Ermutigendes Gottesbild
Ein Gott mit Gefühlen der Reue ermutigt, zur flehenden Gemeinde zu werden
Predigttext: 2.Mose 32,7-14 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
7 Der HERR sprach aber zu Mose: Geh, steig hinab; denn dein Volk, das du aus Ägyptenland geführt hast, hat schändlich gehandelt. 8 Sie sind schnell von dem Wege gewichen, den ich ihnen geboten habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht und haben's angebetet und ihm geopfert und gesagt: Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat. 9 Und der HERR sprach zu Mose: Ich sehe, daß es ein halsstarriges Volk ist. 10 Und nun laß mich, daß mein Zorn über sie entbrenne und sie vertilge; dafür will ich dich zum großen Volk machen. 11 Mose aber flehte vor dem HERRN, seinem Gott, und sprach: Ach, HERR, warum will dein Zorn entbrennen über dein Volk, das du mit großer Kraft und starker Hand aus Ägyptenland geführt hast? 12 Warum sollen die Ägypter sagen: Er hat sie zu ihrem Unglück herausgeführt, daß er sie umbrächte im Gebirge und vertilgte sie von dem Erdboden? Kehre dich ab von deinem grimmigen Zorn und laß dich des Unheils gereuen, das du über dein Volk bringen willst. 13 Gedenke an deine Knechte Abraham, Isaak und Israel, denen du bei dir selbst geschworen und verheißen hast: Ich will eure Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel, und dies ganze Land, das ich verheißen habe, will ich euren Nachkommen geben, und sie sollen es besitzen für ewig. 14 Da gereute den HERRN das Unheil, das er seinem Volk zugedacht hatte.Hinführung zum Predigttext
Die Perikope 2.Mose 32,7-14 ist durch ein außergewöhnliches Verhalten Gottes bestimmt. Gott zeigt Reue. Der Predigttext eröffnet uns dadurch ein neues und wohltuendes Bild von Gott. Unser Gottesbild bekommt hier eine neue Dimension hinzu. Gott wir geschildert als einer, der Gefühle zeigt wie an wenigen Stellen der Bibel sonst. Zudem ist sein Wandel der Gefühle, vom Zorn und Vernichtungswillen hin zur Reue, so beeindruckend, dass es eine neue Sichtweise ermöglicht. Gott lässt sich in der Fürbitte des Mose von einem Menschen umstimmen, durch dessen Argumentation überzeugen und sich zur Reue überreden. Gott, der etwas bereut und von seinem grimmigen Zorn umkehrt, der sein Vorhaben ändert, ist nur sehr selten in der Bibel zu finden (2. Sam 24, 16, Jer 26,3+ 19; Jon 3,10; Am 7,3). Besonders einmalig ist hier das Wirken des Mose. Er kämpft stellvertretend für sein Volk. Er bewirkt durch seine geschickte Argumentation die Veränderung bei Gott. Dass wir diesen Predigttext am Sonntag Rogate hören, verleiht dem Gebet einen neuen Aspekt. Neu wird beim Beten die Form des Erflehens ins Spiel gebracht. Hierbei spielt die Person des „Beters“, den man auch den Bittsteller Mose nennen könnte, eine große Rolle. Mose zeigt großen Mut und große Verantwortung für sein Volk, indem er sich stellvertretend für sie bei Gott einsetzt, ja fast Gott eine Umkehr abringt, so dass Gott am Schluss sein Vorhaben bereut. Welch einen Gott haben wir, der Gefühle der Reue zeigt! Auf diesen bereuenden Gott soll in der Predigt der Schwerpunkt liegen. Aus diesem Gottesbild soll die hörende Gemeinde ermutigt werden, zur flehenden Gemeinde zu werden.Liebe Gemeinde!
Mutter, Vater, Eltern – ist so Gott?
Im Volksmund gibt es die Redewendung „Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr“. Jede oder jeder, die Mutter oder Vater ist, kennt neben den Freuden an und mit den Kindern auch das manchmal Schwere. Schwer wird es immer dann, wenn die unterschiedlichen Vorstellungen des Zusammenlebens aufeinandertreffen. Schwer wird es, wenn die Regeln des Miteinanders nicht eingehalten werden. Dann kommen die Eltern an ihre Grenzen, müssen selbst Grenzen setzen. Unser Sohn sagt dann immer etwas trotzig: „Du willst immer die Bestimmerin sein!“ So ist dies mit den Eltern, ihre Aufgabe ist es, den Kindern verlässliche Bestimmungen mit auf den Weg zu geben. So gibt es in jeder Familie Dinge, die sind festgelegt und unumstößlich und sollen von allen eingehalten werden, damit das Zusammenleben gelingt. Werden diese Regeln überschritten, ist Mutter oder Vater gefordert. Dann müssen die Eltern wieder ins Lot bringen, was aus dem Lot geraten ist. Sie müssen mit Geschick, Reden, Verhandeln, Strenge oder manchmal mit Drohen wieder den richtigen Weg aufweisen, damit Eltern und Kinder wieder zueinander finden und ein gutes Miteinander möglich ist.
Wir alle haben vom eigenen Elternhaus unterschiedliche Erfahrungen mitbekommen. Wir alle haben unsere Eltern ganz unterschiedlich erlebt. Mancher Vater war sehr gütig, eher nachgiebig, und man konnte mit ihm verhandeln. Eine Mutter war zwar am Anfang etwas aufbrausend, dann aber war es mit ihr möglich, gemeinsam einen Weg zu finden. Mein eigener Vater ist ein ruhiger, lebensfroher, naturverbundener Mensch, der uns Kindern mit Güte und einer großen Freiheit zum Entdecken und Ausprobieren erzog. Nur einmal habe ich ihn wütend und enttäuscht über mein – zugegeben – unfaires Verhalten erlebt. Doch manch einer hat vielleicht den eigenen Vater als streng erlebt. Vielleicht ist der Vater leicht aufgebraust und bestrafte die Kinder bei kleinsten Vergehen. So hatte es wohl Martin Luther erlebt. Sein Vater war streng gegenüber seinen Kindern. Diese Erfahrung übertrug Martin Luther auf Gott. Er hatte Angst vor dem Richter Gottvater. Aber er suchte immer einen gnädigen Gott, der ihn befreien und erretten würde. Schon immer haben Menschen Gott als den Vater bezeichnet und angebetet. Bereits dem Volk Israel hat Gott sich als Vater erwiesen und mit ihnen einen Bund geschlossen. Der Prophet Jesaja nennt ihn Ewigvater. Im Neuen Testament wird durch Jesus das Vatersein Gottes vollendet. Wir werden durch Jesus Kinder des Vaters im Himmel und dürfen zu ihm beten: Vater unser. In der Bergpredigt erfahren wir, dass uns unser Vater Gutes geben will, denen, die etwas von ihm erbitten.
Unser Gottesbild ist so immer auch von den Erfahrungen des leiblichen Vaters geprägt. Wir vergleichen die Erfahrungen mit dem eigenen Vater mit Gott und verknüpfen diese mit Gott dem Vater. So bewerten wir Gott als streng oder gütig. Doch oft ist Gott so ganz anders, begegnet uns in den Geschichten der Bibel so neu und wohltuend. Mose begegnete dem so ganz anderen Gottvater. Hören wir von dem Vater, der etwas bereuen konnte, aus dem 2. Buch Mose, Kapitel 32.
(Lesung des Bibeltextes)
Verhandlung verändert
Bei dem Hin und Her im Gespräch Gottes mit Mose fühle ich mich an manche Auseinandersetzungen mit unseren Kindern erinnert. Liebend gerne probiert unser Sohn gerne Dinge aus. Meine Kiste mit Sticknadeln und Wolle ist ein beliebtes Objekt. Es war ein ruhiger Nachmittag, jeder werkelte im Haus vor sich hin. Eine trügerische Ruhe lag über dem ganzen Haus. Ich hatte zu tun und kümmerte mich nicht groß darum, was alle taten. Es schien jeder beschäftigt zu sein. Als ich jedoch am Abend ins Wohnzimmer kam, sah ich die Bescherung. Meine ganzen Nadeln, alle Wollknäule und mein halbfertiges Gestrick waren nur noch ein einziges Durcheinander. Die Nadeln herausgezogen, die Maschen aufgetrennt, die Wolle zu einem Spinnennetz im ganzen Zimmer verwoben. Die ganze Arbeit des Strickens der letzten Tage war kaputt. Ich war fassungslos, ich konnte gar nichts sagen, ich spürte nur wie Zorn und Wut in mir hochstieg. Wer auch immer dies war, er oder sie sollte meinen Ärger spüren. Ein lauter Schrei ging durch unsere Wohnung: Wer war das? Es stellte sich schnell heraus, dass unser Sohn am Werk gewesen war. Aus Wut erteilte ich eine Woche Fernsehverbot. Unsere Große bekam dies mit und setzte sich tapfer für ihren Bruder ein. „Du weiß ja gar nicht, warum er das gemacht hat, vielleicht wollte er ja nur etwas ausprobieren. Und das Fernsehen hat gar nichts mit deinem aufgetrennten Strickzeug zu tun. Zudem hast du dein Strickzeug nicht weggeräumt. Du kannst es doch selbst wieder stricken. Du strickst doch eh so gerne. Bitte bestraf ihn nicht.“ (Hier kann auch eine andere Erfahrung mit Kindern eingefügt werden.) Ich fühlte mit ertappt. Ich hatte nicht nach dem Warum gefragt, sondern aus meinem Gefühl des Ärgers heraus reagiert, und ich hatte das Kind mit einem Verbot bestraft. „Jetzt darfst du eine Woche lang kein Fernsehen mehr schauen!“ Zudem hatte die Bestrafung meine Wut nicht gemindert – und heil hat es das Aufgetrennte auch nicht wieder gemacht. Doch der Einwurf unserer Tochter: „Du fragst nicht nach dem Warum“, hat mich ins Nachdenken gebracht. Letztendlich hat sie mich mit ihrem Einsatz für ihren Bruder, mit ihrem beharrlichen Bitten, verändert und meine Strafe aussetzen lassen. Irgendwo hatte sie ja recht. Ich bereute mein Verhalten, gemeinsam wickelten wir alles wieder auf. Es stellte sich heraus, dass die Nadeln und die Wolle einfach ein tolles Spinnennetz für die Spielfiguren waren und das herumliegende Strickzeug einfach zu verlockend war. Ohne den Einsatz unserer Tochter wäre ich nicht zu dieser Veränderung gekommen. Mit ihrer Hilfe konnte ich meine Sichtweise ändern, konnte ich mich ändern.
Der Einsatz des Mose für sein Volk Israel begeistert mich. Sein Flehen vor Gott, um dem halsstarrigen Volk zu helfen, gefällt mir. Denn letztendlich hat Mose Erfolg mit seinem beharrlichen Tun. Gott lässt mit sich verhandeln, und ist fähig seine Handlungsweise zu überdenken und dann zu ändern. Vielleicht erkennt er nachträglich, dass die schnell getroffene Entscheidung falsch und unüberlegt war. Mose erzielt bei Gott, dass er sein Tun als Unrecht empfindet und seine Tat bedauert (Vers 14): Da gereute den HERRN das Unheil, dass er seinem Volk zugedacht hatte. Doch wie kam es zu dieser Wandlung, wie wurde Gott hier durch Mose von einem zornigen, strafenden Gott, zu einem Reue empfindenden, gütigen Gott, der von seinem Unheil ablässt? Schauen wir uns den Gesprächsverlauf näher an.
Die Chance nicht ungenutzt lassen
Gott spricht klar und deutlich aus, was geschehen ist. Das Volk Israel hat nach der kurzen Zeit der Abwesenheit seines Anführers Mose schnell schändlich gehandelt und hat sich ein gegossenes Kalb gemacht, das sie anbeteten. Daran kann Mose nichts ändern. Es ist so geschehen. Doch Mose spürt seine Verantwortung für dieses Volk und die Hoffnung, dass durch sein Eingreifen seinem „halsstarrigen“ Volk noch geholfen werden könnte. Er lässt die Chance nicht ungenutzt und fleht vor Gott. Doch er jammert nicht lange herum, sondern er legt sich für sein Volk ins Zeug und findet die richtigen Worte bei Gott (Vers 11): Warum, will dein Zorn entbrennen über dein Volk? Die Frage ist ernst gemeint. Was willst du damit bezwecken, du kannst es nicht mehr ungeschehen machen, was soll also dein Zorn? Er hält Gott seinen Zorn vor Augen, zeigt ihm aber gleichzeitig, dass es auch anders geht. Mit großer Kraft und starker Hand hat Gott sein Volk befreit. So konnte Gott handeln. So hat Mose Gott kennengelernt, und so soll Gott auch in Zukunft für Israel, für sein Volk, da sein. Er gibt die Verantwortung Gott zurück. Es ist sein Volk, er soll sich weiterhin um es kümmern, so wie er es in Ägypten getan hat. Da hat er das Unglück gewendet, so kann er es auch jetzt tun. Das Volk kann von sich aus jetzt allein nicht mehr umkehren, es braucht den Wandel, die Umkehr Gottes, es braucht die Reue Gottes. Mose packt noch eines drauf. Er erinnert Gott an seine einst den Vätern geschworene Verheißungen, dass die Nachkommen sich mehren wie die Sterne am Himmel und sie das verheißene Land besitzen.
Der Einsatz Mose hat sich gelohnt. Das Unglaubliche wurde wahr. Gott hörte ihm zu, und er ließ sich von seinem Worten bewegen. Gott ließ sich umstimmen, empfand Reue. Aus dem zornigen Gott wurde durch kluge und geschickte Rede ein Reue empfindender Gott. In ihm muss viel an Gefühlen abgelaufen sein. Das Wort Reue hat etwas mit traurig sein zu tun, mit betrübt sein, mit Schmerz empfinden über etwas, was man getan oder unterlassen hat. All dies hat wohl Gott verwandelt. Wenn jemand betrübt und bedrückt ist, kann er nicht in Zorn ausbrechen, eher sind Zerknirschung und Trauer angesagt.
Von Mose lernen
Wir feiern heute den Sonntag Rogate, der uns zum Beten aufruft. Ich will von Mose lernen. Will mutig meinem Gott vertrauen, will standhaft eintreten für das Leben und für lebensstiftende Situationen. Von Mose will ich das fordernde Bitten lernen. Mose flehte für das Volk Israel in einer ausweglosen Situation. Sollten wir es ihm nicht gleich tun? Ringen wir mit Gott, dass er uns den Weg zu ihm zeigt. Denn wir haben einen Gott, der Reue empfindet, dem das Schicksal von Menschen ans Herz geht, der sich für das herzkranke kleine Kind oder den noch so dringend benötigten Partner einsetzt. (Hier können Situationen aus der eigenen Gemeinde kurz angedeutet werden.) Ringen wir wie Mose mit Gott und vertrauen auf unseren Gott, der sich durch Argumente bewegen lässt…