Grund ewiger Freude

Wenn Gott mit uns ist und wir in Gott, dann sind wir heilsam

Predigttext: Apostelgeschichte 10, 34a.36-43
Kirche / Ort: Hamburg
Datum: 24.03.2008
Kirchenjahr: Ostermontag
Autor/in: Pastor Christop Kühne

Predigttext: Apostelgeschichte 10, 34a.36-43 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

34 Da tat Petrus seinen Mund auf und sprach: 36 „Gott hat das Wort den Israeliten gesandt: das Evangelium vom Frieden durch Jesus Christus: Dieser ist über all(e) der Herr. 37 Ihr kennt die Geschichte, die in ganz Judäa geschehen ist und die in Galiläa begonnen hatte mit der Taufe, die Johannes der Täufer gepredigt hat: 38 Gott hat diesen Jesus von Nazareth mit heiligem Geist und Kraft gesalbt. Der ist dann umhergezogen und hat den Menschen gut getan und alle, die vom Teufel beherrscht waren, geheilt; denn Gott war mit ihm. 39 Und wir können alles bezeugen, was er im judäischen Land wie auch in Jerusalem getan hat. Diesen Jesus hat man getötet, indem man ihn ans (Schand-) Holz gebracht hat. 40 Doch Gott hat ihn am 3. Tag auferweckt und ihn sichtbar („manifest“) werden lassen - 41 nicht vor dem ganzen Volk sondern vor uns, den Zeugen, die von Gott vorher erwählt waren. Und wir haben mit ihm gegessen und getrunken, nachdem er von den Toten auferstanden war. 42 Und er hat uns aufgetragen, dem Volk zu predigen und zu bezeugen, dass er der von Gott bestimmte Richter ist der Lebenden und der Toten. 43 Von ihm bezeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen jedem, der an ihn glaubt, Vergebung der Sünden verliehen wird.“

Exegese

Der vorliegende Text stammt von „Lukas“, einem unbekannten hellenistischen Heidenchristen der nachapostolischen Generation. Er hat die Apostelgeschichte (Act) vermutlich gegen Ende des 1. Jh. - also etwa zwei Generationen nach dem Tode Jesu außerhalb Palästinas verfasst. Er wendet sich an griechisch sprechende Heidenchristen in Palästina und versucht, den Strang der Juden- wie auch der Heidenmission zu begründen. Dafür ist unser Text ein gutes Beispiel. Der Kontext unserer Perikope zeigt den Jünger Simon Petrus in der „Nachfolge“ seines Herrn: Wie Jesus zieht er durch sein Vaterland. Er vollbringt wie der Mann aus Nazareth „Machttaten und Wunder und Zeichen“ (Act 2, 23), wobei Heilungen und Exorzismen (wie sonst bei Lk) eng aneinanderrücken. Wie Jesus predigt Petrus das Wort Gottes in Häusern (vgl. Lk 5, 17ff Der Gichtbrüchige“). Die Predigt vor dem römischen Hauptmann wirkt in die schlichte Erzählung über die Taten des Petrus hineingesetzt: ein theologischer Christus-Beweis, der einerseits ein Abriss der Darstellung der Evangelien ist und andrerseits ein wenig fremd und „intellektuell“ wirkt: Der erste Satz ist das Thema: „Gott hat das Wort … gesandt, das Evangelium vom Frieden …: Dieser ist über all(es) der Herr“ (36iA). Johannäische Theologie scheint hier anzuklingen. Es folgt „die Geschichte“ Jesu, bei der Parallelen zwischen Petrus` und Jesu Taten evident sind. Das Ende Jesu, das alle kennen, unterscheidet sich von seinem Anfang, den nur die Jünger kennen: „Gott hat ihn am 3. Tag auferweckt“ – eine klassische Formulierung der christlichen Predigt und des christlichen Glaubens; vgl. das Credo in 1 Kor 15,4 mit dem Zusatz „gemäß der Schrift“. Dann folgen nachösterliche Episoden: die Jünger hätten mit dem Auferstandenen zusammen gegessen und getrunken (westl. Text:) und 40 Tage lang mit ihm verbracht. Schließlich der Missionsbefehl mit dem Hinweis, dass der Auferstandene der Richter der „Lebenden und der Toten“ ist. Den Abschluss bildet das Ziel der Predigt: mit einem Schriftbeweis (Jer 31,34) propagiert Petrus die Vergebung der Sünden für alle, die an Christus glauben. Somit formuliert Petrus das Wort Gottes – Christus – als Vergebung der Sünden.

Der Predigttext im Kontext

Act 9: Simon Petrus, Jünger von Jesus, zieht überall im judäischen Land umher und kommt schließlich „auch zu den Heiligen …, die in Lydda wohnten“. Dort heilt er den gelähmten Äneas. Das erfahren „alle, die in Lydda und in Scharon wohnten, und bekehrten sich zum Herrn“. Als im Nachbardorf Joppe – ca. 15 km nordwestlich von Lydda am Mittelmeer gelegen - die „Jüngerin“ Tabita stirbt, kommt Petrus in dieses Dorf und erweckt sie zum Leben. Daraufhin „kamen (viele) zum Glauben an den Herrn“. „Und es geschah, dass Petrus lange Zeit in Joppe blieb bei einem Simon, der ein Gerber war“. Act 10: Petrus wird mit „einigen Brüdern aus Joppe“ von Kornelius, einem „frommen und gottesfürchtigen“ Hauptmann der römischen Garnison von Joppe in die ca. 50km nördlich gelegene Hafenstadt Cäsarea (ca. 50 km) geholt, wo er vor diesem, seinen Verwandten und nächsten Freunden die Predigt Apostelgeschichte 10, 34a.36-43 hält. Diese Predigt verfehlt nicht ihre Wirkung: nachdem der Heilige Geist „auf alle, die dem Wort zuhörten“, gefallen war, befiehlt Kornelius, „sie zu taufen in dem Namen Jesu Christi“. Act 11: Petrus kommt nach Jerusalem zurück, wo es wegen dieses Kontakts mit einem Heiden zu großen Auseinandersetzungen und dann zur Trennung von Heiden- und Judenmission kommt.

Hinführung zur Predigt

Die nachösterliche Zeit ist biblisch gefüllt mit Geschichten und Episoden über Aktivitäten des Auferstandenen, über Wundertaten der Jünger und „übernatürliche“ Ereignisse. Um nicht in einen schwärmerischen Jesuanismus zu verfallen, der nur von einem „wohltuenden“ Wanderprediger oder einem magischen Uri–Geller-Vorläufer zu berichten weiß, sollte man zeigen, was es bedeutet, wie Jesus mit Gottes Kraft und Geist angesteckt zu sein und in diesem Geist zu leben und „umherzuwandern“, gleich gültig, welchen Beruf jemand hat. Also über die Ansteckung mit Gott wäre zu sprechen – und das schon jetzt, vor Pfingsten! Und um das Aufstehen sollte es gehen, das Auferstehen ins Leben und damit um den Abschied von den (alten) Geistern, die abhängig machen von Menschen, Dingen und Gedanken, die Leben zerstören und sinnlos machen. Um das Wagnis eines neuen Weges ins Leben wird es gehen – und dies nicht ohne Konflikt und Streit! Petrus wird dies auch noch erfahren (Kap. 11). Lieder: "Jesus ist kommen" (EG 66) "Halleluja – Freut euch, ihr Christen" (EG 182) "Hevenu shalom alechem" (EG 433)

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Liebe Gemeinde!

So muss das wohl damals gewesen sein. Denn so hat es uns „Lukas“ gegen Ende des 1. Jahrhunderts in seiner Apostelgeschichte erzählt: ein einzelner Jünger Jesu – Simon Petrus – wandert durch sein Vaterland Judäa, aber auch durch das verhasste Samarien, predigt, heilt, erweckt von den Toten und gewinnt Anhänger für seinen Glauben an Jesus Christus. Und es drängt sich das Bild des Wanderpredigers Jesus aus Nazareth auf. Auch er ist umhergezogen, hat gepredigt, geheilt, Tote wieder ins Leben gebracht und Menschen für das „Reich Gottes“ gewonnen. Somit wäre Simon Petrus der erste, der den Titel „Christ“ verdient hätte. Denn er handelt genauso wie Jesus Christus.

Der Appell an den Leser scheint unüberhörbar zu sein: Mache dich auf, ziehe durch dein Land, predige und heile „durch seinen Namen“, und so wird jedem, der an ihn glaubt, die Vergebung der Sünden zuteil. Freilich wird es auch den Nachfahren nicht an Konflikten fehlen: Schon Petrus wird wenig später in Jerusalem wegen seines Kontaktes zu einem römischen Hauptmann großen Ärger bekommen. Also einfach ist es nicht, für das Reich Gottes zu fischen.

Und doch ist es interessant, ein wenig tiefer in diese scheinbar so glatte Geschichte einzutauchen. Ist sie nicht zu glatt, als dass sie uns Heutige noch erreichen könnte? Wer von uns würde auf ein Wort Gottes hin zum Missionar des Evangeliums? Wer würde seinen Beruf hintanstellen hinter Heilen und Predigen?

Heilen ist ja heute wieder ein Handeln, das im Ärzte- und Heilpraktikerbereich neu in den Blick gerät: Was macht heil? Was ist Gesundheit? Salutogenese wird interessanter als Pathogenese. Überhaupt: Was ist Heilung? Die Leib-Seele-Diskussion ist wieder belebt: Was braucht die Seele, damit der Körper gesunden kann, was braucht der Körper, damit die Seele zu ihrem Recht kommt? Es ist eine Jahrzehnte lange Erfahrung, dass Psychotherapie nicht nur Seelsorge und Beichte weitgehend abgelöst hat, sondern heute auch säkulare Rituale für Versöhnung und Vergebung einsetzt.

Heilen und wohltuende Worte dienen der Gesundheit. Das hat Jesus praktiziert. Das hat dann auch sein Jünger Petrus „nachgemacht“. Und seine Erfahrung ist, dass sich heiliger Geist und Kraft ereignen – so wie Jesus bei seiner Taufe mit heiligem Geist und mit Kraft „gesalbt“ und zum Christus geworden ist. Und Salbung heilt an Leib und Seele.

Im Hause des römischen Hauptmanns heilt Petrus die Seele des Korne-lius, des Hausherren, sowie seiner Verwandten und nächsten Freunde. Wie macht er das? Er predigt das Wort Gottes. Was ist daran heilsam? Petrus unterscheidet zwischen den Zuhörern, „den Leuten“, einerseits und sich und den Jüngern Jesu andrerseits. Jeder hat von der Jesus-Geschichte gehört. Alle kennen die Vorgänge, die Auftritte, die Anschuldigungen, die mit diesem Jesus zu tun haben. Aber niemand war ihm wirklich nahe. Niemand hat mit ihm gegessen und getrunken und damit ein Stück Leben mit ihm geteilt. Was die Außenstehenden wirklich gewusst haben, ist nicht klar. Vielleicht waren es eine Menge Vorurteile, Meinungen, die man übernommen hat: Jesus ist ein merkwürdiger Heil-praktiker, der durch die Lande zieht und hier und da „Wunderheilungen“ praktiziert. Dann mag seine Rhetorik gerühmt worden sein, seine Fähig-keit, schwierige theologische Sachverhalte in kleine und klare Bilder zu gießen, die jeder verstehen konnte. Vielleicht gab es von ihm auch das Bild eines Che Guevara … und damit das Bild eines unbequemen Eiferers, der Händler und Profiteure aus dem Tempel peitschte.

Doch wer hatte Tischgemeinschaft mit ihm? Wer hat ihn begleitet, so dass er sagten könnte, er sei ein Jünger gewesen? Viele Geschichten und Legenden laufen über diesen Mann aus Nazareth um, und regelmäßig befasst sich auch heute die Presse mit ihm. Immer wieder wird ein Detail dieses Wundermannes entdeckt: ein Stück vom Kreuz oder von seinem Mantel, ein versprengte Wort, gefunden in Indien, eine Geschichte, verborgen im Koran oder anderen religiösen Dokumenten. Irgendwie lässt einen dieser Jesus nicht los – trotz Buddha, Mohammed und anderen Gurus und Größen. Schließlich das einzige nachweisbare Stück seines historischen Lebens: die Hinrichtung am Kreuz. Berichtet wird von dem schändlichen Tod, einem Justizirrtum, dem schmählichen Ende eines Mannes Anfang 30. „Am Kreuz stinkts“ (Ernst Käsemann). Doch was war dann? Aus dem Abstand gesehen und aufgrund der Fakten ist „Jesus der Menschensohn“ mit Golgatha erledigt (Rudolf Augstein) und mit ihm sein Werk! Vergessen wird, wie er umhergezogen ist und den Menschen gut getan hat und alle, die vom Teufel beherrscht war, geheilt hat. Zumindest war er da nicht besser als andere Heiler und Wohltäter.

Und was haben die Jünger Jesu mehr, was Otto Normalverbraucher oder der Mann von der Straße nicht haben? Was sollte an den Christen anders sein? „Erlöster sollten sie mir aussehen – die Christen“, hat schon Friedrich Nietzsche gesagt. Erlöster hat wohl Simon Petrus damals ausgesehen. Er muss gebrannt haben vor heiligem Geist. Er muss ein unruhiger Geist gewesen sein – wie er da durch sein judäisches Land gewandert ist und wie er da „die Heiligen“, also seine Mitchristen, z. B. auch im kleinen Hafendörfchen Lydda besucht hat. Er scheint in ständigem Kontakt mit ihnen gewesen zu sein, sodass der Ruf jenes römischen Hauptmanns für ihn gar keine Überraschung war. Ich gehe davon aus, dass ihm die Worte im Hause des Kornelius aus Herz und Mund geflossen sind und er seine „Predigt“ ebenso wenig aufgeschrieben hat wie es seinerzeit Jesus getan hat.

Petrus muss randvoll gewesen sein mit heiligem Geist und mit Kraft. „Denn Gott war mit ihm“. Im Alten Testament sind diese Worte eingefasst in den Namen „Immanuel“ und spiegeln eine „Erfahrung mit Gott“ (Heinz Zahrnt) wieder.

Wenn Gott mit uns ist und wir in Gott, dann sind wir heilsam – gleich gültig, was wir tun. Dann fällt heilender „Geist“ auf unsere Mitmenschen. Dann bewegt „Kraft“ die müden Knochen eines hoffnungslosen und verzweifelten Menschen. Dann salben wir Menschen in jedem Beruf, den wir gerade ausüben, zu „Königen“. Dann geschieht Vergebung, sodass Zukunft und Sinn wieder einen Wert haben. Dann gehen wir weiter, hören und nehmen wahr, was jetzt dran ist.

Wir halten nicht(s) fest, sondern nehmen immer wieder Abschied: „Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde“ (Hermann Hesse)! Wir werden ihm, dem auferstandenen Christus, darin gleich, dass wir nicht im Tode der Vergangenheit bleiben. Sondern wir stehen auf und gehen los und sind bei den Menschen und werden wohltuend – wie er – und treiben Teufel aus, die Menschen abhängig machen, sie klein halten und bewegungslos, starr – oder führen sogar Menschen aus dem Tod, auch dem sozialen, aus dem Tod der Resignation, der Etikette, der Kälte, Passivität und Opferhaltung. Jesus von Nazareth war insofern ein großartiger Psychotherapeut seiner Zeitgenossen, und Petrus wie die anderen Apostel haben es ihm gleich- und nachgemacht.

Wir sind dann Christen, wenn wir diese Haltung ebenfalls praktizieren und leben, als ob Gott mit uns wäre und wir in Gott. Ohne Konflikte wird’s freilich nicht abgehen. Ohne Gegner und Feinde werden wir unser Leben nicht führen. Ganz ruhig und still wird’s bei uns dann nicht zugehen. Dafür aber wissen wir Gott auf unsrer Seite, wissen, dass Jesus Christus in uns ist. Ihm verdanken wir uns. Gott ist und bleibt uns ein „Grund ewiger Freude“.

Amen

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