Augenblicke, die uns stärken
Warten wir noch auf den Messias, auf das Friedensreich?
Predigttext: Matthäus 21,1-9 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
Jesu Einzug in Jerusalem 1 Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus 2 und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir! 3 Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen. 4 Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9): 5 »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.« 6 Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, 7 und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf, und er setzte sich darauf. 8 Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. 9 Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe! (Psalm 118,26)Exegetische und homiletische Vorüberlegungen zum Predigttext
Gegenüber der Perikope bei Mk 11,1-17 gibt es im Matthäusevangelium Änderungen. Besonders auffallend ist das Zitat aus Sacharja 9,9, das Matthäus eingefügt hat. Meiner Meinung nach lohnt es sich, nicht nur den angegebenen zitierten Vers zu lesen, sondern auch den Zusammenhang mit dem nachfolgenden Vers. Sacharja 9,9: Du, Tochter Zion, freue dich sehr und du Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin. (10) Denn ich will die Wagen wegtun aus Ephraim und die Rosse aus Jerusalem und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völker und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde. Auch das Zitat aus Psalm 118, 26 hat einen interessanten Zusammenhang: V.19 Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit, dass ich durch sie einziehe und dem Herrn danke. Das ist das Tor des Herrn, die Gerechten werden dort einziehen. Ich danke dir, dass du mich erhört hast und hast mir geholfen. Der Stein, den die Bauleute verworfen haben ist zum Eckstein geworden. Das ist vom Herrn geschehen und ist ein Wunder vor unseren Augen. Das ist der Tag, den der Herr macht, lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein. O Herr hilf, O, Herr lass wohlgelingen. Gelobt sei der da kommt im Namen des Herrn. Wir segnen euch, die ihr vom Hause des Herrn seid. Der Einzug Jesu nach Jerusalem wird durch diese Zitate in engen Zusammenhang mit dem Anbruch des messianischen Reiches gerückt: Der Gerechte wird einziehen. Er ist arm und reitet auf einem Eselsfüllen. Aber er wird das Friedensreich aufrichten und Waffen und Rüstungen zerbrechen. Gerechtigkeit und Frieden werden herrschen. Aber es ist auch der Verachtete, der Stein, den die Bauleute verworfen hatten, der hier zu dem Stein wird, der alles zusammenhält. Ich gehe davon aus, dass Matthäus, wenn er zitierte, nicht nur die einzelnen Verse bruchstückhaft verwendete, sondern sehr wohl auch deren Zusammenhang bedachte. Sowie vermutlich die ersten Leser oder Hörer des Evangeliums ebenfalls den Hintergrund mithörten. So liefern uns die von Matthäus verwendeten Zitate zwei Hinweise: Einmal hat dieser Einzug messianischen Charakter. Hier schwingt die Hoffnung mit, dass das Reich des Friedens und der Gerechtigkeit mit diesem Messias einzieht. Zweitens rückt die Frage in den Vordergrund, wer eigentlich dieser Messias ist, der da kommt. Allein in diesen wenigen Versen klingt durch die Zitate an: Ein König, ein Gerechter, ein Helfer, einer der umfassenden Frieden bringt und die Waffen zerstört. Aber auch einer, der arm ist, der auf einem Eselsfüllen (nicht auf einem Schlachtross) reitet und der zuerst verworfen, jetzt eine tragende Rolle spielt. Matthäus greift das Zitat aus Psalm 118,22 und 23 im gleichen Kapitel im Gleichnis von den bösen Weingärtnern Mt 21,42) noch einmal auf, in dem deutlich auf den Tod Jesu angespielt wird: Dieser Messias wird also nicht als solcher erkannt werden. Anregend finde ich in diesem Zusammenhang auch die Analyse im EKK (Ulrich Luz, S. 176ff), hier wird Mt 21,1-17 als eine einzige Perikope betrachtet. Damit schließt sich direkt an den Einzug in Jerusalem zunächst die Frage nach der Identität Jesu an: Die Stadt erbebte und fragte: Wer ist dieser? Und das Volk antwortete: „Der Prophet Jesus von Nazareth in Galiläa“. Daraufhin folgt die Austreibung der Händler und Geldwechsler aus dem Tempel und die Heilung von Blinden und Lahmen im Tempel, die Jesus als Sohn Davids akklamieren. Damit haben wir weitere Definitionen, teils vom Volk proklamiert, teils von Geheilten: Er ist der Prophet und der Sohn Davids. Die Beschreibung der Szene macht deutlich, dass Jesus den Tempel als heiligen Ort sieht, der durch Handel entwürdigt wird. Gleichzeitig ist der Tempel für ihn auch ein Ort des Heils und der Heilung. Und damit haben wir hier zwei weitere Schilderungen der Person Jesu: Einmal den zornigen Jesus und einmal den Heilenden, den Menschen Zugewandten. Es ist also ein vielschichtiges Bild, das uns diese Perikope hier von Jesus zeichnet. Daraus ergibt sich für mich die homiletische Entscheidung. Ich möchte in einem ersten Schritt darstellen, welche unterschiedlichen Erwartungen damals mit dem Messias verbunden waren. In einem zweiten Schritt möchte ich der Frage nachgehen, ob wir heute überhaupt messianische Erwartungen haben und wenn ja, wie die aussehen könnten. In einem letzten Schritt möchte ich beleuchten, wie eine angemessene Reaktion bzw. Nachfolge dieses besonderen Messias damals aussah und heute aussehen sein könnte. Dazu gehört sicher der Brückenschlag zur Passionszeit, ist doch das bedrückende Gegenstück zu dieser Geschichte das „Kreuzige ihn“ des Volkes. Lieder: Viele Adventslieder greifen den Einzug Jesu in Jerusalem auf, zB: „Macht hoch die Tür“ (EG 1), „Wie soll ich dich empfangen“ (EG 11, besonders Strophe 2) „Tochter Zion“ (EG 13)Predigt
Liebe Gemeinde!
Grund zum Jubel
Es ist ein schönes, fröhliches und buntes Bild, das uns die Geschichte hier zeichnet. Wir können es richtig vor uns sehen, die jubelnde Menge am Straßenrand, die mit allem winkte, was ihr gerade unterkam. Gründe Wedel, Kleidungsstücke- Freudenschreie und Juchzer konnte man hören und dann kommt Jesus. Langsam auf einem jungen Esel und die Jünger hinter ihm her, strahlend vor Freude über diese Anerkennung und Ehre, die ihrem Lehrer und Meister und damit natürlich auch ihnen hier zuteil wird. Eine Geschichte, die gute Laune macht. Da wären wir auch gerne dabei, dort am Straßenrand. Winkend, voller Freude, dass Jesus in die Hauptstadt einzieht. Und so wie er kommt, wissen wir genau, was das bedeutet: So kommt der Messias. Jetzt bricht das Friedensreich an. Nicht nur in Israel, nein überall. Es wird keine Waffen mehr geben und keine Streitmacht. Endlich wird es gerecht zugehen. Keine Kluft mehr zwischen Armen und Reichen. Zwischen Mächtigen und Ohnmächtigen. So wurde es vorausgesagt und so wird es sich erfüllen.
Am Straßenrand
Aber so unterschiedlich Menschen eben sind und auch damals waren, so unterschiedlich werden sie wohl diese Hoffnungen und Bilder des Friedensreiches gefüllt haben. Da haben wir zum Beispiel Rabbi Nahum. Aus jüdischen Überlieferungen wissen, wir, dass es ihn tatsächlich gab. Er hat ungefähr zur Zeit Jesu gelebt. Als frommen Juden ist für ihn die Herrschaft der Römer ein ständiges Ärgernis. Ständig provozieren sie seine heiligsten Gefühle. Schon die alltäglichsten Dinge werden zur Beleidigung. Nehmen wir nur einmal das römische Geld: Du sollst dir kein Bildnis machen, steht in den 10 Geboten und daran hält sich Rabbi Nahum natürlich. Umso empörender findet er, dass die römischen Kaiser auf diesen Münzen abgebildet sind. Und nicht nur das: In den Inschriften werden sie auch noch als göttlich erhaben bezeichnet. Von Rabbi Nahum wird erzählt, er habe sein Leben lang kein Münzbildnis angesehen. Nach seinem Tod fand man in seinem Haus lauter Münzen von denen die Prägung abgefeilt war- Auf solche Protestaktionen stand zur Zeit Jesu die Todesstrafe. Für Rabbi Nahum war das messianische Friedensreich sicher damit verbunden, dass die Römer aus Israel verschwinden, nicht nur da, sondern überall: Sodass endlich Gottes Wille weltweit eingehalten wird. Keine Truppen mehr im Land, keine Waffen und Streitwagen und vor allem keine Kaiser, die sich selbst für Götter halten.
Existenzangst
Sehen wir uns um, wer steht noch da? Hier ist Susanna, eine Witwe. Sie hat keine Kinder und das ist nicht nur traurig weil sie einsam ist, es ist eine existentielle Katastrophe. Susanna hat nämlich niemand, der sie im Alter unterstützen wird. Es gibt keine Witwenrente. Sie darf nach der Ernte aufs Feld. Dort lässt man immer ein paar Ähren liegen für Leute wie sie, die kann sie sich dann holen. Aber außer ihr sind eben noch viele andere da, die auch darauf angewiesen sind. Ab und zu kann sie auch mal einen Tag lang arbeiten. Wenn sie Arbeit findet, die sie noch tun kann. Aber Arbeit gibt es nicht immer, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Seitdem es immer mehr Sklaven gibt, hat man genug billige Arbeiter. Susanna lebt von einem Tag auf den anderen. Sie kann nie sicher sein, dass sie morgen auch etwas zu essen hat.
Was sich Susanna vom Reich Gottes erhofft? Nicht mehr hungern zu müssen. Genug zum Leben zu haben, einmal aus dem Vollen schöpfen zu können. Sie hat gehört, wie Jesus von großen Festen geredet hat, wenn er vom Reich Gottes sprach. Sie hat auch gehört, dass er 5 Brote und 2 Fische austeilte und davon wurden dann 5000 Menschen satt. Wasser soll er sogar in Wein verwandelt haben. Hosianna, schreit Susanna und winkt mit einem Zweig- Endlich wird meine Not ein Ende haben.
Der Blinde
Und da ist noch Micha. Er ist seit seiner Geburt blind. Er weiß nicht genau, wie er hierher geraten ist. Irgendjemand hat ihn vom Straßenrand hochgezerrt und ihn hinter sich her gezogen. Micha macht das Gedränge Angst. Er kann sich schlecht orientieren, es ist so ein Geschrei hier und ein Stimmengewirr. Überhaupt mag Micha Menschen nicht besonders. Er ist vorsichtig geworden, misstrauisch, sagen die Anderen. Aber er sitzt schon zu lange am Straßenrand mit seiner Bettelschale vor sich. Nie wissend, ob er genug Münzen bekommt, dass es für ein Brot reicht. Manchmal bekommt er auch einen Tritt, hau ab, sagen sie. Und er weiß, dass gemunkelt wird, dass seine Mutter oder sein Vater wohl keine besonders frommen Juden waren. Sicher ist seine Blindheit eine Strafe Gottes, sagen sie. Das macht ihn wütend. Seine Zukunft? Am Straßenrand sitzen.
Micha weiß nicht, was er von dem ganzen Aufruhr halten soll. Messias? Reich Gottes? Er weiß, dass geschrieben steht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt. Er weiß auch, dass da einer durchs Land zieht, der Menschen geheilt hat. Aber man hört viel den lieben langen Tag. Reich Gottes? Ich kann nichts davon sehen.
Und wir heute?
Und so könnten wir sicher noch ganz viele Menschen kennen lernen. So verschieden ihre Lebensgeschichten waren, so unterschiedlich sahen auch ihre Hoffnungen und ihre Vorstellungen vom Reich Gottes aus. Und wenn wir dastünden? Was würden wir uns erhoffen? Würden wir uns überhaupt etwas erhoffen?
Da ist Matthias, ein Schüler aus der 13. Klasse im Dietrich Bonhoeffer Gymnasium. Ich habe ihn natürlich erfunden, so wie ich ihn beschreibe, gibt es ihn nicht. Wenn man ihn fragt, was er unter dem Reich Gottes versteht, dann schaut er erst einmal ratlos. Der Begriff sagt ihm nichts. Er hat gut aufgepasst im Reli-unterricht und auch im Konfirmandenunterricht, daran liegt es nicht. Aber er findet nicht, dass das Reich Gottes ein zentraler Glaubensinhalt ist. Höchstens, na ja vielleicht nach dem Tod, wenn man seine Sünden bereut hat, dann kommt man doch in das Reich Gottes, oder? Für Matthias ist das Reich Gottes sehr individuell und sehr jenseitig. Es hilft, daran zu glauben. Dann hat man vielleicht etwas weniger Angst vor dem Tod, aber bis dahin ist es hoffentlich noch weit.
Und da ist noch Elvira: Sie ist fassungslos. Sie und ihr Mann hatten ihre Altersversorgung mit Hilfe von Aktienfonds geplant. Man hat sie ausführlich beraten. Nein, besonders riskant sei die Anlage nicht und auf lange Sicht sehr lukrativ. Man erwarte hohe Rendite, gerade von diesen Fonds. Jetzt ist das Geld weg und damit ihre Altersversorgung. Das Reich Gottes? Das Reich der Gerechtigkeit? O ja, Elvira könnte sich schon etwas darunter vorstellen: Gerechtigkeit, die wäre dringend notwendig, sagt sie: Wieso tragen mein Mann und ich unser Anlagerisiko ganz alleine, während die Manager und Anlageberater keine Verantwortung für ihre Fehlplanungen übernehmen müssen? Uns Kleinanlegern hilft niemand aus der Patsche. Wenn da mal jemand käme und dieser Gier nach immer mehr Rendite einmal den Riegel vorschieben würde… Wenn da jemand rechtzeitig kontrollieren würde, das wäre gerecht.
Ein Friedensreich? Ja, darunter könnte ich mir schon etwas vorstellen, sagt Uwe. Er ist Bundeswehrsoldat und hat eine Frau und zwei kleine Mädchen. Ende Dezember muss er wieder für 3 Monate nach Afghanistan. Vom Einsatz im Kriegsgebiet spricht man nicht gerne, sagt er. Offiziell sollen sie bei der Stabilisierung des Landes helfen. Aber es ist Krieg, was wir da erleben. Immer die Angst vor dem nächsten Anschlag im Nacken. Ob wir da etwas zum Frieden beitragen können? Das ist sehr fraglich. So könnten wir viele befragen: Was erhoffen sich die Menschen im Kongo? Tragen die Erwartungen, die wir mit der Präsidentschaft von Barack Obama verbinden, messianische Züge? Yes we can change? Unsere Hoffnung ist noch die Gleiche wie vor 2000 Jahren. Wir hoffen auf Frieden, weltweit. Und wie die Menschen damals sind wir fassungslos über die Auswirkungen der Kriege- So viel Leid, so viele traumatisierte Menschen, so viel Elend.
Bleiben
Wir wünschen uns heute wie damals Gerechtigkeit. In unserem Land, aber noch viel mehr weltweit. Wir sehen, wie die Schere zwischen Arm und Reich immer mehr auseinander klafft. Und seit der Finanzkrise ist es uns sehr deutlich geworden, dass das nicht länger gut gehen kann. Wir wünschen uns, dass es übergeordnete Werte und Richtlinien gibt. Nicht die Frage nach der Rendite oder dem Profit soll der entscheidende Maßstab sein. Menschenrechte sollen eingehalten werden, Nächstenliebe und Solidarität sollen bei Entscheidungen eine Rolle spielen. Gebt dem Kaiser was dem Kaiser gehört und Gott, was Gott gehört. Es ist gut wenn wir da klar trennen: Geld ist das eine, aber Gott ist Gott. Vermutlich hätten wir es wie Rabbi Nahum sehr begrüßt, dass Jesus gleich nach seinem Einzug in Jerusalem in den Tempel ging, um die Geldwechsler und Händler aus dem Tempel zu jagen. Das Heilige soll bewahrt bleiben. Auch wenn die Geldwechsler eigentlich genau dazu da waren, die römischen, anstößigen Münzen gegen Tempelgeld einzutauschen. Wenn auch dieses Bemühen um die Achtung vor dem Heiligen schon wieder zum Geschäft wird, zeigt das auch die Schieflage dieses Systems. Rabbi Nahum war sicher zufrieden mit diesem Messias.
Wie ging es Susanna? Wie würde es Elvira gehen? Susanna war enttäuscht. Sie wurde nicht satt dadurch, dass Jesus in Jerusalem einzog. Ihre Lage hat sich nicht verbessert. Und auch für Elvira würde sich in Bezug auf ihre Altersversorgung wenig ändern. Micha hatte Glück: Er war zufällig im Tempel als Jesus sich dort aufhielt. Er war einer der Blinden, die geheilt wurden. Für ihn persönlich änderte sich alles. Er sah wieder eine Zukunft für sich. Er konnte sein Leben in die eigene Hand nehmen, arbeiten, sein Brot verdienen. Jetzt ruft er “Hosianna, dem Sohn Davids“. Für ihn ist Jesus der Messias weil er sein Leben heil macht.
Wir wissen, wie es weiterging. Am Ende stand das Volk da und schrie: „Kreuzige ihn“. Warum? Waren sie enttäuscht, dass Jesus ihre Hoffnungen nicht erfüllt hat? Dass das Friedensreich nun doch nicht kam? Waren die Zeichen zu spärlich gewesen? Und wir heute? Warten wir noch auf den Messias, auf das Friedensreich? Oder haben wir unsre Hoffnung schon wie Matthias auf das Jenseits verlagert? Was wäre für uns die angemessene Reaktion auf diesen Messias Jesus? Ich meine, seine Jüngerinnen haben es uns vorgemacht. Sie blieben bei ihm bis zuletzt. Ihre Solidarität mit diesem Jesus war größer als ihre Enttäuschung über ihn. Und so standen sie unter dem Kreuz und haben miterlebt, dass dieser Messias das Leid nicht einfach beseitigt, sondern mitträgt.
Hoffnung
Damals wie heute ist es ein Wunder, dass das Leid und der Tod nicht das letzte Wort hatten. Die Jüngerinnen und Jünger haben diesen Messias Jesus als Lebenden erfahren. Und so starb auch die Hoffnung auf das Reich Gottes nicht. Sie ging weiter und sie geht weiter bis heute. Immer wieder hat sie Menschen in Bewegung gesetzt, die sich für Gerechtigkeit und Frieden eingesetzt haben. Viele haben, obwohl sie persönlich vielleicht an diesem Traum gescheitert sind, Großes bewirkt. Wie zum Beispiel Martin Luther King, der vor 45 Jahren seine berühmte Rede gehalten hat. „Ich habe einen Traum“, sagte er damals, „einen Traum, dass meine 4 kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben, in der sie nicht nach ihrer Hautfarbe sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden“. M. Luther King war Pfarrer und er begründete seinen Traum damals mit den messianischen Hoffnungen der Propheten. Heute hat die USA einen schwarzen Präsidenten. Damit bricht sicher noch keine Heilszeit an, aber es ist ein großer Schritt zu mehr Gerechtigkeit.
Warten
Das Friedensreich, das Reich der Gerechtigkeit, darauf warten wir noch heute. Es kommt darauf an, wie wir warten: Die Hoffnung auf das Reich Gottes ändert unsere Sicht der Dinge: Manches sehen wir schärfer. Wir reagieren dann empfindlicher gegenüber Ungerechtigkeit und wir wollen Kriege und Gewalt nicht tolerieren. Das ist gut so. Denn diese Empfindlichkeit bewahrt uns davor abzustumpfen, uns zu verschließen und dann nur noch nach uns selbst zu sehen.
Manchmal, in den guten und heilen Momenten unseres Lebens, geschieht es aber, dass uns die Augen aufgehen und wir noch einmal genauer sehen: Dann sehen wir die Anfänge dieses Friedensreiches. Kleine Schritte vielleicht, hin zur Versöhnung, zur Gerechtigkeit. Aber das sind die Augenblicke, die uns stärken, damit wir uns aufrappeln und Gott entgegengehen, wenn er kommt. Dann stimmen wir ein in den Jubel der Blinden und Lahmen: Hosianna dem Sohn Davids. Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn.
Amen