Weihnachten wird es in unseren Herzen
Dem starren Gesetz die Freiheit der Liebe entgegenbieten
Bibeltext: Galater 4,4-7 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
4 Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, 5 damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen. 6 Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater! 7 So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott.Vorbemerkungen zu Bibeltext und Kasus
Bibeltext Knecht oder Sohn/Kind. Gesetz oder Evangelium. Unmündigkeit oder Mündigkeit. - Jesu Fluchtod am Kreuz (Gal. 3,13) befreit aus der Unmündigkeit. Aus der Knechtschaft wird Sohn-/Kindschaft mit aller Erbberechtigung. Die Kindschaft offenbart sich durch den Geist in unseren Herzen, der uns "Abba, lieber Vater!" rufen lässt. Aus dem Anspruch der Mächte der Welt sind wir durch den Sohn befreit. Vom Gesetz in Beschneidung und als Heilsweg sind die Kinder Gottes erlöst. Die erfüllte Zeit ist die Frist, nach deren Ende die Unmüdigkeit aufgehoben wird. Die Kindschaft ist die neue Gottesbeziehung, die in Christus begründet ist. Sie eröffnet Freiheit im Geist des Gottessohns. Kasus Am 1. Weihnachtstag finden sich Menschen in der Kirche ein, die weniger im Gefühlsrausch des Heilig Abends zum Gottesdienst finden, sondern bewusst einer Predigt zuhören wollen. In der Zwiespältigkeit von Weihnachten zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Erwartung und Enttäuschung, Konsum und Spiritualität suchen Menschen Halt und Orientierung. Die Predigt will Impulse geben, ein vor Gott verantwortetes Leben in menschlicher Freiheit und göttlicher Geborgenheit zu gestalten.Gott will mit uns feiern
Weihnachten wird es in unseren Herzen. Die Beleuchtung in den Fenstern unserer Häuser sagt darüber ebenso wenig wie die Schönheit unseres Weihnachtsbaumes. Gewiss sind das vertraute Symbole einer besonderen Zeit. Aber ob sie nur Äußerlichkeiten darstellen oder einem religiösen Lebensgefühl Ausdruck verleihen, sei dahingestellt. Wer mag schon in das Herzen eines Menschen hineinschauen als Gott allein.
Das Besondere an Weihnachten ist, dass Gott uns einlädt, mit ihm zu feiern. Ob er uns damit – im wahrsten Sinne des Wortes – begeistern kann?! Dabei haben wir uns alle Mühe gegeben: Nette Dekoration, schöne Geschenke, feines Essen. Vielleicht haben wir sogar jegliche Misstöne vermieden und alle vorhandenen Zwistigkeiten für einen Moment vergessen. Gott wird es unzweifelhaft gefreut haben.
Weihnachten lenkt unsere Blicke in den Stall zu Bethlehem. Ein Kind ist dort geboren. Vor verdammt langer Zeit, an einem gänzlich unbedeutenden Ort dieser Welt. Engel haben es den Hirten verkündet. Weise sind dem Stern gefolgt. Herodes wollte das Kind töten lassen. Maria und Josef sind nach Ägypten geflohen. Das Gotteskind wird zum Mann und hat eine bewegende Botschaft für die Menschen: Gott ist die Liebe.
Der Geist von Weihnachten ist ein kindlicher Geist. Und manchmal muss man wie ein Kind werden, um etwas zu begreifen. Dieser kindliche Geist setzt uns in Beziehung. Er lässt uns zu Kindern werden. Ergreift dieser Geist unsere Herzen, erblicken wir in Gott unseren Schöpfer. In unseren Herzen sagen wir dann zu Gott “Abba, lieber Vater!” Und genau in diesem Moment spüren wir Weihnachten in unserem Herzen.
Wann immer uns das Kind Gottes begeistert, ist es Zeit zu feiern. Ganz gleich, ob wir hoffnungsvoll oder ängstlich gestimmt sind. Ob wir voller Erwartungen sind oder gerade an einer Enttäuschung leiden. Ob wir zuversichtlich nach vorne schauen oder resigniert in der Vergangenheit hängen. Es gilt zu feiern, dass uns das Gotteskind zu Kindern macht. Zu Kindern Gottes, die gewollt und geliebt, verstanden und geborgen sind.
Zur Freude befreit
Das Gotteskind, einst zum Manne geworden, wird der Welt ein unvergessliches Gleichnis erzählen: Ein Vater – zwei Söhne. Der Jüngere lässt sich auszahlen, sucht die Freiheit, zieht in die Fremde, gibt alles dran, wird mittellos, zum Knecht dekradiert, kehrt nach Hause, erlebt den ihm entgegenkommenden Vater, die ungetrübte Liebe, erhält die Zeichen der Sohnschaft, erlebt das große Fest.
Der Ältere bleibt in der häuslichen Geborgenheit, verrichtet gehorsam seine Arbeit, ist fleißig und bemüht, korrekt und gewissenhaft, lässt sich nichts zuschulden kommen, kommt vom Felde und versteht die Welt nicht mehr. Er sieht die Freude des Vaters und das Fest für den Bruder und grollt eifersüchtig. Also bleibt der ältere Sohn draußen, weigert sich zu freuen und mitzufeiern.
Eine gegenteilige Bewegung ist in diesem Gleichnis offenkundig: Der jüngere Sohn kehrt aus der Knechtschaft in die Kindschaft nach Hause. Des älteren Sohnes Kindschaft erweist sich dagegen als Knechtschaft, indem er draußen bleibt. Ihm fehlt noch die Reife, und vielleicht braucht das noch eine gewisse Zeit. Er will jetzt die Güte des Vaters nicht akzeptieren. Und deshalb kann er sich weder freuen noch mitfeiern.
Gott will mit uns Weihnachten feiern. Was steht dem im Wege? Was hindert uns daran? Es ist nicht jedermanns/-frau Sache, sich einladen zu lassen. Noch schwieriger mag es sein, sich gar beschenken zu lassen. Da gibt es innere Widerstände, die in die Ablehnung treiben. Es werden Argumente gegen das Weihnachtsfest formuliert und in Stein gemeißelt. Die Gefühle blockieren, das Herz verschließt sich.
Weihnachten kann schrecklich misslingen. Wenn die Erwartungen, die wir uns selbst setzen, zu hoch sind. Wenn wir uns überfordern mit dem Gedanken, es allen recht zu machen. Wenn wir nur angenehme Gefühle zulassen wollen und enttäuscht werden. Wenn wir selbst Weihnachten “machen” wollen. Wenn wir nur auf Äußerlichkeiten schauen. Doch lassen wir uns einladen. Lassen wir uns beschenken von dem Gotteskind.
Kommt und seht
Weihnachten lässt die Güte Gottes Kind werden. “In Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.” Die Güte, die sich in diesem Kind zeigt, ist die Liebe, die es in uns zu wecken vermag. Wer diesem Kind begegnet, wird das erfahren. Da ist kein Machtwort, das uns vorschreibt, was wir zu tun haben. Keine Vorschrift, wie wir Weihnachten zu feiern haben. Kein Gesetz, das unsere gewollte Freiheit einschränken will.
Kinder lösen sich irgendwann von ihren Eltern. Sie suchen die Freiheit. Es wird ihnen zu eng zuhause. Sie möchten auf eigenen Füßen stehen. Ihr Leben selbst gestalten. Für das, was sie tun, verantwortlich sein. Sich beweisen. Ihr Leben leben. Das gehört zur Reife. Das ist der Lauf der Dinge. Auch wir als Kinder Gottes müssen unseren Weg gehen. Diese Freiheit schenkt uns Gott und seinen Geist, doch geborgen zu sein.
Der Kirchenvater Augustin hat dieser Freiheit Ausdruck gegeben: “Liebe und tue, was du willst!” Dieser Gedanken bindet uns nicht an Gesetze. Engt uns nicht ein in Ängstlichkeit. Raubt uns nicht unsere Selbständigkeit. Verweigert uns nicht unsere Mündigkeit. Dieser Gedanke schenkt uns Fantasie und Lebensfreude. Er gesteht uns Verantwortung und Reife zu. Er öffnet unsere Herzen für die Notwendigkeiten des Lebens.
In dieser Weise können wir von Weihnachten her auf unseren Alltag schauen. Der Hartherzigkeit können wir die Güte Gottes entgegenbringen. Der Bitterkeit können wir die Lebensfreude entgegensetzen. Dem starren Gesetz können wir die Freiheit der Liebe entgegenbieten. Dergestalt verändert Weihnachten unser Leben. In kleinen Schritten reift ein Lebensgefühl, gegen alle Widerstände, vom Geiste des Gotteskindes geprägt.
Weihnachten wird es in unseren Herzen. In diesem Moment wird uns eine Freude begeistern, die uns überraschend ergreift. Die nicht von unserer Stimmung abhängig ist. Die nicht von uns gemacht worden ist. Die von jenseits unserer momentanen Verfassung herkommt. Die erkennt: Gottes Liebe schenkt mir Freiheit und Geborgenheit zugleich. Kommt und seht! Gottes Möglichkeiten sind immer wieder überraschend!