Mit Hoffnung das Leben gestalten
Was in die Brüche geht, führt nicht zum vernichtenden Ende, sondern zu einem lebendigen Neuanfang
Predigtttext: Lukas 21,25-33 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
25 Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, 26 und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. 27 Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. 28 Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. 29 Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: 30 wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wißt ihr selber, daß jetzt der Sommer nahe ist. 31 So auch ihr: wenn ihr seht, daß dies alles geschieht, so wißt, daß das Reich Gottes nahe ist. 32 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. 33 Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht.Vorbemerkungen zum Predigttext
Ein apokalyptischer Text. Ein hartes Brot für eine Predigt im 21. Jahrhundert. Es lassen sich immer genug „Zeichen der Zeit“ finden, die den Weltuntergang als Menetekel an die Wand projiziert erkennen. Die Botschaft der Pessimisten findet leichter Glauben als das Wort der Optimisten. Doch die Welt ist zur Zeit des Lukas nicht besser oder schlechter, dem Weltuntergang nicht näher oder ferner gewesen als die heutige. Mit einem feinen Unterschied: Wir müssen nicht mehr auf Gott warten, dass er diese Welt zerstöre. Wir können es mittlerweile selbst. Der auf einer Wolke kommende Christus ist ein schönes Bild, aber passt nicht mehr in unser wissenschaftlich geprägtes Weltbild. Das Kommen Jesu in Macht und Herrlichkeit ist dem „Geschlecht“ der Lukasleser/innen nicht widerfahren. Noch immer steht dieses apokalyptische Ereignis aus. Wir können weder darauf warten noch damit rechnen. Uns bleiben die Worte Jesu, die einen vergehenden Himmel (Ideologien jeglicher Art) und eine sterbende Erde (Lieblosigkeiten, Menschenverachtung, ökologische Unachtsamkeit) überdauern werden. Das Bild vom Feigenbaum, das Jesus malt, ist ein optimistisches Bild, das vom kommenden Sommer spricht. Die Betonung liegt auf dem Ausschlagen und Erblühen des Neuen. Was in die Brüche geht, führt nicht zum vernichtenden Ende, sondern zu einem lebendigen Neuanfang. Mit solch einer Sicht der Dinge sind wir ermutigt, dem Reich Gottes schon jetzt Ausdruck zu verleihen. Wir warten im Advent – auf die Geburt des Christuskindes, auf Gottes Menschwerdung in aller Bescheidenheit. Dieses Kind ist eine Provokation unserer Liebesfähigkeit. Wir können das Kind im Stall zu Bethlehem als göttliche Konfrontationstherapie erkennen, die uns herausfordert, Gott in unserer Umgebung menschlich werden zu lassen.Predigt
Bild einer guten Zukunft
Was haben Advent und unser Predigttext gemeinsam? Sie sprechen beide von dem kommenden Christus. Christus ist im Kommen begriffen. Christus ist auf dem Weg. Das tröstet die, die mit schlimmeren Dinge rechnen, die kommen können. Das gibt denen Kraft, die mutlos geworden sind ob all der schlechten Nachrichten unserer Zeit. Das gibt denen neue Zuversicht, die es schon verlernt haben, mit Hoffnung ihr Leben zu gestalten. Der Blick auf den Kommenden ist ein Blick nach oben. Ein Blick zum Himmel. Ein Blick über Irdisches, Bedrängendes, Beängstigendes hinaus. Ein Blick auf eine neue Wirklichkeit, die sich nicht aus unserer Erfahrung erschließen lässt. Aber das will der Advent uns sagen: Wir warten auf den, der all unsere Erfahrung übertrifft. Der uns stark macht, unsere Ängste zu überwinden. Der uns das Bild einer guten Zukunft einprägt, mit dem wir schon jetzt unsere Gegenwart gestalten und verändern können. Das Bild vom Reich Gottes, in dem Frieden und Gerechtigkeit wohnen, mag uns ermutigen, miteinander liebevoll und achtsam umzugehen. Inmitten einer sich ständig verändernden und stets gefährdeten Welt.
Verunsicherung
Nach der weltweiten Finanzkrise wird nun von allen Seiten eine Rezession, eine Wirtschaftkrise heraufbeschworen. Die Zeichen der Zeit stehen in der Wirtschaft auf Sturm. Der Autoindustrie geht es verdammt schlecht. Der Absatz ist rasant eingebrochen. Viele Zuliefererbetriebe reißt das mit in die Tiefe. Weil überall von “schlechten Zeiten” gesprochen wird, sind die Konsumenten verunsichert. Soll man für die “schlechten Zeiten” sparen, um noch etwas auf der hohen Kante zu haben, wenn der eigene Arbeitsplatz in Gefahr gerät? Oder soll man gerade jetzt gegen alle Unkenrufe kaufen und damit die Wirtschaft ankurbeln? In den politischen Kreisen streitet man über Konjunktur- Programme. Hier drängt die gleiche Frage: Soll der Staat nun das Geld zusammenhalten oder zusätzliche Ausgaben tätigen, um die „kranke“ Wirtschaft zu stützen?! Obgleich man aus der Vergangenheit gelernt haben müsste, dass solche Programme eher verpuffen als nützen. Sie können die Eigendynamik einer weltweit verzahnten schwächelnden Wirtschaft kaum nachhaltig positiv beeinflussen. Sie erscheinen allenfalls als kosmetische Maßnahmen, die zur Beruhigung des Volkes beitragen sollen. Wie wir sehen, wird die nahe Zukunft zur Zeit recht düster gemalt. Das schürt Ängste in der Bevölkerung. Das verunsichert und hat eine düstere Stimmung zur Folge. Von wem kann man sich Hilfe erwarten? Wer weiß, wodurch es wieder besser werden kann? Wer kennt das richtige Rezept, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen? Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die zunehmende Klimaerwärmung, die zu weltweiten Veränderungen führen wird. An vielen Orten schmilzt das Eis. Zwangsläufig wird dadurch der Meeresspiegel steigen. Umsiedelungen werden notwendig, wenn küstennahe Regionen unter Wasser geraten. Wir kennen Erdbeben und Vulkanausbrüche, die immer wieder auftreten und schlimme Folgen nach sich ziehen. Wir erinnern uns an den Tsunami an Weinachten vor vier Jahren an der Küste Thailands und seine vernichtenden Auswirkungen. Für die nächsten Jahre und Jahrzehnte ist die Verknappung der Ölreserven und des Süßwassers abzusehen. Welche Konflikte und Kriege sich daraus ergeben, ist noch längst nicht abzusehen. Aber all dies ist nichts Neues unter der Sonne.
Aufblick
Schon zur Zeit als Lukas sein Evangelium geschrieben hat, gab es Angst und Ratlosigkeit unter den Menschen angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen und Katastrophen, die sich in der Umgebung seiner Leser ereigneten. Gewiss wird es Stimmen gegeben haben, die sagten. “Wo führt das noch hin?” oder “So kann es doch nicht weiter gehen!” oder “Das ist der Anfang vom Ende!” Den Pessimisten wird es auch damals gelungen sein, ihre Ängste zu verbreiten und andere damit anzustecken. Wenn Lukas Jesus in den Mund legt: “Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dass es alles geschehe”, dann war das maßlos übertrieben. Vielleicht wollte Lukas damit nur deutlich machen, dass all die Ängste, die sich aus der Erfahrung ergeben, niemanden umbringen müssen. Dass all die Ängste da ihre Macht und Wirkung verlieren, wo man über sie hinweg schaut. Wo man aufblickt und dabei den erblickt, der zu seinen Lebzeiten Wind und Wellen Einhalt geboten hat. Den, dessen Worte dann ihre Kraft entfalten.
Wenn Lukas Jesus vom “Brausen und Wogen des Meeres” reden lässt, ist das ein starkes Bild für die Angst, die Menschen angesichts der bedrückenden Geschehnisse ergreift. Angst kann die Seele überspülen wie die Wogen des Meeres und die Luft zum Atmen nehmen. Angst lähmt und macht handlungsunfähig angesichts der Herausforderungen, die die Probleme unserer Zeit darstellen. Dagegen setzt Jesus das Bild vom Feigenbaum:
“Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass jetzt der Sommer nahe ist. So auch ihr, wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist.” Jesus lenkt unseren Blick weg von den Ereignissen, die wir als bedrängend und bedrückend empfinden. Aber auch weg von den Folgen, die wir für schlimm erachten. ‚Nein, das ist nicht das Ende. Keine Angst, darin zeigt sich der Anfang von etwas Neuem. Hinter dem Horizont geht es weiter – besser, als ihr euch wie auch immer vorstellen könnt.’ In der Krise zeigt sich das Angstüberwindende. In der Krise keimt das Neue. Je schlimmer die Zeichen der Zeit, desto näher ist das Reich Gottes. Je größer die Ängste, desto stärker die Hoffnung. Je mehr Rücksichtslosigkeit, desto umfassender Frieden und Gerechtigkeit. Das, was kommt, ist nicht das Ende, sondern etwas ganz Neues und Großartiges. Dafür lohnt es sich hier und jetzt einzutreten. Schauen wir mitten im Winter auf den Sommer, der kommen wird. Schauen wir auf die knospenden Bäume, die blühende Hoffnung, die wohl duftende Zuversicht und die guten Früchte, die ein Sommer mit sich bringt.
Aufblühen
Wir werden Jesus kaum auf einer Wolke daherkommen sehen. Aber in seinen Worten, die nicht vergehen werden, kommt er auf uns zu. Worte, die uns trösten in schwierigen Zeiten. Worte, die uns aufrichten und stark machen angesichts der Stürme um uns herum. Worte, die uns Hoffnung und Zukunft geben trotz aller Ungewissheiten und Gefahren dieser Tage. Weil wir wissen, dass der Sommer kommen wird, spüren wir innerlich schon die Wärme. Der Himmel öffnet sich in uns. Wir blühen auf. Das zeigt sich, wo wir friedlich miteinander umgehen. Wo wir einander Respekt und Achtung entgegenbringen. Wo wir lieben und verzeihen. In der Tat: Da ist Christus im Kommen. So unscheinbar wie in der heiligen Nacht – als neugeborenes Menschenkind, vor dem unsere Angst schwindet und unsere Liebesfähigkeit erblüht.