fest Christi Himmelfahrt ist mehr als ein Auffahren, ein Aufsteigen Jesu, ein von der Erde Entrücktwerden in den Himmel, gemeint.

Jesus hat die Erde verlassen und sich mit Gott verbunden. Seine Heiligung bestand darin, dass ihm die Nähe und das Einssein mit Gott wichtig waren; in diese innige Gemeinschaft mit Gott will Jesus auch noch heute die Welt hineinnehmen und ihr daran Anteil geben: „Vater, ich will, daß, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast“ (V.24).

Wir wissen, dass der Himmel nicht nur der Bereich über den Wolken ist, die erst blaue und dann tiefschwarze Unendlichkeit. Wir können etwas ahnen von einem Himmel in unserer Seele, unserem Herzen, unseren Gefühlen. Wenn „der Himmel voller Geigen hängt“ oder „Tränen weint“, drücken wir bildlich etwas von unserem inneren Zustand aus.

Jesus in uns zu haben bedeutet, den Himmel in uns zu haben, in unserem Herzen, unserem Verstand, von ihm ganz durchdrungen zu sein; dann beginnt in uns etwas zu wirken. Der evangelische Theologe Gerhard Ebeling hat es so formuliert: „Nicht wo der Himmel ist, ist Gott, sondern wo Gott ist, dort ist der Himmel“.

III.

Die Menschen der Welt, die an Jesus glauben, haben seine Lehre verinnerlicht. Sie stellen die Liebe zu den Menschen über alles; sie wollen friedfertig leben; sie sehen auch in den Tieren Mitgeschöpfe Gottes; sie bemühen sich, die Erde als Gottes ihnen anvertraute Schöpfung zu bewahren – und versuchen, sogar ihren Feinden zu vergeben. Es gelingt ihnen nicht alles, und sie machen viele Fehler, aber einen niemals: Sie erkennen nur Gott und Gott allein als höchste Autorität an; niemand und nichts ist für sie mit mehr Herrlichkeit verbunden.

Solch eine Einstellung ist jeder anderen Macht unerträglich. Es sind bis heute die kleinen und großen Diktatoren, welche die Kirche fürchten und sie verbieten. Oder die Menschen, die eine Ideologie erfinden, die ihre eigene Macht fördert; sie machen die Kirche oft lächerlich und zerstören, was ihnen ihre Macht nehmen und darum gefährlich werden kann.

Jesus geht an Himmelfahrt die innige Verbindung mit Gott ein; diese ist eine starke Verbindung voller Liebe; sie lässt eine Schar von Menschen zurück, die um die „Kraft der Liebe“ wissen, ja von ihr regelrecht angesteckt sind und ihr Leben davon bestimmen lassen. Sie sind von der Liebe Gottes berührt, und sie geben sie weiter im Sinne einer Kultur der Liebe.

Die Kette dieser Kultur von den Anfängen bis zu uns ist keine Kette, die Menschen in Fesseln legt oder Türen verschließt; sie ist ein Band der Liebe, das Menschen weltweit verbindet und sie anhält, achtsam miteinander umzugehen und auf Frieden in privaten und öffentlichen Bereichen bedacht zu sein. Dann erfüllt sich auch der letzte Satz aus unserem Predigttext, dem Gebet Jesu: „damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen“.

Darum verbindet Jesus die Bitte um Heiligung mit einer weiteren: „Wie du mich gesandt hast in die Welt, so sende ich sie auch in die Welt (V.18). Zu ihm, der uns „Gottes Namen kundgetan“ hat, lasst uns unsere Herzen erheben und heute in seinem Mahl seine heilsame Nähe feiern.

Amen.

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