Es ist gut, wenn sich uns der Himmel öffnet
Trost, Stärkung und Vertrauen – ein Stück Himmel auf Erden
Predigttext: Epheser 1,20b-23 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
20b Durch sie hat er ihn von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel 21 über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. 22 Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, 23 welche sein Leib ist, nämlich die Fülle des, der alles in allem erfüllt.Vorbemerkung
Die frühen christlichen Gemeinden haben Himmelfahrt noch zu Ostern oder Pfingsten mitgefeiert, dies zeigt, wie eng verwoben dieses Fest mit Ostern und Pfingsten ist. Wir feiern Himmelfahrt seit dem 4. Jh. n. Chr. vierzig Tage nach Ostern. Die Zeit der Erdentage Jesu ist vorüber, Jesus kehrt zu Gott, dem himmlischen Vater, zurück. Der Predigttext erwähnt den Begriff „Himmelfahrt“ nicht, beschreibt aber die Bedeutung umso genauer. Jesus als Gottes Sohn kehrt nach Kreuz und Auferstehung nicht nur zum Vater zurück, er wird außerdem von Gott wie ein König auf seinen himmlischen Thron gesetzt, „er sitzt zur Rechten Gottes“. Die Gemeinde hat als Leib Christi teil an seiner Fülle, seiner Herrlichkeit und Kraft. Die Kirche hat im Epheserbrief kosmische Dimension. Sie ist der Leib, Christus das Haupt. „Die Kirche ist die Verkörperung Christi in der Welt…Während Christus über das All herrscht, bedeutet er für die Kirche Gottes Gabe“ (A. Lindemann). Diese Botschaft soll in der Predigt entfaltet werden.Liebe Gemeinde!
Väter, ihre Not und ihre Sehnsucht
„Japanische Männer sind für ihren beruflichen Ehrgeiz bekannt“ habe ich kürzlich gelesen (Werkstatt für Liturgie und Predigt, Heft 3/2008, S. 94). Aber sie stecken angeblich in einer Identitätskrise! Eine zum japanischen Vatertag veröffentlichte Umfrage enthüllt, dass die meisten Japaner am liebsten als Vögel, Frauen oder Gurus wiedergeboren werden möchten, auf keinen Fall aber als Ehemänner und Väter! Noch detaillierter gibt dann die Umfrage unter 3000 japanischen Männern Auskunft, nach der würden 155 Männer am liebsten mit einem Falken oder Adler tauschen, welche „die Situation aus der Luft beherrschen“. 148 Befragte würden gern in die Rolle einer Hausfrau schlüpfen, „die mittags ein Schläfchen halten kann und drei geregelte Mahlzeiten hat“. 125 der Befragten träumen von der Wiedergeburt als Baseballspieler.
Heute an Vatertag soll an die Situation der Väter erinnert werden. Auch wenn es nicht die deutschen, sondern die japanischen sind. Vielleicht entdecken wir ja Gemeinsamkeiten. Jedenfalls muss schon Vieles im Argen liegen, wenn man sich wünscht, ein anderes Leben zu haben. Da ist der Druck im Alltag so hoch, dass man davon träumt, von einem Augenblick zum nächsten von allem befreit zu sein. Kennen Sie das? Manchmal hilft schon das Träumen. Die Seele erholt sich. Die Kraft kehrt zurück. Schließlich muss es ja weitergehen. Die Aufgaben müssen bewältigt werden.
Das heutige Datum, der 1. Mai, der sogenannte „Tag der Arbeit“, erinnert uns daran. Viel Kraft braucht es: Kraft für die Arbeit, acht Stunden am Tag oder mehr, Kraft für den anstrengenden Alltag, im Beruf mit allen Unsicherheiten und Angst vor Arbeitslosigkeit, Kraft, der Rolle als Vater und Ehemann in der Familie gerecht zu werden – mit allen Existenzsorgen… Ja, diese Sehnsucht kann man nachvollziehen: einfach frei, leicht und unbeschwert zu sein…wie ein Vogel, der in die Lüfte steigt und in der Weite des Himmels zu Hause ist. Je schwerer das irdische Leben, desto größer ist die Sehnsucht nach diesem Himmel, der schon seit jeher die Phantasie der Menschen beflügelt und die Sehnsucht nach ihm geweckt hat.
Himmel(s)-Ort(e)
„Himmlisch!“ Wenn Sie diesen Ausruf hören, dann ist einem Menschen etwas Wunderschönes geschenkt worden. Im siebten Himmel zu sein – wer wünscht sich das nicht, wenn er an (s)eine Liebesbeziehung denkt? Auch wenn er nicht ewig dauern kann dieser Schwebezustand… Der Himmel: Das ist auch der Ort, an dem Gott wohnt. Nicht nur für Kinder ist das selbstverständlich. Oben im Himmel auf einer Wolke thronend mit dem Blick über seine Welt, so stellen ihn sich viele vor ihren Vater – im Himmel.
Ganz abgesehen vom gesetzlichen Feiertag, dem 1. Mai, und dem liebgewonnenen Vatertag ist heute zuallererst der Himmelfahrtstag. Himmelfahrt – können Sie sich darunter etwas vorstellen? Was will uns dieser Feiertag sagen, den wir in den Kirchengemeinden unserer Region immer gemeinsam unter freiem Himmel feiern?
Die frühen Christen haben Himmelfahrt noch zu Ostern oder Pfingsten mitgefeiert, das zeigt, wie eng verwoben der Himmelfahrtstag mit beiden Festen ist. Wir feiern Himmelfahrt seit dem 4. Jh. n. Chr., 40 Tage nach Ostern, wie es die Apostelgeschichte erzählt. Dort wird die Himmelfahrt so geschildert: Jesus Christus, der Auferstandene, fährt zum Himmel. Seine Zeit auf Erden ist vorüber. Er kehrt zurück zum Vater. Unser Predigttext für heute aus dem Epheserbrief erwähnt den Begriff „Himmelfahrt“ nicht, beschreibt aber die Bedeutung umso genauer.
(Lesung des Predigttextes)
Jesus wird Throngenosse Gottes
Der Predigttext zeigt: Erst durch die Himmelfahrt wird abschließend deutlich, mit wem es die Welt zu tun hatte. Jesus als Gottes Sohn kehrt nicht nur zurück zum Vater, er wird von Gott wie ein König auf seinen himmlischen Thron gesetzt, „er sitzt zur Rechten Gottes“, wie wir es jeden Sonntag im Glaubensbekenntnis sprechen.
Als Throngenosse Gottes wird Jesus mit aller Vollmacht und Herrlichkeit ausgestattet. Jesus, der Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, ist nun Herrscher über alle Mächte, Gewalten, über alle Reiche, über alles, was Rang und Namen hat. Nicht nur in dieser Welt, sondern auch darüber hinaus. Alles hat ihm Gott „unter seine Füße getan“ und ihn zum Haupt über die Gemeinde gesetzt. Die Gemeinde hat als sein Leib teil an seiner Fülle, seiner Herrlichkeit und Kraft.
Wie ist das möglich? Die Apostelgeschichte erzählt es so: Als sich Jesus kurz vor seiner Himmelfahrt von seinen Jüngern verabschiedet, kann er sie trösten, dass sie nicht allein zurückbleiben sollen. Der Heilige Geist wird kommen! Schon bald werde sie dieser Geist Gottes mit Kraft erfüllen und ihnen beistehen. Sie werden beauftragt, die frohe Botschaft bis in den letzten Winkel der Erde weiterzusagen. Schließlich fährt Jesus auf in den Himmel. Diese absolut enge, ja organische Verbindung zwischen Christus, dem Haupt und seinen Gliedern, seinen Jüngerinnen und Jüngern, ist also erst möglich, als Jesus an keinen Ort mehr gebunden ist und er ein für allemal die Erde verlassen hat.
Es ist gut, wenn sich uns der Himmel öffnet
Noch einmal will ich uns heute am Himmelfahrtstag, am Vatertag und 1. Mai, nach Japan entführen. In der Tageszeitung DIE ZEIT (11 / 2004, S. 26.) war vor längerer Zeit ein Artikel über die Arbeitswelt in Japan zu lesen. Einen Ausschnitt davon möchte ich uns vorstellen: „Monatelang hatte der 35-jährige Autodesigner Überstunden „gekloppt“. Danach war der Mann innerlich ausgebrannt und schwer depressiv. Er sah keinen Weg mehr, dem Druck zu entkommen – und stürzte sich von einem Hochhaus in den Tod.“ Das war Ende der achtziger Jahre. Die Witwe hat 15 Jahre dafür gekämpft, dass die übermäßige Belastung am Arbeitsplatz als Ursache für seinen Freitod vor Gericht anerkannt wurde. Sicher, das war ein trauriger Sieg für die Witwe. Viel Geld bekam sie vom japanischen Staat als Entschädigung – lebendig wurde er dadurch aber nicht mehr. Für plötzliche Todesfälle am Arbeitsplatz wegen Überlastung haben die fleißigen Japaner sogar ein neues Wort erfunden: karoshi. Die Wirtschaft brummt, aber immer mehr Menschen arbeiten sich buchstäblich zu Tode.
Haben Sie die Umfrage zum japanischen Vatertag noch im Ohr? 155 Männer würden ihr Leben als Angestellter, Familienvater und Ehemann am liebsten mit einem Falken oder Adler tauschen, die „die Situation aus der Luft beherrschen“. Liebe Gemeinde, ich weiß nicht, was jede und jeden von uns belastet, in die Enge treibt. Sie wissen es selbst am besten. Mancher oder manche von uns könnte sicher auch von einer Lebenssituation erzählen, in der der Druck so hoch war, dass die Sehnsucht nach Erlösung von allem immer stärker wurde. Dann ist es gut, wenn sich uns der Himmel öffnet! Wie geradezu heilsam für alle Väter und Mütter, für alle Arbeitenden, für alle, die mühselig und beladen sind, zu wissen, dass es keinen Bereich und keine Macht auf der Welt gibt, die Jesus Christus nicht unter seinen Füßen hat! Nichts ist stärker als er.
Wenn mir etwas in meinem Leben so übermächtig erscheint und mir den Atem rauben will, dann will ich mich daran erinnern: Gott hat diese Mächte ein für allemal in ihre Schranken gewiesen! Jesus Christus, der Macht über Himmel und Erde hat, ist viel stärker als alles, was mich bedroht und bedrückt. Er hält auch meine Welt, meinen Alltag, mein Leben und Sterben in seinen Händen. Das tröstet, das gibt Kraft.
Wir feiern Christi Himmelfahrt in der österlichen Festzeit. Dies bedeutet: Jesu Herrschaft über alles, was bei uns groß und wichtig ist, über alles, was uns beherrscht, hat schon begonnen. Sie wirkt im Heiligen Geist schon in unser Leben hinein. Jesus Christus will uns erfüllen, unsere Sehnsucht stillen, uns trösten und stärken. So sorgt unser Vater im Himmel selbst dafür, dass wir im Vertrauen auf ihn ein Stück Himmel auf Erden erleben.
Amen.