Neue tragfähige Brücke
Gerade für die, die sonst eher schlecht als recht durchs Leben kommen, bringt die Geburt Jesu Gutes
Predigttext: Lukas 2, 1-20 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
1 Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. 2 Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. 3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. 4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, 5 damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. 6 Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. 7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. 8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9 Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. 12 Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. 13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. 15 Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. 16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. 17 Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. 18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. 19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. 20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war. Homiletische Leitgedanken (1.) und Predigtgedanken (2.) 1. Der Kasus „Heiliger Abend“ ist jedes Jahr neu eine Herausforderung für mich als Prediger. Das liegt einmal daran, dass die Texte dieses Tages (allen voran dieser Predigttext) nur scheinbar bekannt sind. In der Wahrnehmung der Gottesdienstteilnehmer/innen sind die Inhalte der Matthäus – und der Lukasversion der Weihnachtsgeschichte nur gemischt mit traditionellen Elementen der Weihnachtszeit vorhanden. Alles ist scheinbar bekannt. Exegetisches Vorwissen ist trotz der Bemühungen vieler Generationen von Predigerinnen und Predigern nur rudimentär vorhanden. Zum anderen ist gerade in den späteren Gottesdiensten dieses Tages ein Publikum versammelt, das begierig auf „neue“, tröstende und in die Zukunft weisende Aspekte der Weihnachtsbotschaft ist. Jede Form der Kritik an eigenen Weihnachtsbräuchen, ja jede Anfrage an die eigenen Sichtweisen wird an diesem Abend nur schwer weiter als bis in die Gehörgänge gelangen. Weihnachten ist ein emotional aufgeladenes Fest, d.h. die eigene Verletzlichkeit ist hoch. Dies gilt umso mehr, als die erwachsenen Gottesdienstteilnehmer/innen in der Regel schon wissen, dass nicht alle Wünsche für die Weihnachtstage in Erfüllung gehen werden. Im wahrsten Sinne ist bei einigen eine „wohlige Völle“ vorhanden, Sehnsucht nach heiler Welt bei anderen und bei manchen auch schon ein Stück Ernüchterung und Schmerz, wenn die Kirchentür durchschritten wird. Der „Heilige Abend“ ist mit Zeichen und Symbolen reichlich ausgestattet, ja überladen und doch bieten gerade Zeichen(Zeichenhandlungen) und Symbole eine Möglichkeit die Botschaft des Predigttextes zu transportieren. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, überraschende Zeichen und Symbole an diesem besonderen Tag zu präsentieren. Ich tue dies 2008, indem ich jedem/jeder Gottesdienstteilnehmer/in ein kleines Geschenk mit auf den Weg gebe - in diesem Jahr eine kleine Batterie (Größe AAA) mit einem Silberdraht umwickelt und zum Anhängen an den Tannenbaum geeignet. Dies sichert Aufmerksamkeit und bietet einen möglichen Schlüssel, sich der „altbekannten“ Weihnachtsbotschaft neu zu nähern. Ich verzichte auf Experimente mit neuem Liedgut und wähle in der Gemeinde bekannte Lieder aus, die meinem gewählten Zielpunkt entsprechen. Ich orientiere mich bei der Auswahl nicht an den Texten der Lieder dem Buchstaben nach, sondern an dem darüber liegenden Inhalt aus Emotion und erlebter Tradition. Darum darf „O du fröhliche ...“ (EG 44) genauso dazu gehören wie der „...holde Knabe im lockigen Haar...“ (EG 46) . Um die Atmosphäre des 24.12. zu stützen, werden bei uns die Lichter in der Kirche während der Predigt und der Lesungen gelöscht, so dass nur der Tannenbaum und natürlich der Altar durch Kerzen beleuchtet sind. Der Predigttext wird im Gottesdienst in drei Abschnitten(I = Vers 1-6; II = Vers 7 – 12; III = Vers 13-20) gelesen. Die kleineren Hörportionen (unterbrochen von Musikstücken) bieten eine Chance die bekannten Worte wirklich zu hören. 2. Predigtgedanken: Ich wähle aus dem reichhaltigen Angebot an Anknüpfungspunkten des Textes folgende aus: 1. Lukas betont die menschlich, allzu menschlichen Seiten der Geburt Jesu. 2. Gott baut mit dieser Geburt eine Brücke zu den Menschen in unserer konkreten Lebenssituation. Diese Brücke geht eben auch zu denen, die sonst nicht im Rampenlicht stehen. 3. Theologisch betrachtet bleibt von der Geburt Christi nicht viel mehr als das Faktum des „Gekommenseins in diese Welt“. 4. Ich konkretisiere diesen Punkt, indem ich sage: Mit den Ereignissen im Stall hat Gott uns einen „direkten Draht zum bzw. vom Himmel“ geschenkt. Und der wirkt bis heute in mein Leben hinein. Gott bleibt nicht allein der ferne, allmächtige Gott, sondern macht sich für mich auch so klein, dass ich mit ihm und durch ihn mein Leben auftanken, aufrichten, fit für die Zukunft halten kann.Predigt
Liebe Gemeinde!
Unvergleichbarer Tag
Der 24. Dezember ist kein Tag wie jeder andere. Seit unserer Kindheit konnten wir alle jedes Jahr neu erleben, wie die Atmosphäre dieses Tages mit keinem anderen im Jahr vergleichbar ist. Gut, dass es so ist, denn es ist ein Festtag, der uns Menschen entspricht, weil wir im guten Sinne Mensch sein können. Wir können ganz Mensch sein an dem Fest, an dem Gott Mensch wurde und uns beschenkt hat.
Nachspüren, hinhören
Ich hoffe, sie haben diesen „Heiligen Abend“ bisher so verbringen können, dass für Sie Menschlichkeit, echte Zuneigung und Freude im Herzen zu spüren sind. Andererseits: Wenn Sie das Gefühl haben, der Tag ist noch nicht wirklich rund für mich, dann nutzen Sie diesen Gottesdienst für sich und spüren Sie dem nach, was wir heute gemeinsam feiern, nämlich: Gott schenkt uns einen direkten Draht zum Himmel, damit unser Leben mit neuer Energie rund laufen kann, egal was sonst dagegen spricht.
Gerade ist uns die Weihnachtsgeschichte nach Lukas vorgelesen worden. Dieser Text ist heute der Predigttext. Es ist sicher einer der bekanntesten Texte der Bibel und doch lohnt es sich jedes Jahr neu hinzuhören und Einzelheiten wieder neu zu entdecken. Ich fasse ihn kurz zusammen:
Es geht los mit den ganz weltlichen Dingen des Lebens, Steuerschätzung, politische Unsicherheiten, eine anstrengende Reise und Stress zur falschen Zeit, denn Maria ist schwanger. Dann schildert Lukas wirtschaftliche und soziale Not, Geld für eine Nobelherberge ist nicht da, kein Palast wird geöffnet für Gottes Sohn. Das soziale Netz ist dünn und nur ein Stall steht zur Verfügung. Die Zuwendung anderer Menschen ist nicht zu sehen, Lukas kennt die drei Weisen mit ihren Geschenken nicht. Die Hirten kommen erst nach der Geburt. Die kleine Familie ist scheinbar allein mit ihren Problemen und ihren Hoffnungen. Und dann wird in einem ganz schlichten Satz gesagt, was die Welt verändert: „Sie (Maria) gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine (Futter)Krippe“. Danach wird alles anders: Himmlische Wesen, wir nennen sie Engel, treten auf, deuten diese ganz menschliche Geburtsgeschichte. Lukas schreibt von der „Klarheit des Herrn“, die nach dieser Geburt alles überstrahlt. Es ist ein Bild dafür, dass Gott mit dieser Geburt eine neue, tragfähige Brücke in diese Welt geschlagen hat.
Um zu zeigen, wie weit dies Ereignis die Welt verändert, treten die Randfiguren der damaligen Zeit, die Hirten, in den Mittelpunkt. Lukas macht klar: Auch für die, nein, gerade für die, die sonst eher schlecht als recht durchs Leben kommen, bringt diese Geburt Gutes. Über alle sonst gültigen Regeln der Welt hinweg werden diese Menschen zuerst beschenkt. Mit dem, was die Hirten erleben macht Lukas deutlich: Das, was als Geschenk hinter dieser Geburt steht, das kommt an bei den Menschen und zeigt dauerhaft Wirkung. Das Leben der Hirten wird verändert. Lukas schreibt: Sie gingen zurück in ihren Alltag, aber sie berichteten von dem Ereignis, lobten Gott für alles, was sie aufgenommen hatten. Sie sind angefüllt mit einer besonderen Art von Energie, die Leben neu ermöglicht.
Neue Energie, neue Sichtweisen für das Leben
Ich habe Ihnen am Eingang ein Geschenk verteilen lassen, und Sie haben sich sicher gewundert, was dass denn soll. Nehmen Sie dies kleine Weihnachtsgeschenk doch bitte einmal zur Hand. Sie haben dort eine Batterie in der Hand und zwar eine, die Sie, so wie sie ist, auch verwenden können. Sie ist nämlich geladen und kann ihre Energie an ganz verschiedenen Stellen abgeben. Für mich ist eine solche Batterie ein mögliches Weihnachtssymbol für das, was Lukas uns von der Ersten Heiligen Nacht berichtet. Alles, was die Hirten als erste mit dem Säugling Jesus erlebt haben, was aber auch später die Menschen mit dem erwachsenen Jesus erlebt haben ist: Menschen haben neue Kraft, neue Energie, neue Sichtweisen für ihr Leben geschenkt bekommen. So als ob die inneren Batterien neu aufgeladen wurden und deshalb Leben besser gelingen konnte. Das gilt für die Hirten in der Weihnachtsgeschichte. Das gilt wo Jesus Menschen hilft, wo er zeigt wie wir in guter Weise zusammen leben sollen und selbst da, wo er mit menschlichen Fehlern aufräumt und Widerstand leistet. Das gilt bis zu dem hin, was wir Christen Vergebung nennen, denn das meint ja eine neue Lebenschance, Lebensenergie zu bekommen, auch wenn wir sie nicht verdient haben. Vergebung kann sich keiner kaufen, sie wird immer nur geschenkt. Christus und Weihnachten sei Dank. Das gilt bis hin zu den Jüngern und Freunden Jesu, die nach seiner Auferstehung gestärkt in die Zukunft gehen. Der Ausgangspunkt für all das ist, dass damals im Stall von Bethlehem Gott auf diese ganz und gar menschliche Weise geboren wurde.
Mit fleißigen Helfern habe ich um die Batterie herum noch einen Silberdraht angebracht. Den können Sie einfach nutzen, um die Batterie an den Tannenbaum zu hängen. Aber ich habe gerade den Silberdraht auch benutzt, weil Silber ein hervorragender Leiter für Energie ist. Ein Zeichen dafür, dass da bis heute etwas an Energie auf diese wundersame Weise zu uns fließt. Die Batterie als Symbol für die Energie, die wir tagtäglich von Gott geschenkt bekommen und der Silberdraht als Ergänzung dafür, dass wir seit der 1. Heiligen Nacht einen ganz engen, direkten Draht zum Himmel haben. Denn Gott ist uns nahe gekommen und wurde Mensch.
Weihnachtserfahrungen
Liebe Gemeinde, Ihre ganz persönlichen Ereignisse, die Sie mit Weihnachten verbinden, gehen nur Sie etwas an. Aber ich bin sicher, wenn Sie überlegen, dann werden Sie Punkte finden, wo Weihnachten für sie Gestalt gewonnen hat. Mir sind einige Punkte bewusst geworden, wo in meiner Wahrnehmung dies Fest wirkt, als ich diese Predigt vorbereitet habe: Ich denke z.B. an die Finanzkrise, deren Folgen noch keiner wirklich abschätzen an, die uns aber Sorgen macht. Die „Wirtschaftsweisen“ überbieten sich in Negativprognosen, so wie sie bis kurz vor dem Crash von zweistelligen Gewinnprognosen berichtet haben. Ich will mich daran nicht beteiligen. Für mich ist Dank dieser Geburt im Stall aber klar: Ich muss bestimmte Dinge zwar nehmen wie sie kommen, aber dieser Christus, der das Leben der Menschen kennt, wird da sein und mir Kraft geben, auch in Wirtschaftskrisen zu erfahren, dass Leben gelingen kann – Leben ist mehr als wirtschaftlicher Profit.
Beispiele
Der Vorstand einer unserer lokalen Sparkassen hat die Ursachen dieser Krise auf einen ganz einfachen Nenner gebracht: Dummheit und fehlende Ethik. Dummheit, weil nur auf Gewinne geschaut wurde, ohne die Risiken sehen zu wollen, und fehlende Ethik, weil lange klar war, solche Gewinne können so nur auf Kosten anderer fließen, bis das Ganze platzt. – Dieser Säugling im ärmlichen Stall, dieser Mensch, der Werte wie Nächstenliebe in uns festsetzen will; wird gebraucht und ist da mit seiner Energie, wo wir nicht einfach alles mitmachen, sondern auf das Menschliche, seine ganz einfache Ethik, achten.
Ich war im Berufsbildungswerk Cadenberge-Stade auf der Weihnachtsfeier, die unsere 96 Auszubildenden mit ihren Meistern und Sozialpädagogen organisiert haben. Fast alle waren irgendwo beteiligt. Drei Stunden mit Sketchen, Liedern, Tänzen und sogar akrobatischen Vorführungen und ein gutes Essen unserer Köche. Am Ende sagte einer der Azubis im 1. Lehrjahr ein vorformuliertes Danke in Richtung Ausbilder und Betrieb, dass er nach vielem Scheitern die Chance zu seiner Ausbildung zum Maler erhalten hat. Er legte seinen Spickzettel weg und sagte: „So ist es eins meiner schönsten Weihnachtsfeste! Gott sei Dank!“ Für mich zeigte das deutlich, dass das Ereignis von Weihnachten nicht vorbei ist, sondern dass da, wo Menschen den kurzen Draht zu Gott nutzen und seine Energie tanken, Gutes entstehen kann. Gerade junge Menschen, die mal falsch abgebogen sind im Leben, verdienen es, dass andere ihnen eine weitere Chance geben. Manche werden trotzdem scheitern, aber viele ergreifen solche Chancen, wenn sie ernst gemeint sind.
Erinnerungspunkt
Liebe Menschen in dieser heiligen Nacht. Ich freue mich, wenn Sie die kleine Batterie mit dem Silberdraht mit nach Hause nehmen. Ich hänge meine erst einmal als Erinnerungspunkt in unseren Weihnachtsbaum. Ich kenne mich nämlich – ich vergesse im Alltag allzu schnell, dass Weihnachten bis in meinen Alltag 2008 und 2009 hinein wirkt. Wer morgen oder übermorgen sagt: Nun ist Weihnachten schon bald wieder vorbei, der irrt. Ich lebe von Gottes Energie, sie tut mir gut, sie schadet nicht, weil dieser Gott Mensch war und darum weiß, was ich vertrage und brauche. Ich wünsche Ihnen, dass sie gerade Weihnachten etwas von dieser Energie Gottes tanken können. Sie wird ihnen gut tun und sie fähig machen, die Zukunft anzugehen. Wie bei der Batterie allerdings auch gilt: Erst wenn sie verwendet wird, ist sie hilfreich. Die gut geladene Batterie im Schrank nützt gar nichts. In diesem Sinne: Ein gesegnetes energiereiches Weihnachtsfest.
Amen.