Vertrauen in die Möglichkeiten des Gottes der Liebe und des Friedens

In aller Auseinandersetzung das Verbindende über die Gegensätze stellen - Bedächtigkeit und Feingefühl im Umgang miteinander sind gefragt

Predigttext: 2. Korinther 13,11 und 13
Kirche / Ort: 55288 Schornsheim/Udenheim
Datum: 18.05.2008
Kirchenjahr: Trinitatis (Dreieinigkeitsfest)
Autor/in: Pfarrer Kurt Rainer Klein

Predigttext: 2. Korinther 13,11 und 13 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

11 Zuletzt, liebe Brüder, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. 13 Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen! Vorbemerkungen Unsere Perikope ist der Schluss des sog. "Tränenbriefes", 2. Korinther 10-13. Bei einem Besuch erlebte Paulus die Gemeinde in solchem Aufruhr gegen ihn, dass er Korinth verlassen musste, ohne die Gemeinde beruhigt und zurück gewonnen zu haben. Paulus lernte dabei seine Gegenspieler und deren Angriffe gegen ihn kennen. Die Intensität seiner Sprache und Argumentation in Kap. 10-13 wird dadurch verständlich. Seine Ermutigung (13,11) und sein Gruß (13,13), der Gottes Möglichkeiten benennt, hat versöhnlichen Charakter, ganz im Sinne des Evangeliums, das als Freudenbotschaft zu verstehen ist. Ich beginne die Predigt mit einer kleinen Geschichte von Peter Spangenberg aus seinem Buch „Der Stein der tanzenden Fische“ (GTB 205).

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Predigt

Gefährdetes Miteinander

Bei Peter Spangenberg, in seinem Buch „Der Stein der tanzenden Fische“, fand ich diese Geschichte: In einem Satz wohnten zu einer bestimmten Zeit einige Wörter, ganz so, wie etwa Menschen in einer Straße wohnen. In einer solchen Satzstraße wohnten etliche Wörter. Ich erinnere mich noch genau an den Satz: “Bei uns herrscht Frieden”. Es war ein wunderbarer Satz, und jedes Wort war glücklich, dass es zu dem Satz beitragen konnte: “Bei”, sagte zu den anderen: “Können wir nicht froh sein, dass wir miteinander leben?” Und “uns” sagte zu seinen Freunden: “Ich bin froh, dass ich alles zusammenfüge”. So ging es auch den übrigen, und sie bildeten eine richtige Gemeinschaft.

Eines Tages kamen zwei neue Wörter; sie kamen von weither und hießen “for ever”. “Igittegitt”, sagten die Einheimischen, “das sind ja fremde Wörter, das sind ja reineweg Fremdwörter. “Die riechen schon so komisch”, sagte “Frieden”. “Die sehen auch so anders aus”, sagte “Bei”. “Die können wir nicht brauchen”, sagte “uns”. “Wir müssen sie höflich, aber bestimmt verabschieden”, meinte “herrscht”.

So taten sie sich zusammen und versuchten den beiden Fremden klarzumachen, dass sie hier nichts zu suchen hätten. “Wissen Sie, bei uns ist jede Stelle im Satz besetzt. Außerdem kann Sie niemand verstehen. Schließlich und überhaupt haben Fremdwörter hier nun wirklich nichts zu suchen. Verstehen Sie bitte recht, es ist kein böser Wille, aber …”

Während sie noch so scheinheilig argumentierten und dabei ihre Plätze verließen, huschten andere Wörter an ihre Stelle: In die Wohnung von “Bei” zog “Gegen”, in das Appartement von “uns” zog “alle”, in das Zimmer von “herrscht” zog sein Großvater “wütet”, und in das Haus von “Frieden” hielt “Hass” Einzug. Ehe sich die Einheimischen richtig besinnen konnten, war aus ihrer Satzstraße eine fürchterliche Fratze geworden: “Gegen alle wütet Hass!” Da weinten sie und erkannten, wie schön es gewesen wäre, wenn sie die Fremdwörter aufgenommen hätten: “Bei uns herrscht Frieden, for ever!” Nun war es zu spät, und seit diesem Ereignis wohnen sie nur noch zur Untermiete, jederzeit kündbar.

Unterschiedliche Perspektiven

Liebe Gemeinde, wie schnell sich Missverständnisse in Beziehungen einschleichen oder ein unbedachtes Wort verletzen kann, das ist uns allen nicht fremd. Ein falsches Wort zur falschen Zeit genügt, um eine Beziehung in Schieflage zu bringe. Aber um sie wieder in eine gesunde Balance zurück zu führen, bedarf es möglicherweise ungezählter Worte und Versuche. Es ist ein Kleines zu entzweien und Gräben zu öffnen, aber es bedarf einer immensen Kraftanstrengung zu verbinden, zu heilen, zusammen zu führen, zu versöhnen. Zerstören ist leichter als bauen, ausreisen einfacher als pflanzen.

Selbstverständlich, wo Menschen zusammen kommen, gibt es unterschiedliche Perspektiven, Meinungen, Ansichten, Standpunkte, Deutungen. Wo Menschen aufeinandertreffen, gehören Diskussionen, Auseinandersetzungen, ja auch Verwerfungen dazu. “Der Konfliktfall ist der Normalfall”, habe ich einmal gelesen. Aber wie kommt man damit zurecht, dass wir uns zwar Harmonie wünschen, aber selten einer Meinung sind?! Wer darauf pocht, dass er in der Beurteilung einer Sache Recht hat, schließt einerseits aus, dass es auch noch eine andere Betrachtungsweise geben könnte; er verhindert andererseits, dass sich ein tragfähiger Kompromiss finden lässt, mit dem beide Seiten leben können. Solch verengte Sichtweisen machen das Leben schwer, weil es an Offenheit mangelt. Das erschwert sinnvolle Lösungen ungemein.

Versöhnliche Worte und Bedächtigkeit im Umgang miteinander

Paulus schließt seinen Brief an die christliche Gemeinde zu Korinth mit versöhnlichen Worten: “Freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden!” Wir können aus diesen Ermutigungen ersehen, dass es Turbulenzen gab. In Korinth traten Irrlehrer auf, die eine besondere Faszination bei den korinthischen Christen auslösten. Diese bestritten entschieden, dass Paulus ein rechtmäßiger Apostel sei. So krachte es zwischen Paulus und den Korinthern kräftig. Paulus stellte in vielen Worten heraus, dass es eigentlich nicht um ihn oder andere Lehrer geht, sondern einzig und allein um das Evangelium. Dieses Evangelium lässt uns auch heute fragen, wie wir als Christen miteinander umgehen und wie es in der Kirche zugehen soll.

Erstens: Freut euch! – Das Evangelium ist eine Freudenbotschaft. Es weiß von der Möglichkeit, dass Menschen, die sich verrannt haben, wieder zusammenfinden können. Versöhnung ist möglich, sie eröffnet ein ungeahntes Morgen. Das Evangelium weiß von der Offenheit der Zukunft. Es muss nicht alles beim Alten bleiben. Wir können uns von Gottes Möglichkeiten überraschen lassen, wenn wir mit unseren eigenen in scheinbar aussichtslose Lage geraten sind. Freut euch darüber, dass mehr möglich ist, als wir meinen.

Zweitens: Lasst euch zu zurechtbringen! – Wer darauf beharrt, Recht zu haben, erstarrt. Solch eine Haltung führt unweigerlich zur Sprachlosigkeit. Schnell hat man sich in eine Sackgasse manövriert, aus der man alleine nicht mehr heraus kommt. Wer sich in einer solchen Lage helfen lässt, ist gut beraten. Das Gespräch wieder suchen und aufnehmen ist der erste Schritt, die festgefahrenen Fronten aufzuweichen. Annäherungen können stattfinden, Einsichten reifen, neue Sichtweisen hervortreten, die das Miteinander wieder fördern.

Drittens: Lasst euch mahnen! – Ratschläge kann man annehmen oder verweigern. Einen Ratschlag als gutgemeint und nicht als bevormundend zu empfinden, schenkt schon Hoffnung. Einen Ratschlag als Aufmunterung und Ermutigung, als Trost und Beistand zu erfahren, kann als wunderbare Motivation verstanden werden. Manchmal sind es ganz unscheinbare Worte, die etwas in uns bewegen, uns auf einen guten Weg bringen. Ein anderes Mal ist es ein hartes Wort, das ehrlich herüberkommt und wohlmeinend trifft. Die Kraft eines Wortes zur positiven Veränderung wollen wir nicht unterschätzen.

Viertens: Habt einerlei Sinn! – Gute Entscheidungen setzen in einer demokratischen Gesellschaft, ob in Staat oder Kirche, in der Gemeinde oder Familie, einen zuvor ausgefochtenen Streit voraus, also einen Prozess der Wahrheitsfindung. Um den richtigen Weg muss man ringen. Gewiss gibt es viele Wege, ein Ziel zu erreichen. Niemand ist im Besitz der alleinigen Wahrheit. In aller Auseinandersetzung das Verbindende über die Gegensätze zu stellen, zeugt vom Evangelium der Liebe und des Friedens. Da ist der eine Herr, die eine Hoffnung, die eine Taufe, ein Gott und Vater über allen. Das verbindet trotz aller Unterschiede und Differenzen.

Fünftens: Haltet Frieden! – Eine gewisse Sensibilität im menschlichen Miteinander erleichtert den Umgang. Es hilft zu spüren, wo der andere Mensch verletzlich ist. Es ist gut zu wissen, wo die Grenze der Belastung erreicht ist. Es ist selbstschützend zu merken, wo eine Situation der Bedrohung eintreten kann, die zu unkontrollierten Reaktionen führt. Der Gott der Liebe und des Friedens, von dem Paulus spricht, offenbart sich in solcher Bedächtigkeit und solchem Feingefühl.

Gottes Möglichkeiten

Zu guter Letzt legt Paulus alles in Gottes Möglichkeiten:
Der heilige Geist ermögliche die Gemeinschaft untereinander, in der die Gnade jederzeit einen Neuanfang geschehen lasse und die Liebe einen friedlichen Umgang miteinander hervorruft. Mit diesem Gruß macht Paulus deutlich, dass alles in Gottes Möglichkeiten liegt. Der Gott der Liebe und des Friedens vermag manches, was wir nicht für möglich gehalten hätten. Geben wir ihm in unserem Leben Raum, besteht die Chance, dass das Leben da weiter geht, wo wir glaubten, es sei am Ende. So hat unsere Gemeinschaft Zukunft – trotz aller Missverständnisse und Verletzungen. Wir können uns wirklich freuen: Wir sind Beschenkte, die aus der Gnade Gottes leben. Das ist das Evangelium, das uns aufrichtet und Mut macht.

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