“Das Heil kommt von den Juden”
In Aufnahme der Sehnsucht des Volkes, aus dem Jesus und damit das Heil kommt, sprechen wir von Jesus als dem Messias, dem gesalbten König, dem Christus
Predigttext: Johannes 4,19-26 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
(19) Die (samaritanische) Frau spricht zu Jesus: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. (20) Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll. (21) Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. (22) Ihr wisst nicht, was ihr anbetet, wir wissen aber, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden. (23) Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn der Vater will solche Anbeter haben. (24) Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. (25) Spricht die Frau zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn dieser kommt, wird er uns alles verkündigen. (26)Jesus spricht zu ihr: Ich bin´s, der mit dir redet.Zum Predigttext
Die samaritanische Frau, der Jesus ihre Männergeschichten vorgeworfen hat, sieht in ihm nun einen kompetenten Ansprechpartner, einen Propheten, von dem eine sachgemäße Antwort auf einen alten Konflikt zu erwarten ist. Zwischen den Samaritanern und den Juden ist der Ort der Anbetung bis heute kontrovers. Die Samaritaner sehen auf die beiden Berge Ebal und Garizim und hatten auf dem letzteren ihren Tempel gebaut, auch wenn der schon seit ca. 128 vor Christus vernichtet war. Für den Evangelisten ergibt sich aus der Frage der Frau ein Lehrgespräch über die wahre Gottesanbetung, für die auch der Tempel in Jerusalem – sicher bei Abfassung des Evangeliums schon zerstört – ohne Belang ist. Der Evangelist hat mit seinem Werk bei dem Logos eingesetzt, der das wahrhaftige Licht ist, das alle Menschen erleuchtet (1,9). Nach der Offenbarung dieses Wortes, das von Gott kommt, bei Gott und praktisch selbst Gott ist, nach der Erhöhung Jesus ans Kreuz (12,32), sollen alle zu ihm hingezogen werden, und das heißt, sie sollen die Wahrheit sehen und mit dem Geist erfüllt werden, der den Vater erkennen lässt und zum Vater beten lehrt (Römer 8,15). Wie bei Paulus aus dem Geistempfang der Ruf „Abba, lieber Vater“ erwächst, so betont auch Johannes die Verbundenheit mit dem Vater im Geist und in der Wahrheit, „denn der Vater will solche Anbeter haben“. Der Vater ist zuerst der Vater Jesu Christi, es gibt zu ihm keinen anderen Weg als den durch den Sohn, „und niemand kennt den Vater als nur der Sohn, und wem es der Sohn offenbaren will“(Matthäus 11,27). Damit stellt sich zugleich die Frage nach dem „Heil“. Die junge Christenheit hat den klaren Satz geprägt: „Und in keinem andern ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den sie sollen selig werden“.(Apostelgeschichte 4,12) Johannes bringt es ähnlich deutlich zum Ausdruck: „Ihr wisst nicht, was ihr anbetet, wir wissen aber, was wir anbeten.“(V 22) Es hängt alles an dem Logos, an dem fleischgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Sohn, der allein zum Vater führt. Aber genau in diesem Vers steht noch ein Nachsatz, ausgerechnet durch „denn“ mit dem Vordersatz verbunden: „denn das Heil kommt von den Juden“. Bultmann geht der Schwierigkeit allzu leicht aus dem Weg: „V 22 ist ganz oder teilweise eine Glosse der Redaktion.“(S. 139) Barrett widerspricht: „Es braucht nicht angenommen zu werden, dass irgendein Teil dieses Verses eine Glosse zu der Erzählung sei, in welcher die Kirche spricht (wie in 3,11), die ihren wahren Gottesdienst gleichermaßen im Gegensatz zu dem der Juden und Samaritaner sieht... `Die Seinen` lehnten Jesus tatsächlich ab, aber Johannes lässt keinen Zweifel daran, dass er zu ihnen kam oder sie die Seinen waren.“(S. 255) Es ist schon richtig, dass hier - durch Johannes – die Kirche spricht, die die Einzigartigkeit ihres Heilsmittlers hervorhebt, aber bei allen Evangelisten wurde die Verbindung Jesu zu seinem Volk immer festgehalten, und die Kirche hat sie gegen alle Angriffe wie von Marcion oder auch Barnabas verteidigt. Johannes macht trotz seiner kritischen Worte über „die Juden“ keine Ausnahme. Es gehört für ihn zu der Fleischwerdung des Logos, dass Jesus vom jüdischen Repräsentanten Johannes, dem Täufer, angekündigt wurde (sogleich im Prolog 1,4), dass das mosaische Gesetz zu den Grundlagen gehört (auch im Prolog 1,17), dass aus Nazareth auch Gutes kommt (1,46), dass das Heil also seinen geschichtlichen Ursprung in dem Volk Israel hat, eben von den Juden kommt. Wir sollten am „Israelsonntag“ keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass Gottes Wort seine Geschichte hat, Jesus aus Israel kommt, am Kreuz auf Golgatha vollendet - „erhöht“ - wurde. Weil das Wort Fleisch wurde, führt es uns, die Fleischgeborenen, zu dem Geist und in die Wahrheit. Die Tempel sind vergangen, aber das Volk Israel ist trotz aller teuflischen Versuche nicht vergangen, und in seiner Geschichte gründet Jesu Weg, der uns in die Wahrheit führt. Und die Juden bleiben das Volk, dem Gott die Treue hält. „Wir wissen aber, was wir anbeten“. Wir gehen zu Gott über die Brücke des Christus, der als Sohn der Weg zum Vater ist – nicht zuletzt durch das Gebet, das uns „Vater“ sagen lässt –, der als Zeuge die Wahrheit über Gott offen legt – damit auch die Wahrheit über uns - und der als Auferstandener Leben schenkt – Leben für uns als die von Gott geliebten Kinder. „Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben“ ...die „von Gott geboren sind“. (1,12f) Dem Johannesevangelium geht es auf jeder Seite immer um ein Gleiches, das vielfältig aufgefächert wird. Wir entsprechen ihm nicht, wenn wir aus diesen konzentrischen Kreisen heraustreten und nach Anderen fragen, von denen wir uns abgrenzen wollen. Wir müssen nicht andere Konfessionen oder Religionen verdammen, sondern können bezeugen, dass wir in Christus Gott, und damit Heil und Leben gefunden haben. „Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.“(17,26) Mögen in seines Vaters Hause viele Wohnungen sein(14,2), für uns ist durch den Sohn der Weg bereitet, die Wahrheit offenbart und das Leben geschenkt. Damit braucht es keine Diskussion über andere, der Anbetung würdige Tempel . Uns genügt, das Lob dessen zu verbreiten, der die Welt also geliebt hat, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben (3,16).Literatur
(Kommentare): Rudolf Bultmann, Das Evangelium des Johannes, Göttingen 1952. - Charles Kingsley Barrett, Das Evangelium nach Johannes, Göttingen 1990.Lied zur Predigt:
„Vater unser im Himmelreich“ (EG 344)Liebe Gemeinde,
Garizim oder Jerusalem
Garizim oder Jerusalem, Rom oder Wittenberg, Mekka oder Bali? Es gibt diese Fragen, und es gibt auch diesen Hunger nach der rechten Gotteserkenntnis. Was wissen wir denn schon, was richtig ist, was Gott, was Leben ist, was wir selber sind? Unsere Weltbetrachtung nennen wir neuerdings global, und der Blick auf die Götter dieser Welt wird es auch.
Es hat eine gewaltige Ausbreitung des Christentums gar nicht lange nach Jesu Tod und Auferstehung in Vorderasien, Europa und Afrika gegeben. Aber auch der Islam breitete sich gar nicht lange nach Mohammeds Tod im vorderen Orient, in Afrika und Asien aus. Die christliche Mission war zunächst friedlich, sogar immer wieder stark behindert von der Macht des Römischen Reiches. Die islamische begann gleich mit Feuer und Schwert. Daneben stand damals und steht bis heute eine Glaubensrichtung, die sich kaum der Mission bedient hat und doch trotz vieler teuflischer Anschläge durch die Zeiten Bestand hat: das Judentum.
Wer hat denn nun Recht? So fragt nicht nur die Frau am Jakobsbrunnen in Samaria, von der unser heutiger Text handelt, so fragen bisweilen die Schüler in den Schulen und so lauten heute auch viele Fragen in den Gemeinden, zumal von Touristen, die die fremden Religionen neugierig bestaunen. Leider fragen viele auch gar nicht mehr, weil sie gleichgültig geworden sind: soll doch, nach dem Diktum des großen Preußenkönigs, jeder nach seiner Facon selig werden. Der wahre Ring – das Kennzeichen der einzigen rechten Religion – ging er nicht, nach Lessings berühmter Parabel, vermutlich verloren? Schließlich gibt es auch noch Tausende, in der Mehrzahl wohl vor allem wohlhabende Menschen, denen das alles nichts angeht: „Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“
Woher kommen wir?
Und doch sind wir, liebe Gemeinde, Geschöpfe, die nicht aus eigenem Willen auf die Welt – auf diese und keine andere Welt – gekommen sind. Müssen wie darum nicht danach fragen, woher wir kommen und wohin wir gehen? Unter uns leben Menschen, die nichts von ihren leiblichen Vätern wissen und doch bis hin zur Gen-Analyse forschen, was für Vorfahren sie haben. Wir sollten auch nach unserem eigentlichen Woher, nach unserem Vater im Himmel, nach dem Schöpfer Himmels und der Erde fragen. Aber kommen wir da weiter? Wenn es mir keiner sagt, woher soll ich es dann wissen?
Wir haben uns nicht selbst erschaffen, und wir leben nicht in einem luftleeren Raum. Wir sind bestimmt durch Generationen vor uns und eingebunden in eine ganz bestimmte Geschichte. In unserem Kulturkreis kann man, wenn man von anderen Einflüssen absieht, sagen, dass diese Geschichte eigentlich mit den Juden beginnt, mit den uralten Überlieferungen des Volkes Israel. Dieses Volk hat immer wieder Kunde von seinem Ursprung her, von seinem Gott gewonnen. Es hat Jahrhunderte hindurch buchstabiert, was ihm gesagt wurde. Seine Angehörigen sind bis heute Menschen des Wortes. Sie können – und das verlangt uns Respekt ab – mit Worten umgehen.
Der Evangelist Johannes erkennt das neidlos an und bezieht es auf den, der ihm das Wort Gottes vermittelt hat und eben auch aus diesem Volk kommt: „Das Heil kommt von den Juden“. Die Botschaft von Gott ist im sogenannten Alten Testament in manchmal verwirrenden, manchmal auch verstörenden Geschichten enthalten, aber sie macht sich Bahn beim Hören auf den Ursprung, aus dem sie sich erhebt. Sie ist auch eine Geschichte des Kampfes mit der überwältigenden Macht, die sich da meldet. Der Ehrenname Jakobs, des Stammvaters der Juden ist Israel, auf deutsch „Gottesstreiter“. Er bezeichnet den Kampf mit und um Gott.
Das Wort von Gott
Israel hat mit Gott gerungen, es hat die Irrungen und Wirrungen seiner Väter nicht unterdrückt, aber es hat uns herrliche Zeugnisse des Hörens auf Gottes Wort überliefert. Und in der Mitte des Volkes ist ein Wort entsprungen, das weit über seine Grenzen hinausgeklungen ist, das in alle Welt gegangen ist. Unser Evangelium nennt es das Wort schlechthin, griechisch den Logos: das Wort, das im Anfang war, das bei Gott war und für uns Gott ist, weil es wie kein anderes Gott, den Allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erden, zur Kenntnis bringt.
Es hat lange gebraucht, bis die Menschen realisiert haben: Das, was sich hinter jedem Strauch verbirgt, was in jeder Blume spricht, aber auch in Erdbeben und Gewitter und zumal in jedem menschlichen Geschick, das hat einen schöpferischen Ursprung, der weit dahinter liegt und uns doch nahe kommt. Die Menschen haben viele Namen für diesen Ursprung gesucht und viele Botschaften darüber gehört. Israel hat den einzigartigen Namen des Gottes, der die Welt geschaffen hat, vernehmen dürfen. Für uns hat er dazu einen neuen Namen bekommen, den Namen dessen, der davon so anders geredet hat, dass er seine Jünger und deren Nachfolger überzeugte, so dass mit dieser Botschaft alle Welt erfüllt wurde. Der Name Jesus von Nazareth steht für uns für Gott. In Aufnahme der Sehnsucht des Volkes, aus dem er und damit das Heil kommt, sprechen wir von ihm als dem Messias, dem gesalbten König, dem Christus.
Nach unserem heutigen Predigttext bekommt die Frau, die die Tempel auf ihre Glaubwürdigkeit hin vergleichen will, eine ganz neue Sicht geboten. Sie soll im Geist und in der Wahrheit anbeten lernen. Ja, ich weiß, da gibt es die skeptische Einrede des römischen Statthalters Pontius Pilatus: „Was ist Wahrheit?“ Aber es gibt auch das vielfältige Zeugnis, das sich trotz römischer Verfolgung und Unterdrückung durchgesetzt hat: Dieser Christus bringt einen neuen Geist, er zeigt einen neuen Weg und er verkörpert eine Wahrheit, die aus Lüge und Tod löst und ins Leben führt.
Der Vater
Wie das? Wenn wir unseren Text ernstnehmen, dann gipfelt der neue Weg, die neue Wahrheit, das neue Leben in einem einzigen Wort: Jesus spricht vom Vater. Damit hat er unseren Ursprung, unser Woher und unser Wohin benannt. Wir haben das Leben von diesem Vater. Wir bekommen das Beispiel eines Kindes dieses Vaters von Jesus vor Augen geführt. Christus ist das Geschenk der Liebe dieses Vaters an alle seine Kinder, so dass der Evangelist in seinem großen Brief, der neben seinem Evangelium in unserem Neuen Testament überliefert ist, auch diesem Vater einen neuen Namen geben kann: „Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“.
Wir bekommen durch Jesus Christus die Verbindung zu unserem Ursprung, zu Gott, dem Schöpfer Himmels und der Erden. Als seinen besonderen, seinen geliebten Kindern gibt er uns einen neuen gewissen Geist, in dem wir den an sich so fernen Gott ganz in der Nähe so anbeten können, wie Kinder mit ihren Eltern reden. Wir verlassen uns auf die in Jesus Christus bezeugte Liebe Gottes. Wir beten mit den von ihm geschenkten Worten: Unser Vater im Himmel.
„Es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben.“ Und so erhebt sich bei unseren Gebeten, in unseren Gottesdiensten, Taufen, Trauungen und Beerdigungen vielfältig der Ruf zu dem, von dem wir kommen, zum Vater im Himmel. Wer so betet, braucht nicht nach dem rechten Ort der Anbetung zu fragen. Er hat das rechte Wort der Anbetung. Von dem Vater haben schon die Juden etwas gewusst, Jesus Christus hat ihn mit seinem Gebet den Menschen aus allen Völkern geschenkt. Und so sind wir durch ihn Christen, Gottes Kinder, wissen um Weg, Wahrheit und Leben und kommen zu Gott, zu unserem Ursprung, zu dem Vater, der uns liebhat.