Kapitel im großen Glaubensbuch

Unverwechselbarer Name

Predigttext: Jesaja 43,1-7
Kirche / Ort: Leutershausen (69493 Hirschberg)
Datum: 15.07.2007
Kirchenjahr: 6. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrerin Sigrid Zweygart-Pérez

Predigttext: Jesaja 43,1-7 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

1 Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! 2 Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen. 3 Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner Statt, 4 weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe. Ich gebe Menschen an deiner Statt und Völker für dein Leben. 5 So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln, 6 ich will sagen zum Norden: Gib her! und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde, 7 alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.

Vorbemerkungen

Der Sonntag Der sechste Sonntag nach Trinitatis widmet sich in seinen Lesungs- und Predigttexten der Taufe. Während dies bei den neutestamentlichen Texten evident ist, stellen die alttestamentlichen Texte immer eine besondere Herausforderung für die christliche Verkündigung dar. Das Evangelium aus Matthäus 28 stellt die Verbindung zwischen Taufe und Verbreitung des Evangeliums in aller Welt her und dient als Grundlage für den Missionsauftrag der Kirche. Der sechste Sonntag nach Trinitatis im Jahr 2007 fällt auf den Sonntag nach der Wiederholung der Aussagen aus der Enzyklika „Dominus Iesus“ aus dem Jahr 2000 durch Papst Benedikt XVI, die evangelische Kirche sei nicht Kirche im eigentlichen Sinne, sondern bestenfalls „kirchliche Gemeinschaft“. Der Predigttext Der Predigttext aus dem 43. Kapitel des Jesajabuches ist Teil des sogenannten „Deuterojesajas“. Er richtet sich an die Exilierten in Babylonien, die dort in der zweiten Generation leben und dort zu einem gewissen Grad auch heimisch geworden sind. Der Verlust des Tempels von Jerusalem als „Wohnort“ Gottes wurde zwar von vielen auch als ein Abgeschnittensein von Gott empfunden. Gleichzeitig gilt die Exilszeit als „Geburtsstunde“ der Synagogen, in denen Gott auf eine ganz neue Weise erlebt und gefeiert wurde. Der Prophet, den wir als „Deuterojesaja“ bezeichnen, hat darum seine liebe Mühe, das Volk davon zu überzeugen, die Rückkehr in die alte Heimat gedanklich und praktisch vorzubereiten. Der Predigttext stellt eine Ermutigung dar, diesen auch als bedrohlichen Weg einzuschlagen. Die Predigt In unserer Gemeinde spielt die Tauferinnerung eine wichtige Rolle im gottesdienstlichen Leben. Zum Taufererinnerungsgottesdienst im Juni werden die Taufjubilare persönlich eingeladen, in der Osternacht wird Taufererinnerung in besonders dichter Weise gefeiert. Auch an diesem Sonntag wird das Taufbecken gefüllt mit Taufwasser im Mittelgang der Kirche stehen. Die Predigt will die Zusage Gottes, die Gott seinem Volk Israel gegeben hat, für uns als Getaufte hörbar machen. Es ist allein seine Zusage, die uns zu Glaubenden, zur Gemeinschaft der Getauften und damit zur Kirche macht.

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Liebe Gemeinde!

Ein kleines Kind liegt auf dem Arm seiner Patin, ziemlich erschrocken, weil es gerade unvermittelt drei Hände voll Wasser über die Stirn gegossen bekommen hat. Es weiß nicht recht, ob es weinen oder doch lieber wieder schlafen soll: das ist der Moment, in dem ich dem kleinen Täufling diese Worte zuspreche, während ich ihm die Hand zum Segen auf den Kopf lege: So spricht der Herr, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Immer wieder empfinde ich, dass der Augenblick dieser Zusage als der innigste und stärkste empfunden wird bei der Taufe. Von den Eltern, die ihr Kind für diesen Moment aus ihren eigenen Armen in den der Patin oder des Paten gelegt haben und spüren: hier wird meinem Kind etwas mitgegeben, was unsere elterliche Liebe und Fürsorge sogar noch übersteigt.

Auch von den Paten, die oft hin und her gerissen sind zwischen Rührung, Stolz und der Erkenntnis, dass sie mit der Patenschaft eine ganz besondere Aufgabe übernehmen, die sie als ganze Person fordert. Die auch in diesem Moment spüren: gut, dass dieses Kind auf meinem Arm ganz und gar in Gottes Hand geborgen und aufgehoben ist.

Wir sind von Gott bei unserem Namen gerufen

Längst sind die Zeiten vorbei, in denen Kinder in den ersten Lebenstagen getauft werden und die Taufe noch mit der Namensgebung verbunden wird. In Königshäusern erleben wir das höchstens noch, dass der Name eines kleinen Prinzen oder einer kleinen Prinzessin bis zur Taufe geheim gehalten wird. Bei uns „Normalsterblichen“ ist der Name eines Kindes manchmal schon vor der Geburt festgelegt und sogar der Familie und guten Freunden schon bekannt. Spätestens im Kreißsaal fragt die Hebamme: „Und, wie soll’ s denn heißen?“

Die Nennung des Namens des Kindes spielt aber bei der Taufe bis heute eine wichtige und unverzichtbare Rolle. Es geht um diesen einmaligen, einzigartigen Menschen. Nicht um einen von vielen, sondern genau um diesen Menschen, der zur Taufe gebracht wird – oder natürlich selber um sie bittet, sofern er schon größer ist. Es geht um diesen Menschen, der seinen Namen viele Tausend Mal hören wird im Laufe seines Lebens: freundlich und zärtlich ausgesprochen, aber auch manchmal geschrieen oder verhunzt. Der seinen Namen schön oder vielleicht auch ganz unpassend finden wird. Wie auch immer: da ist jemand, der seinen Namen in einer unvergleichlichen Weise ruft. Der in diesen Namen ein Maß an Liebe legt, das alle Finsternis, alle Angst, alle Schuld in sich aufsaugt. Der mit dem Rufen dieses Namens die Zusage verbindet: egal, was auch geschehen wird – ich bin bei dir. Nichts kann mich daran hindern, ganz und gar für dich da zu sein. Und niemand wird dich aus meiner Hand reißen – du bist mein!

Gottes Zuspruch bewahrt uns nicht vor Gefahr, er bewahrt uns aber in ihr

Ich weiß nicht, wie es Ihnen mit Ihren Namen geht, liebe Gemeinde. Ich fand meinen immer schön, fand auch, dass er gut zu mir passt, bedeutet er doch angeblich in unser heutiges Deutsch übersetzt: sieghafte Reiterin. Und auch als mir mal jemand sagte, dass Sigrid ein unheimlich hart auszusprechender Name sei, hat mich das nicht wirklich angefochten. Aber das schönste für mich an diesem Namen ist, dass ich von ihm weiß: Gott kennt diesen meinen Namen. Auch mir ist zugesprochen: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Gott ruft mich bei meinem Namen, und wenn ich durchs Wasser gehen muss, dann ist er bei mir.

Sein Rufen bewahrt mich nicht davor, dass ich manchmal im Leben das Gefühl habe: das Wasser steht mir bis zum Hals, ich habe Angst in dem unterzugehen, was mich da von allen Seiten bedrängt. Auch wenn ich von ihm unendlich geliebt bin gibt es Augenblicke, Zeiten, Lebensabschnitte, in denen ich vor Schmerz, Trauer oder Angst zu verbrennen drohe. Aber mein Gott, der Heilige Israels, mein Heiland ist dabei und lässt mich nicht allein. Dafür steht das Kreuz, dass wir bei der Taufe auf die Stirn des Täuflings zeichnen.

Gottes Zuspruch gilt zuerst seinem Volk Israel

Halt, höre ich kritische Predigthörerinnen und –hörer jetzt innerlich rufen: vom Kreuz ist hier in diesem Predigttext doch überhaupt nicht die Rede. Und überhaupt: die Zusage wird von uns Christen ja immer gekürzt, in dem wir die Namen derer weglassen, denen diese Zusage ursprünglich gegeben wurde: dem Volk Israel!

In der Tat, wir haben es ja ganz zu Beginn der Predigt gehört und können es auf dem Gottesdienstblatt schwarz auf weiß nachlesen. Dort schreibt der Prophet: Und nun spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Es sind die ins Babylonische Exil geführten Bewohnerinnen und Bewohner des Staates Juda, an die sich die Worte richten, die wir heute als unseren Predigttext hören. Schon in der zweiten Generation leben sie dort in Babylon, haben sich auf diese Situation eingestellt, sich auch ein Stück weit in ihr eingerichtet, als der Prophet, den wir den zweiten Jesaja nennen, ihnen verkündet, dass dieses Exil bald zu Ende sein wird. Dass sie sich bereit machen sollen zur Heimkehr in ein Land, das sie aus eigenem Erleben schon gar nicht mehr kennen. Diese Rückkehrt flößt ihnen darum mindestens so viel Angst ein wie freudige Erwartung, haben sie doch keine Ahnung, was sie in der alten Heimat erwarten wird und ob sie dort überhaupt willkommen sein werden.

Es kostet den Propheten viel Werben, viel Locken, viel Bestärkung, um die Begeisterung zu wecken, die nötig ist für so einen mutigen Schritt auf einen unbekannten Weg. Unsere Jahreslosung, die wir am vergangenen Sonntag auf so originelle Weise vom Artisten „Mr. Joy“ veranschaulicht bekommen haben, gehört übrigens auch in den Zusammenhang unseres Predigttextes: Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?

Tatsächlich: die Verbannten dürfen wenig später nach dem Sieg des Perserkönigs Kyros über das Babylonische Großreich in ihre Heimat zurückkehren. Sie werden den zerstörten Tempel in Jerusalem wieder aufbauen, das Symbol für die Treue Gottes zu seinem Volk, die er nie und nimmer aufgeben wird. Ja, es ist das Volk Israel, dem diese Zusage unseres Predigttextes zu allererst gegeben ist, die ihm zuallererst gilt bis heute. Durchs Wasser musste das jüdische Volk immer wieder gehen und die Flammen drohten es ein für alle mal auszulöschen. Aber Gott hat es bei seinem Namen gerufen. Er war mit in den Konzentrationslagern und den Gettos, mit in den Gaskammern und den Krematorien. Nichts und niemand konnte das verhindern, mit welcher Macht des Bösen er das auch versucht hat. Du bist mein!

Durch die Taufe werden wir als Christen mit hinein genommen in die Geschichte Gottes mit seinem Volk

Und doch dürfen wir darauf vertrauen, dass auch uns diese Zusage gilt: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein! Unsere ganze Beziehung zu Gott beruht ja auf dieser Zusage, dass wir durch seinen Sohn, durch das Leben, den Tod und die Auferstehung des jüdischen Zimmermanns von Nazareth mit hinein genommen sind in die Geschichte Gottes, die er mit seinem Volk Israel begonnen hat. Unser Glaube ist keine Erfindung um das Jahr 0 unserer Zeitrechnung, sondern ein neues Kapitel in dem großen Glaubensbuch, dass schon lange vor dem Bau der ersten christlichen Kirche aufgeschlagen wurde.

Mit unserer Taufe werden wir zu einem Zweig am Ölbaum Gottes, den er gepflanzt hat, wie es der Apostel Paulus im Römerbrief beschreibt. Mit unseren jüdischen Schwestern und Brüdern dürfen wir darauf vertrauen, dass unser Name im Himmel geschrieben steht, dass er es ist, der uns begleitet durchs Wasser und durchs Feuer. Und dass er es einst sein wird, der uns beim Namen rufen wird, so dass wir ihn in seiner ganzen Herrlichkeit sehen werden.

Jedes Mal wenn wir ein Kind taufen, geschieht diese unwiderrufliche Zusage Gottes zu einem Menschen aufs Neue. Erfahren auch die, die diese Taufe miterleben, aufs Neue: ja, auch mir gilt diese Zusage. Darum ist die Taufe so ein wichtiges Geschehen im Leben der Gemeinde. Durch sie wächst nicht nur die Gemeinde, durch sie wird das Evangelium von der Liebe Gottes anschaulich, hand-greiflich, unübersehbar.

Das Wort Gottes schafft Glauben und damit Kirche

Wo diese Liebe Gottes weitergegeben wird, wo sie verkündet wird, wo sie gefeiert wird im Abendmahl und wo sie einem Menschen zugesprochen wird in der Taufe, da ist Kirche. Das glauben wir als evangelische Christen. Für uns bleibt die Weitergabe dieser großen Zusage Gottes an uns Menschen, die in Jesus Christus sichtbare Gestalt angenommen hat, das Kriterium dafür, ob es Kirche gibt oder nicht. Keine Sukzession garantiert Kirche, sondern die Lebendigkeit des Wortes, das Glauben weckt, stärkt und Menschen in die Gemeinschaft der Glaubenden führt.

Wir dürfen heute die Zusage Gottes hören: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Auf diese Zusage dürfen wir vertrauen. Und sie weitergeben an alle Welt. Wir gehören zu ihm. Ob der Papst uns nun als Kirche anerkennt oder nicht. An Gottes Zusage ändert das überhaupt nichts. So selbstbewusst dürfen und müssen wir das vertreten.

Ich freue mich schon auf den kommenden Sonntag, wenn wir im Waldgottesdienst drei kleinen Kindern diese Worte auf den Lebensweg geben dürfen. Wenn ihre Eltern und Paten sie Gottes Liebe und der Gemeinschaft der evangelischen Gemeinde anvertrauen. Und wir uns mit ihnen neu auf Gottes Versprechen verlassen: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Amen.

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