Gottes Advent

Die gute Botschaft steht vor uns als unsere Hoffnung

Predigttext: Jesaja 52,7-10
Kirche / Ort: Karlsruhe
Datum: 23.12.2007
Kirchenjahr: 4. Sonntag im Advent
Autor/in: Kirchenrat Pfarrer Heinz Janssen

Predigttext: Jesaja 52, 7-10 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

7 Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König! 8 Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und rühmen miteinander; denn alle Augen werden es sehen, wenn der HERR nach Zion zurückkehrt. 9 Seid fröhlich und rühmt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der HERR hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst. 10 Der HERR hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, daß aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.

Exegetische Hinweise zum Predigttext

„Bei einer Übersetzung und Erklärung dieses Textes ist es nur sehr schwach und unvollkommen möglich, den strahlenden Jubel wiederzugeben, den der Text zum Ausdruck bringt. Man muß ihn sich gesungen vorstellen. Er ist das Responsorium auf das letzte große Gedicht 51,9-52,3. Wenn in diesem der Klage Israels ein Ende gesetzt wird, so antwortet darauf der Jubel dieses Liedes.“ (C. Westermann, ATD 19, 2.Aufl., Göttingen 1970, S.201). Mit diesen wenigen Worten umschreibt Claus Westermann die Gestimmtheit der wunderbaren Perikope und ihre Stellung im Kontext. V.7 besingt den Boten (mebasser), der Frieden (schalom), Gutes (tob) und Heil (jeschu´a) hören lässt (schama´ hif.)/verkündigt/predigt. Man verbindet mit diesem Boten gern den unbekannten Propheten („Deuterojesaja“), der sich in Jes 40-55 zu Wort meldet und oft der „Evangelist des Alten Testaments“ genannt wird. Seine gute und heilvolle Friedensbotschaft berührte die Herzen und fand immer wieder Gehör, bis heute. In dem hebräischen Wort für „Heil“ klingt der Name Jesus an, der „Gott hilft, rettet, heilt“ bedeutet. Inhalt der prophetischen Botschaft, die zuerst an das in Trümmern liegende Zion ergeht, ist der Ausruf „Dein Gott ist König geworden“. Wenn Gott regiert, ist Frieden, kann ganz werden, was entzweit ist, wird alles gut, und nichts ist hoffnungslos oder rettungslos verloren. Klingt in V. 7 die Stimme des Boten mit der guten Nachricht/Evangelium an, so ist es in V.8 die Stimme der „Späher“ (zophae) auf den Stadtmauern, „zum Hören kommt das Sehen…, so wird nun sichtbare, greifbare Wirklichkeit, was Israel so lange nicht glauben, nicht fassen konnte“ (C. Westermann, a.a.O., S.203). Die Späher sehen die „Rückkehr/Hinwendung“ (schub) JHWHs zum Zion, sie schauen den „Advent“ Gottes. Die Wüste blüht, auf den Trümmern, mitten im Scheitern, baut Gott die Stadt der Hoffnung. Sein Reich ist nicht von dieser Welt. Dann der Aufruf zum Jubel. Mit der Stimme des Boten und mit den Stimmen der Späher sollen sich die Stimmen der Trümmer Jerusalems zu einem mächtigen Chor verbinden, der nicht überhört werden kann. Die Trümmer sollen Jubeln. Sie sind nicht das Ende, sondern Neubeginn. Der Aufruf sucht die Gefangenen, damals in Babylon fern von ihrer Heimat, heute die Gefangenen in ähnlichen und anderen Lebenssituationen, die Verzweifelten, damals in der Fremde, heute in ähnlichen und anderen bedrängenden Umständen, die (Lebens-)Müden, damals in gnadenlosen Verhältnissen, heute in ähnlichen und anderen bedrängenden Lebenslagen. Die Vv.9b-10 sind Begründung des Aufrufs zum Jubel oder wie V.7b (malak `aelohajik / „dein Gott ist König geworden“) und V.8b („denn Auge in Auge sehen sie die Rückkehr/Hinwendung JHWHs zum Zion“) der eigentliche Inhalt des Jubels: V.9b JHWH hat sein Volk „getröstet“ (nchm nif.), hat Jerusalem „erlöst“ (g’l), V.10 JHWH hat seine Feinde besiegt (die Rede vom „Arm JHWHs“ ist Metapher für die überlegene Macht Gottes). Das Heil (jeschu´a) Gottes erweist sich als universal, weltumfassend, „katholisch“: „alle Enden der Erde sehen das Heil unseres Gottes“.

Lieder:

„Macht hoch die Tür“ (EG 1, besonders Strophen 2 „Er ist gerecht, ein Helfer…sein Königskron ist Heiligkeit, sein Zepter ist Barmherzigkeit“ und 3 „O wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat“) „Wie soll ich dich empfangen“ (EG 11) „Tochter Zion, freue dich“ (EG 13)

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Liebe Gemeinde!

Gegen Ende der fast vierzigjährigen babylonischen Gefangenschaft Israels im 6.Jahrhundert v. Chr. stand aus den Reihen des gefangenschaftsmüden Volkes ein Mann auf, der seinen unglücklichen Brüdern und Schwestern mit diesen Worten Befreiung und Heimkehr ankündigt. Sein Auftreten lässt sich sogar ziemlich genau in die Jahre zwischen 545 und 539 datieren. Es war jene Zeit, in der der mächtige Perserkönig Kyros II seinen Siegeszug durch die damalige Welt antrat. Nur seinen Namen wissen wir nicht mehr. Aber die Sammlung seiner Worte fand Eingang im Buch des Propheten Jesaja, in den Kapiteln 40 bis 55 – in deren Zusammenhang gehört auch unser heutiger Predigttext.

Leuchtsignal am dunklen Horizont

Mit dem, was der Prophet sagte, konnte sich der Unbekannte einen Namen bei all den Menschen machen, für die seine Worte wie ein Leuchtsignal am dunklen Horizont waren. Ein freudiger, fast überschwänglicher Ton schwingt in seiner Botschaft mit. Es drängt ihn geradezu nach Mitteilung. Aus einem unmittelbaren Erleben heraus muss er etwas weitersagen. In eindrucksvollen Bildern sah er, wie die Königsherrschaft seines Gottes anbrach und mit ihr die Befreiung seines Volkes.

Wir können es vor uns sehen: Ein Vorbote eilt über die Berge Jerusalem entgegen. Die Wächter auf den Zinnen sehen ihn von weitem herannahen. Seine Haltung, sein Gang, verrät es schon: Gute Nachrichten! Dann kommen sie, die fröhliche Schar der Heimkehrenden, ein Triumphzug des Glücks, begleitet, behütet, beschützt von ihrem Gott. Gott kehrt mit seinem Volk zurück nach Zion. Gutes, Freude und Friede kehren in die Stadt zurück. Jubel bricht unter den Wächtern aus. Sie rufen dem, was „in Trümmern“ liegt, zu: Es gibt Grund zu jubeln und sich von dem Jubel anstecken zu lassen.

Wider die Hoffnungslosigkeit

Welch eine Vision. Hat sie die Menschen in der Gefangenschaft erreicht. Haben die Gefangenen sich anstecken lassen? Viele schüttelten bestimmt den Kopf. Sie erwarteten eher eine Klagerede über die unglückselige Situation der Gefangenschaft. Sie forderten verständlicherweise eine „realistische“ Sicht der Dinge ein. Was sollten irgendwelche überschwänglichen Träume von einer wunderbaren Heimkehr. Als einer von ihnen, der schon Jahrzehnte mit ihnen in der Gefangenschaft lebte, hätte der Prophet doch einsehen müssen: Wir sind hoffnungslos verloren! Hat denn dieser Mensch vergessen, dass Jerusalem, die geliebte altehrwürdige Stadt, in Trümmern lag. Der Tempel, dieser Ort, an dem sie Gott ganz nahe sein konnten, war zerstört. Wahrscheinlich auf nur wenige Menschen sprang damals ein Hoffnungsfunke über und fing an, wie ein neues inneres Licht zu leuchten. Wie hätten wir reagiert?

Jener Unbekannte, der das wunderbare Geschehen schaute, wusste: Ich stehe vor Menschen, die keine Hoffnung mehr haben, vor Gefangenen, die vor ihrem Leben wie vor einem Trümmerhaufen stehen. Gefragt waren aber nicht seine Bedenken, kein Wenn und Aber, gefragt war allein sein Gehorsam vor Gott, weiterzugeben, was Gott ihn schauen ließ. So wurde er zum Freudenboten, zum Beauftragten, über dem Trümmerhaufen menschlicher Schuld, über unendlichem Leid, unerfüllten Träumen, Hoffnungen und Plänen die Königsherrschaft Gottes auszurufen, das Reich Gottes voller Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden.

Umbauen braucht Zeit

Wir wissen heute aus der Geschichte Israels, dass eintraf, was der Freudenbote ankündigte. Im Jahr 538 v. Chr. durfte das Volk in sein Land und in die heilige Stadt Jerusalem zurückkehren. Der triumphale Einzug, den der Unbekannte schaute, blieb allerdings aus. Die Gefangenen kehrten heim, betraten den Boden ihrer Heimat, aber die Königsherrschaft ihres Gottes blieb noch eigentümlich verborgen. Liegt es daran, dass Menschen damals wie heute die Trümmerhaufen menschlicher Schuld, leidvoller Erfahrungen und persönlichen Scheiterns nur langsam wieder – Stein für Stein – in Freude „umbauen“ können? Tröstung und Heilung brauchen Zeit, aus einem Funken Freude muss erst Zuversicht und Gewissheit werden. Leise begann die neue Zeit. Die Mitte der Nacht wurde zum Anfang eines neuen Tages. Gott war mit und bei seinem Volk, begleitete es auf allen seinen Wegen, auch und gerade auf den schwersten.

Wenn wir Menschen vor den kleinen oder großen Trümmerhaufen unseres Leben stehen, verweisen uns die Botschafter/innen des Ersten und des Zweiten Testamentes auf dieses in der Weltgeschichte herumgejagte Volk hin. An Israel sollen alle Völker sehen, wie Gott Frieden schafft. Wie Gott heilt, hilft, tröstet. Wie Gott aus Gefangenschaften erlöst, in schwierigen Zeiten und Lebenssituationen zu Visionen, zu Träumen, ermutigt und so Vertrauen schenkt, dass keine Dunkelheit ewig bleibt und ihre Tage gezählt sind.

Grund zur Hoffnung

Fünf Jahrhunderte später, nachdem die Vision von der Befreiung durch den Freudenboten verkündet wurde, wird unsere Aufmerksamkeit wieder auf einen Ort in Israel gelenkt. In der Erbärmlichkeit eines Stalles, in politisch und gesellschaftlich schwieriger Zeit, in dem kleinen Ort Bethlehem, kam ein Kind zur Welt. In diesem Kind fing die friedvolle, befreiende und menschenfreundliche Gottesherrschaft neu an zu wirken.

Ein Jerusalemer, er hieß Simeon, war von der heiligen Geistkraft Gottes darin bestätigt worden, dass er nicht sterben werde, bevor er nicht Christus, den Gesalbten, den König Gottes, gesehen hätte. Im Tempel hielt Simeon dann das Kind in den Armen und lobte Gott mit den Worten: Jetzt lässt du deinen Diener in Frieden ziehen, denn meine Augen haben dein Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast (Lukas 2, 29-32).

Dieses Evangelium, diese gute Nachricht, breitete sich in der Welt und durch die Zeiten aus. Die gute Botschaft steht nicht hinter uns als unsere Vergangenheit, sie steht vor uns als unsere Hoffnung (Friedrich von Bodelschwingh).

Diese Hoffnung dürfen wir aufstrahlen lassen, weitergeben in unserem Tun, mit dem, was wir sagen, mit unserer Liebe als christliche Gemeinde zu den Menschen und der Schöpfung, mit unserem Vertrauen zu Gott, „der Heil und Leben mit sich bringt“.

Amen

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