Segen weitergeben

„Der Geist des Herrn erfüllt das All“ - und ganz doll dich

Predigttext: Hebräer 13,20-21
Kirche / Ort: Nicolaikirche Elstorf (21629 Neu Wulmstorf)
Datum: 6.04.2008
Kirchenjahr: Miserikordias Domini (2. Sonntag nach Ostern)
Autor/in: Pastor Dr. habil. Günter Scholz

Predigttext: Hebräer 13,20-21 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

20 Der Gott des Friedens aber, der den großen Hirten der Schafe, unseren Herrn Jesus, von den Toten herausgeführt hat durch das Blut des ewigen Bundes, 21 der mache euch tüchtig in allem Guten, zu tun seinen Willen, und schaffe in uns, was ihm gefällt, durch Jesus Christus, welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Exegetische (I) und homiletische (II) Bemerkungen zum Predigttext

I. Exegetische Bemerkungen Der Hebräerbrief gilt (aufgrund fehlenden Präskripts, des Stils und des Psalms 110 als Gliederungsgrundlage) als Homilie. Anliegen ist die Verkündigung des erhöhten Christus, der durch sein Opfer in das himmlische Heiligtum eingegangen ist und dort für uns ein für allemal seinen hohepriesterlichen Dienst versieht. Diese Verkündigung dient der Festigung einer wahrscheinlich judenchristlichen Diasporagemeinde im Glauben und im Wandel. Daher die immer wieder eingestreuten Mahnungen und Warnungen (zu den Einleitungsfragen vgl. A. Strobel, „Der Brief an die Hebräer“ in: NTD IV, Göttingen 1982, S. 79 ff). Die letzten beiden Kapitel 12 und 13 haben im Unterschied zu Kapp. 1 – 11 ein deutlich parakletisch-paränetisches Übergewicht. Sicher als „Briefschluss“ stilisiert, aber im Sinne einer letzten seelsorgerlichen Vergewisserung geschrieben ist der Segenswunsch Hebr 13,20-21. Es ist neben Röm 6,13 der ausführlichste, theologisch kompakteste und wohl auch schönste „apostolische Segen“ (so nenne ich ihn im Unterschied zum aaronitischen Segen). Um den hellen Glanz des Segens erträglicher zu machen, empfiehlt sich eine Auflösung in seine Spektralfarben. Da ist zunächst der rote Faden: „Der Gott des Friedens aber... mache euch tüchtig in allem Guten ... und schaffe in uns, was ihm gefällt, durch Jesus Christus.“ Dieser rote Faden macht alles, was daran aufgehängt ist zu einem Teil des Segens. Daran aufgehängt ist zu Beginn eine Homologie: „... der den großen Hirten der Schafe, unsern Herrn Jesus, von den Toten heraufgeführt hat durch das Blut des ewigen Bundes...“. Als Homologie weist sich dies aus durch das Relativpronomen und durch die Fixierung der Heilsdaten Tod und Auferstehung. Sicher liegt hier kein Urbekenntnis im Sinne von Röm 4,25 u.ä. vor, wohl aber ein im Sinne des Hebr stilisierter Ausschnitt eines Bekenntnisses. Weiter daran aufgehängt ist ein paränetischer Mittelteil, der deutlich unter den Einfluss des Segens geraten ist. Losgelöst vom roten Faden nämlich ist folgende Paränese denkbar: „Seid tüchtig in allem Guten, zu tun seinen Willen, und tut, was ihm wohlgefällt“ (vgl. ähnlich 1. Kor 16,13). Paränese appelliert an das eigene Wollen und Können, Segen gibt dem Walten Gottes Raum. Sprachlich wechselt die Verbform beim Übergang von der Paränese zum Segen aus der Grundform in den Kausativ (ich bin tüchtig – er macht mich tüchtig). Das ist hier der Fall. Der Segen endet doxologisch „... dem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Das ist nicht ungewöhnlich (vgl. 1. Petr 5,10f). Das Gefälle des Textabschnittes ist deutlich: Gott – Jesus – ihr/wir. Dabei steht Jesus in der Mitte, er ist schließlich der „Mittler“ des neuen Bundes (Hebr 8 und 9,24. Er steht aber auch inhaltlich im Zentrum, auch wenn „Gott“ das grammatische Subjekt des Satzes ist. Denn er wird von drei Seiten beleuchtet: Er ist der „große Hirte der Schafe“, der „Herr“ und schließlich der „Christus“. Als „großer Hirte“ hat er „alle Herrschererwartung Israels und der Völker zur Erfüllung gebracht“ (A. Strobel, a.a.O., S. 253) (vgl. Jer 23,1-4; Hes 34, bes. v23), als „Herr“ ist er in das „wahre Heiligtum“, den Himmel, eingegangen, „um jetzt für uns vor dem Angesicht Gottes zu erscheinen“ (Hebr 9,24), „Christus“ ist wohl schon mit „Jesus“ zusammen zum Eigennamen verschmolzen. Allenfalls mag über das „Blut“ noch seine Mittlerschaft anklingen (vgl. Hebr 9,11-22). II. Homiletische Bemerkungen Hier wird ein Segen ausgesprochen, besser: ausgegossen über die hebräischen Gemeinden in homologischer und doxologischer Form. Ich werde weder dem Text noch meiner Gemeinde noch dem Geist gerecht, wenn ich über den Segen predige. Das geht eigentlich gar nicht. Wohl kann ich über den Segen im Alten und Neuen Testament referieren, aber ich kann nicht über ihn predigen. Ich kann ihn nur an meine Gemeinde weitergeben. Nur so werde ich dem Text, meiner Gemeinde und dem Geist gerecht. Ich will also den Segen verkündigen; ich möchte, dass er spürbar wird. Dann muss ich mich auch um einen entsprechenden Predigtstil bemühen. Er wird die vorgefundenen Elemente des Bekenntnisses und der Doxologie aufgreifen müssen. Christus als Mittler des Segens wird auch die Mitte meiner Predigt bilden, und sein In-der-Mitte-Sein wird ein Ganz-Ausfüllen bedeuten. Das sprachlich und theologisch sehr kompakte Segenswort kann zum Leuchten gebracht werden durch eine klare Gliederung und durch anschauliche Predigt.

Lieder:

„Sonne der Gerechtigkeit“ (EG 262 ) „Komm, Herr, segne uns“ (EG 170)

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Liebe Gemeinde!

Eintauchen in den Segen

Heute möchte ich, dass ihr ganz intensiv und ganz bewusst etwas von dem Segen mit hinausnehmt, der euch ja eigentlich jeden Sonntag am Ende des Gottesdienstes zuteil wird. Heute kommt der Segen nicht erst am Schluss, sondern heute ist der ganze Kirchenraum, in dem wir uns jetzt befinden, voll von Gottes Segen. Heute, am Sonntag Misericordias Domini werden wir nicht nur daran erinnert: „Die Erde ist voll der Güte des Herrn“ (Ps. 33,5b), sondern wir werden es ganz leibhaftig hier und jetzt spüren: Die Kirche ist voll von Gottes Segen. Gott sei Dank, gelobt sei Gott durch unseren Herrn Jesus Christus in alle Ewigkeit. Und so spreche ich euch diesen Segen schon jetzt zu, nicht mit eigenen Worten – so als kämen gute Wünsche für euch nur aus meinem Herzen – , sondern mit den Worten des Apostels aus der Heiligen Schrift – sozusagen den „apostolischen Segen“.

(Lesung des Predigttextes)

So spricht der Apostel zu den hebräischen Gemeinden im 13. Kapitel seines Sendschreibens, und so gebe ich euch diesen Segen Gottes mit seinen Worten weiter.

Der Kirchenraum ist voll seines Segens, und es reicht völlig, dessen innezuwerden. Dieser Segen reicht völlig, um uns wie neugeboren zu fühlen, dieser Segen reicht völlig, um uns zu neuem Leben zu erwecken, dieser Segen reicht völlig für den Weg in die neue Woche.

(Wiederholung des Predigttextes)

Da bedarf es eigentlich keiner Predigt mehr. Der Segen, in den wir eingetaucht sind, wirkt mehr, wirkt tiefer, wirkt intensiver als jede Predigt, und er bleibt auch draußen an uns hängen wie frische Wassertropfen nach einem belebenden Bad.

Wenn ich nun trotzdem predige, dann, liebe Gemeinde, nur, um Jesus Christus die Ehre zu geben, die ihm gebührt in alle Ewigkeit.

Jesus Christus ist die Mitte

Denn Jesus Christus ist die Mitte. Er ist die Mitte des Weltalls. Mag das Universum sich ausdehnen oder schrumpfen: Er ist die Mitte.
– Er ist die Mitte der Zeit. Auf ihn lief alles hinaus: Moses und die Propheten sind seine Vor-Läufer; von ihm kommt alles her: Der Geist des Herrn erfüllt nicht nur das All, sondern auch die Zeit der Märtyrer und Apostel, die Zeit der Kirche bis heute.
– Er ist die Mitte auf dem Weg von Gott zu uns (der Hebräerbrief sagt: „der Mittler“ (Hebr 8 u.9)). Er vermittelt zwischen Gott und uns: Er gibt das neue und ewige Leben, das Gott ihm geschenkt hat, an uns weiter: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben“ (Joh 14,19), unsere Jahreslosung gewinnt neue Leuchtkraft im Lichte des „apostolischen Segens“. Und er vermittelt auch umgekehrt: Er bringt unser Stammeln und Flehen vor Gott und tritt für uns ein (Hebr 7,25; 9,24).
– Er ist die Mitte unseres Gemeindelebens, denn durch ihn allein werden wir zu lebendigen Steinen, die die Kirche aufbauen ihm zur Ehre (1. Petr. 2,4f).
– Er ist auch meine Mitte, die Mitte, die ich suche, die Mitte, die ich finde, um Orientierung zu gewinnen (vgl. Mk 10,34) und zur Ruhe zu kommen (Mt 11,28-30). „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“ (Hebr 13,8), sollte er da nicht gerade heute unsere Mitte sein? Ich greife drei Dinge heraus: Er ist die Mitte auf dem Weg von Gott zu uns; er ist die Mitte unserer Gemeinde; er ist die Mitte meines Lebens.

Christus ist die Mitte zwischen Gott und uns

Zunächst: Er ist die Mitte auf dem Weg von Gott zu uns. Vor meinem geistigen Auge erhebt sich eine 2 – 3 m hohe Christusstatue. Sie steht in einer norddeutschen Dorfkirche über dem Kanzelaltar. Ihr Fuß steht auf einem Totengerippe, das Haupt, von einem Strahlenkranz umgeben, ragt ins Decken- bzw. Himmelsgewölbe. Das sagt mir: Christus, der Auferstandene, ist Sieger über den Tod. Er hat die Hölle des Todes schon durchschritten und ist bei Gott. Er lebt! Gut für ihn. Aber nicht nur gut für ihn. Auch gut für uns. Er hat dem Tod die letzte Macht, das letzte Wort genommen, auch für uns. Er lebt, und wir sollen auch leben. So hat er es sich in Einmütigkeit mit dem Vater gedacht. Er ist die Mitte, der Mittler geworden, die Mitte, der Mittler des Lebens. Hätte es seinen Tod und seine Auferstehung nicht gegeben – der Tod hätte noch die volle Macht über uns. Nun aber und durch ihn gilt: „Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ (1. Kor 15,55).

(Wiederholung des Predigttextes)

Da ist er, der Gott des Friedens, der Christus aus dem Totenreich heraufgeholt hat, und der auch uns herausholt aus der Tiefe der Lethargie, aus dem schwarzen Loch des Schweigens: „Steh auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht über dir auf! (Jes 60,1 vgl. 40,29-31). Er holt auch uns herauf kraft des Mittlers, der für uns dem Tod (Hebr 9,27) und „die Himmel“ (Hebr 4,14) durchschritten hat. Mit neuem Leben erfüllt, sind wir nun fähig zu allem Guten, auferweckt aus dem Schlaf falscher Sicherheit, um ihn zu loben und zu preisen, zu ehren und zu rühmen in der Gemeinde und draußen im Land bis an die Enden der Erde.

Christus ist die Mitte unserer Gemeinde

So wird Christus auch zur Mitte unserer Gemeinde. Er ist es. Ich staune selbst. Ich staune, wenn ich an die große Schar der Mitarbeiter denke, und eine jede und ein jeder tut es, weil er oder sie Lust dazu hat, weil es Freude macht; und ich meine, dass hinter Lust und Freude noch mehr steckt: das Gerufensein von Christus und das Erfülltsein von seinem Geist. Wer Lust hat, in der Gemeinde mitzumachen, der ist im Letzten gerufen von Christus; und wer Freude hat an der Arbeit in den vielen verschiedenen Kreisen, der ist im Geheimsten erfüllt von Christi Geist. Ich erinnere mich: Bei unserem letzten Mitarbeiterfest hatte ich ein Kirchenpuzzle anfertigen lassen: Ich hatte unsere Kirche auf eine 3 x 4 m Sperrholzplatte malen und sie dann in Puzzleteile zersägen lassen. Auf der Rückseite eines bunten Puzzleteils stand jeweils der Name eines Kreises, z.B. „Mutter-Kind-Gruppe“. Wer ein Puzzle legte, musste darunter schauen und den Namen des Kreises nennen. Meine Aufgabe war es nun, den Kreis mit Worten vorzustellen und aufzuzeigen, inwiefern auch er Christus dient bzw. ihm die Ehre gibt. Sie können sich denken, dass das manchmal nicht ganz leicht war. Aber es war eine gute Übung. Eine Übung, die auch mir die Augen geöffnet hat dafür, dass wir nicht irgendetwas machen nur aus purem Aktionismus, sondern dass Christus doch unsere geheime und unsichtbare – oder doch: offenbare und sichtbare? – Mitte ist.

Christus ist die Mitte meines Lebens

Schließlich: Er ist auch meine persönliche Mitte. Denn es heißt ja im „apostolischen Segen“: Durch Jesus Christus mache Gott euch tüchtig und schaffe in uns, was ihm wohlgefällt. Also: Durch Jesus Christus macht Gott aus mir etwas. Nicht ich muss alles machen, schon gar nicht muss ich alles allein machen: Gott in Christus macht aus mir was. Das entlastet mich in erheblichem Maße. Wie oft fühle ich mich in der Gemeindearbeit überfordert, ich weiß nicht, wie es gehen soll. Zeitlich und auch sonst. Der Kindergottesdiensthelferin, dem, der Besuche macht, geht es ähnlich. Da höre ich: „All eure Sorge werfet auf ihn; denn er sorgt für euch“ (1. Petr 5,7). Ja, er ist es, der mich tüchtig macht, der mich ausstattet mit Möglichkeiten, der mich begabt mit Kraft. Er ist meine Mitte. Nicht ich bin der Macher, nicht wir sind die Macher, sondern er! Das entlastet mich und erfüllt mich zugleich mit Stolz. Denn mich hat er ausgewählt und zu mir gesagt: „Ich mach was aus dir.“ So wie der Trainer zum noch ungeübten Spieler: „Ich mach was aus dir.“ Das macht mich gelassen und stolz zugleich. Christus ist mein Trainer, Christus ist meine persönliche Mitte. Er will es tun. Nicht ohne mich. Nein! Sondern mit mir. Ihm sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Amen.

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